Protocol of the Session on April 20, 2016

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Nun hat Frau Staatsministerin Huml um das Wort gebeten.

Verehrte Präsidentin, lieber Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte vorweg sagen: Eine komplette Branche sollte nicht unter Generalverdacht gestellt werden. Das tun wir auch hier im Hause nicht – das haben auch alle Fraktionen betont –, weil die Arbeit, die von den Pflegekräften und auch von den pflegenden Angehörigen geleistet wird, viel zu wertvoll ist und vielfach Tag und Nacht in hervorragender Art und Weise und völlig seriös erbracht wird, ohne dass da irgendwelche kriminellen Machenschaften dahinterstehen. Das vorweg festzustellen ist mir sehr wichtig. Dieser Generalverdacht darf nicht entstehen.

(Beifall bei der CSU)

Aber Abrechnungsbetrug ist Betrug an uns allen; denn er schädigt ja gerade das auf Solidarität gebaute System der Sozialversicherungen. Deswegen ist jeder Schaden, der dort durch den Betrug zustande kommt, auch ein Schaden, den wir alle mitzahlen. Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir jedem Fall nachgehen und dass lückenlos aufgeklärt wird, wo hier Möglichkeiten zur Entfachung krimineller Energien bestehen.

Der aktuellen Berichterstattung zufolge sollen ja vor allem russische Pflegedienste in einigen Ländern mit viel krimineller Energie den Kranken- und Pflegekassen und auch den kommunalen Sozialhilfeträgern beträchtlichen finanziellen Schaden zugefügt haben. Genau diese betrügerischen Machenschaften müssen umgehend umfassend durch die Staatsanwaltschaft ermittelt und auch zur Anklage gebracht werden. Ich halte es für ganz wichtig, dass die schwarzen Schafe, die da sind, entsprechend verfolgt werden, damit diejenigen, die völlig regulär und seriös arbeiten, gut weiterarbeiten können.

Wie ist der Stand der Dinge? – Das Innenministerium hat uns über eine Auswertung informiert, die seit 2015 beim Bundeskriminalamt läuft. Demnach konnte für den Freistaat Bayern bisher keine Struktur festgestellt werden, die in diesem Bereich auf organisierte Kriminalität hinweist. Nach dem, was wir vom Innenministerium mitgeteilt bekommen haben, konnte bisher keine organisierte Kriminalität für Bayern festgestellt werden.

Aber ich sage auch: Seit 2012 werden im Raum Augsburg mehrere Ermittlungsverfahren wegen Betrugs gegen russische Pflegedienste geführt. Darüber hinaus ermitteln die Staatsanwaltschaften – darauf hat die Kollegin Kerstin Schreyer-Stäblein schon hingewiesen – Memmingen und München I gegen einzelne russische Pflegedienste wegen des Verdachts des Betrugs. Wie das Justizministerium uns mitgeteilt hat, ist es aber schwierig, umfassende statistische Daten zu bekommen, weil Ermittlungs- und Strafverfahren bei Pflegeleistungen nicht gesondert erfasst werden. Da muss man sich überlegen: Wäre das vielleicht in Zukunft doch gut?

Was konnte bisher getan werden, oder was ist auch schon gesetzgeberisch auf den Weg gebracht worden? – Seit 2004 sind bei den Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen Ermittlungs- und Prüfungsstellen eingerichtet. Das sind Stellen, die, wenn irgendwo im Abrechnungsverfahren ein Betrug vorhanden sein könnte, dies an die Staatsanwaltschaften auch bei Anfangsverdacht weitergeben.

Zur effektiven strafrechtlichen Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen sind die schon mehrfach angesprochenen Schwerpunktstaatsanwaltschaften im Herbst 2014 eingerichtet worden. Aber auch hier muss man sagen: Diese Staatsanwaltschaften sind bisher vor allem für Korruptions- und Vermögensdelikte von Angehörigen der akademischen Heilberufe zuständig, und es ist die Frage, ob man zukünftig auch die nichtakademischen Heilberufe mit aufnehmen sollte. Das könnte eine der Erkenntnisse sein aus dem, was wir jetzt erfahren.

Aber mir war es auch wichtig zu erfahren: Wie sieht es denn aktuell in Bayern aus? Ich habe deshalb die Kranken- und Pflegekassen, die hier in Bayern unmittelbar unserer Aufsicht unterstehen, angefragt: Wie sieht es aus? Aktuell geantwortet hat die AOK. Die anderen sind entweder nicht betroffen oder konnten noch keine Auskunft dazu geben.

Um hier die Zahlen zu nennen: Die AOK Bayern hat erstmals 2010 Auffälligkeiten bemerkt und bis 2014 neun Fälle bei der Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebracht. Nach Angaben der AOK sind einige der Fälle mangels Tatverdacht eingestellt worden. In drei Fällen ist Anklage erhoben worden. In einem Fall kam es zu einer Verurteilung, allerdings wegen Sozialbetrugs aufgrund von nicht abgeführten Beiträgen und nicht wegen Betrugs bei Pflegeleistungen. Aber da gab es schon einmal eine Verurteilung.

