Protocol of the Session on June 14, 2016

Danke schön, Frau Kollegin. – Herr Kollege Dr. Vetter, Sie haben das Wort.

Frau Kollegin Sonnenholzner, inhaltlich, sachlich und fachlich bin ich völlig bei Ihnen. Sie haben an dem betreffenden Dienstag im Ausschuss nicht die vielleicht beste Lösung bekommen. Eine auch aus meiner Sicht nicht ganz so gute Lösung lag auf dem Tisch. Dann muss ich als Politiker auch einmal über den Tellerrand hinausschauen und im Sinne der Sache der zweitbesten Lösung zustimmen, damit es schneller vorwärtsgeht. So machen wir FREIE WÄHLER das.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat der Kollege Leiner vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In Bayern ist Crystal Meth seit Jahren auf dem Vormarsch. Diese Droge passt offenbar in bestimmten Kreisen zu unserem Zeitalter und zu den gesellschaftlichen Erwartungen. Im Nordosten des Freistaates ist die Droge bedauerlicherweise längst in der Mitte der Gesellschaft

angekommen. Im Vergleich zu anderen Drogen wird Crystal überproportional häufig von Frauen konsumiert. Das bestätigen die Suchtberatungsstellen. Von den erstmals auffälligen Konsumenten, die polizeilich erfasst werden, stellen die Frauen inzwischen fast ein Drittel – so viel wie bei keiner anderen illegalen Droge.

Warum ist das so? – Es wurde schon gesagt, dass die Mütter und Frauen die Droge nehmen, um schneller Gewicht zu verlieren, keinen Hunger zu verspüren, Arbeit, Kind und Haushalt unter einen Hut zu bringen und – ich drücke mich etwas vorsichtiger aus als der Kollege Vetter – stets vital und gut gelaunt zu sein. Was sind die Folgen davon? – Immer mehr Neugeborene leiden unter schwersten Entzugserscheinungen. Auch die Missbildungsrate ist bei Kindern von crystalabhängigen Müttern deutlich höher. Je mehr, je häufiger und je später in der Schwangerschaft eine Frau Crystal Meth nimmt, desto größer sind die Schäden beim Kind. Die Kinder bleiben geistig und motorisch zurück.

Wir kennen die Zahl der Crystal-Meth-Babys gar nicht; sie werden nicht erfasst. Inzwischen ist dieses Problem auf den Frühchenstationen der bayerischen Krankenhäuser angekommen. Mädchen und Frauen sowie betreuendes Fachpersonal müssen deshalb gezielt über die Gefahren und Folgen des Konsums von Methamphetaminen vor und während der Schwangerschaft und nach der Geburt des Kindes erschöpfend aufgeklärt werden.

Uns GRÜNEN im Bayerischen Landtag ist es deshalb besonders wichtig, dass ein Präventionsprogramm nicht ein bloßes Informations-Onlineportal oder nur eine Kampagne ist, wie leider so oft, sondern dass es ein breites Konzept ist, das ein Weiterbildungsmodul für Hebammen, Pflegekräfte, Gynäkologinnen und Gynäkologen und Kinderärztinnen und Kinderärzte umfasst, und dass dieses Programm in Zusammenarbeit mit diesen Berufsgruppen entwickelt wird. Das wäre das Ziel der Maßnahme, die die SPD gefordert hat. Das Programm muss so konzipiert sein, dass es ein breites Spektrum der Fachkräfte sowie der Familien mit einer Sucht- oder Crystalproblematik erreicht. Bisher gibt es kaum belastbare Zahlen und Forschungsergebnisse.

Um die Entwicklung der erkrankten Kinder zu unterstützen und sie besser verstehen und versorgen zu können, brauchen wir mehr Forschung auf diesem Gebiet. Der Datenmangel ist im Moment enorm. Leider hat sich Crystal seinen festen Platz auf dem Drogenmarkt erobert. Gerade die weiblichen Crystalabhängigen, die in der Suchthilfe ankommen, haben im Schnitt eineinhalb Kinder. Das sind die erschrecken

den Zahlen, die auch in Regensburg schon genannt wurden. Die ersten Crystal-Meth-Babys in Bayern dürften schon junge Erwachsene sein, ohne dass wir einen Zusammenhang mit dieser neuen Droge erkannt haben.

Crystal Meth hat sich in einigen bayerischen Regionen zu einer regelrechten Frauendroge mit fatalen Folgen entwickelt. Die Schwangeren schaden mit Crystal nicht nur sich, sondern auch den ungeborenen Kindern. Deswegen sage ich den Mitgliedern der CSU-Fraktion: Für mich ist es unverständlich, ein Präventionsprogramm gegen den Konsum von Methamphetaminen abzulehnen, welches mit einer Kampagne verbunden ist, die sich insbesondere an junge Frauen richtet. Für mich ist das unverständlich, auch wenn Sie einen eigenen Antrag gestellt haben, der dieses Ziel verfolgt. Der vorliegende Antrag weist nämlich ganz eindeutig in eine spezielle Richtung. Gerade wegen der Kinder bedarf es weiterer Forschungen und Untersuchungen, um weiterzukommen. Sie verweigern das. Ich fordere Sie noch einmal auf, diesem richtigen und wichtigen Antrag der SPD zuzustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächste hat nun Frau Staatsministerin Huml das Wort. Bitte schön, Frau Staatsministerin.

