Herr Kollege Lederer, wie im Ausschuss erklären Sie uns heute wieder lang und breit, warum dies einerseits notwendig ist, man es andererseits jedoch nicht machen will. Das zeigt, dass die Regelung nicht schlüssig ist. Alle Bundesländer, die über das Instrument verfügen, setzen es nicht ein. Warum? – Schlussendlich handelt es sich nicht um ein taugliches Instrument. Wir müssen wirklich überdenken, ob die Einführung des Artikels 5a in das Gesetz erforderlich ist. Warum machen Sie das eigentlich? – Was ist Ihr Ziel? –
Das ist ganz klar: Sie wollen ein Abschreckungsmittel einführen, damit die Studierenden kein Lehramtsstudium aufnehmen. Sie wollen vor allem – das sagen Sie nur nicht – negative Pressemeldungen vermeiden, wie Sie sie in den vergangenen Jahren bekommen haben: 100 oder 1.000 Referendare wieder auf der Warteliste oder in der Arbeitslosigkeit.
Überlegen Sie sich einmal, was Sie vorhaben: Sie schreiben in dem Artikel 5a, dass die Zahl der Ausbildungsplätze, der Referendariatsplätze, beschränkt werden soll. Sie können das doch nur am Haushalt festmachen. Sie können sagen: Wir genehmigen im nächsten Doppelhaushalt soundso viele Plätze und beschränken die Referendariatskapazitäten auf eine bestimmte Zahl. Infolgedessen dürfen wir dann soundso viele Bewerber nicht zulassen. Das alles müssen Sie doch gut planen. Es ist doch Quatsch, wenn Sie hier sagen, dass Sie nur bei Bedarf von dieser Regelung Gebrauch machen werden. Sie brauchen doch einen Vorlauf.
Stellen Sie sich einmal vor, wir hätten diese Regelung und im Haushalt wären keine Stellen vorhanden. Wie sollten wir dann auf die riesigen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Integration reagieren? – Es gibt also keinen vernünftigen Grund, diese Regelung schönzureden oder für notwendig zu erklären.
Sie wird Ihnen bei der Frage, wie wir mehr Lehrer in das System bringen können, nicht weiterhelfen. Für mich ist die Antwort auf diese Frage ganz klar: Wir müssen mehr Pädagogen für die bestehenden Aufgaben einstellen, nämlich Ganztag, Integration, Abbau des Unterrichtsausfalls usw. Das sind die Aufgaben der Stunde. Deshalb brauchen wir diese Zulassungsbeschränkung nicht.
Richtigerweise haben Sie gesagt: Kein Mensch will neue Wartelisten schaffen. Sie werden das aber tun. Wartelisten werden entstehen. Sie werden sehen, dass ein Lehramtsstudium mit Referendariat künftig nicht mehr sechs oder sieben Jahre, sondern zehn Jahre dauern wird. Wollen Sie das wirklich? Oder wollen Sie, dass die Leute aus dem Lehramtsstudium rausgehen, etwas anderes machen, und uns damit wertvolle Lehrkräfte verloren gehen? – Wir müssen die Konsequenz sehen, die Sie mit dieser Regelung produzieren.
Ich sage Ihnen ganz klipp und klar, was jetzt zu tun ist: Wir brauchen eine bessere Beratung. Ich war mit meinem Ausschuss in Finnland und habe dort gesehen, wie es gehen könnte. Dort wurde unter Einsatz von viel Manpower eine Beschränkung der Anzahl der Lehrkräfte und der Lehramtsstudierenden erreicht. Mit Blick auf die Qualität müssen wir darüber reden, was dafür das richtige Instrument ist. Die Beratungsmöglichkeiten auch während des Studiums müssen ausgebaut werden. Das ist Konsens.
Wir brauchen auch ganz dringend eine Änderung des Lehrerbildungsgesetzes hin zu mehr Polyvalenz, hin zu Bachelor- und Masterausbildung und hin zu flexibleren Möglichkeiten, um auf einen Bedarf bei anderen Schularten reagieren zu können. Das ist das Gebot der Stunde. Darüber sollten wir uns unterhalten. Hier könnten wir durchaus Gemeinsamkeiten entdecken, damit wir das Entstehen großer Mengen an arbeitslosen Lehrkräften verhindern und weiterkommen.
