Protocol of the Session on June 29, 2016

Danke schön, Herr Schindler. – Die nächste Wortmeldung: Kollege Streibl.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Das Parlamentsbeteiligungsgesetz, das wir alle hier im Landtag erarbeitet haben und das einstimmig durchgehen wird, regelt nicht nur das Verhältnis der Exekutive zur Legislative, sondern regelt mit der Umsetzung des Artikels 55 der Bayerischen Verfassung auch das Verhältnis von Bayern zu Europa mit und setzt ganz spezielle bayerische Akzente; denn der Föderalismus, der uns in Bayern so wichtig ist, kommt hier zur Geltung, indem dieses Parlament einbezogen wird und per Gesetz der Staatsregierung Weisungen erteilen kann. Daher ist dieses Gesetz heutzutage wichtiger denn je für ein föderales, regionales Europa, für ein Bayern in einem Europa der Regionen, in dem wir als

Bayern – deswegen auch die Einigkeit hier im Haus – uns stark zu Wort melden können, um unsere Interessen in Europa laut und kräftig zu vertreten. Deswegen erleben wir mit unserem Beschluss einen ganz besonderen Moment. Man muss auch sagen, dass das föderale Denken hier in Bayern ein Modell für ein zukünftiges Europa sein muss; denn Europa wird föderal sein müssen, oder es wird überhaupt nicht mehr sein. Das haben wir in der letzten Zeit gesehen.

Daran müssen wir arbeiten. Die Menschen in Europa muss man mitnehmen. Das schafft man durch Gesetze, die vorschreiben, dass auch die Regionalparlamente gehört werden und sich zu Wort melden können. Wir FREIEN WÄHLER unterstützen diesen Gesetzentwurf von Herzen und mit Freude, weil wir wissen, dass Bayern damit richtig aufgestellt wird.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Des Weiteren unterstützen wir auch gerne und mit Leidenschaft den Änderungsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN; denn wir hatten in der letzten Legislaturperiode einen ähnlichen Antrag gestellt. Hier sollte sich die Mehrheitsfraktion schon einmal überlegen, ob man die Abläufe vielleicht anders regeln sollte; denn die Verbandsanhörung bei Gesetzesinitiativen der Staatsregierung läuft hinter verschlossenen Türen. Wir als Parlamentarier, als Gesetzgeber, als Legislative, erfahren davon nichts und werden nicht beteiligt. Dabei haben wir eigentlich einen Anspruch und ein Recht darauf zu erfahren, was die Verbände von den verschiedenen Gesetzentwürfen der Staatsregierung halten. Wir haben auch einen Anspruch darauf zu erfahren, welche Anregungen der Verbände letztlich in solchen Gesetzentwürfen ihren Niederschlag finden. Es ist ein Gebot der Offenheit, der Ehrlichkeit und auch der Transparenz, dass man sieht, wer welchen Einfluss hat und welche Argumente berücksichtigt werden.

Ich möchte auch auf eines hinweisen, meine Damen und Herren: Wir haben hier in Bayern diesbezüglich schon bessere Zeiten erlebt; denn genau hier im Haus gab es früher einmal zwei Kammern. Damals gab es noch den Bayerischen Senat. Er war die Ständevertretung hier in Bayern. Das Geschehen dort entsprach demjenigen in der heutigen Verbändeanhörung.

(Zuruf des Staatsministers Dr. Marcel Huber)

Gegenüber dem Plenarsaal tagte der Senat. Gesetzentwürfe wurden dort hinübergereicht; man hat sie sich angesehen; es gab Empfehlungen und eine Mitsprache. Das war ein offenes und transparentes Verfahren, nicht ein Verfahren wie jetzt. Ein Verfahren wie

damals sollte man wieder pflegen. Hier sollte sich die Staatsregierung einmal einen Ruck geben

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

und auf die Legislative zugehen. Das hat auch mit der Wertschätzung der Arbeit zu tun, die man hier im Haus leistet.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Nichts anderes als diese Wertschätzung fordern wir ein. Wir fordern auch das Wissen der Verbände ein; denn in der Praxis schreiben wir alle Verbände an, von denen wir meinen, dass sie zu einem Gesetzentwurf angehört werden. Dann bekommen wir irgendwann durchaus die Antworten; aber das ist ein mühsames Verfahren, das bei den Verbänden immer nur auf Kopfschütteln stößt. Die Verbände gehen nämlich davon aus, dass wir das, was sie der Staatsregierung schreiben, im Haus hier selbstverständlich auch erfahren und bekommen. Sie fragen immer wieder: Warum habt ihr das nicht? – Weil die Staatsregierung es für sich behält.

