Protocol of the Session on June 1, 2016

Herr Kirchner, Ihre Einwände überraschen mich nicht. Zum Ersten lege ich Ihnen noch einmal dar – das habe ich aber vorhin schon deutlich gesagt –, dass nur ein kleiner Teil der Eltern, die Kinder bis zum Alter von 18 Jahren haben oder für Kinder unterhaltspflichtig sind, Nutznießer des Betreuungsgelds sind. Das sind wenige Eltern. Mag sein, dass das 75 % der Eltern sind, die Kinder in diesem jungen Alter haben.

(Hans Herold (CSU): Sie wollen es haben!)

Aber die Zahl der Eltern in Bayern ist viel, viel, viel größer.

(Widerspruch bei der CSU – Glocke der Präsi- dentin)

Zum Zweiten wird das Landeserziehungsgeld – das habe ich klar dargelegt – nicht angerechnet. Das heißt, das Landeserziehungsgeld bekommen ärmere Eltern und gerade ärmere Eltern. Das Landeserzie

hungsgeld soll die Eltern unterstützen, die es finanziell nötig haben.

(Zuruf von der CSU: Wollen Sie es abschaffen?)

Das aber erreicht das Betreuungsgeld leider nicht. Da haben Sie einen ganz großen Fehler gemacht. Mit dem Betreuungsgeld fördern Sie Eltern, die zu Hause ihr Au-pair-Mädchen finanzieren.

(Beifall bei den GRÜNEN – Jürgen W. Heike (CSU): So ein Unsinn!)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächste hat Frau Kollegin Schreyer-Stäblein das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren das Thema Betreuungsgeld jetzt seit vier, fünf Jahren. Deswegen hat auch jeder von uns schon lange die Möglichkeit gehabt, sich seine Meinung zu bilden. Umso mehr hat es überrascht, dass wir eine weitere Anhörung gebraucht haben, um diese Meinung zu vertiefen. Gleichwohl hat sie offensichtlich nicht dazu geführt, dass wir an diesem Punkt einen Schritt weiter gekommen sind.

Der Kollege Unterländer hat am Anfang ganz hervorragend ausgeführt, warum das Betreuungsgeld zwingend nötig ist, wenn wir es mit der Wahlfreiheit ernst meinen. Wenn ich nicht schon davor gewusst hätte, dass es richtig ist, wüsste ich spätestens nach seinen Ausführungen, warum ich heute flammend dafür sein kann und auch dafür abstimmen möchte.

(Kerstin Celina (GRÜNE): Sie sind leicht zu überzeugen!)

Frau Celina, ich habe bei dem, was Sie vorgelesen haben, sehr gut zugehört und möchte Sie bitten, jetzt auch meinen Ausführungen zuzuhören. Das würde die Kommunikation erleichtern; denn Sie haben so vieles gesagt, bei dem es wirklich spannend wird, wenn man einmal den wirklichen Inhalt mit dem vergleicht, was am Ende tatsächlich herauskommt. Sie haben gesagt, man soll gut zuhören.

(Dr. Simone Strohmayr (SPD): Da muss man mitdenken!)

Ich habe das bei Ihnen bewusst gemacht und erwarte das jetzt im Umkehrschluss von Ihnen. – Sie haben davon gesprochen, warum Kinder Schäden davontragen. Ich habe es mir wörtlich aufgeschrieben: Wenn man sagt, das Betreuungsgeld schadet Kindern nicht,

die nicht in eine Kita gehen, ist das eine Diffamierung – –

(Zuruf der Abgeordneten Kerstin Celina (GRÜNE))

Sie können es nachschauen; Sie haben es ja aufgeschrieben. Das sei eine Diffamierung der Eltern, die sich entscheiden, zu Hause ihre Kinder zu erziehen und gut auf den Weg zu bringen. Ich finde es unmöglich, dass Sie meinen, das, was Sie wissen, sei für ganz Bayern relevant. Wir haben viele gute Mütter und Väter, die ihre Kinder zu Hause erziehen wollen. Das ist ein Bestandteil, den wir heute liefern.

