Protocol of the Session on June 1, 2016

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr von Brunn. – Nächster Redner ist Herr Kollege Kraus. Bitte schön.

Wertes Präsidium, Kolleginnen und Kollegen! Wie wichtig das Thema ist, zeigt allein die Tatsache, dass drei Fraktionen Dringlichkeitsanträge gestellt haben. Die drei Begründungen sind fast wortgleich. Auch wir haben sie übernommen. Was heißt "übernommen"?

(Zuruf von der CSU: Abgeschrieben!)

Eigentlich hätten wir die Anträge morgen im Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz behandeln können, was vielleicht gar nicht so verkehrt gewesen wäre; aber darauf komme ich auch noch kurz.

Zu den Begründungen. Am 27. Mai – der Kollege hat es schon gesagt – ist eine Warnung hinausgegangen,

und am 28. Mai, also einen Tag später, hat die betroffene Firma selber für ihre gesamten Produkte eine Rückrufaktion gestartet. Deswegen darf es auch nicht überraschen, dass die Begründung aller drei Anträge gleich ist. Ich darf gleich vorwegnehmen, dass die FREIEN WÄHLER sowohl dem Antrag der GRÜNEN als auch dem Antrag der SPD zustimmen; denn es ist wohl selbstverständlich, dass es im Sinne von uns Abgeordneten und im Sinne aller Bürgerinnen und Bürger, also im Sinne von uns allen, sein muss, dass wir bei diesem wichtigen Thema eine schnellstmögliche Aufklärung zum Listeriose-Ausbruch und zu Listerien-Belastungen bekommen.

Im Februar dieses Jahres – wir haben ja Bayern-Ei noch nicht einmal aufgearbeitet – haben wir im Umweltausschuss beschlossen, dass am 27. Oktober eine Expertenanhörung stattfinden soll. Leider haben wir es vor den Sommerferien nicht mehr auf den Zeitplan gebracht. Wir sind im Ausschuss alle möglichen Termine durchgegangen und haben es probiert; das war aber, realistisch gesehen zu spät, was jetzt natürlich schade ist. Bei einer Expertenanhörung sind, wie der Name schon sagt, viele Spezialisten da, und von allen Fraktionen wird ein Fragenkatalog ausgearbeitet und eingereicht. Dann kann man auf die tatsächlichen Probleme eingehen.

Zum aktuellen Fall. Florian von Brunn hat schon gesagt: Seit 2012 gibt es Probleme bei diesem Thema. Jetzt sind die vier bedauerlichen Todesfälle genannt worden. Es ist gesagt worden, dass nur einer dieser Fälle von den Experten sicher auf diese Erkrankung zurückgeführt werden kann. Aber selbst ein Fall ist zu viel, und man muss vermeiden, was zu vermeiden ist.

Uns FREIEN WÄHLERN ist natürlich ganz wichtig, dass Aufklärung erfolgt. Aber uns war genauso wichtig, dass es einen Rückruf der Produkte gab und ein unmittelbarer Produktionsstopp veranlasst worden ist; denn wir sind der Meinung: Durch den Produktionsstopp wird die Wahrscheinlichkeit, dass weitere Leute erkranken, so stark wie möglich verringert.

Ich möchte aber ein bisschen davor warnen, zu schnell in die bestehenden Strukturen und Organisationen einzugreifen. Wir haben von der Spezialeinheit für Lebensmittelsicherheit gehört. Momentan gibt es auch starke Bestrebungen, zentrale Überwachungseinheiten zu installieren. Ich glaube, wir können sicher sein, dass eine Zentralisierung dieser Einheiten oder Überwachungen auch in Zukunft keinen Lebensmittelskandal verhindern wird. Als Beispiel darf ich vielleicht nur am Rande die Dezentralisierung bei der Integration in der Asylpolitik erwähnen. Jeder von uns weiß, dass das nur von unten nach oben funktioniert hat. Wenn unsere Landratsämter und Bezirke da nicht so

hervorragend gearbeitet hätten und wenn alles zentral auf das Land oder den Bund übergewälzt worden wäre, wären sicher noch größere Probleme als ohnehin herausgekommen. Deswegen darf man das Dezentrale nicht außer Acht lassen.

Spezialeinheiten haben aus unserer Sicht sicher eine Daseinsberechtigung, allerdings nur für die wirklich schwer belasteten Fälle oder für Großbetriebe, wobei man Großbetriebe erst einmal definieren muss; denn die Firma, von der wir heute reden, ist mit circa 120 Mitarbeitern ein klassischer mittelständischer Betrieb.

