Protocol of the Session on November 30, 2016

(Margarete Bause (GRÜNE): Singen!)

Singen können wir diese Strophe morgen im Nationaltheater, wenn wir sie heute beschließen.

Gott mit uns und allen Völkern, ganz in Einheit tun wir kund: In der Vielfalt liegt die Zukunft, in Europas Staaten Bund. Freie Menschen, freies Leben, gleiches Recht für Mann und Frau, Goldne Sterne, blaue Fahne und der Himmel weiß und blau.

Was für eine wunderbare dritte Strophe.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Sie spricht uns aus dem Herzen. Ich bin mir ganz sicher, dass unsere Verfassungsmütter und unsere Verfassungsväter vor 70 Jahren diese Strophe mit großer Begeisterung gesungen und den heutigen Parlamentsantrag voller Überzeugung unterstützt hätten.

Tatsächlich ist ein Bekenntnis zu Europa notwendiger denn je. Das hat auch der erste Antrag heute gezeigt, auch wenn er ein bisschen abgrenzend war; denn die Entwicklungen auf unserem Kontinent in den letzten Wochen und Monaten waren durchaus beunruhigend. Der Nationalismus ist auf dem Vormarsch. Wir müssen aufpassen, dass wir das, wofür Willy Brandt, Helmut Schmidt, aber auch Konrad Adenauer oder Helmut Kohl gekämpft haben, nicht aufs Spiel setzen, nämlich ein friedliches, ein solidarisches und ein offe

nes Europa, ein Leben im Miteinander und nicht ein Leben im Gegeneinander. Rechtsnationale haben die Wahlen in Polen gewonnen. In Schweden sind die sogenannten rechtspopulistischen "Schwedendemokraten" die stärkste Partei und in Finnland die "Wahren Finnen". Bei den Wahlen in unserem Nachbarland Österreich schickt sich ein Rechtspopulist an, Präsident zu werden. Möglicherweise wird sich auch Marine Le Pen anschicken, die nächste Präsidentin der Republik Frankreich zu werden.

Ich sage: Diese Bewegungen stehen für alles, was dem Gemeinsinn in Europa schadet. Sie spalten die Gesellschaft. Sie sind offen rassistisch. Sie grenzen Minderheiten aus und setzen auf eine nationale, autoritäre Politik. Ich möchte nicht, dass mein zwölfjähriger Sohn einmal in einem Europa lebt, in dem es nur noch um nationale Eigeninteressen geht, in einem Europa, in dem Fremdenhass und Diskriminierung an der Tagesordnung sind, in einem Europa, in dem die Herzen der Menschen von Angst gefüllt sind.

Deshalb sage ich: Wir dürfen diese aktuellen Entwicklungen nicht auf die leichte Schulter nehmen. Der Freistaat Bayern hat ein vitales Interesse daran, dass Europa nicht auseinanderfällt und dass die europäische Idee verteidigt wird. Wir halten dem Trend der Renationalisierung das europäisch-bayerische Konzept des Miteinanders und des Zusammenhalts, der Integration, der Versöhnung und des Gemeinsinns entgegen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir können es auch mit der Bayerischen Verfassung formulieren: "Angesichts des Trümmerfeldes, zu dem eine Staats- und Gesellschaftsordnung ohne Gott, ohne Gewissen und ohne Achtung vor der Würde des Menschen die Überlebenden des zweiten Weltkrieges geführt hat," sind wir als Parlament, so hoffe ich, in diesem Sinne der Präambel fest entschlossen, "den kommenden deutschen Geschlechtern die Segnungen des" – europäischen – "Friedens, der" – europäischen – "Menschlichkeit und des" – europäischen – "Rechtes dauernd zu sichern."

All das wird in dieser Strophe wunderbar beschrieben und auf herrliche Art und Weise deutlich. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau wird ebenso beschrieben wie das Prinzip "Leben und leben lassen". Ich sage ganz ehrlich: Mir gefällt besonders gut der Strophenvers "In der Vielfalt liegt die Zukunft". Das zeigt auch, dass wir in Europa und Bayern für Offenheit, für Toleranz und für Pluralismus und nicht für eine bevormundende Leitkultur einstehen wollen, meine Damen und Herren.

