Protocol of the Session on May 10, 2016

Danke schön, Herr Staatssekretär. – Einen Moment, lassen Sie ihm noch den Beifall. Jetzt ist die Frau Weikert an der Reihe. Bitte schön.

Herr Staatssekretär, eine ganz konkrete Frage an Sie als Staatssekretär im Sozialministerium: Was halten Sie von der Forderung der CSU in der Bundesratsinitiative, die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge aus der Jugendhilfe vollkommen herauszunehmen? – Eine klare Antwort bitte!

Liebe Frau Kollegin Weikert, die Aussage auch vom Kollegen Söder verstehe ich nicht als generelle Herausnahme der unbegleiteten Kinder und Jugendlichen – überhaupt nicht. Sondern es ist eine Überlegung,

(Isabell Zacharias (SPD): Antworten!)

inwieweit die gesamten Maßnahmen für jeden Jugendlichen notwendig sind. Dies ist die Überlegung bzw. die Frage, nicht mehr und nicht weniger.

(Isabell Zacharias (SPD): Eine klare Antwort!)

Die Aussage bedeutet keine komplette Herausnahme aus der Kinder- und Jugendhilfe. Dies wurde meines Erachtens auch nicht vom Kollegen Söder gefordert, sondern es wurde zu Recht die Frage gestellt, ob das komplette Maßnahmenpaket für jeden 17- und 18Jährigen, zum Beispiel in der stationären Form, notwendig ist oder ob man auch sagen kann, dass für 17- oder 18-jährige Jugendliche, die mittlerweile auch durch andere Maßnahmen einen strukturierten Alltag haben, zum Beispiel mit Sprachkursen, in Integrationsklassen, in Beschäftigungsverhältnissen oder beginnenden Ausbildungsverhältnissen, eine ambulante Begleitung durch die Jugendhilfe auch im Sinne des einzelnen Jugendlichen gut ist.

(Angelika Weikert (SPD): Das machen die Jugendämter doch tagtäglich!)

So verstehe ich die Anfrage vom Kollegen Söder. Eine gänzliche Herausnahme der unbegleiteten Minderjährigen aus der Kinder- und Jugendhilfe ist nicht vorgesehen und wird es auch nicht geben.

(Angelika Weikert (SPD): Wir nehmen Sie beim Wort!)

Danke schön, Herr Staatssekretär. – Bleiben Sie bitte noch einen Moment, nun hat sich noch die Kollegin Kamm zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Da müssten Sie die Frau Kamm noch einmal zwei Minuten anhören.

(Zuruf: Nein, nein!)

Jetzt doch nicht mehr?

(Angelika Weikert (SPD): Er hat es ja versprochen. Er hat gesagt, er nimmt es nicht raus – das ist protokolliert.)

Gut, dann ist es jetzt auch bei mir angekommen, dass diese Meldung zu einer Zwischenbemerkung zurückgenommen worden ist. – Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.

Damit ist die Aussprache geschlossen. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend, Familie und Integration empfiehlt die Ablehnung des Antrags. Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen! – Das sind die CSU-Fraktion und die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Enthaltungen? – Das ist die SPD-Fraktion. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Zur gemeinsamen Beratung rufe ich nun die Tagesordnungspunkte 10 und 11 auf:

Antrag der Abgeordneten Doris Rauscher, Kathrin Sonnenholzner, Ruth Müller u. a. (SPD) Familien von Kindern mit chronischen und seltenen Erkrankungen oder Behinderungen besser unterstützen - Angebote zur Familienentlastung und Leistungen zur Frühforderung bekannter machen (Drs. 17/10339)

und

Antrag der Abgeordneten Doris Rauscher, Kathrin Sonnenholzner, Ruth Müller u. a. (SPD) Familien von Kindern mit chronischen und seltenen Erkrankungen oder Behinderungen besser unterstützen II (Drs. 17/10572)

Ich gebe bekannt, dass zu dem Antrag auf Drucksache 17/10572 namentliche Abstimmung beantragt ist. Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt nach der Geschäftsordnung 24 Minuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich dabei an der Redezeit der stärksten Fraktion. Unsere erste Rednerin ist die Kollegin Rauscher.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion möchte Familien von Kindern mit chronischen und seltenen Erkrankungen oder Behinderungen besser unterstützen. Das ist das Ziel unseres Antrags. Deshalb haben wir den Antrag, der bereits im Fachausschuss beraten wurde, noch ins Plenum hochgezogen.