(Florian von Brunn (SPD): Mit überregionaler Auslieferung!)

Ist das nun ein Großbetrieb oder nicht? – Es wäre möglich, dass die Spezialeinheiten flexibel eingesetzt werden. Sie können aber aus unserer Sicht die Strukturen an den Landratsämtern nicht ersetzen. Man spricht so leicht davon, dass das Dezentrale gut ist. Aber ich darf ein Beispiel nennen. Jetzt im Sommer fangen wieder die Volksfeste an, und da müssen ganz kurzfristig bei den Behörden Genehmigungen beantragt werden. Wenn man an die Landwirtschaft, die Jäger, die Fischer und alle anderen denkt, die mit den Lebensmittelkontrolleuren und den Veterinärämtern zu tun haben, weiß man, dass hie und da kurze Dienstwege sicher von Vorteil sind.

Schwarze Schafe gibt es überall; Bayern-Ei ist erwähnt worden. Dass da kriminelle Strukturen am Werke waren, möchte ich nicht verheimlichen. Aber es ist nicht in unserem Sinne, wegen der wenigen schwarzen Schafe in dieser Branche alle über einen Kamm zu scheren und zu ächten.

Florian von Brunn hat es gesagt: Viele Anfragen stehen an; alle Fragen sind Teil des Antrags, ebenso wie beim Antrag der GRÜNEN. Wir haben mittlerweile Fragen für unseren Fragenkatalog vorbereitet. Die Frage ist natürlich: Könnte man die Anhörung vom 27. Oktober vor die Sommerferien ziehen, da die aktuellen Ereignisse unmittelbar aufgeklärt werden müssen? – Was die Expertenanhörung zur Listerienbelastung angeht, so fänden wir es schon gut, würden die Experten auch wirklich benannt, auch für den Fall, dass man Rückfragen hat. Ich bin mir auch nicht sicher, ob das Plenum der richtige Ort für dieses wichtige Thema ist. Das ist natürlich momentan sehr medienwirksam. Aber, wie ich erwähnt habe, geht es uns darum, dass die Produktion so schnell wie möglich eingestellt worden ist und dass keine weiteren Fälle folgen. Wir sind für eine solide, ruhige, sachkundige Aufklärung.

Ich darf noch einmal wiederholen: Zustimmung zu den Anträgen, aber bitte keine voreiligen Schüsse, damit man nicht die wirklich sehr gut arbeitenden Strukturen mit einem Federwisch beseitigt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Das wäre sicherlich nicht im Sinne unserer 71 Landratsämter und 25 kreisfreien Städte. Nach wie vor ist der Dezentralismus für uns sehr wichtig. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kraus. – Die nächste Rednerin ist die Kollegin Steinberger. Bitte sehr.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Frau Ministerin! Bevor wir mit dem Thema Listerien weitermachen, möchte ich mich kurz mit den vielen Menschen solidarisch erklären, die heute in Niederbayern bei den erneuten schweren Unwettern im Landkreis Rottal-Inn und im Landkreis Passau förmlich abgesoffen sind. Wir denken jetzt an sie.

(Allgemeiner Beifall)

Aber jetzt zurück zu den Listerien. Auch wir haben einen Antrag eingereicht, einen Berichtsantrag. Wir wollen im Zusammenhang mit dem Listerien-Geschehen von der Staatsregierung so einiges wissen. Zunächst möchte ich aber schon sagen, dass ich mich noch sehr gut an den Bayern-Ei-Skandal erinnere. Da kommt mir jetzt so einiges bekannt vor. Zum Beispiel gibt es seit vier Jahren immer wieder Erkrankungen durch Listerien in Bayern. Wie schaut es mit den Kontrollen des nun bekannt gewordenen Betriebs aus? Gab es standardmäßige Eigenkontrollen auf Listerien, gab es staatliche Kontrollen, und haben die Ergebnisse dieser Kontrollen übereingestimmt bzw. nicht übereingestimmt, wie in der Vergangenheit so oft?

Es stimmt: Listerien sind keine Salmonellen. Aber auch diese Bakterien sind gefährlich. Auch hieran sind Menschen erkrankt und auch gestorben. Bei einer Person wissen wir es ziemlich genau. Es hat also nichts mit Skandalisieren zu tun, wenn wir nun genaue Aufklärung darüber haben wollen, was hier passiert ist. Ich hoffe, Sie wollen es auch wissen.

