Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch nach dieser Debatte kann ich nur sagen, dass sich mein Eindruck verfestigt, den ich aufgrund einer Reihe von Schreiben auch aus der bayerischen Wirtschaft habe: Hier liegt eine Fülle von Missverständnissen vor. Das Integrationsgesetz des Bundes, das am 6. August dieses Jahres in Kraft getreten ist, enthält diese 3-plus-2-Regelung. "3 plus 2" heißt,
dass es eine dreijährige Ausbildung gibt. Damit es keine Missverständnisse gibt: Wenn diese dreijährige Ausbildung erfolgreich abgeschlossen wurde, gibt es den Anspruch, noch zwei Jahre tätig sein zu dürfen. Darum gibt es auch keine fünfjährige Aufenthaltsdauer. Es wird dann wahrscheinlich viele Fälle geben, in denen ein weiterer Aufenthalt ermöglicht wird, wenn der Betrieb das für sinnvoll hält.
Klar ist, dass mit dieser Regelung mehr Rechtssicherheit geschaffen werden soll. Die Regelung bezweckt aber gerade nicht, neue Vollzugshindernisse für die Abschiebung ausreisepflichtiger Ausländer aufzustellen. Konkret muss eine Fülle von Voraussetzungen erfüllt werden. Ich will dazu gar nicht auf unzählige Details eingehen. Jedenfalls ist klar, dass schon in der Gesetzgebung im Deutschen Bundestag die Voraussetzung eingefügt worden ist, dass Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung zum Zeitpunkt des Abschlusses des Ausbildungsvertrags nicht bevorstehen dürfen.
Jetzt will ich etwas klarstellen, weil das immer wieder durcheinandergebracht wird – auch in dem IMS steht kein anderslautender Satz –: Wenn jemand vor einem halben Jahr angekommen ist, das Asylverfahren durchläuft und jetzt seine Ausbildung beginnt, dann gilt die 3-plus-2-Regelung. Gibt es in dem IMS irgendeinen Satz, in dem etwas anderes behauptet wird? – Nein! Wenn einer während des laufenden Asylverfahrens seine Ausbildung beginnt, ist das ein typischer Fall für die 3-plus-2-Regelung. Diese Regelung gilt, wohlgemerkt, laut Gesetz nicht für sichere Herkunftsländer. Darin sind wir uns auch einig. Das steht schon seit über einem Jahr fest. Wer aus einem sicheren Herkunftsland kommt, erhält überhaupt keine Arbeitserlaubnis und kann deshalb auch keine Berufsausbildung aufnehmen. Das ist völlig klar. Wenn aber jemand beispielsweise aus Syrien gekommen ist und eine Ausbildung begonnen hat, dann gilt die 3-plus-2Regelung.
Diese Regelung gilt auch – das steht ebenfalls klar im Gesetz –, wenn irgendwann der Bescheid des BAMF ergeht. Wenn dieser Bescheid positiv ist, gibt es sowieso kein Problem; denn wenn der Flüchtling die Bestätigung bekommt, dass er anerkannt ist, darf er hier bleiben und dann auch arbeiten oder eine Ausbildung machen. Aber auch wenn vom BAMF ein negativer Bescheid ergeht, der Antragsteller also nicht als Flüchtling anerkannt wird, gilt die 3-plus-2-Regelung. Das ist völlig unstreitig. Sie sollten deshalb auch nichts anderes behaupten.
Wenn ich es richtig verstanden habe – nicht alle Beiträge in den letzten 20 Minuten waren widerspruchsfrei –, reden wir jetzt über die Fälle, in denen der Ab
lehnungsbescheid des BAMF bereits vorliegt. Bei allen Ausbildungsverträgen, die vor Erteilung des BAMF-Bescheides abgeschlossen werden, ist es völlig unstrittig. Jetzt reden wir über die Fälle, in denen der Ablehnungsbescheid des BAMF schon vorliegt. Dazu sagt das Gesetz in der Tat, dass es kein Bleiberecht mehr gibt und kein Ausbildungsvertrag mehr abgeschlossen werden darf, wenn die Maßnahmen zur Abschiebung unmittelbar bevorstehen, wenn sie eingeleitet sind. Dazu kann ich nur sagen: Das ist richtig, so steht es im Gesetz, und das wird auch in dem IMS erläutert.