Im Übrigen glaube ich, dass wir diesen Weg, den Sie mit dem neuen Artikel 5a vorschlagen, ohnehin nie beschreiten können. Wir müssen nämlich den Studierenden rechtzeitig sagen, ob wir dieses Instrument anwenden oder nicht. Sie haben das bereits richtigerweise gesagt. Das kommt auch im Änderungsantrag der GRÜNEN zum Ausdruck. Wenn Sie einmal nachrechnen, werden Sie feststellen, dass dieses Gesetz bereits Lehramtsstudierende betrifft, die heute im Studium stehen. Sie können doch nicht im Ernst wollen, dass diesen Studierenden gesagt werden muss: Ihr habt das nicht gewusst und habt euer Studium aufge
nommen, aber jetzt kommt die Beschränkung. Sollte der Gesetzentwurf tatsächlich Wirklichkeit werden, sollte dem Änderungsantrag der GRÜNEN gefolgt werden, wonach die neue Regelung für Bewerber, die ihr Studium vor dem 1. Mai 2016 begonnen haben, nicht gilt. Wir stimmen deshalb diesem Änderungsantrag zu.
Bei der Ausführung dieses Artikels werden Sie nie einen Vertrauensschutz erreichen. Dies wird der Grund sein, warum Sie diese Regelung ohnehin nie anwenden werden. Das traue ich mich, hier vorauszusagen. Am besten wäre es, wenn Sie diese Teile des Gesetzentwurfs zurückziehen würden.
Danke schön. Bitte bleiben Sie am Rednerpult. Herr Professor Dr. Waschler hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet.
Herr Kollege Güll, Sie haben bei der Beratung im Ausschuss Begriffe wie "ungeeignet" und "Eiertanz" verwendet. Wissen Sie, dass es hier nur um eine Ermächtigung für die Staatsregierung geht, die im Fall der Fälle angewendet werden kann? – Wenn ich richtig informiert bin, ist diese Regelung in 13 Bundesländern, in denen auch die SPD in Regierungsverantwortung steht, schon längst Recht und Gesetz. Dort gibt es bereits Zulassungsbeschränkungen zum Referendariat. So weit sind wir längst noch nicht.
Ich habe mit Erstaunen zur Kenntnis genommen, dass Sie Finnland als Vorbild hingestellt haben, wo 80 bis 90 % der Bewerber schon zu Beginn des Studiums "ausgesiebt" werden. Ich glaube, das ist nicht der Weg, den die SPD gehen möchte. Hier gibt es ein paar Ungereimtheiten.
Lieber Kollege, "aussieben" wollen wir niemanden, sondern wir wollen die jungen Leute beraten, damit sie das richtige Studium aufnehmen.
Es wäre schön, wenn Sie Initiativen der SPD aus anderen Bundesländern ebenfalls übernehmen würden. In diesem Falle ist das aber sicherlich nicht sinnvoll. Andere Bundesländer mögen seit Jahren eine solche Regelung haben, aber Bayern muss diese Regelung nicht übernehmen. Sie übernehmen doch in anderen Fällen auch nicht das, was andere Bundesländer schon haben. Wir müssen immer überlegen, ob das Instrument vernünftig ist.
Die Tatsache, dass kaum jemand dieses Instrument anwendet, zeigt uns doch, dass es nicht tauglich ist. Bayern sollte deshalb nicht den Weg in diese Richtung beschreiten, sondern sich bemühen, die Lehrerbildung und die Beratung zu verbessern. Vor allem sollten Sie mehr Lehrkräfte einstellen; denn wir brauchen für die Aufgaben, die vor uns liegen, mehr Lehrkräfte, nicht weniger.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf ist zwischen der Ersten und der Zweiten Lesung nicht besser geworden, mit einer kleinen Ausnahme, die von den FREIEN WÄHLERN stammt. Ich bedanke mich, dass Sie unserem Einwand gefolgt sind. Dadurch haben Sie zumindest erreicht, dass der Gesetzentwurf nicht verfassungswidrig ist. Wir haben dem Artikel 5a jedoch nicht zugestimmt, weil er weder zielführend noch sinnvoll ist.