Ich halte es für wegweisend, dass die Schüler der Beruflichen Oberschule Bad Tölz ein solch sensibles politisches Grundverständnis zur Grundlage ihrer Erörterungen gemacht haben. Sie haben recht: Unsere Gesellschaft wird zunehmend vielfältiger, pluralistischer, jeden Tag ein bisschen mehr. Die Gesellschaft der Vielfalt lebt. Sie ist Realität. Wir leben in einer bayerischen Gesellschaft, in der Menschen mit unterschiedlichster Herkunft, unterschiedlichsten Nationalitäten, Sprachen und Religionen friedlich zusammenleben.

Ich bedanke mich noch einmal bei der Bayerischen Staatsregierung, bei der Bayerischen Einigung/Bayerischen Volksstiftung, dass sie vor vier Jahren den Wettbewerb ausgerufen haben und unter 1.000 Einsendungen diese Strophe prämiert haben. Herr Staatskanzleiminister Huber, vielen herzlichen Dank dafür! Ich sage allerdings dazu: Es kann natürlich nicht sein, dass eine solche Strophe vier Jahre lang in einer Schublade verschwindet und im öffentlichen Bewusstsein überhaupt keine Rolle mehr spielt. Deshalb sollten wir heute hier im Bayerischen Landtag, einen Tag vor dem großen Verfassungsfest, das wir morgen im Nationaltheater, in der Bayerischen Staatsoper miteinander feiern, diese dritte Strophe offiziell werden lassen. Wir sollten gleich morgen damit anfangen, sie zu singen, liebe Frau Kollegin Bause. Morgen haben wir dazu die Gelegenheit. Ich bitte Sie um Unterstützung unseres Antrags.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Rinderspacher. – Nächste Wortmeldung: für die CSU-Fraktion die Frau Kollegin Guttenberger. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte jetzt eigentlich wieder auf den Antrag zurückkommen. Im Jahr 1952 erhob der Bayerische Landtag das Bayernlied einstimmig zur Hymne des Freistaats Bayern. Seither genießt sie den besonderen Schutz als Symbol des Freistaats Bayern. Diese Hymne ist wichtig für Bayern, sie ist wichtig für das bayerische Volk, und sie stiftet ebenso wie die Bayerische Verfassung Identität. Sie ist nicht nur ein Symbol für Bayern, sondern sie ist auch Ausdruck einer langen bayerischen Tradition. Sie ist wie alle Hymnen ein Gesamtkunstwerk. Schon allein aus diesem Grund stellt sich die Frage, ob man so etwas einfach ändern kann.

Es gibt bereits eine dritte Strophe, die aber nicht gesungen wird.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Weil sie der Franz Josef nicht wollte!)

Es gilt auch, dass eine Hymne umso einprägsamer ist, je kürzer sie ist.

(Lachen bei den GRÜNEN)

Wir alle wissen, dass in der Regel gerade die erste Strophe eine besondere Einprägung erfahren hat.

Im Jahr 2012 hat die Bayerische Volksstiftung einen Jugendpreis entsprechend den Ausschreibungsmodalitäten ausgelobt und einen Schülerpreis gestartet. Der Respekt vor der Symbolkraft einer Hymne verbietet es aus unserer Sicht, via Dringlichkeitsantrag eine Änderung zu verlangen.

(Margarete Bause (GRÜNE): Wie sollen wir es sonst machen?)

Der Respekt vor der Symbolkraft einer Hymne gebietet es auch, dass man sie nur dann ändert, wenn dies von einer großen Bevölkerungsmehrheit verlangt und getragen wird. Ich sage Ihnen auch: Bei allem Respekt vor dem Ergebnis eines Wettbewerbs, bei allem Respekt vor dem Einsatz der Schülerinnen und Schüler genügt es aus Achtung vor dem Symbolwert einer Hymne nicht, sie aufgrund eines Schülerwettbewerbs zu verändern.

(Beifall bei der CSU)

Aus diesem Grund werden wir den Antrag ablehnen. Die Änderung der Hymne, eines großen Symbols dieses Freistaates, ist aus unserer Sicht nur dann denkbar, wenn das eine große Bevölkerungsmehrheit trägt. Ein Schülerwettbewerb, so ehrenvoll und erfolgreich er auch gewesen ist, genügt nicht.

(Thomas Gehring (GRÜNE): Ist ein einstimmiger Landtagsbeschluss nicht der Wille des Volkes?)

Lieber Herr Rinderspacher, nachdem von Ihrer Seite immer wieder gesagt wurde – ich formuliere es jetzt einmal knapp –, man wolle Europa stärken, wäre im Übrigen der Weg, eine gemeinsam abgestimmte Textfassung für die Europahymne zu finden, vielleicht naheliegender.

