Protocol of the Session on April 12, 2016

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächste hat nun Frau Staatsministerin Huml das Wort. Bitte schön, Frau Staatsministerin.

Werter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns alle einig: Wir sind sehr froh, in Deutschland eine Krankenversicherung zu haben, wie wir sie haben, die allen Patienten zugutekommt. Wichtig ist aber auch, dass wir uns langfristig darüber Gedanken machen, wie wir diese Krankenversicherung finanzieren. Wir von der Staatsregierung achten sehr wohl darauf, dass wir niemanden überfordern. Dass wir den Solidargedanken weiter beibehalten wollen, steht für mich außer Frage. Trotzdem lehnen wir heute diesen Antrag ab, weil es verschiedene Gründe gibt, die dafür sprechen, momentan an dieser Finanzierung festzuhalten. Es geschieht nicht nur deshalb, weil es in einem Koalitionsvertrag steht und wir uns an Vereinbarungen halten, und es geschieht auch nicht deshalb, weil Rot-Grün in einer Bundesregierung das, was jetzt gefordert wird, abgeschafft hat. Wir denken, dass es sehr wohl Gründe gibt, die für dieses Modell sprechen.

Erstens. Wir haben 2015 den pauschalen Sonderbeitrag von 0,9 % abgeschafft, den davor nur die Arbeitnehmer gezahlt haben. Stattdessen wurde der ein

kommensabhängige Zusatzbeitrag erhoben, der eine sozial ausgewogene Finanzierung zulässt. Damit sind wir schon den Schritt gegangen, die finanzielle Belastung des Einzelnen zu berücksichtigen. Damit wird auf den einzelnen Arbeitnehmer geschaut, um diesen nicht zu überlasten.

Zweitens. Der durchschnittliche Zusatzbeitrag ist nur moderat angestiegen. Das ist in Bezug auf die Diskussion sehr wichtig. Wir werden auch in der Zukunft darauf achten, wie stark, wie schnell und in welche Höhe dieser Zusatzbeitrag ansteigt, um zu prüfen, ob wir korrigierend eingreifen müssen. Bei dieser derzeitigen moderaten Steigerung ist das sicher noch nicht nötig. Deshalb glaube ich, dass es momentan keine soziale Überforderung gibt. Das gilt vor allem deshalb, weil sich die Leistungen verbessert haben. Man darf nicht isoliert den sich verändernden Beitrag sehen, sondern muss auch sehen, dass sich die Leistungen für die Menschen verbessert haben. Insofern müssen die Krankenkassen auch eine Chance haben, dies zu finanzieren.

Drittens. Jeder Versicherte hat die Möglichkeit, im Rahmen eines Sonderkündigungsrechts die Krankenkasse zu wechseln, je nachdem wie hoch der Zusatzbeitrag ist. Das war vorher nicht möglich gewesen, als alle die gleichen Beiträge entrichtet hatten. Der Wettbewerb zwischen den Krankenkassen ist daher möglich geworden, und der Versicherte kann auch überprüfen, welche Krankenkasse zu ihm am besten passt, was er zu zahlen bereit ist und welche Leistung er braucht. Von daher halte ich das für einen guten Ansatz.

Richtig ist aber auch: Wir müssen uns darum kümmern, wie die Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen langfristig stabilisiert werden kann. Was meine ich damit? Das gilt vor allem für die versicherungsfremden Leistungen. Wir werden uns weiter dafür einsetzen, dass der Bundeszuschuss wieder steigt, und zwar nicht nur pauschal, sondern dass er nach Möglichkeit dynamisiert wird. Es geht dabei um die langfristige Stabilität der Finanzierung der Krankenversicherung bei versicherungsfremden Leistungen. Gleichzeitig möchten wir vonseiten Bayerns eine Regionalkomponente Morbi-RSA, um Wettbewerbsnachteile für Krankenkassen in Hochpreisregionen wie Bayern abzubauen. Dabei würden wir uns freuen, wenn wir die Unterstützung aller Fraktionen hätten, um auf diesem Feld weiterzukommen. Es muss um die langfristige Finanzierung der Kassen gehen, damit die Leistungen für die Patienten in dieser Art und Weise weiter möglich sind. Wir brauchen weiterhin gute Leistungen für die Patienten, und zwar nicht nur in Bayern, sondern in ganz Deutschland.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Frau Staatsministerin. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung, die in namentlicher Form erfolgen soll. Der federführende Ausschuss für Gesundheit und Pflege empfiehlt die Ablehnung des Antrags.

