Protocol of the Session on June 9, 2016

Was passiert hier in diesem Hohen Hause? Was passiert im Haushaltsausschuss? – Die CSU-Fraktion lehnt unseren Antrag ab. Drei Tage später geht der Finanzminister an die Presse und sagt, man müsse darüber nachdenken, Negativzinsen von der Steuer abziehen zu können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ich kann mich noch gut daran erinnern, als wir im Jahr 2008 in den Landtag eingezogen sind. Ihr habt euch darüber mokiert, dass wir nicht im Block, sondern nach unserem Gewissen abgestimmt haben. Gelegentlich ist der eine oder andere nicht der Mehrheitsmeinung gefolgt. Das empfinden wir nach wie vor als guten parlamentarischen Brauch. Ihr habt von uns schnell gelernt. Aber ihr habt unsere Regelung noch perfektioniert.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ihr stimmt im Parlament im Block ab und verkündet draußen das Gegenteil von dem, was ihr im Parlament getan habt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Wider- spruch bei der CSU)

Das Gleiche passiert in der Flüchtlingspolitik. Über Monate hinweg habt ihr eure Leute in Berlin demontiert und euren Ministern und eurer Kanzlerin eine Klage angedroht, die jetzt offenbar in der Schublade verschwunden ist.

Sei es drum – es geht um die Anliegen der Bürger und nicht um ein Politspektakel. Deswegen fordere ich die Mehrheitsfraktion hier in diesem Hohen Hause auf, dem Antrag der FREIEN WÄHLER und den Statements des Finanzministers Söder zu folgen. Lassen Sie die FREIEN WÄHLER, lassen Sie Ihren Finanzminister nicht im Regen stehen und stimmen Sie diesem sinnvollen und richtigen Antrag zu, Negativzinsen als negative Einkünfte von der Steuer absetzen zu können.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön. – Der nächste Redner ist Herr Kollege Herold.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Herr Finanzminister Dr. Markus Söder, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich in aller Schärfe die populistischen Vorwürfe des Herrn Kollegen Pohl gegen die Mehrheitsfraktion zurückweisen.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von den FREIEN WÄHLERN: Oh! – Bernhard Pohl (FREIE WÄH- LER): Stimmt es nicht, Herr Kollege?)

Ich will darauf hinweisen, dass wir diesen Antrag in der Sitzung des Haushaltsausschusses am 13. April 2016 behandelt haben. Sowohl von uns als auch von den Kollegen der SPD-Fraktion kam der Vorschlag, aus diesem Antrag einen Prüfantrag zu machen. Das wurde von euch leider abgelehnt.

(Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER): Seid ihr nicht in der Lage, einen Antrag zu beschließen?)

Herr Kollege Volkmar Halbleib hat, wie ich meine, richtigerweise darauf hingewiesen, dass der Antrag zwar populär bzw. populistisch ist, aber auch gewisse Probleme aufwirft. Es stellt sich nämlich die Frage, ob er in die richtige Richtung zielt und Kollateralschäden damit verbunden sind.

Richtig ist, dass die Zentralbank – das wurde eben erwähnt – problematische Beschlüsse gefasst hat. Darüber sind wir uns alle einig. Am 10. März 2016 hat die EZB beschlossen, den Leitzins zu senken. Das Kaufprogramm für Staatsanleihen wurde ausgeweitet. Die EZB wird statt 60 Milliarden Euro nun 80 Milliarden Euro in den Markt pumpen. Der Strafzins für Bankeinlagen bei der EZB steigt, wie Sie alle wissen, von 0,3 % auf 0,4 %. Das heißt konkret, dass sich die Bank aktuell für vier Jahre frisches Geld zu 0 % leihen kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte auch stichpunktartig auf die negativen Konsequenzen der EZB-Politik für Deutschland hinweisen. Es ist richtig, dass solide Unternehmen und Sparer in Deutschland für die EZB-Politik bezahlen. Durch das billige Geld wird in anderen Staaten der Anreiz für Reformen logischerweise geschwächt. Dies geht insbesondere auch zulasten Deutschlands, wo sehr solide gewirtschaftet wird. Aber für die Sparer hierzulande sind vor allem die niedrigen Zinsen eine Katastrophe. Das ist völlig richtig, Herr Pohl, da kann ich Ihnen nur zustimmen. Ich glaube, hier sind wir uns alle einig. Laut "Welt am Sonntag" vom 10. April 2016 errechnete die DZ Bank für die Jahre 2010 bis 2016 Einnahmeverluste für die Sparer in Deutschland in Höhe von insgesamt 200 Milliarden Euro. Das sind pro Kopf etwa 2.450 Euro. Das ist sicherlich eine Katastrophe für die Menschen hier bei uns.