Lieber Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Crystal Meth ist Teufelszeug für diejenigen, die es konsumieren. Noch schlimmer ist es für die Kinder von Konsumentinnen, die darunter leiden müssen. Darin sind wir uns alle einig. Wir sind uns auch einig darin, dass die Frauen noch viel mehr darüber informiert und aufgeklärt und dafür sensibilisiert werden müssen, wie schlimm sich der CrystalMeth-Konsum in einer Schwangerschaft auswirkt. Das Ziel war bei allen Rednern das gleiche. Dieses Ziel verfolgen auch wir.

Der Weg, den wir gehen wollen, ist aber ein anderer. Wir haben schon sehr viele Präventionsangebote für Suchtkranke, die wir gerne um das Modul für junge Frauen erweitern wollen. Ich denke an unsere CrystalHotline. Es gibt viele Angebote, in die wir dieses Modul einbauen wollen. Wir wollen nicht extra eine teure Kampagne, sondern wir wollen Angebote, die wir schon haben, um das Modul für junge Frauen erweitern. Das erscheint uns sinnvoll. Dass wir dafür noch etwas machen, ist mir auch ganz persönlich ein sehr großes Anliegen.

Mir ist es auch ein Anliegen – deswegen passt das Programm "Schwanger? Null Promille!" auch dazu –, die jungen Frauen dafür zu sensibilisieren, dass nicht nur der Crystalkonsum so schlimm ist, sondern auch der Beikonsum von Alkohol.

(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Auch das war meine Idee!)

Bei den Kindern weiß man manchmal gar nicht, was die schwere Erkrankung oder die Fehlbildung verursacht hat. Deswegen müssen wir auch darauf achten, wie es mit dem Beikonsum von Alkohol aussieht, was wir da noch verbessern können. Deswegen ist unser Weg: Wir wollen das, was schon da ist, nutzen und erweitern und nicht extra nebenher etwas aufbauen, um die Synergien nutzen zu können. Wenn das zu wenig ist, können wir uns überlegen, was wir noch draufsatteln müssen. Dieser Weg erscheint uns als erster Schritt zielführend. Ich würde mich freuen, wenn Sie mitmachen und mitarbeiten. Der eine oder andere Vorschlag steht im Raum. Da können wir sicher gemeinsam etwas tun. Im Ziel sind wir uns einig: Crystal Meth gehört nicht in die Finger von Schwangeren, am besten in gar keine Finger.

(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Das, was Sie gerade gesagt haben, war auch der Ansatz meines Antrags!)

Danke schön, Frau Staatsministerin. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Die Abstimmung wird auf Antrag der SPD in namentlicher Form durchgeführt. Der federführende Ausschuss für Gesundheit und Pflege empfiehlt die Ablehnung des Antrags. Ich eröffne die namentliche Abstimmung. Dafür sind drei Minuten vorgesehen. Die Stellen, an denen abgestimmt werden kann, sind Ihnen bekannt.

(Namentliche Abstimmung von 18.08 bis 18.11 Uhr)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die drei Minuten sind um. Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte, das Ergebnis außerhalb des Saales auszuzählen. Es wird zu gegebener Zeit mitgeteilt.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, gebe ich Ihnen noch das Ergebnis der vorangegangenen namentlichen Abstimmung bekannt. Es geht um den Antrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Thomas Gehring und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) betreffend "Verwaltungskräfte entlasten – Schulen mit Ganztagsangebot stärken", Drucksache 17/10445: Mit Ja

haben 69 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 80. Stimmenthaltungen keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 3)

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung den Tagesordnungspunkt 9 und die Listennummer 25 der nicht einzeln zu beratenden Anträge auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Nikolaus Kraus u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Keine Kompromisse beim Vorsorgeprinzip gegenüber den USA bei TTIP! (Drs. 17/11041)

Antrag der Abgeordneten Dr. Franz Rieger, Kerstin Schreyer-Stäblein, Michael Brückner u. a. (CSU) Keine Relativierung des Vorsorgeprinzips durch Freihandelsabkommen (Drs. 17/11171)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt nach der Geschäftsordnung 24 Minuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich dabei an der Redezeit der stärksten Fraktion. – Erster Redner ist der Kollege Kraus von den FREIEN WÄHLERN. Bitte schön, Herr Kollege Kraus, Sie haben das Wort.