Die Kindernetzwerk-Studie aus dem Jahr 2014 zeigt, dass Familien mit chronisch kranken Kindern gegenüber anderen Familien stärker belastet, gesundheitlich und sozial benachteiligt, finanziell und sogar wirtschaftlich oftmals schlechtergestellt sind. Für Familien mit behinderten Kindern ist der Unterschied sogar noch deutlicher. Die Mehrzahl der Eltern hat keine Kenntnisse über die Maßnahmen zur Familienentlastung. 78,4 % kennen diese fast gar nicht oder nicht ausreichend gut. Auch den Bereich der Frühförderung kennen nur knapp zwei Drittel der Eltern, manche so gut wie gar nicht. Damit besteht in zwei wesentlichen Bereichen, die zur Entlastung von Familien dienen, ein ganz deutliches Informations- und Beratungsdefizit.

Die Studie ergab, dass diese Defizite geringer sind, wenn Eltern einen konkreten Ansprechpartner haben, über den sie Hilfe beziehen können. Laut der Studie haben 26 % der Befragten einen Ansprechpartner. Die überwiegende Zahl vermisst einen solchen. Deshalb brauchen wir Beratungsstellen, damit alle Eltern von pflegebedürftigen Kindern einen Ansprechpartner haben, der sie durch das nicht immer einfach zu verstehende Gesundheitssystem begleitet.

Stellen Sie sich doch einfach vor, Sie sind Eltern von chronisch kranken oder behinderten Kindern. Das stellt die Familie ohnehin vor große Herausforderungen. Wie ist der Alltag zu gestalten? Wie bekommt man Beruf und Familie unter einen Hut? Wo kann man beraten werden? Was passiert mit den Geschwisterkindern? Das Ganze kostet nicht nur Zeit,

sondern vor allem viel Kraft. Genau an dieser Stelle setzt unser Antrag an. Wir brauchen kompetente Ansprechpartner für diese Familien, die ohnehin stark belastet sind. Für sie muss leicht ersichtlich sein, wo sie sich Unterstützung und Beratung holen können.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben unlängst hier im Plenum den Antrag der SPD-Fraktion "Unterstützungsangebote für pflegende Angehörige stärken II" positiv beschieden. Analog dazu soll nun die gezielte Beratung von Familien von Kindern mit chronischen und seltenen Erkrankungen oder Behinderungen in den Blick genommen werden. Dabei ist sicherzustellen, dass beim Ausbau der Beratungsstrukturen für pflegende Angehörige auch die jüngeren Pflegebedürftigen und ihre Familien ausreichend berücksichtigt werden. Das ist das Ziel unseres Antrags. Das ist die Essenz. Das wollte ich auf den Punkt bringen, weil ich im Rahmen der Diskussionen im Fachausschuss den Eindruck hatte, dass uns das Wort ganz gerne im Mund umgedreht wurde.

Momentan herrscht ein Wildwuchs in den Beratungsstrukturen wie auch im Bereich älterer Pflegebedürftiger. Genau an dieser Stelle setzen wir an. Wir möchten eine einheitliche Struktur. Wir wollen das bestehende Angebot in Form bringen. Ein erster Schritt dorthin ist eine Standortanalyse der bereits bestehenden Angebote. Wir fordern keine Etablierung von mehr Therapieangeboten, sondern eine Analyse der bereits vorhandenen Angebote, damit eine einheitliche Beratungsstruktur analog zu den Strukturen für pflegebedürftige Ältere in unserer Mitte etabliert werden kann.

Ich möchte an dieser Stelle auch erwähnen, dass die Ergebnisse der Kindernetzwerk-Studie sogar Eingang in den Bayerischen Kindergesundheitsbericht des vergangenen Jahres gefunden haben. Wenn sogar die Staatsregierung die Erkenntnisse der Studie, wonach Eltern von pflegebedürftigen Kindern ein deutliches Informations- und Beratungsdefizit haben, in den Kindergesundheitsbericht aufnimmt, kann die CSU-Landtagsfraktion nicht behaupten, dass kein Handlungsbedarf bestehe.

Umso mehr muss ich mich wundern, dass Sie als Regierungspartei beide Anträge, die ähnlich lauten, zweimal abgelehnt haben. Im Rahmen der Debatte zum ersten Antrag haben Sie argumentiert, der Antrag sei zu wenig konkret gewesen. Mit unserer Formulierung wollten wir der Exekutive gewisse konzeptionelle Freiheiten lassen. Scheinbar benötigt die Exekutive aber konkrete Vorgaben. Deshalb haben wir unsere Forderungen im zweiten Antrag konkreter formuliert und diesen an den Antrag "Unterstützungs

angebote für pflegende Angehörige stärken II" für ältere Pflegebedürftige angelehnt. Der Antrag wurde von der Mehrheitspartei ebenfalls abgelehnt.

Wir fragen uns, warum Sie die Beratungsstrukturen – das wäre das Einfachste auf der Welt – von Pflegebedürftigen, egal ob Kinder oder Senioren, und chronisch kranken Kindern nicht angleichen wollen. Das leuchtet uns nicht ein. Deshalb auch das Hochziehen des Antrags. Ich hoffe, Sie haben die Zeit seit der letzten Ausschussdebatte genutzt, um in der Fraktion in sich zu gehen und dem Antrag doch zuzustimmen. Es geht nur um den konzeptionellen Ansatz und eine Struktur, nicht um die Schaffung neuer Angebote. Aus unserer Sicht spricht nichts dagegen. Deshalb bitte ich Sie heute erneut, sich einen Ruck zu geben und dieser Analyse sowie der Erstellung eines Konzepts zunächst einmal zuzustimmen. Wie es anschließend weitergeht, muss neu beraten werden.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin Rauscher. – Der nächste Redner ist Herr Kollege Vogel. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Selbstverständlich verdienen Eltern von Kindern mit chronischen Erkrankungen unsere Unterstützung. Die SPD hat zwei Anträge gestellt. Ich zitiere aus dem ersten Antrag:

Die Staatsregierung wird aufgefordert, Angebote zur Familienentlastung und Leistungen zur Frühförderung für Kinder mit chronischen und seltenen Erkrankungen sowie Kindern mit Behinderung bekannter zu machen. Hierzu sollen u. a. bestehende Beratungsangebote gestärkt werden und an Stellen, wo es noch keine Beratungsangebote gibt, sollen diese ausgebaut werden. Weiterhin sollen Ärztinnen/Ärzte und Therapeutinnen/ Therapeuten stärker sensibilisiert werden und die Kooperation zwischen ihnen und der ElternSelbsthilfe gestärkt werden.

Sie wollen mit Ihrem Antrag also Angebote bekannter machen und Ärzte und Therapeuten sensibilisieren. Ich zitiere aus Ihrem zweiten Antrag:

Die Staatsregierung wird aufgefordert, analog zu den Forderungen aus dem Antrag "Unterstützungsangebote für pflegende Angehörige stärken II" auf Drs. 17/8989 der SPD-Fraktion auch die gezielte Beratung von Familien von Kindern mit chronischen und seltenen Erkrankungen oder Behinderungen in den Blick zu nehmen.

Noch einmal: Sie wollen bekannter machen, sensibilisieren und in den Blick nehmen. Wir fragen uns, ob das Familien von Kindern mit chronischen und seltenen Erkrankungen oder Behinderungen tatsächlich hilft.