(Beifall bei der CSU)

Frau Celina, noch etwas möchte ich Ihnen sagen: Was Sie gesagt haben, würde keiner aus der Fachwelt unterschreiben. Wir hatten die Anhörung, und dabei hat kein Einziger behauptet, dass das Betreuungsgeld den Kindern schadet. Unterschiedliche Positionen gibt es nur zu der Frage, inwieweit das Betreuungsgeld bestimmte Personen veranlasst, zu Hause zu bleiben. Darüber kann man diskutieren. Das ist eine Fragestellung. Aber das Betreuungsgeld schadet den Kindern nicht. Was Sie hier tun, finde ich unanständig.

(Beifall bei der CSU)

Der nächste Punkt: Wir sprechen von dem ersten Krippenjahr. "Kita" ist insofern schon falsch, als das Wort suggeriert, dass das Betreuungsgeld auch für ältere Kinder gedacht ist. Wir sprechen aber vom ersten Krippenjahr.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Bildung kann im ersten Jahr eines Kindes – viele von uns sind Eltern von Kindern unter 18 Jahren; bei manchen ist das länger her, bei manchen weniger lange – nur durch Bindung stattfinden.

(Barbara Stamm (CSU): So ist es!)

Die Bindung eines Kindes aber hängt im ersten Jahr fundamental davon ab, wie viele Bezugspersonen es gibt. Dabei ist es nicht das Schlechteste, wenn Mütter und Väter viel Zeit für ihr Kind investieren.

(Beifall bei der CSU)

Ich möchte Ihnen noch etwas deutlich sagen. Wir haben vorhin einen Tagesordnungspunkt zur Integration behandelt. Dabei hat die Kollegin Bause gesagt: Wir wollen nicht Menschen erster und zweiter Klasse haben. Sie hat auch formuliert – ich muss schauen, dass ich es wörtlich finde –, dass man da die Toleranz

in den Vordergrund stellen sollte. Sie haben die Chance, in dieser Abstimmung zu zeigen, wie tolerant Sie sind, Vätern und Müttern mit unterschiedlichen Lebensentwürfen die Wahlfreiheit zu geben. Das ist die Chance, die Sie jetzt haben.

(Beifall bei der CSU)

Es geht also heute darum, diese Möglichkeit zu eröffnen. Auf der einen Seite bauen wir den Krippenbereich massiv aus. Weil wir die Wahlfreiheit ernst meinen, unterstützen wir auf der anderen Seite diejenigen, die bereit sind, ihre Kinder zu Hause zu erziehen und neben Kindergärten und Krippen die Verantwortung selbst zu übernehmen.

Ich habe der Diskussion wirklich intensiv zugehört und finde die Debattenlage, die wir bekommen, irre. Das möchte ich Ihnen auch einmal ganz ehrlich sagen. Von Frau Rauscher war ich sehr begeistert, als sie am Anfang betont hat, dass wir kein Gegeneinander-Ausspielen haben wollen. So habe ich sie auch in der Anhörung verstanden. Sie möchte kein GegeneinanderAusspielen haben von Eltern, deren Kinder in der Krippe sind, und Eltern, die ihre Kinder hauptsächlich zu Hause erziehen wollen. Sie hat in ihren weiteren Ausführungen zwar den Begriff "Fernhalteprämie" sanft entschärft – das will ich fairerweise sagen –, aber doch unterstellt, dass es vielleicht darum gehe, dass wir nicht genügend Krippenplätze haben. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wir haben an vielen Stellen sehr wohl genügend Krippenplätze, haben aber in bestimmten Bereichen nicht genügend Krippenplätze. Wir haben in großen Teilen Bayerns kein Problem, Personal zu finden, haben aber im Großraum München ein Problem damit, weil dort die Lebenshaltungskosten so sind, wie sie sind, weil die Gehälter so sind, wie sie sind, und weil dort manchmal vielleicht auch die Arbeitsbedingungen nicht optimal sind.

