Protocol of the Session on May 10, 2016

Er hat dargestellt, dass dort das Nachsorgeprinzip gilt. Das sind doch Dinge, die wir genauso sehen, aber wir kritisieren das und stellen fest: Der jetzige Verhandlungsstand ist so, dass die Amerikaner das Nachsorgeprinzip durchsetzen wollen.

(Zuruf der Abgeordneten Tanja Schorer-Dremel (CSU))

Sie aber tun so, als wäre überhaupt noch nichts klar, als wäre das alles nur eine Meinungsäußerung. Im Herbst dieses Jahres steht CETA aber schon auf dem Gleis. Der Zeitplan besagt, dass die Europäische Kommission CETA vorläufig schon auf das Gleis setzen will. Sie aber tun so, als würden wir am 1. Januar

über das nächste Weihnachtsgeschenk diskutieren und hätten alle Zeit der Welt. Wir sind aber kurz vor knapp. Wir sind bei CETA teilweise schon fünf nach zwölf. Bei den Parteispitzen Alarm zu schlagen, aber hier zu sagen: Alles ist in Ordnung, und der Investitionsgerichtshof wäre eine Supererrungenschaft, das passt doch nicht. Meine Damen und Herren, wir brauchen diesen Investitionsgerichtshof nicht. Wir haben funktionsfähige nationale Gerichte. Wir brauchen das nicht!

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Meine Damen und Herren, diese Debatte ist keine Sternstunde der Demokratie, sondern hier wird der Bürger an der Nase herumgeführt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wenn der Bürger das draußen mitverfolgt, dann brauchen Sie sich nicht zu wundern, dass 70 % der Bürger dagegen sind, dass die Bürger diesem ganzen Verhandlungsgeschacher nicht mehr trauen und dass die Kommunalpolitiker vor Ort, wie Herr Maly als verantwortungsvoller Städtetags-Vizepräsident, sagen: Wir müssen die Verhandlungen stoppen, weil die öffentliche Daseinsvorsorge und vieles mehr im Feuer steht. – Dagegen sagen Sie, das alles wäre Schnee von gestern, das alles wäre schon herausverhandelt. Einer sagt doch hier die Unwahrheit. Einer ist hier nicht informiert.

Meine Damen und Herren, ich sage hier ganz klar und komme damit auf meine Einschätzungen von vorhin zurück: Sie nehmen diese Dinge zu sehr auf die leichte Schulter. Es geht hier nicht um die Umgehungsstraße in Hintertupfing. Bei diesen Freihandelsabkommen geht es um die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Weichenstellungen für die nächsten Jahrzehnte. Sie aber nehmen das nicht ernst genug.

(Lebhafter Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächste hat die Frau Kollegin Steinberger vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Ministerin Merk, Sie haben mich vorhin angesprochen, deshalb möchte ich Ihnen sagen: Es ist richtig, uns liegen noch keine ausgehandelten Texte vor. Es handelt sich vielmehr um Verhandlungspositionen. Die Verhandlungspositionen der USA sind aber nun erstmalig bekannt geworden. Bisher waren sie absolut geheim. Wir wussten überhaupt nicht, mit welchen Positionen die Amerikaner in die Verhandlungen hineingehen.

Wenn wir unterschiedliche Vorstellungen beim Verbraucherschutz haben – vorbeugender Verbraucherschutz steht gegen den wissenschaftsbasierten Verbraucherschutz, das heißt, man kann alles in den Verkehr bringen, bis die Schädlichkeit erwiesen ist –, wie sollen wir dann zu einer Einigung kommen? Es wird nur eine einzige Einigung geben: Unserer Ansicht nach erfolgt eine Angleichung an den niedrigsten Standard. Was steht denn in der Überschrift eines Freihandelsabkommens? – Der freie Handel soll gefördert werden, Handelshemmnisse sollen abgebaut werden. Glauben Sie denn, Handelshemmnisse werden abgebaut, wenn wir uns an den höheren Standards orientieren? – Das Gegenteil wird doch der Fall sein.

(Zuruf: Bravo!)