Sie haben den gesamten Sachverstand, also Lehrerverbände, Gewerkschaften, Studierende, die Wissenschaft und nicht zuletzt die Opposition gegen sich. Das scheint Sie aber nicht zu stören. Sie haben selbst gesagt, dass Sie dieses "Folterwerkzeug" im "Werkzeugkasten" haben wollen. Sie wollen ein Steuerungsmittel. Wir können doch darüber nachdenken, wie wir steuern können. Ich glaube aber, dass Sie mit diesem Steuerungsmittel, sollten Sie es wirklich anwenden, in Untiefen geraten werden, die Sie jetzt noch gar nicht erahnen können.
Einige dieser Untiefen liegen auf der Hand. Sie wurden auch schon in den anderen Debatten genannt. Ich nenne zunächst die Abschreckung potenzieller Lehramtsstudenten. Ich habe neulich in der U-Bahn zwei Studentinnen gehört, die sich über die Auswirkungen dieses Gesetzentwurfs unterhalten haben und die überlegen, wann sie ihr Examen machen werden. Sie kannten den genauen Inhalt des Gesetzentwurfs nicht, wussten aber, dass die Umsetzung erst für das Schuljahr 2019/2020 geplant ist. Aber bei den Lehramtsstudenten wird dieser Gesetzentwurf schon als abschreckend wahrgenommen.
Wir haben also eine Verunsicherung der Studierenden und eine längere Gesamtstudierdauer. Das ist eine weitere Konsequenz. Wir müssen doch diese drei
Jahre einrechnen. Die CSU hat seinerzeit dem Bologna-Prozess zugestimmt, damit die Studierenden früher auf den Arbeitsmarkt kommen. Jetzt verlängern Sie die Ausbildungsdauer durch eine Wartezeit von drei Jahren. Das ist kontraproduktiv zu dem, was Sie ursprünglich erreichen wollten.
Zu bedenken ist auch, dass ein Verlust von Wissen eintreten wird. Was passiert denn, wenn Sie Menschen, die fertig studiert haben, jahrelang daran hindern, Referendare zu werden? – Was diese Menschen in ihrem Studium gelernt haben, vergessen sie in diesen drei Jahren. Meines Erachtens ist also schon die dreijährige Pause zwischen zwei Ausbildungsabschnitten falsch.
Dann gibt es die versteckten Probleme. Das Thema Bürokratie wurde schon angesprochen. Ich glaube, dass gegen dieses Gesetz viele Klagen eingereicht werden. Viele Leute werden sich einklagen. Außerdem wird dadurch ein kompliziertes System geschaffen. Lassen Sie mich nur ein Beispiel nennen: Gehen Sie einmal davon aus, dass wir 100 Studierende und nur 70 Plätze haben. Das bedeutet, 30 Studierende kommen auf die Warteliste. Was passiert, wenn Sie im zweiten Jahr auch wieder 100 Studierende haben? Dann kommen noch 30 von der Warteliste dazu, und dann sind es 130, es gibt aber immer nur 70 Plätze. Im dritten Jahr haben Sie doppelt so viele. Was machen Sie mit all den Studierenden? Es werden ja immer mehr. Sie müssen das dann für jedes Fach durchrechnen und für jedes Fach Wartelisten aufstellen, das heißt für jedes Fach und jede Kombination müssen Sie es ausrechnen. Das bedeutet einen enormen Aufwand bei einem geringen Ertrag. Aus meiner Sicht ist dieser Gesetzentwurf nicht zielführend. Im Moment schlägt die Stunde, um mehr Lehrer zu bekommen und nicht diejenigen abzuschrecken, die wollen.
Dazu kommt: Was glauben Sie, was an den Grenzen zu Bayern passiert? Die jungen Leute werden sich sagen: Wenn wir in Bayern potenziell drei Jahre warten müssen, studieren wir nicht mehr in Bayern, sondern gehen nach Baden-Württemberg oder in andere Bundesländer, in denen wir diese Gefahr nicht sehen. Die 13 Länder, die diese Regelung schon haben, sind Länder, in denen es Bachelor- und Masterabschlüsse gibt, aber nicht mehr das Staatsexamen in dieser Form.