Die AOK hat aus den konkret zur Anzeige gebrachten Fällen für sich einen Schaden von 600.000 Euro ermittelt. Wenn man das jetzt hochrechnet auf die bay

erischen Kassen, dann wären das 1,5 Millionen Euro. Das ist eine Hochrechnung und eine Schätzung. Wie groß die Dunkelziffer ist, kann ich Ihnen heute seriös noch nicht mitteilen. Aber es wird ja in den Anträgen auch gefordert, dass wir das nachholen und Ihnen, sobald wir die Antworten von den Kassen haben, auch übermitteln.

Bei der AOK geht man weiteren Verdachtsfällen in der Region Nürnberg und im Raum München gerade nach, aber diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Das heißt im Grunde genommen, dass es Betrugsfälle oder Verdachtsfälle auch in Bayern gegeben hat und gibt.

Aber wir haben auch schon auf Bundesebene reagiert. Nach dem Zweiten Pflegestärkungsgesetz, das seit Anfang 2016 gilt, prüft jetzt der Medizinische Dienst der Krankenkassen im Rahmen der Regelprüfung auch die Abrechnung der erbrachten Leistungen. Er darf auch, was er bisher nicht durfte, unangemeldet im ambulanten Bereich prüfen. Bisher galt das nur für den stationären Bereich. Ich halte es für richtig, dass wir das auf den ambulanten Bereich ausgedehnt haben. Ich bin der Auffassung: Wenn es eine Gesetzeslücke gibt, sollten wir schauen, dass wir sie schnellstmöglich schließen. Aber ich teile auch die Auffassung, dass es nicht darum gehen kann, jetzt noch eine Kontrolle und noch eine Kontrolle einzuführen, sondern wir müssen genau schauen und klug prüfen: Wo sind Lücken? Wo sind Möglichkeiten, sich betrügerisch organisiert kriminell zu bereichern auf Kosten von uns allen? Dagegen müssen wir vorgehen. Aber es geht nicht darum, die gesamte Pflegebranche unter Generalverdacht zu stellen und mit sehr vielen Kontrollen zu überziehen, sondern wir müssen schauen: Wo gibt es hier eine Lücke? Wie kann man diese schließen? Löst das, was jetzt ab 2016 angestoßen wurde, schon die Fälle, oder gibt es noch weitere? Daran müssen wir weiterarbeiten.

Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollen, dass sich im Pflegebereich die Menschen sicher fühlen, dass sie wissen, wenn sie sich in einem stationären Pflegeheim aufhalten, dass es ihnen dort gut geht, aber dass sie auch, wenn sie im ambulanten Bereich untergebracht sind, sich darauf verlassen und darauf vertrauen können, dass sie gut versorgt werden. Ich bin der Auffassung, dass das mehrheitlich auch wirklich gut und hervorragend funktioniert. Aber wenn das nicht der Fall ist, müssen wir dem nachgehen; denn die Menschen brauchen diese Sicherheit und sollen sie haben. Wir brauchen aber auch Menschen, die in diesem Bereich gern und motiviert arbeiten. Das ist in Bayern vielfach der Fall.

Ein herzliches Dankeschön an diejenigen, die als pflegende Angehörige oder in den verschiedensten Einrichtungen im Pflegebereich tätig sind! Es wird dort hervorragende Arbeit geleistet.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist damit geschlossen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/11036 – das ist der Antrag der SPD-Fraktion – seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind CSU, SPD, FREIE WÄHLER, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Danke schön. Gegenstimmen? – Keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen. Damit ist der Dringlichkeitsantrag angenommen.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/11039 – das ist der Antrag der CSU-Fraktion – seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CSU, SPD, FREIE WÄHLER, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Danke schön. Gegenstimmen? – Keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? – Auch keine Stimmenthaltung. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag angenommen. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/11076 – das ist der Antrag der Fraktion der FREIEN WÄHLER – in der geänderten Fassung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. – Das sind die CSU-Fraktion, die SPD-Fraktion, die Fraktion der FREIEN WÄHLER und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? – Auch keine Stimmenthaltungen. Damit ist der Dringlichkeitsantrag angenommen.

Nun gebe ich das Ergebnis der namentlichen Schlussabstimmung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Lehrerbildungsgesetzes auf Drucksache 17/9699 bekannt. Mit Ja haben 78 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 71. Es gab eine Stimmenthaltung. Das Gesetz ist damit angenommen. Es trägt den Titel: "Gesetz zur Änderung des Bayerischen Lehrerbildungsgesetzes".