Wir befürchten deshalb – und das wurde schon von sehr vielen bestätigt –, dass es einen Wettbewerb nach unten geben wird, dass wir uns den niedrigen Standards angleichen müssen. Unsere niedrigen Standards bei der Finanzmarktregulierung werden von den Amerikanern übernommen und umgekehrt.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abgeordneten Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER))

Das ist doch das Ziel eines Freihandelsabkommens.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Es wäre doch völlig unsinnig, wenn Handelsbarrieren abgesenkt werden sollen und wir daraufhin die Standards anheben. Das ist doch ein Märchen, das Sie uns hier auftischen. Das wird auch nicht dadurch besser, dass Sie es immer wieder wiederholen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat Herr Kollege Pfaffmann von der SPD das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Kollege Aiwanger, wir nehmen die Sache nicht auf die leichte Schulter; das wollen und dürfen wir nicht. Gerade deshalb sage ich Ihnen: Hier werden Weichen gestellt, und zwar für die nächsten 10 oder 15 Jahre. Da haben Sie recht.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Jahrzehnte und darüber hinaus!)

Länger. – Das ist nicht nur ein isoliertes Handelsabkommen, sondern hier geht es um die Gestaltung der Wirtschaft schlechthin, um die Gestaltung der Globali

sierung. Gerade weil wir das ernst nehmen, ist es für mich einfach zu leichtfertig, so zu argumentieren, wie Sie das tun. Ich sage es hier noch einmal ganz klar: Wir sind gegen den Abschluss dieses Handelsabkommens TTIP in der derzeitigen Fassung. Das heißt, wir sind gegen die vorliegenden Protokolle. Ich sage es noch einmal deutlich: Wenn die Forderungen der Amerikaner, die jetzt öffentlich geworden sind – Absenkung der Standards, das kennen Sie alles –, Verhandlungsergebnis sind, dann müssen wir dieses Abkommen auf jeden Fall ablehnen. In dieser Frage sind wir uns offensichtlich einig.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Jetzt plötzlich!)

Ja, selbstverständlich.

(Zuruf des Abgeordneten Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER) – Mechthilde Wittmann (CSU): Sie können einfach nicht zuhören!)

Ich will noch einmal versuchen, eine inhaltliche Argumentation in die Diskussion einzuführen. Wenn wir nicht versuchen – und mit "wir" meine ich nicht das bayerische Parlament, sondern die Europäische Union, die Europäische Kommission – auf die Gestaltung der Regeln des Welthandels der Zukunft Einfluss zu nehmen, dann werden das andere für uns tun. Wir schauen dann nur zu. Ich sage Ihnen, die anderen werden die großen Weltmärkte sein: China, möglicherweise Russland und andere in Asien. Angesichts dessen stelle ich Ihnen schon die Frage: Wollen Sie mitgestalten im Sinne unserer Werte und Standards? Wollen Sie die Regeln so gestalten, dass die Standards gesichert werden? Wollen Sie die Regeln so gestalten, dass der Datenschutz ernst genommen wird? Wollen Sie die Regeln so gestalten, dass es keinen Einfluss gegen die Parlamentshoheit der Nationalstaaten in der EU gibt, auch nicht gegen die der Länderparlamente? Wollen Sie das? – Wenn Sie das wollen, lieber Herr Aiwanger, dann dürfen Sie keine Fundamentalopposition betreiben, sondern dann müssen Sie in dieser Frage doch mitreden. Das ist doch der Kern der Sache.

(Beifall bei der SPD und der CSU)

Entweder wir sind bei den Verhandlungen dabei, oder wir sind nicht dabei. Ich sage ganz klar: Für die SPDFraktion kommt eine Unterschrift unter ein Abkommen, das sich nach den derzeitigen Protokollen und den Wünschen der Amerikaner richtet, nicht infrage.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CSU: Nie hat jemand etwas anderes gesagt!)