(Beifall bei der CSU)

Frau Kollegin, bitte bleiben Sie am Rednerpult. Zu einer Zwischenbemerkung: der Kollege Rinderspacher, bitte.

(Margarete Bause (GRÜNE): Nicht den Ton getroffen!)

Frau Kollegin Guttenberger, zunächst vielen Dank für Ihre Ausführungen. Ich möchte nur einmal in Erinnerung rufen, dass das kein originärer Vorschlag der Sozialdemokratie, sondern der Bayerischen Einigung/Bayerischen Volksstiftung ist, die, glaube ich, im Hohen Hause parteiübergreifend großen Respekt genießt und seit 1954 von allen bayerischen Ministerpräsidenten unterstützt wurde. Der stellvertretende Vorsitzende der Stiftung ist Johann Böhm, Frau Präsidentin, einer Ihrer Vorgänger. Viele Mitglieder der Bayerischen Staatsregierung und auch der CSU-Fraktion sind im Kuratorium. Das ist keine sozialistische Organisation. Darüber können wir, glaube ich, sehr schnell Einigkeit erzielen.

Es gibt sehr viele konservative Politiker, auch noch der alten CSU, die sagen: Wir sollten diese dritte Strophe wirklich offiziell werden lassen. Ich bin gespannt, wie Frau Scharf und Herr Prof. Bausback heute Abend beim offiziellen Festakt bei der Bayerischen Einigung darstellen wollen, dass sie im Kuratorium dafür, im Parlament aber dagegen sind, wie auch immer.

Ich habe den Eindruck, dahinter steckt etwas anderes. Der Kollege Florian Herrmann hat gegenüber der nationalkonservativen Zeitung "Junge Freiheit" heute Nachmittag geäußert, man wolle kein Multikulti-Blabla in der Bayernhymne.

(Widerspruch bei der CSU)

Hans-Peter Friedrich, ehemaliger Innenminister der Bundesrepublik Deutschland, sagt: Die Volkserziehung der SPD nervt, offenbar nicht wissend, was die wirklich tragenden Säulen der Bayerischen Verfassung mit Blick auf die Bayerische Einigung/Bayerische Volksstiftung sind. Frau Albsteiger, Mitglied des Deutschen Bundestags aus Schwaben, hat hinzugefügt, die Volkserziehungspartei SPD habe es noch immer nicht kapiert.

Ich glaube also, dahinter steckt etwas anderes; denn die Debatte wird ja bereits seit vier Jahren geführt. Ich habe den Eindruck, dass es eine rechtsnationale Drift gibt; das wird in solchen Äußerungen deutlich. Deshalb sollten wir die Chance nutzen, das, was Honoratioren unseres Landes in großer Einigkeit miteinander beschließen, auch hier im Hohen Hause mit der notwendigen Ernsthaftigkeit und nicht mit solchen Formulierungen zu debattieren, wie wir sie heute aus rechtsnationalen Zeitungen zur Kenntnis nehmen müssen.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Sehr geehrter Herr Kollege Rinderspacher, erstens ist mir durchaus bewusst,

(Florian von Brunn (SPD): Das bezweifeln wir!)

wer die Bayerische Volksstiftung ist und von wem sie getragen wird. Mir ist auch der Wert der Bayerischen Volksstiftung voll und ganz im Bewusstsein. Aber jetzt formuliere ich es, zweitens, mal so: Ich halte es für absolut undenkbar, hier ein wichtiges Symbol wie die bayerische Hymne einfach via Dringlichkeitsantrag

(Markus Rinderspacher (SPD): Seit vier Jahren ist das unterwegs!)

ohne ein Gespräch zwischen den Fraktionen und ohne ein Gespräch mit anderen Verbänden zu ändern.

(Beifall bei der CSU – Florian von Brunn (SPD): Wir machen das im Parlament! – Weitere Zurufe von der SPD)

Das wird dem Wert und der Bedeutung der bayerischen Hymne in gar keiner Weise gerecht.

(Thomas Huber (CSU): Typisch SPD!)

Ich wüsste nicht, wo ich mich in irgendwelchen Zeitungen geäußert haben sollte. Das habe ich nicht. Deshalb ist es für uns undenkbar, auf diese Art in irgendeiner Weise über eine solche Hymne zu verfügen.

(Zuruf der Abgeordneten Margarete Bause (GRÜNE) – Thomas Gehring (GRÜNE): Vielleicht sollten Sie mal mit dem Herrn Herrmann reden!)

Ich habe den Eindruck, dass Ihnen der Wert und die Bedeutung der Bayernhymne nicht annähernd bewusst sind.