Zum Antrag der GRÜNEN: Dieser kommt von der GEW. Wir hatten vor, dies nicht mitzumachen, weil wir einem schlechten Gesetzentwurf eigentlich gar nicht zustimmen wollen. Inhaltlich jedoch halten wir diesen
Vorschlag für richtig. Insofern werden wir dem Antrag zustimmen. Wir wollen das aber nicht in den Gesetzentwurf aufnehmen, damit nicht der Eindruck entsteht, wir würden dem Gesetzentwurf zustimmen. In Bezug auf mein voriges Argument, Klagen zu verhindern, ist dieser Vorschlag sehr sinnvoll, weil er den Vertrauensschutz berücksichtigt. Insofern überlegen Sie es sich: Ich hoffe, dass Sie das verabschiedete Gesetz nie anwenden werden, aber besser ist es, den Gesetzentwurf gar nicht erst zu verabschieden.
Vielen Dank. – Bevor ich den nächsten Redner zum Rednerpult bitte, gebe ich bekannt, dass die CSU-Fraktion für den Gesetzentwurf der Staatsregierung namentliche Abstimmung beantragt hat. – Herr Kollege Gehring, bitte.
(Vom Redner nicht auto- risiert) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dem Kollegen Lederer dafür dankbar, dass er begründet hat, warum dieser Gesetzentwurf vorgelegt worden ist. Ich kann nur feststellen: Das ist der falsche Gesetzentwurf zum falschen Zeitpunkt.
Wir haben zurzeit Probleme bei der Lehrerversorgung. Wir haben Studiengänge mit zu vielen Absolventen und Studiengänge mit zu wenigen Absolventen. Wir brauchen Lösungen und tatsächlich Polyvalenz zwischen den einzelnen Lehramtsstudiengängen. Aber dieser Gesetzentwurf löst das Problem nicht. Herr Kollege Lederer hat deutlich gemacht – ebenso wie Herr Staatsekretär Eisenreich bei seiner Einführung –: Es geht darum, den Lehrkräftebedarf in Bayern zu steuern und den Überhang in einzelnen Lehramtsstudiengängen zu reduzieren. Das ist das Ziel des Gesetzentwurfs.
Ich begründe Ihnen, warum Sie den falschen Weg einschlagen: Zum einen handelt es sich um die falschen Stellschrauben. Entscheidend sind eine Beratung vor dem Studium sowie eine Beratung im Studium. Wichtig ist auch eine Polyvalenz, um während des Studiums wechseln zu können, und zwar zwischen den Lehrämtern sowie nach dem Studium in den Vorbereitungsdienst eines anderen Lehramts. Das wären Möglichkeiten, um den Lehrkräftebedarf besser zu steuern.
Das Gesetz ist nicht nur falsch, sondern auch unverantwortlich. Es ist unverantwortlich in Bezug auf die Lebenszeit und die Lebensbiografie junger Menschen,
die drei Jahre in die Warteschleife geschickt werden. Wie gehen wir mit der Lebenszeit junger Leute um?
Alle klagen darüber, dass die jungen Menschen zu lange studieren, Sie aber verzögern sogar die Ausbildung um drei Jahre. Es ist schade um jeden, der zu lange studiert. Darüber sind wir uns doch einig.
Außerdem ist es eine Vergeudung von Ressourcen. Der Freistaat Bayern finanziert eine gute Ausbildung, übernimmt aber die Absolventen hinterher nicht und schickt sie woanders hin, um sich weiter zu qualifizieren. Das ist unverantwortlich.
Das Vorgehen ist auch rechtlich höchst fragwürdig und verstößt gegen die Richtlinien der Kultusministerkonferenz. In den Richtlinien der Kultusministerkonferenz – damit sind wir bei den anderen Ländern und der Frage, warum diese entsprechend vorgehen – aus dem Jahr 2012 heißt es, der Staat solle grundsätzlich jedem Bewerber, der die notwendigen Voraussetzungen erfüllt, den Abschluss seiner Ausbildung ermöglichen; deshalb müssten auch die vorhandenen Ausbildungskapazitäten und Mittel ausgeschöpft werden. Weiter heißt es, der Zugang und die Zulassung zum Vorbereitungsdienst dürften nicht unter dem Gesichtspunkt des staatlichen Lehrkräftebedarfs beschränkt werden. – Genau das ist es, was Sie machen. Ihr Vorgehen verstößt fundamental gegen das, was in diesen Papieren steht. So gehen Sie mit den Richtlinien der Kultusministerkonferenz um.