Daher: Geben Sie sich einen Ruck und stimmen Sie dem Änderungsantrag zu! Wir jedenfalls werden es tun.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege Streibl. – Unser nächster Redner ist Kollege Gehring. Bitte schön, Herr Gehring.

Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war nicht so geplant; aber die Verabschiedung dieses Gesetzes könnte zu keinem symbolhafteren Zeitpunkt erfolgen als jetzt, nach dem Brexit-Beschluss im Vereinigten Königreich. Dieser Beschluss ist auf eine europafeindliche Stimmung und Stimmungsmache zurückzuführen, aber auch auf eine Mentalität, die sich bei uns sehr häufig zeigt: eine Mentalität des Schimpfens auf Brüssel. Im Zweifelsfall ist Brüssel schuld; da steht der Sündenbock; denn Brüssel ist weit weg. Dort wehrt sich keiner; man kann leicht darauf schimpfen und eine schlechte Stimmung machen.

Dieser schlechten Stimmung gilt es Einhalt zu gebieten. Es geht nicht darum, auf Brüssel zu schimpfen, sondern es geht darum, in Brüssel mitzureden, Europa mitzugestalten und an einem demokratischen Europa teilzuhaben. Dorthin müssen die Debatten in den nächsten Wochen führen.

(Beifall bei den GRÜNEN und den FREIEN WÄH- LERN)

Deswegen geht es in dem vorliegenden Gesetzentwurf um die Beteiligung der nationalen Parlamente, des jeweiligen Landesparlamentes und um die Mitsprache Bayerns und die Vertretung bayerischer Interessen in Brüssel. Und, lieber Kollege Streibl, Europa ist nicht länderblind. Seit dem Lissabon-Vertrag 2009 sind die Landesparlamente offizielle Akteure in der EU. Bayern hat reagiert. Sehr früh haben alle Fraktionen miteinander aus einem Parlamentsinformationsgesetz ein Parlamentsbeteiligungsgesetz gemacht und die Beteiligung an Entscheidungen in Brüssel und die Information über Entscheidungen im Gesetz verankert. In der Bayerischen Verfassung ist nun geregelt, dass der Landtag in EU-Angelegenheiten informiert werden muss. Diese Vorschrift wird mit der Gesetzesänderung jetzt in ein Gesetz gegossen. Der Gesetzentwurf zielt also auf eine Stärkung der Informationsrechte und der Mitspracherechte des Landtags gegenüber Europa. Es geht aber auch darum, dass wir im Parlament einschlägige Informationen von der Staatsregierung bekommen. Der Gesetzentwurf sieht also auch eine Stärkung der Rechte des Parlamentes gegenüber der Staatsregierung vor.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die gleiche Logik liegt unserem Änderungsantrag zugrunde. Auch er hat zum Inhalt, dass wir im Parlament schneller und früher von der Staatsregierung in Entscheidungsprozesse einbezogen werden und die Informationen bekommen, die über die Verbändeanhörung der Staatsregierung zugeleitet worden sind. Gemeint sind nicht nur die Verbände, zu denen die einzelnen Fraktionen mehr oder weniger gute Beziehungen haben und von denen sie mehr oder weniger direkt Informationen bekommen. Gemeint sind auch die Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie die kommunalen Verbände und Spitzenverbände. Der Antrag zielt darauf, dass sich ein breites Spektrum der Zivilgesellschaft in Bayern zu Gesetzesvorhaben der Staatsregierung äußert.

Ich halte es für notwendig, dass wir als Parlamentarier in den Prozess der Erkenntnisgewinnung und der Entscheidung der Staatsregierung einbezogen werden, falls es einen solchen Prozess gibt und er durch die Verbändeanhörung eingeleitet wird. Des Weiteren halte ich es für notwendig, dass wir im Parlament, wir, die Legislative, bei der Diskussion und der Entscheidung über die Gesetzentwürfe über diese Informationen verfügen können. Es entspricht dem Grundsatz der Zusammenarbeit zwischen Organen, dass die obersten Staatsorgane bei der Ausübung ihrer Kom

petenzen aufeinander Rücksicht zu nehmen haben. Das gebietet die Verfassung.

