Protocol of the Session on October 18, 2016

Vielen Dank. – Die nächste Wortmeldung: Herr Professor Dr. Bauer von den FREIEN WÄHLERN. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Pflegekräfte sind die größte Berufsgruppe im medizinischen Bereich. Sie leisten 365 Tage im Jahr 24 Stunden am Tag eine hervorragende Arbeit. Vor allem ihre soziale Kompetenz ist wichtig. Ihre Stärkung und Einbindung in das gesamte Gesundheitswesen ist uns FREIEN WÄHLERN besonders wichtig. Als Mitglied einer Kammer weiß ich um die Vorteile einer Kammer. Ich weiß, wie es ist, wenn ein Staatskommissar eingesetzt wird, weil die Zahnärztekammer nicht wie vorgesehen funktioniert hat. Ich weiß, was es bedeutet, wenn da jemand vom Ministerium kommt.

(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Das ist jetzt nicht unbedingt ein Argument für eine Kammer!)

Natürlich ist das ein Argument für eine Kammer, weil ich dabei bemerkt habe, welchen Unterschied es ausmacht, ob man selbst entscheiden kann oder ob man vom Staat abhängig ist. Das habe ich gelernt. Deswegen setze ich mich für eine Kammer ein.

Jetzt komme ich zu diesem Gesetzentwurf. Erlauben Sie mir zunächst grundlegende einleitende Anmerkungen aus Sicht der FREIEN WÄHLER. Im Gesetzentwurf steht im Punkt "Alternativen": "Keine". Frau Ministerin, da steht "Keine" drin. Das mag in einem Gesetz immer so sein. Ich weiß es nicht. Ich bin kein Jurist, vielleicht zum Glück. Aber dennoch finde ich diese Formulierung an dieser Stelle unseriös; denn wir haben zwei oder drei Jahre darüber gestritten und uns damit auseinandergesetzt. Die Alternative ist ganz klar: eine Pflegekammer. Ich verstehe nicht, dass in dem Gesetzentwurf steht, dass es keine Alternative gebe. Als Oppositionspolitiker sehe ich darin wenig Respekt angesichts der Tatsache, dass ich seit Jahren betone, dass wir für eine Kammer sind. Und

dann steht im Gesetzentwurf, es sei keine Alternative da. Es gibt eine klare Alternative. Das ist die Pflegekammer.

Es geht weiter im vorgelegten Gesetzentwurf. Ich bin sehr verwundert, in welcher Weise man dort über die Kosten spricht. Da steht – ich zitiere aus dem Gesetz –: "Kosten für den Bürger entstehen keine." – Selbstverständlich entstehen Kosten; denn ein paar Zeilen darüber schreiben Sie, 900.000 Euro würden in den Staatshaushalt eingestellt. Woher kommen denn die Mittel? Meinen Sie, sie kommen aus Spenden, wie es in einem Nebensatz heißt? – Dort kommen sie sicherlich nicht her, sondern der Bürger muss diese Kosten tragen. Die Aussage, für den Bürger entstünden keine Kosten, ist an den Haaren herbeigezogen. Ich finde diese Aussage ebenfalls nicht sehr seriös.

Nun komme ich zu dem Sitz der Pflegevereinigung. Der Sitz soll in München sein. Gleichzeitig ist vor 14 Tagen oder drei Wochen entschieden worden, dass das Ministerium nach Nürnberg umzieht. Ich verstehe nicht, warum man das trennt und unnötige Kosten und Reibungsverluste produziert. Ich glaube, es wird dem Anliegen – Herr Holetschek hat ja so für dieses Anliegen geworben; das unterstütze ich natürlich – nicht gerecht, wenn wir hier eine Trennung vornehmen.

(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Ihnen ist schon klar, dass die Vereinigungen alle in München sitzen?)

Damit wir uns recht verstehen: Ich bin für die Verlagerung des Ministeriums nach Nürnberg. Ich will hier richtig zitiert werden; denn im Ausschuss hatte ich den Eindruck, nicht so ganz durchzudringen. Auch die zugehörige dpa-Meldung ist in diesem Punkt schlicht und einfach falsch. Es hat sich entgegen der dpa-Meldung nicht die gesamte Opposition gegen den Umzug nach Nürnberg gewandt, sondern ich habe klipp und klar gesagt, dass ich persönlich für den Umzug nach Nürnberg bin. Deswegen wäre es meiner Ansicht nach sinnvoll, dass der Pflegering auch nach Nürnberg kommt.