Es kann auch nicht sein, dass die Sparer Geld für ihr Kapital zahlen müssen, wenn sie es auf die Bank legen. Dies war bisher undenkbar, wie Sie alle wissen. Deshalb sind Problemlösungen auf den unterschiedlichsten Ebenen notwendig. Auf internationaler Ebene muss die EZB die Politik der Geldschwemme beenden. Sie führt nämlich weiter in die Sackgasse. Auf nationaler Ebene muss die Politik in Deutschland das tun, was in ihrer Hand liegt, um für Entlastung zu sorgen.

Der entscheidende Punkt ist, dass der Vorschlag der FREIEN WÄHLER steuerfachlich verfehlt und sehr problematisch ist. Der Antrag der FREIEN WÄHLER, die Auswirkungen der verfehlten Geldpolitik der EZB nicht zulasten der Sparerinnen und Sparer gehen zu lassen, ist natürlich vom Ansatz her richtig. Das haben wir auch schon gesagt. Aber steuertechnisch ist er höchst problematisch. Deswegen haben wir in der Sitzung des Haushaltsausschusses mit Unterstützung der SPD versucht, einen Prüfantrag daraus zu machen. Dieser wurde leider abgelehnt. Der Lösungsansatz, Negativzinsen sollen negative Einkünfte werden, wischt mit einem Streich tragende steuerliche Grundsätze vom Tisch. Es geht darum zu prüfen, ob für die verschiedenen Bereiche steuerliche Einkünfte

vorliegen, in welchem Umfang und wann sich der Fiskus an Verlusten beteiligt, wann diese also im laufenden Jahr mit positivem Einkommen verrechnet werden können.

Dies ist ein wichtiges Feld für die Steuerzahler und den Fiskus. Wenn man nach den Vorstellungen der FREIEN WÄHLER Negativzinsen zu negativen Einkünften macht – das ist der entscheidende Punkt –, hätte man den steuerzahlenden Sparern in gewisser Weise geholfen. Aber daraus ergibt sich das Folgeproblem mit Aktien-Spekulationsverlusten. Niemand will diese in dem Jahr, in dem sie entstehen, mit positivem Einkommen verrechnen lassen.

Die CSU als Mehrheitsfraktion hält es weder für sinnvoll noch für zielführend, ein zugegebenermaßen großes Problem – das betone ich immer wieder – so zu lösen, gleichzeitig aber ein neues Fass mit extremer finanzieller und gesellschaftspolitischer Wirkung aufzumachen. In dieser schwierigen Situation brauchen wir Lösungen, die auch zu Ende gedacht sind. Unser Fazit ist: Das Problem lösen? – Ja, aber nicht so. Deswegen werden wir als CSU-Fraktion diesen Antrag ablehnen.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Wir haben noch eine Zwischenbemerkung. Der Herr Pohl hat sich noch gemeldet, Herr Herold.

Erstens, Kollege Herold: Warum müssen wir uns immer auf Prüfanträge beschränken? Ein bisschen mehr Selbstbewusstsein würde unserem Ausschuss und diesem Parlament durchaus guttun. Wenn man etwas als richtig erkennt, muss man es so benennen und dann eine Forderung aufstellen. Ihr Finanzminister hat das ja einige Tage später gegenüber der Presse in sehr erfreulicher Deutlichkeit und Klarheit getan.

Zweitens. Erklären Sie mir bitte, warum man Zinsen und Aktien gleichbehandeln muss. Gibt es irgendeine Notwendigkeit dafür? Derzeit können Sie Verluste aus Aktien gegenrechnen. Das können Sie bei Zinseinnahmen nicht. Damit ist im Übrigen die Frage, die ich vorhin gestellt habe, schon beantwortet. Sie müssten mir steuerlich vertieft erklären, wo hier die Notwendigkeit besteht oder wo ein Hinderungsgrund besteht, Negativzinsen als negative Einkünfte anzuerkennen, wie wir es gefordert haben.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Herr Kollege Pohl, ich weiß nicht, warum Sie gleich zu Beginn Ihrer Rede diese

Schärfe hineingebracht haben. Das muss ich ganz ehrlich sagen. Das war nicht unbedingt notwendig.

(Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER): Überhaupt nicht!)

Ich bin unserem Finanzminister Markus Söder sehr dankbar, dass er sich in dieser Angelegenheit sehr deutlich geäußert hat, wie Sie soeben erwähnt haben. Wir bewegen uns letztendlich alle auf der gleichen Schiene und wollen den Sparerinnen und Sparern helfen.

(Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER): Aber ihr seid wieder umgefallen!)

Moment. – Das ist letztendlich der Grund dafür, warum wir gemeinsam mit der SPD gebeten haben, aus diesem Antrag einen Prüfauftrag zu machen, damit wir die notwendigen Informationen bekommen, um diese Fragen hundertprozentig beantworten zu können.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Nächster Redner ist der Kollege Güller.

