Es wäre schön, wenn dieses Ergebnis, auch wenn es nicht Ihrer Überzeugung entspricht, einfach zur Kenntnis genommen würde. Das Verfahren ist nach unserer Meinung sinnvoll, weil wir eine andere Überzeugung haben, wie das richtige Schulsystem aussehen soll. Wir wollen ein begabungsgerechtes, differenziertes Schulsystem mit vielfältigen Bildungswegen. Deswegen gibt es auch den Übertritt in verschiedene Schularten. Die Angst, die immer wieder da ist, zum Teil aber auch geschürt wird, dass bereits in der 4. Klasse über die Zukunft der Kinder entschieden wird, ist unbegründet. Deswegen sollten wir sie auch nicht schüren.
Wir nehmen den wichtigen Zeitpunkt in der 4. Klasse, über den wir schon lange diskutieren, sehr, sehr ernst. Wir haben in den letzten Jahren auch viele Maßnahmen ergriffen. Wir haben die Durchlässigkeit des
Schulsystems erhöht. Wir haben die Möglichkeit, Schularten zu wechseln, verbessert. Wir haben die Anschlussmöglichkeiten nach Abschlüssen verbessert. Sie kennen unseren Grundsatz: kein Abschluss ohne Anschluss. Wir haben auch ermöglicht, dass es an Schularten, zum Beispiel der Mittelschule, mehrere Abschlüsse gibt.
Wir haben die Möglichkeiten der beruflichen Bildung massiv ausgeweitet mit dem Ergebnis, dass wir neben dem Gymnasium mit der beruflichen Bildung eine zweite starke Säule haben und dass in der Zwischenzeit über 40 % der Hochschulzugangsberechtigungen über den Weg der beruflichen Bildung erworben werden. Wir können also den Eltern, den Kindern und den Familien sagen, dass es in Bayern viele Möglichkeiten und viele Zeitpunkte gibt, sich für den richtigen Weg zu entscheiden. Vor der 4. Klasse und dem Übertritt braucht niemand Sorge oder Angst zu haben.
Zur Frage der Rechtmäßigkeit: Nach unserer Überzeugung ist das Übertrittsverfahren rechtmäßig. Es kann natürlich gern überprüft werden. Das steht Ihnen frei. Aber ich möchte, wie das auch der Kollege Piazolo getan hat, darauf hinweisen, dass sich sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof als auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof – dieser zuletzt übrigens 2014 – mit diesem Thema beschäftigt und das Übertrittsverfahren und vor allem das Organisationsermessen des Staates im Schulbereich, so wie es ausgeübt wird, für verfassungsmäßig befunden haben.
Der Elternwille ist beim Übertritt ein wichtiger Punkt. Wir haben das Übertrittsverfahren 2009, als es schon einmal eine große Debatte gab, auf der Basis von Rückmeldungen von Eltern, Lehrkräften und Schulleitungen angepasst und dabei auch den Elternwillen mit eingebaut. Wenn in Mathematik und Deutsch im Probeunterricht die Note Vier erreicht wird, können die Eltern entscheiden, während vorher ein Übertritt nicht möglich war. Hier haben wir also ein Elternrecht eingebaut, und das halten wir für sinnvoll.
Eine Freigabe des Elternwillens halten wir darüber hinaus für nicht sinnvoll. Ich möchte dazu eine oder zwei Anmerkungen machen, lieber Kollege Güll. Die erste ist: Wir haben bei wesentlich mehr Schülern die Empfehlung "gymnasial geeignet", als dann tatsächlich aufs Gymnasium gehen. Mit den jetzigen Übertrittsempfehlungen könnten also noch wesentlich mehr Kinder aufs Gymnasium gehen. Aber es ist gerade Ausdruck des Elternwillens, dass das nicht geschieht.
Das war Punkt eins. Dazu kommt ein Zweites, und das hast du dankenswerterweise selber schon angesprochen. Die Freigabe des Elternwillens ist mit Sicherheit keine richtige Maßnahme, um die Unterschiede zwischen Stadt und Land, die es ja gibt und die keiner bestreitet, auszugleichen. Wir hätten nur einen großen Nachteil: Die soziale Benachteiligung würde größer, wenn Eltern frei entscheiden könnten. Du kennst sowohl die Ergebnisse von Professor Bos als auch von Professor Klemm, die sagen: Je freier die Elternwahl, desto größer die soziale Ungleichheit. Das wollen wir nicht. Deswegen ist die Freigabe des Elternwillens auf jeden Fall nicht der richtige Weg.
Wer die Ergebnisse eines bildungspolitischen Feldversuches ansehen möchte, schaue nach Baden-Württemberg. Dort haben wir als Ergebnis eine massive Erhöhung der Durchfallquoten und damit eine massive Zunahme der Misserfolgserlebnisse. Das ist gegenüber den Kindern unverantwortlich, und das lehnen wir klar ab, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir bleiben bei unserem Übertrittsverfahren, und wir bleiben bei der Übertrittsempfehlung. Über Einzelheiten kann man immer gern diskutieren. Auch die Ungleichheit zwischen einzelnen Regionen werden wir uns weiter anschauen. Aber auf jeden Fall ist die vorgeschlagene Freigabe des Elternwillens nicht der richtige Weg.