Deswegen bitte ich um Zustimmung auch zu unserem Gesetzesänderungsantrag. Er zielt darauf, dass die Kontrollrechte des Landtags gegenüber der Staatsregierung und die Informationsrechte des Landtags gestärkt werden. Die Informationen über EU-Angelegenheiten und über Stellungnahmen der Verbände haben miteinander zu tun. Was Europa betrifft, haben wir bei dem Gesetzentwurf interfraktionell gut zusammengearbeitet.

Ich bedanke mich bei den Kollegen der anderen Fraktionen und deren Mitarbeitern für die Abstimmungsprozesse, die nicht immer ganz einfach waren und auch Zeit brauchten. Ich bitte Sie, auch unserem Änderungsantrag zuzustimmen. Das wäre ein Zeichen des Selbstbewusstseins des Parlaments gegenüber der Staatsregierung, und Selbstbewusstsein sollte doch auf allen Seiten dieses Hauses zu finden sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Gehring. Ich gebe bekannt, dass die CSU-Fraktion für die Schlussabstimmung namentliche Abstimmung beantragt hat. Jetzt hat sich für die Staatsregierung Herr Staatsminister Dr. Huber zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! 1991 hat hier im Bayerischen Landtag – übrigens in einer gemeinsamen Sondersitzung von Landtag und Senat – zum ersten Mal ein EG-Kommissionspräsident vor einem Länderparlament gesprochen. Jacques Delors hat hier damals gesagt, die Beteiligung der Regionen am Aufbau Europas sei eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg Europas. Wie wahr und wie weitsichtig! Diese Überzeugung von Delors ist heute genauso aktuell wie 1991. Der Zeitpunkt, heute darüber zu sprechen, ist gut gewählt. Die Entscheidung der Briten für einen Austritt aus der EU zeigt, dass wir in Europa mehr Transparenz bei Entscheidungen und mehr Rückkopplung zu den Bürgern brauchen. Das gilt – ganz ausdrücklich gesagt – wahrhaft nicht nur für Großbritannien, sondern für alle Staaten Europas. Gerade deshalb müssen die Regionen die Debatten mitbestimmen; denn die Regionen kennen die Sorgen und Nöte der Menschen vor Ort viel besser. Das Motto "Einheit in Vielfalt statt Zentralismus und Gleichmacherei" wird von den Regionen am besten gelebt.

Wir Bayern nehmen die Verantwortung für ein lebendiges Europa der Regionen schon immer sehr ernst. Wir haben gegenüber dem Bund und der EU maß

gebliche Mitwirkungsrechte der Länder eingefordert und auch durchgesetzt. Ich darf ein paar Beispiele nennen: den Ausschuss der Regionen, die Länderrechte in Artikel 23 des Grundgesetzes und das Gesetz zur Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union. Die Länder haben für die Aufgaben, für die sie zuständig sind, zum Beispiel für Bildung, Kultur oder Rundfunk, eigene Vertreter im EU-Ministerrat. Bei wichtigen Themen der Europapolitik stehen die Länder den Mitgliedstaaten praktisch in nichts nach. Für diese Erfolge haben Landtag und Staatsregierung eng zusammengearbeitet. Das gilt genauso für die Verankerung der Mitwirkungsrechte des Landtags in der Bayerischen Verfassung, die heute schon erwähnt worden ist.

Wir sind uns darin einig, dass der Landtag als bayerische Volksvertretung bei der Meinungsbildung in EU-Angelegenheiten auch mitwirken muss. Die Vorstellung, dass solche Entscheidungen in Brüssel alleine getroffen werden, wie wir es gestern hören durften, ist absolut nicht in unserem Interesse. Der Entwurf des Parlamentsbeteiligungsgesetzes sichert eine ausgewogene Staffelung der Beteiligungspflichten. Der Gesetzgebungsauftrag des neuen Artikels 70 Absatz 4 der Bayerischen Verfassung wird dadurch, wie Sie, Herr Schindler, gesagt haben, in idealer Weise mit Leben erfüllt.

Mein Dank gilt allen Fraktionen, die an diesem Gesetz mitgearbeitet haben. Ganz besonders bedanke ich mich bei Landtagsvizepräsident Reinhold Bocklet und beim Vorsitzenden des Europaausschusses Dr. Franz Rieger, die diese Gesetzesinitiative ins Leben gerufen und mit großem Nachdruck vorangetrieben haben.