(Abstimmungsliste siehe Anlage 1)

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Günther Felbinger u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Verlässlichkeit in der Bildungspolitik: Neunjährigen Bildungsgang am Gymnasium ab dem Schuljahr 2017/18 umsetzen (Drs. 17/11037)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Martin Güll, Margit Wild u. a. und Fraktion (SPD) G9 jetzt! (Drs. 17/11040)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Thomas Gehring u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) G8 plus/G9 minus: Einrichtung eines Wissenschaftlichen Beirats "Weiterentwicklung des bayerischen Gymnasiums" (Drs. 17/11042)

Erster Redner ist Professor Piazolo. Bitte schön, Herr Professor Piazolo.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie alle kennen wahrscheinlich die Geschichte von Dornröschen. Dornröschen wurde mit einer Spindel gestochen und ist dann mit dem gesamten Hofstaat für hundert Jahre in den Schlaf gefallen. Die CSU ist vor zwölf Jahren nicht mit einer Spindel, sondern durch Herrn Stoiber mit dem G 8 gestochen worden und dann in einen zwölfjährigen Schlaf gefallen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Außer dem Versuch eines Flexijahres, der gescheitert ist – das muss man sagen, Herr Minister –, ist wenig passiert. Sie sind von dem, was Sie damals in einer kurzen Zeit angerichtet haben, geschockt gewesen.

(Ministerpräsident Horst Seehofer: Wir haben eine Wahl verloren!)

Ja, Sie haben die Wahl auch wegen dieses Themas verloren. Sie waren vorher im Schlaf, Herr Ministerpräsident. Wir FREIE WÄHLER haben ein Volksbegehren zur Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 gestartet.

(Zurufe von der CSU: Das ist gescheitert!)

Damit haben wir Sie wachgeküsst, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Kerstin Schreyer-Stäblein (CSU): Gescheitert!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU, ich erinnere mich daran, dass der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung gesagt hat: Wir wollen beim Gymnasium Ruhe, Ruhe wollen wir. Das stand wörtlich in der Regierungserklärung. Normalerweise tun Sie auch immer das, was der Ministerpräsident von Ihnen will – nicht immer, wie zum Beispiel bei der dritten Startbahn, aber sonst schon.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Immer!)

Vor Schreck über das Volksbegehren haben Sie die Mittelstufe Plus erfunden. Das muss man einmal ehrlich sagen: Ohne das Volksbegehren gäbe es die Mittelstufe Plus nicht.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich persönlich finde die Mittelstufe Plus suboptimal. Was ist aber die Konsequenz dieser Mittelstufe Plus? Das muss man betonen. Die Eltern haben in den letzten zwei Jahren mit den Füßen abgestimmt. Mehr als zwei Drittel der Eltern wollen ein neunjähriges Gymnasium, einen neunjährigen Bildungsgang, und wir FREIE WÄHLER werden uns dafür aktiv und intensiv einsetzen. Wir haben es in den letzten zwei Jahren getan, und wir werden es so lange tun, bis wir es durchgesetzt haben.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Von diesen Zahlen sind wir übrigens exakt ausgegangen. Landein, landaus sind alle unsere Kolleginnen und Kollegen an die Schulen gegangen. Wir haben Informationen gegeben. Überall, übrigens auch in Baden-Württemberg und in Hessen, geht man von diesen Zahlen aus. Mindestens 60 % der Menschen wünschen sich ein neunjähriges Gymnasium.

Unser Volksbegehren hieß: "Mehr Zeit zum Lernen – Mehr Zeit zum Leben!" Genau das fordern wir auch heute mit unserem Antrag. Wir stehen für den Bürgerwillen, und deshalb machen wir jetzt Druck. Ich sehe nämlich bei der CSU das Risiko einer Narkolepsie. Narkolepsie ist die sogenannte Schlummersucht, die kollektive Regierungsunlust. Herr Ministerpräsident, Sie haben vor ein paar Tagen gesagt, Sie ließen sich Zeit, sie hätten noch keine Gespräche geführt. Da muss ich Ihnen widersprechen. Die Tickermeldung, die gerade über "dpa" läuft, lautet schon etwas anders. Da heißt es jetzt plötzlich, sie wollen nahtlos anknüpfen und 2017 etwas bieten. Ich glaube, unser Dringlichkeitsantrag hat schon wieder etwas bewirkt. Wir FREIEN WÄHLER treiben, und das ist gut so, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Der Satz, Sie hätten keine Gespräche geführt, stimmt auch nicht. Während des Volksbegehrens wurden bis zum Abwinken Gespräche geführt. Herr Spaenle war unterwegs. Er hat die Dialogforen mit erfunden. Es gab ein erstes Dialogforum, es gab ein zweites Dialogforum, es wurden alle Verbände befragt. Mir geht es jedenfalls so: Wenn Sie mich nachts um 2.00 Uhr wecken, kann ich Ihnen die Position von jedem Lehrerverband und jedem Elternverband nennen. Das Einzige, was ich nicht kenne, ist Ihre Position, Herr Spaenle. Sie können mich jede Stunde in der Nacht wecken: Ich kenne Ihre Position nicht.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Was ist unsere Forderung? – Die Forderung der FREIEN WÄHLER im Dringlichkeitsantrag ist klar und logisch. Sie entspricht dem Bürgerwillen. Wir erheben vier Forderungen, die ich Ihnen nenne: