Protocol of the Session on November 30, 2016

(Markus Rinderspacher (SPD): Sie stellen das jetzt richtig dar!)

Nun kommen heute die FREIEN WÄHLER um die Ecke und möchten die bindende Volksbefragung mit einem Antrag in die Verfassung schreiben.

(Prof. Dr. Michael Piazolo (FREIE WÄHLER): Das wollten wir immer schon, schon vor den GRÜNEN!)

Ja, aber das ganze Thema ergibt nicht sehr viel Sinn. Herr Piazolo, das erkläre ich Ihnen gerne noch einmal. Die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger ist gut. Gut gemeint reicht aber nicht immer, es muss auch gut gemacht werden. Wir feiern am Donnerstag 70 Jahre Bayerische Verfassung. Wir alle in diesem Haus wissen, dass in der Bayerischen Verfassung wunderbare Elemente der direkten Demokratie enthalten sind: Volksbegehren und Volksentscheide. Unser gemeinsames Ziel muss es doch sein, die echte Bürgerbeteiligung zu stärken. Wir möchten die Volksbegehren und die Volksentscheide als Form der Mitwirkung aus der Mitte der Gesellschaft vereinfachen, ohne die repräsentative Demokratie als Regelfall in Frage zu stellen. Deshalb hat es keinen Sinn, wenn Sie ein weiteres Element einfügen wollen, wenn

wir doch einfach nur die Elemente Volksbegehren und Volksentscheid sozusagen updaten müssen. Wir müssen Sie ins Jahr 2016 überführen und schauen, wo wir noch gewisse Dinge nachjustieren müssen. Dazu haben wir GRÜNE viele Ideen, die wir hier auch regelmäßig einbringen. Wir werden sie so lange hier einbringen, bis wir sie endlich verwirklicht sehen: Wir möchten die Hürden für Volksbegehren und Volksentscheide nämlich senken. Wir möchten die Eintragungsmöglichkeit auch per Briefwahl schaffen. Wir möchten die Frist für die Eintragung von zwei auf vier Wochen erhöhen, und wir wollen, dass Volksbegehren und Volksentscheide auch über solche Vorhaben abgehalten werden können, die Auswirkungen auf den Staatshaushalt haben. Für uns GRÜNE ist nämlich klar: Wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger entscheiden können. Unverbindliche Meinungsumfragen sind uns dazu zu wenig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. – Für die Fraktion der FREIEN WÄHLER: Herr Kollege Streibl, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Politik spielt zwischen den Menschen, sie ist die Beziehung zwischen den Menschen. Sie entsteht da, wo unterschiedliche Vorstellungen und Meinungen herrschen. Nur dort kann es Raum für Politik geben. Deshalb ist Vielfalt immer notwendig, wir müssen aber auch die Freiräume schaffen, in denen sich diese Vielfalt abspielen und letztlich auch zu Wort melden kann. Hierzu brauchen wir auch ein Instrumentarium. Volksbegehren und Volksentscheid sind ein Instrumentarium, das die Verfassung vorsieht. Man kann sie natürlich noch vertiefen oder verbessern. Das Volksbegehren zielt aber immer auf den Bürger als den Volksgesetzgeber ab. Es muss sich dabei also immer um ein Gesetz handeln. Bei einer Volksbefragung kann es um Dinge gehen, die von allgemeiner Bedeutung oder von allgemeinem Belang sind, die aber keinen Gesetzesstatus haben. Hier gibt es nach meiner und unserer Auffassung eine Lücke in der Verfassung, die man schließen kann. Der Versuch, den die CSU gestartet hat, war, wie wir jetzt sehen, untauglich. Herr Zellmeier, Sie haben vorhin selbst gesagt, dass die Sache bei Ihnen schon vorher etwas umstritten war, ob das vor dem Verfassungsgerichtshof halten würde. Vielleicht hätte man sich gleich am Anfang zusammensetzen müssen. Nach unserer Meinung muss für so ein Gesetz auch die Verfassung geändert werden, damit dieses Instrument als weiteres Element der direkten Demokratie in die Verfassung kommt. Eine Volksbefragung kann aber nur dann sinnvoll sein, wenn das, was das Volk sagt, auch eine Bindungswirkung entfal

tet. Wenn es nur ein Stimmungsbild sein soll, dann ist es wertlos.

Für uns ist auch wichtig, dass sich das Volk selbst zu Wort melden kann zu Themen, bei denen es meint, dass sie wichtig sind, bei denen das Volk der Politik etwas sagen möchte, Themen, bei denen das Volk etwas voranbringen möchte. Dieses Initiativrecht des Volkes ist echte direkte Demokratie, weil das Volk sich zu Wort melden kann. Das Volk kann dann Wünsche äußern, die dann auch Verbindlichkeit haben. Damit geben wir dem Volk etwas, was es braucht, um tatsächlich tätig zu werden. Dafür müssen wir aber die Verfassung ändern. Andernfalls würden wir das Volk nicht ernst nehmen.

In unserer Verfassung steht in Artikel 2: Das Volk ist Träger der Staatsgewalt. Die Staatsgewalt geht vom Volke aus. Wenn wir das Volk als Souverän sehen, dann müssen wir ihm auch die Möglichkeit geben, sich als Souverän zu Wort zu melden und Themen in den Raum zu stellen, die wir dann bearbeiten und auch umsetzen müssen. Das ist nach meiner Meinung ein neuer Ansatz, ein neuer demokratischer Ansatz. Solche Ansätze sollte man wagen.

Die CSU sagt immer, sie ist nahe am Bürger und möchte dem Bürger eine Stimme geben, damit dieser sich zu Wort melden kann. Dann wäre es schön, wenn wir in dieser Frage zusammenkommen würden. Die Vorschläge, die wir machen, sind nicht abwegig; denn sie nehmen den Bürger ernst. Sie tragen der Auffassung Rechnung, dass der Bürger nicht nur dazu da ist, die Meinung einer Partei abzunicken, sondern der Bürger kann letztlich auch etwas ganz anderes sagen. Das muss dann auch umgesetzt werden.

Ich bitte deshalb noch einmal um die Unterstützung unseres Dringlichkeitsantrags, der ein erster Schritt ist. Von unserer Seite werden weitere Schritte folgen. Ich lade das Haus gerne dazu ein, mitzumachen und die Demokratie damit ein Stück zu erneuern und voranzubringen. Gerade in der heutigen Zeit ist es wichtig, dem demokratischen Gedanken wieder ein neues Fundament zu geben.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank, Herr Kollege. Damit ist die Aussprache geschlossen. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/14477 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Ich bitte, Gegenstimmen anzuzeigen. – Das sind die CSU-Fraktion und die Fraktion

des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Die SPD-Fraktion. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Bevor ich den nächsten Antrag aufrufe, darf ich das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Natascha Kohnen, Inge Aures und anderer und Fraktion (SPD) betreffend "70 Jahre Bayerische Verfassung – Unser Bayern. Unsere Verfassung. Unser Auftrag: ‚In der Vielfalt liegt die Zukunft, in Europas Staatenbund!‘...", Drucksache 17/14476, bekannt geben: Mit Ja haben 52 Kolleginnen und Kollegen gestimmt, mit Nein 101 Abgeordnete gestimmt. Dann gab es noch zwei Stimmenthaltungen. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 2)

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Katharina Schulze u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Reichsbürger und Rechtsextreme entwaffnen, Waffenrecht verschärfen, Waffenmissbrauch verhindern (Drs. 17/14478)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Josef Zellmeier, Dr. Florian Herrmann u. a. und Fraktion (CSU) Bayern geht konsequent gegen Waffenbesitz von Reichsbürgern und anderen verfassungsfeindlichen Gruppen vor (Drs. 17/14498)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Prof. Dr. Peter Paul Gantzer, Dr. Paul Wengert u. a. und Fraktion (SPD) Kampf gegen illegale Schusswaffen verstärken (Drs. 17/14499)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Es beginnt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Kollegin Schulze. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bayern rüsten auf. Derzeit sind über eine Million bekannte Waffen im Umlauf. Seit 2013 ist die Zahl der erlaubnispflichtigen Schusswaffen um mehr als 10 % gestiegen. Bei den ausgestellten kleinen Waffenscheinen gab es zwischen 2013 und 2015 einen massiven Anstieg um 150 %, und zwar mit fatalen Konsequenzen: Menschen sterben durch Schusswaffen bei uns hier in

Bayern. Noch frisch im Gedächtnis ist uns allen der schreckliche Tod eines jungen Polizisten nach dem Angriff durch einen sogenannten Reichsbürger in Georgensgmünd. Wer durch ein lasches Waffenrecht diese Entwicklung unterstützt, macht sich mitschuldig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Unser oberstes Ziel muss es sein, das Leben und die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger zu schützen, nicht das Recht auf Waffenbesitz. Wir müssen das Gewaltmonopol des Staates verteidigen und durchsetzen. Wir dürfen nicht zusehen, wenn immer mehr Menschen glauben, sie müssten sich jetzt selbst bewaffnen. Sie, die CSU, und Sie, die CSU-Regierung, stehen für so ein laxes Waffenrecht. Dafür gibt es genug Belege. 340 sogenannte Reichsbürger besitzen Waffen. 177 Menschen aus dem rechtsextremen Spektrum haben eine Waffenerlaubnis. Die Quelle dieser Zahlen ist das Innenministerium. Ich bin mir sicher: In den nächsten Wochen und Monaten wird noch einiges ans Licht kommen, da die CSU-Regierung beim Thema Reichsbürger erst nach dem schrecklichen Tod eines Polizisten richtig in die Gänge kommt. Die Justiz und die vielen zivilgesellschaftlichen Initiativen warnen schon seit Jahren vor dieser rechtsextremen Bewegung. Doch die CSU hat bei diesem Thema immer weggeschaut.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erwarte von Innenminister Herrmann, dass er endlich handelt. Er muss die gesetzlichen Regelungen konsequent vollziehen. Dazu gehört: Entwaffnen Sie die Reichsbürger, sorgen Sie dafür, dass ein Reichsbürger erst gar keine Waffenerlaubnis bekommt,

(Beifall bei den GRÜNEN)

und kümmern Sie sich darum, dass Rechtsextreme nicht länger Waffen horten; denn eine Sache ist doch klar: Je mehr Waffen sich im Umlauf befinden, desto größer ist die Gefahr des Missbrauchs. Deswegen fordern wir GRÜNE: Das Waffenrecht muss verschärft werden;

(Beifall bei den GRÜNEN)

denn wenn die Zivilgesellschaft hochrüstet, führt das nicht zu mehr Sicherheit. Wenn es nach uns geht, müssen der Kauf und der Besitz von Schreckschusswaffen, Pfefferspray und Co. zukünftig erlaubnispflichtig sein. Wenn es nach uns geht, gibt es regelmäßig Eignungs- und Zuverlässigkeitsprüfungen. Wenn es nach uns geht, wird der private Waffen- und Munitionsbestand regelmäßig – die Betonung liegt auf "regelmäßig" – kontrolliert,

(Beifall bei den GRÜNEN)

und wenn es nach uns geht, kümmert man sich endlich um die deaktivierten Waffen. Es braucht eine einheitliche Kennzeichnung sowie Standards für die irreversible Deaktivierung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eigentlich ist es doch ein Wahnsinn, dass wir heute immer noch über dieses Thema diskutieren müssen. Eigentlich muss doch auch der Letzte verstanden haben, dass es in unserem Land immer noch viel zu einfach ist, an Schusswaffen zu kommen. Viele der Waffen, die jetzt illegal sind, waren früher legale Waffen. Der Amoklauf beim Münchner Olympia-Einkaufszentrum und die Anschläge von Paris beispielsweise haben uns das schmerzhaft ins Bewusstsein gerufen. Hier kamen deaktivierte, später aber illegal reaktivierte und damit wieder tödliche Waffen zum Einsatz. Kolleginnen und Kollegen, für mich ist nicht nachvollziehbar, dass deaktivierte Dekorations- und Salutwaffen sowohl in Deutschland als auch in vielen anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union erlaubnisfrei erworben werden können.

Wenn man sich das vor Augen führt, kann man doch nur den Kopf darüber schütteln, wie Sie von der CSU reagieren. Sie sollten Gesetze machen, um die Bevölkerung und unsere Polizistinnen und Polizisten zu schützen. Stattdessen blockieren Sie ein besseres Waffenrecht auf Bundes- und auf Europaebene. Ich zitiere den Innenminister Herrmann, der im Bayerischen Rundfunk gesagt hat: "Wir müssen alles daran setzen, dass die neuen Vorschriften nicht in der EU umgesetzt werden." Herr Herrmann, das ist eine unverantwortliche Politik.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie umschmeicheln die Waffenlobby und dienen sich ihr als verlängerter Arm an.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Florian Herrmann (CSU))

Sie nehmen in Kauf, dass sich mehr Menschen bewaffnen. Sie nehmen in Kauf, dass die Sicherheit leidet.

Kolleginnen und Kollegen, die Sache ist doch klar: Den Kampf gegen den Terror gewinnen wir nicht, wenn jedes EU-Land weiterhin beim Waffenrecht sein eigenes Süppchen kocht und es keine gemeinsamen Standards gibt.

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Wir haben die höchsten!)

Den Terrorismus dämmen wir doch nicht ein, wenn der Kampf gegen Waffenhandel im Darknet nicht endlich intensiviert wird. Unsere Bevölkerung lebt nicht sicherer, wenn die Gefahr größer wird, dass der Nachbar sich bewaffnet. Es ist doch eigentlich ganz einfach: Mehr Sicherheit gibt es nicht durch mehr, sondern durch weniger Waffen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dafür müssen wir sorgen. Dafür setzen wir GRÜNE uns ein; denn alles andere ist unverantwortlich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es folgt eine Zwischenbemerkung. Ich habe die Wortmeldung nicht gleich gesehen. Frau Kollegin Schulze, wenn Sie bitte noch einmal ans Rednerpult kommen.