Kolleginnen und Kollegen, Frau Präsidentin! Ich komme zunächst zur Überschrift des Antrags der FREIEN WÄHLER. Die Überschrift, wonach Sparerinnen und Sparer nicht länger die Sündenböcke der Geldpolitik sein dürfen, ist richtig. Wir müssen uns über ein Steuerkonzept für die Zukunft unterhalten. Sobald Herr Söder irgendwann in diesem Jahr dazu etwas vorlegen wird, werden wir darüber diskutieren. Dieses Thema mit dem kleinen, vielleicht in der Zukunft einmal bestehenden Problem von Negativzinsen auf Spareinlagen zu verbinden und zu glauben, dies sei die Lösung, ist völlig verfehlt.

(Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER): Falsch interpretiert!)

Hören Sie einfach einmal zu, denken Sie nach und reden Sie erst dann.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CSU)

Die Überschrift hat mit dem Inhalt Ihres Antrags überhaupt nichts zu tun. Wir beschäftigen uns mit dem Inhalt Ihres Antrags. Darin steht: Wenn einmal Negativzinsen für normale Sparer erhoben würden, wäre das ein Problem. Dazu sagen wir, erstens: Ja, dann ist es ein Problem, das wir lösen müssen.

Zweitens. Wenn man sich ein bisschen tiefer in die Materie der Steuerpolitik einarbeitet und nicht nur populistische Forderungen erhebt, erkennt man,

(Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER): Substanz!)

dass zunächst eine Entscheidung notwendig ist, ob die Behandlung von Negativzinsen ertragsteuerlich entweder Zinsaufwand für die Überlassung von Kapital oder negative Einnahmen aus Kapitalvermögen oder Einlagen und Kontoführungsgebühren bedeutet. Je nachdem, wie ich es einordne, muss ich eine andere Lösung wählen.

Kollege Herold hat schon auf einige Probleme hingewiesen. Eines der Probleme wird gegebenenfalls sein, wie eine solche Lösung mit dem heutigen Sparerfreibetrag zusammengebracht werden kann. Muss man diesen dann auch ändern? Muss man ihn wegen des Themas Negativzinsen für alle anderen Sparer, die vielleicht noch 0,25 % an Zinsen bekommen, abschaffen, oder muss man eine Gegenverrechnungsmöglichkeit schaffen? Muss man diese Gegenverrechnungsmöglichkeit, falls man sie schafft, im aktienrechtlichen Sinne schaffen mit allen Problemen der Werbungskosten, oder wie macht man das? – Ich glaube, wir alle im Ausschuss waren uns darin einig, dass wir dafür eine Lösung finden müssen. Aber es so wie Sie zu machen und nur eine Anerkennung als negative Einkünfte zu fordern, wird dem Problem leider nicht gerecht.

Deswegen haben wir Sie gebeten, drittens, einen Berichtsantrag zu stellen oder zu sagen, wir beschäftigen uns in einigen Wochen wieder mit dem Thema, wenn uns das Finanzministerium in Abstimmung mit dem Bundesfinanzministerium seine Positionen mitteilt und wir diese Positionen mit Fachleuten gegengeprüft haben. Sie sind nicht bereit, diesen Weg zu gehen. Deswegen bleibt nichts anderes übrig, als anzuerkennen, dass ein wichtiges Problem aufgegriffen wurde, aber keine brauchbaren Lösungen aufgezeigt wurden. Dann ist die logische Konsequenz, dass man sich bestenfalls bei dem Antrag enthalten kann.

Lieber Kollege Pohl, das hat überhaupt nichts mit mangelndem Selbstbewusstsein zu tun. Sich selbstbewusst hinzustellen, eine falsche, nicht durchdachte Lösung vorzuschlagen und dann zu sagen, ihr seid nicht selbstbewusst genug, dem Käse zu folgen, den wir vorgeschlagen haben, ist nun einmal keine verantwortungsvolle Finanzpolitik, wie sie sich die SPD vorstellt. Deswegen bleibt es bei unserem Votum.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CSU)

Bitte bleiben Sie am Rednerpult. Der Kollege Pohl hat noch eine Zwischenbemerkung.

Kollege Güller, das waren jetzt schöne Worte.

(Harald Güller (SPD): Und richtige Worte!)

Ich vermisse aber die Substanz. In meinem Redebeitrag habe ich mich sehr deutlich damit auseinandergesetzt, warum ein Verwahrentgelt nicht möglich sein kann. Ansonsten müsste ein Verwahrentgelt auch in Zeiten verlangt werden, wenn Zinsen auf Spareinlagen gezahlt werden. Deswegen verwende ich den Begriff Darlehen.

Sie sagen, der Vorschlag zu den negativen Einkünften sei nicht umsetzbar. Sagen Sie, warum das nicht geht! Warum ist dies dem System des Einkommensteuerrechts fremd? – Es ist ihm nämlich nicht fremd. Es gibt diese negativen Einkünfte. Selbstverständlich könnte man das machen. Wenn Sie einen anderen Weg kennen, herzlich gern, damit hätten wir kein Problem. Aber pauschal zu sagen, es geht nicht und deswegen machen wir es nicht, ist mir ein bisschen zu wenig.