Protocol of the Session on December 8, 2016

Die SPD-Fraktion hat darüber hinaus bereits jetzt eine Dritte Lesung beantragt und zu den Artikeln, die in Zweiter Lesung geändert wurden, erneut eine Einzelberatung und Einzelabstimmung beantragt. Die Gesamtredezeit der Fraktionen für die allgemeine Aussprache zur Dritten Lesung beträgt 24 Minuten. Die

Gesamtredezeit für jeden einzeln zu beratenden Artikel beträgt wie bei der Zweiten Lesung ebenfalls 24 Minuten. Die Staatsregierung kann darüber hinaus auch jeweils acht Minuten reden. Bei voller Ausschöpfung der Redezeiten können die Beratungen in der Dritten Lesung bis zu fünf Stunden dauern.

Damit treten wir jetzt in die Einzelberatung zur Zweiten Lesung ein. Den Beratungen liegen der Gesetzentwurf auf Drucksache 17/11362, die Änderungsanträge auf den Drucksachen 17/13211, 17/13416 bis 17/13424, 17/13603 und 17/13604 sowie die Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Arbeit und Soziales, Jugend, Familie und Integration auf Drucksache 17/14511 zugrunde.

Ich rufe auf:

Präambel

hierzu:

Änderungsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Doris Rauscher, Hans-Ulrich Pfaffmann u. a. und Fraktion (SPD) hier: Nummer 1 (Drs. 17/13211)

und

Änderungsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Josef Zellmeier, Kerstin Schreyer u. a. (CSU) (Drs. 17/13603)

Ferner lag ein Änderungsantrag der GRÜNEN vor: Nummer 1 der Drucksache 17/13416. Mit der Nummer 1 des Änderungsantrags der GRÜNEN sollte in der Präambel der Satz 12 aufgehoben werden. In der federführenden Beratung hat die Fraktion die Nummer 1 des Antrags für erledigt erklärt. Damit hat sich die Nummer 1 erledigt.

Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt, wie gesagt, 24 Minuten. Erster Redner in dieser Einzelberatung ist der Kollege Blume. Bitte schön, Herr Blume.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh darüber, dass wir zur Einzelberatung kommen, weil damit die Opposition Gelegenheit bekommt, sich mit dem Gesetzentwurf noch einmal sachlich auseinanderzusetzen.

(Beifall bei der CSU)

Es ist übrigens auch gut, dass wir heute so viel Zeit haben. Das sage ich in Richtung des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, denn damit können Sie auch der Frage nachgehen, woher genau Ihr Schal kommt. In den Reihen unserer Fraktion gibt es aufgrund des

Etiketts starke Hinweise darauf, dass er "Made in China" ist und aus Polyacryl besteht. Das klingt nicht nach Fair Trade. Das hat uns etwas irritiert. Vielleicht können Sie es im weiteren Verlauf der Debatte noch aufklären.

(Beifall bei der CSU)

Zunächst einmal zur Präambel: In den Ausschüssen wurde darüber diskutiert, warum es überhaupt eine Präambel gibt. Ich glaube, die Antwort ist nicht so schwierig. In der allgemeinen Aussprache ist gesagt worden, dass Integration das große Thema ist. Ich würde sogar noch weiter gehen und sagen, Integration ist vielleicht eine der größten Aufgaben, die der Freistaat Bayern und wir alle miteinander in den letzten Jahrzehnten zu bewältigen hatten. Deswegen ist es durchaus angemessen, einem solchen Gesetz eine Präambel voranzustellen.