Dieses Gesetz ist ein Integrationsgesetz. Damit soll die Integration derer gefördert werden, die hier sind und hier bleiben. Wenn einer noch keine Ausbildung begonnen hat und der Ablehnungsbescheid des BAMF ergeht, wenn der Asylbewerber also keinen Anspruch auf Asyl hat, dann muss man nicht mehr lange über Integration reden, sondern nach dem Gesetz muss er im Regelfall – es kann Ausnahmen geben – das Land verlassen. Dann kann in der Regel keine Ausbildung mehr begonnen werden. Das ist die Gesetzeslage.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der SPD ist das in Berlin so vereinbart worden. Frau Kollegin Hiersemann, das können Sie in der Gesetzesbegründung und auch aus den Verhandlungen im Arbeits- und Sozialausschuss des Bundestags lesen. Wenn ein negativer Bescheid ergeht und von vornherein kein Abschiebungshindernis vorliegt, wenn wir es mit einem Land zu tun haben, in das üblicherweise Abschiebungen stattfinden und auch stattfinden können, gibt es keine Grundlage dafür, dass noch ein Ausbildungsverhältnis begonnen wird und dann die 3-plus-2-Regelung gilt. Etwas anderes gilt für die Länder, in die nicht abgeschoben werden kann, auch wenn der Asylantrag abgelehnt wird. Wir schieben zurzeit niemanden nach Syrien ab. Dorthin schieben wir auch das nächste halbe Jahr niemand ab. Das sind typische Fälle, in denen trotzdem eine Ausbildung begonnen werden kann.
In den Fällen, in denen die Abschiebung, Zurückschiebung oder Überstellung absehbar ist, soll daher der Durchsetzung der Ausreisepflicht Vorrang eingeräumt werden. Eine Duldung zum Zweck der Berufsausbildung darf dann nicht erteilt werden.
Deshalb sage ich Ihnen: Es liegt eine Fülle von Missverständnissen vor. Für die, die vor Erteilung des Bescheides des BAMF eine Ausbildung begonnen haben, gilt zweifellos die 3-plus-2-Regelung. Für die, die einen negativen Bescheid bekommen haben und erst danach auf die Idee kommen, eine Ausbildung zu beginnen, ist völlig klar, dass im Regelfall die Abschiebung Vorrang hat. Wenn eine Abschiebung in absehbarer Zeit möglich ist, kann keine Ausbildung mehr begonnen werden. Entsprechend gilt dann auch nicht mehr die 3-plus-2-Regelung. Dies ist nach geltender Gesetzeslage völlig eindeutig. Da gibt es kein bayerisches Sonderrecht, sondern das ist eine klare gesetzliche Regelung, die wir in Bayern so interpretieren.
Für die kommende Woche habe ich die Vertreter der Handwerkskammern, der Industrie- und Handelskammern, des Landkreistages, des Städtetages und auch der Kirchen zu einer Besprechung ins Innenministerium eingeladen. Dabei werden wir dieses Problem gemeinsam besprechen.
Ich bin vor allem den mittelständischen Betrieben in unserem Land sehr dafür dankbar, dass sie für junge Flüchtlinge mit Bleibeperspektive Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen. Diese Betriebe haben auch großes Interesse daran, qualifizierten Nachwuchs zu bekommen. Da soll es auch keine Missverständnisse geben. Niemand soll meinen, dass jemand, der vor einem Jahr die Ausbildung begonnen hat, plötzlich abgeschoben wird. Das ist nicht der Fall. Mit Verlaub, ich habe es den Kammern seit vier Wochen jede Woche erneut gesagt: Nennen Sie mir einen konkreten Fall, in dem einer von Abschiebung bedroht ist, in dem die Abschiebung angekündigt worden ist, obwohl er in einem laufenden Ausbildungsverhältnis steht. – Ich kann Ihnen nur sagen: Auch nach vier Wochen ist mir noch kein einziger solcher Fall genannt worden, kein einziger! In der Öffentlichkeit findet ein reines Spektakel statt, eine Ausbreitung von Missverständnissen oder was auch immer. Einen realen Fall, dass jemand in einem laufenden Ausbildungsverhältnis von einer Abschiebung bedroht ist, konnte mir bislang niemand nennen. Wenn Sie einen solchen Fall kennen, teilen Sie es mir bitte in den nächsten Tagen mit.