Das ist Konsens in der Sozialdemokratie der Europäischen Union, das ist auch Konsens der Sozialdemokratie in Deutschland und auch hier in Bayern. Das kommt nicht infrage. Es muss aber doch zumindest der Versuch gemacht werden, diese Dinge herauszuverhandeln. Wenn das nicht gelingt, dann darf es das Abkommen nicht geben, das ist doch so klar wie Kloßbrühe. Man darf aber nicht auf dem halben Wege bereits Ablehnung signalisieren. Ich finde, es wäre prima, wenn man einen Reset-Knopf drücken würde. Dann kommen wir uns entgegen. Einen Reset-Knopf drücken und neu verhandeln, öffentlich und transparent, keine Geheimdiplomatie, das wäre eine gute Sache.

(Zuruf von den FREIEN WÄHLERN: Bravo!)

In dieser Frage sind wir uns einig.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, darf ich noch eine Begrüßung vornehmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der Ehrentribüne haben Gäste aus unserem Nachbarland Tschechien Platz genommen. Im Namen des Hohen Hauses begrüße ich den stellvertretenden Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses der Tschechischen Republik, Herrn Jan Bartošek, zusammen mit seiner Delegation.

(Allgemeiner Beifall)

Herr Bartošek hält sich zusammen mit seiner Delegation zu Gesprächen im Bayerischen Landtag auf. Er hat die Frau Präsidentin und das Präsidium getroffen. Seien Sie uns sehr herzlich hier im Plenum des Bayerischen Landtags willkommen. Wir wünschen Ihnen einen erfolgreichen Aufenthalt in Bayern und eine gute Rückkehr nach Prag.

(Allgemeiner Beifall)

Nun rufe ich den Tagesordnungspunkt 2 auf:

Bericht der Vorsitzenden des Ausschusses für Eingaben und Beschwerden gem. § 82 der Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag

Gemäß § 82 unserer Geschäftsordnung ist der Vollversammlung über die Behandlung der Petitionen jeweils für die Hälfte der Wahldauer des Landtags mündlich zu berichten. Die Berichterstattung obliegt federführend der Vorsitzenden des Ausschusses für

Eingaben und Beschwerden. Ich erteile also hierzu der Vorsitzenden Frau Sylvia Stierstorfer von der CSU das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! § 82 unserer Geschäftsordnung sieht vor, dass dem Landtag jeweils zur Halbzeit und zum Ende einer Wahlperiode über die Behandlung der Eingaben und Beschwerden zu berichten ist. Diesem Auftrag komme ich heute gerne nach.

Unsere Verfassung und das Grundgesetz geben jedermann das Recht, sich mit Bitten und Beschwerden an die zuständigen Behörden und den Bayerischen Landtag zu wenden. Diese Notrufsäule der Bürger ist zugleich ein Seismograf, der die Stimmungen in der Bevölkerung aufnimmt und uns zeigt, wo die Nöte der Menschen liegen. Es ist mir ein wichtiges Anliegen, auf diese Seite des Petitionswesens hinzuweisen. Es eröffnet uns die Chance zum Dialog mit den Menschen, und das gerade in Zeiten, in denen darüber diskutiert wird, was gegen Politikverdrossenheit getan werden kann.

Die Abgeordneten sind Vertreter des Volkes. So steht es ausdrücklich in Artikel 13 der Bayerischen Verfassung. Daher versteht es sich: Das Volk, also die Bürgerinnen und Bürger, müssen im Mittelpunkt unserer Arbeit stehen. Wir müssen die Menschen in ihren konkreten Lebenswirklichkeiten abholen und genau dorthin schauen, wo sie der Schuh drückt. Wir dürfen nicht das Gefühl vermitteln, Politik werde im Hinterzimmer oder im fernen Brüssel gemacht.

(Beifall bei der CSU)

Deshalb ist es mir heute ein besonderes Anliegen, für das Petitionsrecht und für die Behandlung der Petitionen im Bayerischen Landtag zu werben. Das sollte nicht nur mir ein Anliegen sein, sondern das sollte ein Anliegen aller sein, die hier im Hohen Haus als Abgeordnete Verantwortung haben.

(Allgemeiner Beifall)