Zum Abschluss darf ich noch die Themen Gerechtigkeit und Chancen ansprechen. Unser Ziel ist es – das ist ja auch das große Ziel der Bildungspolitik insgesamt –, beste Chancen und Perspektiven zu vermitteln. Diese haben wir in Bayern in besonderer Weise. Wir nähern uns der Vollbeschäftigung, und wir haben die geringste Jugendarbeitslosigkeit. Das sind Erfolge und Chancen für unsere Kinder und Jugendlichen. Damit zeigt sich auch, dass unsere Bildungspolitik erfolgreich ist.
Danke schön, Herr Staatssekretär. – Wir haben noch eine Zwischenbemerkung von Frau Zacharias. Bitte sehr.
(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Herr Staatssekretär, verehrter Kollege, zwei klitzekleine Fragen. Erstens: Haben Sie schon davon gehört, dass es einen Zusammenhang der Tatsache, dass die fünften Klassen an einem Gymnasium schon grenzwertig voll sind, mit dem Ergebnis geben könnte, dass von zehn Teilnehmern am Probeunterricht bar
Zur zweiten Frage. Sie kennen sicher wie ich Bilder von fünften Klassen, auf denen 34 glückliche Fünftklässlerinnen und Fünftklässler sitzen, während die Zahl der Schüler auf dem Bild in der 10. Klasse schon deutlich reduziert ist und in der 12. Klasse nur noch eine Handvoll Schüler sitzen. Wie lässt sich da die Empfehlung der 4. Klasse mit der Abiturquote vereinbaren? – Das würde ich von Ihnen gerne wissen.
Was den Probeunterricht und die Bewertung betrifft, gehe ich davon aus, dass das jeder Schulleiter und jede Lehrkraft verantwortungsvoll macht. Wenn Sie sich die Ergebnisse anschauen, sehen Sie, dass immer ein Teil den Probeunterricht besteht und ein Teil nicht. Ich glaube, dass das wirklich sehr verantwortungsvoll gemacht wird, wie das auch bei den anderen Entscheidungen der Fall ist.
Die Tatsache, dass sich die Schülerzahl am Gymnasium im Laufe der Zeit reduziert, spricht eher dafür, dass wir nicht noch mehr Übertritte auf das Gymnasium forcieren sollten.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir brauchen noch circa vier Minuten, bis wir die namentliche Abstimmung durchführen können. Mit Blick auf die Uhr glaube ich aber, dass wir den nächsten Tagesordnungspunkt doch nicht aufrufen sollten. Deswegen gebe ich jetzt erst einmal die Ergebnisse der letzten namentlichen Abstimmungen bekannt.
Beim Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Verena Osgyan und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) betreffend "Gewalt gegen Frauen bekämpfen – Hilfesystem für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder sofort ausbauen" auf Drucksache 17/11194 haben 63 Kolleginnen und Kollegen mit Ja gestimmt, mit Nein 72; keine Stimmenthaltungen. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.
Wir haben noch die Ergebnisse von zwei weiteren namentlichen Abstimmungen, zunächst zum Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Josef Zellmeier, Petra Guttenberger und anderer und Fraktion (CSU) betreffend "Grenzkontrollen fortsetzen und ausweiten" auf Drucksache 17/11195: Mit Ja haben 73 Kolleginnen und Kollegen gestimmt, mit Nein 60; 1 Stimmenthaltung. Damit ist der Dringlichkeitsantrag angenommen.
Beim Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Aiwanger, Streibl, Gottstein und anderer und Fraktion (FREIE WÄHLER) betreffend "Endlich handeln statt endlos reden – Bayerns Grenzen sinnvoll sichern!", Drucksache 17/11221 haben 15 Kolleginnen und Kollegen mit Ja gestimmt, mit Nein 115. Keine Stimmenthaltungen. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.
Nachdem wir immer noch ein bisschen Zeit bis zur namentlichen Abstimmung haben, stelle ich fest: Die Dringlichkeitsanträge auf den Drucksachen 17/11197 mit 17/11199 sowie auf den Drucksachen 17/11201 mit 17/11203 und 17/11222 mit 17/11224 werden in die zuständigen federführenden Ausschüsse verwiesen.
Im Übrigen muss ich noch die Aussprache zu dem Dringlichkeitsantrag schließen. Das habe ich noch nicht getan; das tue ich jetzt hiermit.
Jetzt mache ich eine künstliche Pause von circa zwei Minuten, meine Damen und Herren, damit wir die namentliche Abstimmung durchführen können.
Wir kommen jetzt zur namentlichen Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag Drucksache 17/11196. Das ist der Antrag der SPD-Fraktion. Ich eröffne die Abstimmung. Sie haben fünf Minuten Zeit.
Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte jetzt, dass von jeder Fraktion wenigstens ein Kollege oder eine Kollegin sitzen bleibt, damit wir das Ergebnis noch bekannt geben können.
Meine Damen und Herren, mit einem herzlichen Dank an die Landtagsverwaltung gebe ich jetzt das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Dringlich
keitsantrag der SPD-Fraktion betreffend "Verfassungsmäßigkeit des Übertrittsverfahrens überprüfen" auf Drucksache 17/11196 bekannt. Mit Ja haben 44, mit Nein haben 79 Abgeordnete gestimmt. Stimmenthaltungen keine. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.
Damit darf ich die Sitzung schließen. Ich bedanke mich für Ihre konstruktive Mitarbeit und wünsche einen guten Nachhauseweg. Auf Wiedersehen.