Ich sage es noch einmal: Bei denjenigen, die einen Ablehnungsbescheid des BAMF haben, bei denen wir eine Perspektive sehen, sie in absehbarer Zeit abzuschieben, sagen wir in Einklang mit dem vom Deutschen Bundestag beschlossenen Gesetz und der Gesetzesbegründung, dass dann die Abschiebung Vorrang hat und dass solche Leute in der Regel nicht mehr in ein Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis ein
Danke schön. Bitte bleiben Sie am Rednerpult. Wir haben zwei Zwischenbemerkungen, zunächst von Kollegin Gote.
Herr Minister, die Verunsicherung bzw. die Missverständnisse scheinen aber nicht nur auf unserer Seite zu bestehen, wie Sie es hier unterstellen bzw. angenommen haben, sondern offensichtlich auch bei den Ämtern. Ich nenne Ihnen jetzt einen konkreten Fall. Ich wüsste gerne, wie dieser zu handhaben ist. Es geht um einen 18 Jahre alten Afghanen, der nun schon seit fast zwei Jahren in Deutschland ist. Er hat die Berufsschule abgeschlossen und könnte jetzt eine Berufsausbildung in einem guten und renommierten Betrieb in Bayreuth beginnen. Er hatte noch keine Anhörung beim BAMF. Er hat lediglich eine Aufenthaltsgestattung. Warum bekommt er keine Arbeitsgenehmigung, damit er diese Ausbildung aufnehmen könnte?
– Liebe Frau Kollegin Kamm, wenn ich die Kollegin Gote bitte, mir den Fall zu schicken, können Sie doch nicht behaupten, dass das nicht stimmt.
Herr Minister, wir lernen immer gerne dazu, und Sie haben uns das jetzt noch einmal wunderbar erklärt, aber das wollten wir gar nicht wissen. Das hatten wir schon selber verstanden. Sie haben nicht beantwortet, was konkrete Maßnahmen sind. Wann sind konkrete Maßnahmen eingeleitet? Das ist genau der Punkt, der in der Kritik steht. In Ihrem IMS steht, dass konkrete Maßnahmen bereits eingeleitet sein können, wenn der Sachbearbeiter darüber nachdenkt, zum Hörer zu greifen, um
einen Termin zu machen, weil er dem Ausländer sagen muss, dass er bei der Passbeschaffung eine Mitwirkungspflicht hat. Das ist nach Ihrem IMS als Einleiten konkreter Maßnahmen definiert.
Dies hat die bekannten Missverständnisse zur Folge. Vielleicht herrschen die Missverständnisse, die Sie angesprochen haben, nicht nur in diesem Hause und bei den Behörden, sondern auch in der Wirtschaft. Sie haben eingangs selber gesagt, dass Sie viele Schreiben aus Betrieben erhalten hätten, in denen diese Missverständnisse auch zum Ausdruck kämen. Was sind denn das für Missverständnisse? Haben es diese Betriebe einfach auch nicht verstanden, so wie Sie denken, dass auch wir es nicht verstanden haben? Oder stiftet das IMS vielleicht doch eine ungeheure Verunsicherung auch bei den Firmen, die junge Leute ausbilden wollen, weil eben keine klare Folge des Bundesintegrationsgesetzes dargestellt wird?
Frau Kollegin, ich habe gerade gesagt, dass ich den vielen Betrieben in Bayern sehr dankbar bin, vor allem den vielen mittelständischen und Handwerksbetrieben, die junge Flüchtlinge ausbilden. Aber klar ist eben auch, dass in Einzelfällen nichts passiert, bis ein Bescheid vom BAMF kommt. Sobald der Ablehnungsbescheid vom BAMF vorliegt, wird dem einen oder anderen möglichst schnell noch ein Ausbildungsplatz organisiert. Das geht in der Regel nicht von diesen Betrieben aus, aber durch entsprechende Vermittlungen. Dieser Entwicklung wollen wir nicht tatenlos zusehen.