Frau Kollegin Rauscher hat am Ende ihrer Rede angeführt – ich zitiere –, dass es nicht darum geht, neue Angebote zu schaffen. Daran können Sie erkennen, dass die Frühförderung in Bayern sehr gut aufgestellt und bundesweit vorbildlich ist.

(Zuruf der Abgeordneten Doris Rauscher (SPD))

Für Ihren Antrag zitieren Sie die Studie "Familie im Fokus – Die Lebens- und Versorgungssituation von Familien mit chronisch kranken und behinderten Kindern in Deutschland". Wir verwahren uns dagegen, den Blick auf ganz Deutschland zu richten. Mit Sicherheit gibt es in anderen Bundesländern große Defizite, die jedoch nicht eins zu eins auf den Freistaat Bayern projiziert werden dürfen. Ich sage auch nicht: Da die Verschuldung in ganz Deutschland so hoch ist, ist sie das auch bei uns. Wir müssen unseren Blick auf die Situation in unserem Land richten. Wir müssen feststellen, dass wir eine sehr gute Beratungsstruktur haben. Wir haben die familienentlastenden Dienste im Rahmen der offenen Behindertenarbeit. Neben allgemeinen Beratungsangeboten zur Finanzierung und Betreuung der Pflege für Familien mit chronisch kranken oder behinderten Kindern und zu Einrichtungen der Behindertenhilfe mit Krisenintervention durch Gespräche und Vermittlung weitergehender Hilfen übernehmen sie auch stundenweise Betreuung und Freizeitgestaltung.

Wir haben 200 Frühförderstellen. Sie leisten in Bayern einen ganz wesentlichen Beitrag für Diagnose und Therapie von behinderten und chronisch kranken Kindern von der Geburt bis zum Schuleintritt. Wenn ein ärztliches Attest vorliegt, ist dieses Beratungsangebot auch kostenlos. Alle Aufsuchenden erhalten somit Hilfe. Dieses Angebot wird ergänzt durch 18 Sozialpädiatrische Zentren, die vor allem unter medizinischer Leitung stehen. Es gibt die Internetplattform "intakt.info", auf der Eltern kostenlos Beratungsangebote herunterladen können. Außerdem bieten die Selbsthilfeverbände Beratungen, Informationen und Austausch an. Außerdem gibt es die LAG SELBSTHILFE Bayern e.V. als Dachverband der Bayerischen Behindertenverbände sowie die Selbsthilfekoordination in Bayern.

Darüber hinaus findet eine Vernetzung zwischen Fachverbänden im Gesundheitsbereich, Hausärzten, Apotheken, der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen statt. Sie sehen, wir haben ein

reichhaltiges Angebot, das Eltern mit chronisch kranken oder behinderten Kindern nutzen können.

Deshalb lehnen wir die Anträge ab. Warum? – Man muss den Blick der Staatsregierung nicht auf diese Familien lenken, weil die Staatsregierung die ganze Zeit schon den Blick auf die Familien hat. Die Beratungsstrukturen sind Länderaufgabe. Wenn andere Länder ihre Hausaufgaben nicht machen, ist das deren Problem. Die Bayerische Staatsregierung hat sich des Themas jedenfalls schon seit langer Zeit intensiv angenommen. Deshalb haben wir diese gute Beratungsstruktur.

Wir lehnen die Anträge ab. Was würde passieren, wenn wir alle Angebote beispielsweise bei den Pflegestützpunkten zusammenfassen würden? Wie gehen wir mit den Frühförderstellen um? Wie gehen wir mit den 18 Sozialpädiatrischen Zentren um? Wie gehen wir mit den familienentlastenden Diensten um? Wir wollen keine Parallelstrukturen entstehen lassen. Wir sind vielmehr der Überzeugung, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der entsprechenden Stellen hervorragende Arbeit leisten und die Angebote ausreichend bekannt sind. Dementsprechend lehnen wir Ihre Anträge ab. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Vogel. Bitte bleiben Sie noch. Zu einer Zwischenbemerkung hat sich Frau Kollegin Rauscher gemeldet. Bitte schön.

Herr Kollege Vogel, ich versuche es noch einmal ganz einfach.