Wenn man das Frauenbild bemühen und Frauenpolitik machen will, heißt das für mich auch, dass man es Frauen ermöglicht, ihren eigenen Lebensentwurf zu leben, und dass man es Männern und Frauen ermöglicht, miteinander zu entscheiden, wie sie Familie leben möchten. Ich kann Ihnen nur sagen: Die Staatsform, die vorschreibt, wie Männer und Frauen Familie zu leben haben, hieß DDR, und die haben wir überwunden.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Frau Celina hat das Bundesverfassungsgerichtsurteil angesprochen, aber offensichtlich nicht gelesen; denn darin hieß es ausschließlich, dass entscheidend ist, wer die Finanzierung übernehmen darf. Damit war ganz klar: Berlin darf es nicht bezahlen. Es gab keinerlei Aussage dazu, ob der Inhalt gut oder schlecht

ist. Wenn man ein Gesetz zitiert, wäre es also durchaus hilfreich, es zuvor gelesen zu haben.

(Beifall bei der CSU)

In Bayern haben wir immer gesagt: Leben und leben lassen. Für uns war es wichtig, dass die Menschen immer entscheiden können, wie sie leben möchten. Leben und leben lassen bedeutet ein Sowohl-alsauch eines Krippenangebots und des Betreuungsgelds. Wir werden heute sehen, wer das Bayerische verstanden hat, wir werden heute sehen, wie wir Bayern ticken, wie wir miteinander leben wollen, wer Toleranz möchte und wer keine Diskriminierung von Hausmännern und Hausfrauen möchte.

(Beifall bei der CSU)

Frau Kollegin, die Frau Kollegin Celina hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. – Frau Celina, Sie haben das Wort. Bitte sehr.

Sehr geehrte Kollegin, Sie haben in Ihrer Rede in etwa gesagt – ich habe es nicht wörtlich aufgeschrieben;

(Kerstin Schreyer-Stäblein (CSU): Ich auch nicht!)

ich konnte nicht gleichzeitig zuhören und aufschreiben –, dass darüber diskutiert wird, dass nicht jeder seine Kinder optimal fördert und dass darüber diskutiert werden kann und darf.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Genau das habe auch ich in meiner Rede gesagt. Ich habe nie gesagt, dass es allen Kindern schade, wenn die Eltern Betreuungsgeld bekommen. Vielmehr habe ich gesagt, es schade den Kindern, die nicht in eine Kita dürfen, dort aber gut betreut wären. Genau diese Gruppe der Kinder meinte ich. Hier haben wir eine gemeinsame Schnittmenge. Dennoch wollen Sie das Betreuungsgeld jetzt in einer anderen Form verabschieden.

Nächstes Thema: 150 Euro, Toleranz. Ich glaube, ich habe deutlich ausgeführt, dass gerade ich, die ich selbst lange zu Hause war und die Zeit mit den Kindern sehr genossen habe, das Thema Wahlfreiheit familienpolitisch wirklich verstanden habe. Ich habe Arbeitgeber gehabt, bei denen das möglich war. Insoweit würde ich mir ein viel entschlosseneres Vorgehen Ihrer Fraktion wünschen.

Zum Bundesverfassungsgericht: Ich habe das Urteil selbstverständlich gelesen, aber Ihr Entwurf hat inso

fern offensichtlich nichts getaugt, als er die Zuständigkeit völlig falsch gesehen hat.

Ein Letztes noch. Auch Sie waren in der Anhörung dabei. Auch Sie wissen, dass über Jahre hinweg fast alle Verbände und vor allem die Verbände mit vielen Mitgliedern massive Bedenken gegen das Betreuungsgeldgesetz in der Form, wie es jetzt vorliegt, geäußert haben. Nie hat jemand etwas gegen familienpolitische Leistungen, gegen die Förderung von Familien gesagt; aber die Art, in der das Betreuungsgeldgesetz formuliert ist, widerspricht dem Zweck.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)