Deshalb sage ich Ihnen noch einmal: Alle Kreisverwaltungsbehörden in Bayern sind dazu angehalten, sobald ein Ablehnungsbescheid vom BAMF vorliegt, in aller Regel unverzüglich die Abschiebungsmaßnahmen bzw. die Rückführungsmaßnahmen einzuleiten. Das ist der Regelfall. Zum Teil sind diese Aufgaben bereits auf die zentralen Ausländerbehörden bei den Regierungen übergegangen. Ausnahmen stellen nur die Länder dar, in die praktisch keine Abschiebung stattfinden kann. Wenn klar ist, dass in absehbarer Zeit wegen Abschiebungshindernissen vor Ort oder wegen Abschiebungshindernissen in der Person keine Abschiebung stattfinden wird, dann kann ein solches Ausbildungsverhältnis begründet werden und wird möglich sein.
Aber wenn das Bundesamt einen Asylantrag abgelehnt hat, dann sind in der Regel die Maßnahmen einzuleiten, die zum Verlassen des Bundesgebietes führen. Das mag in anderen Bundesländern anders sein.
Aber wir vollziehen Bundesrecht. Das steht nämlich auch im Aufenthaltsgesetz. Wir handhaben das so. Deshalb gibt es in diesen Fällen auch kein Ausbildungsverhältnis und keinen Arbeitsplatz, sondern die Person muss das Bundesgebiet verlassen. Wenn wir das anders machen würden, würden wir unsere ganzen Rechtskonstruktionen ad absurdum führen, und das machen wir in Bayern nicht.
Vielen Dank. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen nun zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt. Ich rufe zuerst die Abstimmung in einfacher Form über die beiden Anträge auf, und anschließend findet die namentliche Abstimmung über den SPDDringlichkeitsantrag statt.
Wir stimmen jetzt in einfacher Form über den Dringlichkeitsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 17/14130 ab. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPD-Fraktion, die Fraktionen der FREIEN WÄHLER und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen! – Das ist die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltung. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.
Ich lasse nun über den Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/14131 abstimmen. Das ist der Antrag der Fraktion der FREIEN WÄHLER. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPD-Fraktion, die FREIEN WÄHLER und das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen! – Das ist die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltung. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.
Nun rufe ich zur namentlichen Abstimmung den Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/14103 auf. Das ist der Antrag der SPD-Fraktion. Ich eröffne die Abstimmung. Fünf Minuten!
So, die fünf Minuten sind um. Ich schließe die Abstimmung und lasse außerhalb des Sitzungssaales auszählen. Wir fahren in der Tagesordnung fort. Ich darf Sie bitten, wieder Platz zu nehmen.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Dr. Leopold Herz u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Landwirten in Zeiten der Preiskrise besser beistehen - Preisdumping nicht auf dem Rücken der Landwirte austragen! (Drs. 17/14104)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Horst Arnold, Florian von Brunn u. a. und Fraktion (SPD) Lehren aus der Agrarkrise ziehen Rahmenbedingungen im Sinne der bäuerlichen Familienbetriebe anpassen (Drs. 17/14132)
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn das Thema zum Schluss kommt, soll das nicht bedeuten, dass es unwichtig ist. Es ist ein wichtiges Thema. Zum Hintergrund sei nochmals kurz gesagt: Wir hatten mit der größten Milchkrise der Nachkriegszeit zu kämpfen. Wir hatten Preise von teilweise unter 20 Cent pro Liter. Wenn man von etwa 40 Cent Erzeugungskosten ausgeht, kann man sich vorstellen, dass auch den kleinen und mittleren bäuerlichen Unternehmern ein Mindestlohn zustehen würde. Das sage ich jetzt in Richtung der SPD, die sich immer für einen Mindestlohn eingesetzt hat. Aber bei solchen Milchpreisen muss sich jeder im Lohnverzicht üben. Das ist natürlich dauerhaft nicht zumutbar. Wir haben jetzt die ersten Erfahrungen mit Zahlungen für freiwilligen Milchlieferverzicht gemacht. In der ersten Antragsrunde wurden knapp 100 Millionen kg Milch angemeldet. Davon blieben nur noch 12 Millionen kg übrig. Das bedeutet, die Landwirte fragen nach. Sie wollen einen Beitrag zur Marktbereinigung leisten; denn sobald ein Überschuss da ist, ist jeder Tropfen Milch zu viel. Wir haben europaweit über 6.000 Betriebe. In Deutschland haben wir bis jetzt 918 Betriebe. Das Interesse ist also da.