Die große Einmütigkeit, die heute bei diesem Gesetzentwurf zwischen allen Fraktionen und auch mit der Staatsregierung besteht, zeigt, dass es einen Konsens der Verantwortung für unser Land gibt, wenn es darum geht, die Stellung der Länder in Europa zu definieren. Dieses Bekenntnis zu einem besseren Europa ist uns wichtig. Dazu wollen wir auch in Zukunft beitragen.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wenn wir den Auflösungserscheinungen Europas, die wir leider in vielen Ländern beobachten müssen, energisch entgegentreten wollen, muss den Menschen der Nutzen Europas nicht nur für unsere Interessen in Bayern, sondern auch in Deutschland, erklärt werden. Wir brauchen mehr öffentliche Debatten über die EU und ihre Vorhaben – sowohl im Bundestag und in den Länderparlamenten als auch in den Medien. Mit dem Parlamentsbeteiligungsgesetz setzen wir ein Zeichen für ein Europa der Transparenz und der Bürgernähe. Aus diesem Grund werbe ich heute noch einmal um

eine möglichst einstimmige Zustimmung zu diesem Gesetz.

Natürlich haben Sie auch auf den Änderungsantrag rekurriert. Herr Streibl, die CSU wollte den Senat nicht auflösen, das waren andere. Auch ich halte nach wie vor eine Beteiligung der Interessengruppen der Bevölkerung für ganz wesentlich. Deswegen pflegen wir ein wirklich gutes und vertrauensvolles, aber auch vertrauliches Verhältnis zu den Verbänden, die in einer Verbandsanhörung, wie wir sie derzeit haben, manchmal Äußerungen abgeben, die sie öffentlich nicht in dieser Prägnanz abgeben würden, dass sie jeder in den Zeitungen nachlesen kann. Seien Sie mir nicht böse, aber Meinungsäußerungen von Verbänden, die die Opposition erreichen sollen, kommen bei Ihnen auch an. Dessen bin ich mir ziemlich sicher. Vielleicht kommen sie bei Ihnen sogar noch eher an als bei uns. Deshalb sehe ich keine zwingende Notwendigkeit für diesen Änderungsantrag. Wir werden daher empfehlen, ihn abzulehnen.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Staatsminister. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Da die Frist für die namentliche Abstimmung noch nicht zu Ende ist, führen wir die namentliche Abstimmung und alle Abstimmungen zu den Tagesordnungspunkten 2 und 3 nach dem nächsten Tagesordnungspunkt 4 durch.

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 4 auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung für ein Bayerisches Ingenieurgesetz (Drs. 17/10310) - Zweite Lesung

hierzu:

Änderungsantrag der Abgeordneten Oliver Jörg, Gudrun Brendel-Fischer, Karl Freller u. a. (CSU) (Drs. 17/11769)

Ich eröffne die Aussprache. Die Fraktionen haben sich auf eine Gesamtredezeit von 24 Minuten verständigt. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich dabei an der Redezeit der stärksten Fraktion. – Erste Rednerin ist die Kollegin Haderthauer. Bitte schön.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Frau Präsidentin, meine Kolleginnen und Kollegen!

(Zurufe: Mikro!)

Ich warte noch, bis die Unruhe im Saal etwas nachlässt.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Das Bayerische Ingenieurgesetz regelt, wer die Berufsbezeichnung "Ingenieurin" oder "Ingenieur" führen darf. Wir beschäftigen uns mit diesem Gesetzentwurf heute in Zweiter Lesung, aber nicht deswegen, weil die Debatte so strittig gewesen wäre. Im Gegenteil, wir haben den Gesetzentwurf im federführenden Ausschuss ohne Gegenstimmen verabschiedet. Wir haben es aber geschafft, das Gesetz zwischen der Ersten und der Zweiten Lesung noch zu verbessern. Aus diesem Grunde erfolgt heute noch einmal eine Aussprache.

Hauptgegenstand des Gesetzes ist die Regelung der Verleihung dieser Berufsbezeichnung an Absolventen ausländischer Hochschulen; denn die Absolventen inländischer Hochschulen benötigen keine besondere gesetzliche Genehmigung, um den Titel "Ingenieur" führen zu dürfen.