Vielleicht noch eine zweite Vorbemerkung: Wenn wir über Integration reden, geht es nicht um die Kür; dann geht es nicht um die Frage, ob man Integration machen kann. Nein, meine Damen und Herren, wenn wir über Integration reden, geht es um Pflicht und darum, es auch tatsächlich zu machen; denn wir wollen nicht nur keine rechtsfreien Räume, sondern auch keine integrationsfreien Räume. Das ist die klare Haltung der CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CSU)

Wir haben in den Ausschussdebatten und auch heute immer wieder gehört, dass "Leitkultur" ein Kampfbegriff sei. Meine Damen und Herren der Opposition, ja, es ist ein Kampfbegriff; denn es geht um das Beste, was Deutschland und Bayern in den letzten Jahrzehnten hervorgebracht haben. Es geht darum, genau die Errungenschaften zu bewahren, die unser Land schließlich so lebenswert machen. Dahinter wollen wir als CSU-Fraktion definitiv nicht zurück, und deswegen kämpfen wir darum.

(Beifall bei der CSU)

Wir wollen nicht zurück hinter eine gelebte Wertebasis und eine Lebensqualität, die uns zum Sehnsuchtsort auf der ganzen Welt macht. Wir wollen nicht dahinter zurück, dass wir eine der freiheitlichsten Gesellschaften der ganzen Welt auf der Basis von Weltoffenheit und Heimat sind. Wir wollen nicht zurück hinter eine Wirtschaftsordnung, die in unvergleichlicher Balance Eigenverantwortung, Leistung und Solidarität zusammenbringt. Wir wollen nicht zurück hinter eine Staatsund Rechtsordnung, die Vorbild ist in der ganzen Welt und die für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit wie in wenig anderen Ländern steht.

(Beifall bei der CSU)

Wir wollen auch nicht zurück hinter ein Land, das in unvergleichlicher Weise für Zusammenhalt und Identität steht, für die Verbindung von Tradition und Moderne und für die Verbindung von Herkunft und Zukunft.

Das alles wollen wir nicht zur Diskussion stellen, meine Damen und Herren, und deshalb kämpfen wir darum, dass es so bleibt, wie es ist.

(Beifall bei der CSU)

Das ist für uns damit auch der Richtungspfeil für Integration.

Nun sagen Sie erneut, wir seien gar nicht in der Lage, Leitkultur zu definieren. Ich sage Ihnen: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. In den Sätzen 1 bis 12 der Präambel steht, was dieses Land ausmacht, steht das, was zur Leitkultur erklärt wird.

Sie werden uns doch nicht erklären, dass Sie das nicht wollen, nämlich das Bekenntnis in Satz 1: "Bayern ist Teil der deutschen Nation mit gemeinsamer Sprache und Kultur."

Oder nehmen Sie Satz 2, ein Bekenntnis zu den Werten und Traditionen des christlichen Abendlandes und anderen identitätsstiftenden Einflüssen.

Oder nehmen Sie Satz 3. Sie wollen uns doch nicht erklären, dass Sie hinter die Akzeptanz des Grundrechtekonzepts mit Menschenwürde, Gleichberechtigung und dergleichen zurückwollen.

Sie wollen doch auch nicht zu Satz 4 sagen, dass die Lehren aus der Geschichte für die Zukunft unseres Landes keine Rolle spielen.

Sie wollen wahrscheinlich auch nicht sagen – siehe Sätze 5 und 6 –, dass wir die Verpflichtung jedes Einzelnen zur Gesetzestreue und Loyalität gegenüber Volk und Verfassung und letztendlich auch zu unserer demokratischen Verfasstheit ins Belieben stellen wollen.

Oder Satz 7 und 6: Sie wollen doch auch nicht sagen, dass die Verpflichtung auf Solidarität füreinander und gleichzeitig auch das Bekenntnis zur Eigenverantwortung etwas ist, das für uns keine Rolle spielen würden.

Sie wollen doch auch nicht zu Satz 9 sagen, dass das Bekenntnis, dass Bayern von Brauchtum, Sitten und Traditionen geformt und geprägt ist, keine Rolle spielen würde.

Oder zu Satz 10: Sie wollen doch nicht abstreiten, dass die Verpflichtung auf die freiheitliche Lebensweise, das Prinzip "Leben und leben lassen" mit allem, was dazugehört, nicht auch gegenseitige Toleranz und eben auch Achtung des anderen und seiner Einstellungen erfordert.