Ich möchte auf die 50 % bei der Abstimmung unter den Pflegekräften zu sprechen kommen. Ich weiß, dass es im parlamentarischen Betrieb völlig klar ist, dass eine Partei mit einem Stimmenanteil von 47,7 % die absolute Mehrheit der Sitze hat. Aber Sie sollten sich mit den Argumenten auseinandersetzen, mit denen wir hier arbeiten und damit, wie wir miteinander umgehen. Da sagen Sie, das ist nichts, das können wir vom Tisch wischen, obwohl 50 % zugestimmt haben. Was ist da unverständlich? – Für mich ist die Sache ganz klar. Wenn die Entscheidung passt, wenn

das Ergebnis passt, ist alles in Ordnung und wird schöngeredet. Wenn das Ergebnis nicht passt, wird es einfach vom Tisch gewischt. So möchte ich hier nicht Politik machen. Ich appelliere an Ihren gesunden Menschenverstand. Sie sollten das ernst nehmen, was diese 50 %, die sich für eine Pflegekammer ausgesprochen haben, gesagt haben.

Nun kommt der entscheidende Kritikpunkt, und zwar der Beirat. Es wurde schon gesagt: Er wird vom Ministerium bestellt. Das Votum des Beirats – so steht es im Gesetzentwurf – muss berücksichtigt werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es da eine Gleichbehandlung, einen Umgang auf Augenhöhe mit den anderen Gesundheitszentren gibt.

Ich komme zum finanziellen Tropf. Ich sehe das ganz anders als Herr Holetschek von der CSU. Es hängt immer von der Landtagsmehrheit ab, wie viele Haushaltsmittel für die Vereinigung der Pflege bereitgestellt werden. Das ist keine Stärkung, sondern eine Entmachtung, wenn man am finanziellen Tropf von irgendeiner zusammengestellten Mehrheit hängt und vor der Frage steht, ob man etwas finanziert bekommt oder nicht. Deswegen sagen wir FREIE WÄHLER ganz klar: Der vorliegende Gesetzentwurf ist nicht zustimmungsfähig. Es gibt eine klare Alternative. Das ist die Pflegekammer. Wenn sich hier im Diskussionsprozess nicht deutlich etwas ändert, müssen wir FREIEN WÄHLER diesen Gesetzentwurf leider ablehnen. Wir werden dann dementsprechend abstimmen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Einen kleinen Moment, Kollege Bauer. Herr Holetschek hat eine Zwischenbemerkung.

Herr Professor Bauer, habe ich das richtig verstanden, dass Sie der Meinung sind, die Vereinigung der bayerischen Pflege sollte nach Nürnberg gehen, obwohl die Pflegeverbände hier in München sind? Sie wollen dann sicher, dass auch die Ärztekammer und andere Gremien nach Nürnberg gehen, oder wie muss ich das verstehen? Was für eine Meinung haben Sie dazu?

(Dr. Christian Magerl (GRÜNE): Ihr wollt das Ministerium nach Nürnberg verlagern!)

Da gibt es keinen Widerspruch. Die Ärztekammern haben Hunderte von Mitarbeitern. Das kann man nicht vergleichen mit einer relativ kleinen, überschaubaren Gruppe. Ich bin der Meinung, dass dieser Pflegering direkt an das Ministerium angegliedert und mit nach Nürnberg umziehen sollte. Ich spreche nicht von der Ärztekammer oder der Zahnärztekammer. Ich

weiß nicht, wie viele Angestellte diese haben, vielleicht 700 oder 800. Das wäre Irrsinn. Das meine ich nicht.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Danke schön, Professor Bauer. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Kollege Leiner. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Bauer, ich muss Sie gleich direkt ansprechen. Ich war mir nicht ganz sicher, was Sie wollen. Wollen Sie einen Pflegering in Nürnberg, oder wollen Sie eine Pflegekammer? – Gegen Ende der Rede konnte ich dem nicht mehr ganz folgen.

Zum Kollegen Holetschek sage ich Folgendes: Lieber Kollege, inhaltlich haben Sie nichts zu der Vereinigung der Bayerischen Pflege gesagt, kein einziges Wort. Sie haben für dieses Konstrukt geworben. Ich darf Ihnen sagen: Sie werden dazu sicherlich noch einige Stellungnahmen bekommen. Das kann ich Ihnen versprechen.

Aber lassen Sie mich so anfangen: Wer zahlt, schafft an. Die Vereinigung der bayerischen Pflege ist genau in diesem Sinne konstruiert. Die Bayerische Staatsregierung zahlt, schafft aber auch an, meine Damen und Herren. Die Finanzierung der Körperschaft soll ausschließlich aus dem jeweiligen Staatshaushalt erfolgen. Ich zitiere wörtlich:

Zur Finanzierung ihrer Aufgaben erhält die Vereinigung der bayerischen Pflege jährliche staatliche Zuwendungen nach Maßgabe des Staatshaushalts.