Noch eines kommt mir sehr bekannt vor. Nach dem positiven Befund im März dieses Jahres in der betroffenen Firma hat diese Firma eine Charge zurückgerufen – nur eine. Das war damals bei Bayern-Ei auch der Fall. Wir erinnern uns vielleicht. Aber damals wurde eben nicht gründlich kontrolliert, ob die Ursa

che der bakteriellen Infektion restlos beseitigt worden ist. Deshalb ging die Kontamination auch noch einige Zeit munter weiter. Die Folgen sind Ihnen alle bekannt. So darf es nicht noch einmal passieren.

Bei den Listerien gibt es eine zusätzliche Heimtücke: Sie sind durch Trocknen und durch Tiefgefrieren nicht abzutöten. Sie vermehren sich auch bei niedrigen Temperaturen, zum Beispiel auch im Kühlschrank. Deshalb werden sie auch Nischenkeime genannt. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade bei Nischenkeimen muss man besonders sorgfältig arbeiten; denn wenn die Bakterien erst einmal unter der Plastikhülle verpackt sind, ist es zu spät. Wir brauchen uns heute nicht darüber zu unterhalten, ob es sinnvoll ist, viele Wurstwaren in Plastikfolie zu kaufen, aber der Verbraucherschutz ist eben für alle Lebensmittel zuständig. Listerien sind überall vorzufinden. Das verbindet sie ein wenig mit den Salmonellen. Aber gerade die fragliche Unterart, die bei der Firma Sieber gefunden worden ist, kann für Menschen sehr gefährlich werden. Fachleute sprechen von einer Letalität, also von einer Todesrate, von bis zu 30 %. Da zeigt sich wieder einmal, welche Tragweite das haben kann. Und es sind ja auch schon Menschen gestorben. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, da hilft kein Verweis auf die Küchenhygiene, da greift eindeutig die Fürsorgepflicht des Staates.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Die staatlichen Institutionen müssen dafür Sorge tragen, dass Lebensmittel, die potenziell gesundheitsschädlich sind, nicht in Verkehr gebracht werden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt ja inzwischen auch. Wir sind sehr gespannt, was dabei herauskommt. – Und schon wieder ist dies eine Parallele zu Bayern-Ei.

Es gibt aber auch etwas, was mich ausdrücklich freut: Das Umweltministerium hat viel schneller reagiert als damals bei Bayern-Ei. Die Sicherheit der Verbraucherinnen und Verbraucher steht offensichtlich in diesem Jahr etwas stärker im Fokus. Möglicherweise hat die Aufarbeitung des Bayern-Ei-Skandals für die Zukunft auch etwas Gutes bewirkt. Wir wollen es hoffen.

Grundsätzlich müssen wir aber feststellen, der Kollege von Brunn hat es auch schon angesprochen: Die Struktur der Lebensmittelkontrolle muss reformiert werden. Wir wollen die Kreisverwaltungsbehörden bei der Kontrolle der Lebensmittelbetriebe deutlich entlasten. Schon jetzt fehlen bei den Kontrollorganen Fachkräfte, obwohl die Stellen dafür geschaffen wären. Wir haben einmal nachgefragt, wie denn die Differenz zwischen Soll- und Ist-Ausstattung in Bayern ausschaut. In Bayern fehlen über 40 Amtstierärzte und Lebens

mittelkontrolleure. Diese Leute brauchen wir aber in der Kontrolle.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abgeordneten Florian von Brunn (SPD))

Auch die vorgeschriebene Rotation wird nicht immer so durchgeführt, wie es sein müsste. Das wissen wir auch seit dem letzten Jahr. Kurz und gut: Wir wollen die Kontrolle von Betrieben in Bayern effektiver und schlagkräftiger machen, und wir wollen Großbetriebe anders und konsequenter kontrollieren. Es wird Zeit, dass sich hier endlich etwas tut, Frau Ministerin.