Satz 11 ist das Bekenntnis dazu, dass Bayern natürlich auch ein Land von Einwanderung und Zuwanderung in den letzten Jahrzehnten war und dass wir all diejenigen, die hier eine neue Heimat gefunden haben, ganz selbstverständlich zu einem Teil dieses Landes erklären. Wollen Sie das abstreiten?

Und schließlich hoffe ich, dass Sie bei Satz 12, beim Bekenntnis zum gemeinsamen europäischen Weg, auch dabei sind.

Meine Damen und Herren, dies alles – das sagt Satz 13 – ist der identitätsbildende Grundkonsens in unserem Land, und es ist die kulturelle Grundordnung der Gesellschaft – so definiert als Leitkultur. Meine Damen und Herren, ich glaube, ein guter Demokrat, jeder, der dieses Land und die Menschen liebt, muss Ja zu dieser Leitkultur sagen.

(Zurufe von der CSU: Bravo! – Beifall bei der CSU)

Leitkultur steht für den gelebten Grundkonsens in unserem Land, steht dafür, dass in Zukunft Integration gelingt. Es soll gelebt sein, nicht verordnet. Auch das steht in der Präambel. Es soll inklusiv eingrenzen, nicht ausgrenzen, wie wir es von Ihnen immer wieder vorgeworfen bekommen.

Und – leider ist Kollege Rinderspacher jetzt nicht da – ich glaube, Leitkultur, diese kulturelle Grundordnung ist etwas, was am Ende auch Wesensvoraussetzung dafür ist, dass Vielfalt gelingt, Vielfalt in unserem Lande, für die wir stehen. Vielfalt braucht Zusammenhalt; Vielfalt braucht aber auch Grundregeln des Zusammenlebens. Da sind wir der Überzeugung, dass Toleranz eben nicht ausreicht, um in jeder Lebenslage insbesondere Intoleranz zu begegnen.

Erlauben Sie mir, dass ich kurz auf Karl Popper verweise, den Erfinder der offenen Gesellschaft. Er hat in seinem Buch "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" eben diese Feinde benannt. Meine Damen und Herren, so, wie Sie daherreden über das, was unser Land ausmacht, was diese offene Gesellschaft ausmacht, finde ich, dass am Ende des Tages die Feinde der offenen Gesellschaft auf Ihrer Seite sitzen und nicht da, wo Sie uns immer vermuten.

(Lebhafter Beifall bei der CSU – Zurufe von der CSU: Bravo!)

Eine freiheitliche demokratische Grundordnung kann nur bestehen, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind und gelebt werden. Darauf hat bereits der berühmte Verfassungsrichter Böckenförde vor Jahrzehnten hingewiesen. Er sagte, dass der freiheitlich säkularisierte Staat von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht garantieren kann. Er hat das in einer Zeit formuliert, als Gesellschaft noch unvergleichlich homogener war als heute.

Wie sehr ist es notwendig, an diesen Voraussetzungen von einer Staatsordnung, die eben diese Staatsordnung nicht schaffen und auch nicht garantieren kann, zu arbeiten. Deswegen ist der Satz 14 der Präambel so wichtig. Dort heißt es nämlich: Die kulturelle Grundordnung zu wahren, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern und schließlich diejenigen, die zu uns kommen, die Migrantinnen und Migranten, zu befähigen, sich in dieser kulturellen Grundordnung, in dieser Gesellschaft, zurechtzufinden, das alles ist Zweck dieses Gesetzes.

Wer das nicht will – auch das sage ich ganz klar –, will ein anderes Land. Aber eben dann nicht mit uns!

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der CSU: Bravo!)

Wer will, dass Integration gelingt, muss dieser Präambel zustimmen. Wer will, dass Zusammenhalt gelingt, muss dieser Präambel zustimmen, und wer will, dass Bayern Bayern bleibt, muss dieser Präambel zustimmen.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CSU – Zu- rufe von der CSU: Bravo!)

Zu einer Zwischenbemerkung hat sich der Kollege Pfaffmann gemeldet. Bitte sehr.