Wertes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wen wundert’s? TTIP und CETA sind Dauerthemen im Landtag. Deshalb sage ich ein paar Worte zu unserem Antrag.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich bitte, die Plätze einzunehmen. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Ich möchte eingangs an den Besuch von US-Landwirtschaftsminister Thomas Vilsack erinnern. Er besuchte vor Kurzem unseren Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt in Berlin.

Aufgrund der daraus resultierenden Pressemitteilungen haben wir uns unsere Gedanken gemacht und unseren Antrag formuliert. Ich darf Thomas Vilsack zitieren:

Der Bereich Verbraucherschutz ist sicher eine große Herausforderung. Wenn Lebensmittel nicht auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse zugelassen werden, sondern nach Anforderungen, die Politiker formulieren, dämpft das den Handel, weil es zu mehr Unsicherheit führt. Denn dann lässt

sich kaum vorhersagen, wann welche Produkte zugelassen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen und besonders Frau Wittmann, im Ausschuss haben wir bereits darüber gesprochen: Wie interpretiert man diese Aussage? – Für uns ist klar: Herr Vilsack fordert von uns, uns von unserem Vorsorgeprinzip abzukehren. Kurz gesagt soll unter anderem auch die Zulassung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln in Deutschland eingeführt werden.

Seien wir einmal ganz ehrlich: Welche Studie bestätigt zu hundert Prozent, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel weder für Mensch noch für die Umwelt schädlich sind? – Hundert-Prozent-Studien – das wissen wir von Glyphosat oder anderen Produkten – sind sehr, sehr schwer zu erstellen. Es gibt große Wahrscheinlichkeiten, aber gerade hinsichtlich dieses sensiblen Gebietes müssen wir gewarnt sein.

Gott sei Dank hat Europa eine andere Meinung als die USA. Bei uns gilt das Vorsorgeprinzip. Diesen Begriff genau zu definieren, ist schwer. Auf der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro wurde er wie folgt konkretisiert:

Angesichts der Gefahr irreversibler Umweltschäden soll ein Mangel an vollständiger wissenschaftlicher Gewissheit nicht als Entschuldigung dafür dienen, Maßnahmen hinauszuzögern, die in sich selbst gerechtfertigt sind. Bei Maßnahmen, die sich auf komplexe Systeme beziehen, die noch nicht voll verstanden worden sind und bei denen die Folgewirkungen von Störungen noch nicht vorausgesagt werden können, könnte der Vorsorgeansatz als Ausgangsbasis dienen.

Jetzt sind wir bei unserem Antrag. Wenn es der CSU nur um die Begründung unseres Antrags mit der Aussage von Herrn Vilsack geht, ist es natürlich möglich, sie zurückzuziehen. Der reine Antragstext mit zwei Nummern und je zwei Unterpunkten ist unproblematisch. Lassen Sie uns heute ein Zeichen für den Verbraucherschutz und für den Erhalt der hohen Standards in unserer Lebensmittelproduktion setzen. Lassen Sie uns der Bevölkerung zeigen, dass der Bayerische Landtag einstimmig die Sorgen der Wählerinnen und Wähler ernst nimmt. Stimmen Sie unserem Antrag zu!

Wenn Sie heute gegen unseren Antrag sind, dann sind Sie im Grunde für TTIP.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Dann sind Sie gegen aktuell 79 % der bayerischen bzw. deutschen Bevölkerung, die dieses Freihandelsabkommen ablehnen. Wenn die CSU weiterhin für TTIP ist, wird es möglicherweise ein Waterloo für die CSU. Was bedeutet ein Waterloo für eine Partei, die schon mit 40 % massive Probleme hat?

(Lebhafter Widerspruch bei der CSU)

Daran wird sich auch nichts ändern, wenn Frau Ministerin Aigner, die im Augenblick leider nicht da ist, noch so lange in den USA unterwegs ist und dort noch so laut die Werbetrommel für dieses Freihandelsabkommen rührt, das wir im Bayerischen Landtag ablehnen müssen und das die bayerische und deutsche Bevölkerung unter den jetzigen Voraussetzungen mit überwältigender Mehrheit ebenfalls ablehnt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächste hat die Frau Kollegin Wittmann von der CSU das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Vorsorgeprinzip ist weltweit das Prinzip, auf dem Umweltschutzstandards, aber auch alle anderen Schutzstandards, die wir so kennen, für Gesundheit, Nahrungsmittel, Tierschutz usw., aufbauen. Das Ganze resultiert aus WTO-Vereinbarungen, die alle Länder gegengezeichnet haben, auch die USA. Bereits in der Weltnaturcharta aus dem Jahr 1982 wurden diese Schutzstandards für den Umweltschutz festgelegt. Wir haben gesagt, das Vorsorgeprinzip soll immer dann zur Anwendung kommen, wenn ein Produkt oder Verfahren über die reine Unbedenklichkeit nicht zugelassen werden kann.