Ob nun im vorliegenden Fall geschlampt worden ist oder ob die Behörden alles richtig gemacht haben, können wir heute noch nicht sagen. Wir wollen auch niemanden vorverurteilen. Deshalb ist unser Berichtsantrag umso wichtiger, und ich bitte um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Den Anträgen der SPD und der FREIEN WÄHLER stimmen wir auch zu, weil sie in die gleiche Richtung gehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Steinberger. – Nächster Redner ist der Kollege Beißwenger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegen! Listerien sind in der Natur nahezu überall verbreitet. Besonders häufig kommen sie allerdings auf verschiedenen Lebensmitteln, auch rohen Lebensmitteln, wie zum Beispiel Fleisch, Geflügel und Meerestieren, sowie auch in Rohmilchprodukten vor.

Im aktuellen Fall der Firma Sieber wurde die Öffentlichkeit informiert, keine Schinken- und keine Wurstprodukte mehr zu konsumieren. Wichtig für die Verbraucher: Es wurde eine öffentliche Warnung ausgesprochen. Schließlich bedeutet Verbraucherschutz, den Verbraucher auch tatsächlich zu schützen. Alle Erzeugnisse aus der Produktionsanlage wurden zurückgerufen. Es dürfen keine Lebensmittel in Verkehr gebracht werden, bis verschiedene Bedingungen erfüllt sind. Das Landratsamt hat am letzten Freitag die Staatsanwaltschaft eingeschaltet und überwacht die Betriebssperre. Weitere Proben werden noch vom LGL untersucht und ausgewertet. Die Firma Sieber hat am Sonntag, den 29. Mai, über die betroffenen Produkte auch in der Presse informiert. Bund, Länder sowie Österreich und die Schweiz sind über die zurückgerufenen Produkte informiert worden.

Wissenschaftler des Robert-Koch-Instituts gehen davon aus, dass ein 2012 aufgetretener ListerioseAusbruch mit hoher Wahrscheinlichkeit, wie es heißt, im Zusammenhang mit einem Produkt der Metzgerei Sieber, dem sogenannten "Original Bayerischen Wammerl", steht. Die Ermittlungen dauern aber noch an. Deshalb sollten wir auch keine Vorverurteilungen treffen. Im vorliegenden Fall sind Fragen offen, die zum Wohl der Verbraucherinnen und Verbraucher geklärt werden müssen.

Ich mache es kurz. Wir sind natürlich auch an der Aufklärung des vorliegenden Falles interessiert und wollen erfahren, was die Staatsregierung zu sagen hat. Aus diesem Grund stimmen wir dem Antrag der SPD zu. Herr Kollege Kraus hat bereits gesagt, dass man Anträge voneinander übernommen habe. Daher auch die Gleichheit. Es ist, da sie sich entsprechen, selbstverständlich, dass wir auch den anderen Anträgen zustimmen werden. Für uns hat das Wohl der Verbraucher absolute Priorität.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Beißwenger. – Nun hat sich noch Staatsministerin Scharf zu Wort gemeldet. Bitte schön, Frau Scharf.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Steinberger, herzlichen Dank, dass Sie auf die aktuelle Hochwasserlage in Niederbayern hingewiesen haben. Sie merken vielleicht, dass wir seit einigen Stunden intensiv am Telefonieren sind, um die aktuelle Lage festzustellen. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass ich mich morgen gemeinsam mit dem Innenminister in der Früh auf den Weg mache, um die Situation vor Ort in Augenschein zu nehmen. Unsere Gedanken sind bei allen Betroffenen, ihnen gilt unser Mitgefühl.

Liebe Präsidentin, meine Damen und Herren, ich beginne mit einem Punkt, der mir in der bisherigen Debatte etwas zu kurz gekommen ist, nämlich mit den Betroffenen. Listerien können für ältere Menschen, Schwangere und Neugeborene zu einer akuten Bedrohung werden und ernsthafte, sogar lebensbedrohliche Erkrankungen auslösen. Wir alle, die wir hier sitzen, bedauern dies, und allen Geschädigten gilt an dieser Stelle unser aufrichtiges Mitgefühl.

Meine Damen und Herren, ich informiere Sie heute gern über den Listeriosevorfall um die Firma Sieber. Allerdings sind wir gemeinsam mit dem Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen und dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit – LGL – noch mitten in der Aufklärung. Verbraucherschutzpolitische Seriosität bedeutet für mich daher:

Es ist zwar noch zu früh, um eine Bewertung abzugeben, aber es ist nicht zu früh, um entschlossen zu handeln. Wir haben als politisch Verantwortliche im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher entschlossen gehandelt, und ich bin davon überzeugt, dass die Menschen spüren, wenn es jemand ernst meint und etwas für sie tut.