Das ist aus dem Gesetzestext. Das heißt, die Interessenvertretung hängt am Tropf der Bayerischen Staatsregierung und gerät damit in die vollkommene finanzielle Abhängigkeit.

(Zuruf von der SPD)

Meine Damen und Herren, genau das wollen die bayerischen Pflegekräfte nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Darüber hinaus – es ist schon angesprochen worden – wird ein Beirat paritätisch besetzt, also mit vier Vertretern der Mitglieder der Delegiertenversammlung und vier Vertretern der Trägerverbände bzw. der Kliniken und mit einem oder einer vom Ministerium bestellten Vorsitzenden. Das bezeichne ich als Anschlag auf die Selbstverwaltung. Das Votum des Beirats hat

nämlich bindende Wirkung auf die Beschlüsse der Mitglieder der Delegiertenversammlung. Lassen Sie mich nachzählen. Vier Beiräte von den Pflegenden, vier Beiräte von den Trägern und der oder die Beiratsvorsitzende, die dann die entscheidende Stimme hat, Frau Ministerin. Kurz gesagt, wir haben eine Interessenvertretung, die finanziell vollkommen von der Bayerischen Staatsregierung abhängig ist. Letztlich trifft bei einem Abstimmungspatt ein Vertreter des Gesundheitsministeriums die Entscheidung vor allem über Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen. Das ist eine Veräppelung aller Pflegerinnen und Pfleger in Bayern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eigentlich wäre dies die einmalige Chance, eine kraftvolle Vertretung in der Pflege zu erreichen, die dem Wohle aller Menschen im Freistaat dient. Die ärztlichen Heilberufe sind alle verkammert. Ihre Aufgaben sind klar definiert. Sie sind eigenverwaltet und werden durch ihre Mitglieder finanziert. Ihr Einfluss auf Gesellschaft und Politik ist unbestritten. Sie nehmen durch ihre gewählten Vertreter Stellung zu den jeweils drängenden Problemen und treten in der Regel geschlossen auf. Gerade die Pflichtmitgliedschaft ermöglicht diesen Einfluss und diese Stellung der Kammern in unserer Gesellschaft.

Eine eigenständige Selbstverwaltung und somit eine verpflichtende Registrierung bieten auch die Möglichkeit realistischer Prognosen zum Fachkräftebedarf und -mangel sowie verlässlicher und transparenter Regelungen in allen Bereichen, vor allem in der Qualität der professionellen Pflege. Es sitzen eben alle im gleichen Boot.

Auch die Ärzteschaft ist inzwischen alles andere als homogen: Ein immer größerer Anteil der Mediziner arbeitet im Angestelltenverhältnis. Die Träger sind völlig unterschiedlich – MVZs, Kliniken, private Träger –, und trotzdem sind alle Ärzte Mitglieder in der Ärztekammer. Das wollen die Pflegenden auch. RheinlandPfalz hat bereits die erste Landespflegekammer Deutschlands, und es wird auch eine Bundes-Pflegekammer geben. Da stellt sich die Frage, ob diese Bundes-Pflegekammer ein bayerisches Konstrukt aufnimmt, das zu 100 % staatsabhängig ist. Unsere Antwort auf diese Frage wird vermutlich Nein heißen. Es gibt eben im gesamten Bereich keine Chance für Ihr Konstrukt, Herr Holetschek. Lassen Sie doch die am Bett Pflegenden entscheiden. Sie haben sich zu über 50 % bereits entschieden, Frau Ministerin: Sie wollen eine Pflegekammer.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich danke auch Ihnen, Kollege Leiner. – Damit ist die Aussprache geschlossen. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Gesundheit und Pflege als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht Einverständnis? – Ich sehe keinen Widerspruch. So beschlossen.

Jetzt gestatten Sie mir, noch den Tagesordnungspunkt 2 e aufzurufen:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Transplantationsgesetzes, des Bayerischen Krankenhausgesetzes und einer weiteren Rechtsvorschrift (Drs. 17/13227) - Erste Lesung

Die Fraktionen sind übereingekommen, auf eine Aussprache zu verzichten. Ich schlage vor, den Gesetz

entwurf dem Ausschuss für Gesundheit und Pflege als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht auch hiermit Einverständnis? – Dann ist das so beschlossen.

Damit schließe ich die Sitzung mit herzlichem Dank für Ihr Verständnis für heute.

(Schluss: 19.12 Uhr)