Für die Stimmabgabe sind Urnen auf beiden Seiten des Sitzungssaals und auf dem Stenografentisch bereitgestellt. Mit der Stimmabgabe kann sofort begonnen werden. Hierfür sind drei Minuten vorgesehen.

(Namentliche Abstimmung von 17.59 bis 18.02 Uhr)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die drei Minuten sind um. Die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt. Das Ergebnis gebe ich später bekannt.

Bevor ich die nächsten Tagesordnungspunkte aufrufe, darf ich noch die Ergebnisse der beiden letzten namentlichen Abstimmungen bekannt geben, und zwar zum Thema Glyphosat. Antrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Rosi Steinberger und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) betreffend "Moratorium gegen eine Neuzulassung von Glyphosat", Drucksache 17/10033: Mit Ja haben 68 Abgeordnete gestimmt, mit Nein haben 77 Abgeordnete gestimmt. Stimmenthaltungen gab es keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 3)

Antrag der Abgeordneten Florian von Brunn, Harry Scheuenstuhl, Klaus Adelt und anderer (SPD) betreffend "Glyphosat: Risiken schnell ermitteln – Kinder schützen – unnötigen Einsatz sofort unterbinden", Drucksache 17/9792: Mit Ja haben 67 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 81 Abgeordnete. Stimmenthaltungen gab es keine. Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 4)

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 10 und 11 zur gemeinsamen Aussprache auf:

Antrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Thomas Mütze u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Glücksspielstaatsvertrag neu auflegen (Drs. 17/10016)

Antrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Alexander Muthmann u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Quo vadis? - Glücksspielstaatsvertrag (Drs. 17/10015)

Das sind die beiden letzten Tagesordnungspunkte der heutigen Sitzung. Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt nach der Geschäftsordnung 24 Minuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich dabei an der Redezeit der stärksten Fraktion. Erster Redner ist Herr Kollege Mütze vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich anfange, darf ich darauf hinweisen, dass wir unseren Antrag im Laufe des Verfahrens geändert haben. Wir reden heute nur über den ersten Satz dieses Antrags. Den zweiten Satz haben wir nach Hinweisen der SPD-Kollegen gestrichen. Wir haben den Antrag in dieser geänderten Form im Wirtschaftsausschuss und im Verfassungsausschuss abstimmen lassen. So viel wollte ich hier zur Klarstellung sagen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Glücksspielstaatsvertrag gehabt. Der Glücksspielstaatsvertrag, so wie er vorliegt, ist damit nur noch Makulatur; faktisch ist er gekippt. Die Ministerpräsidenten waren aber nicht in der Lage, oder sie sahen sich nicht dazu in der Lage, einen neuen Staatsvertrag anzuschieben oder zumindest einen neuen Staatsvertrag anzudenken. Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, wieder sollen es nur kleine Änderungen sein. Wieder will man nichts Grundsätzliches an dem Staatsvertrag ändern, obwohl man genau weiß, dass er mit dem EU-Recht nicht kompatibel ist.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, dabei sind die Folgen dieser Untätigkeit der Ministerpräsidenten für alle sichtbar.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich weiß auch nicht, was die bei ihren Treffen so machen. Manchmal hört man von Kamingesprächen. 94 % des Glücksspiels werden inzwischen von ausländischen Anbietern kontrolliert. Der Online-Bereich wächst jedes Jahr um 30 %. Dies alles geschieht illegal, liebe Kolleginnen und Kollegen. Illegal! Alle Werbung, die Sie zum Glücksspiel oder zu Sportwetten sehen, all diese Werbung ist illegal. Wir haben heute wieder Spiele der Champions League. Sie werden mit der Werbung für Sportwetten konfrontiert. Diese Werbung ist aber illegal, sie ist nicht konzessioniert. Das wundert mich. Wir haben dort keinen Spielerschutz, wir haben keinen Jugendschutz, wir haben auch keine Suchtprävention. Wir haben auch keine gemeinsame Sperredatei. Wenn man diese Untätigkeit weiter vor sich her trägt, ist das für mich unverständlich. Ich gebe zu, es sind 16 Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen, die nicht handeln. Nicht nur unser Ministerpräsident ist untätig. Ich bin aber nur für unseren Ministerpräsidenten zuständig, also bekommt er meine Kritik ab.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dabei liegt ein Vorschlag auf dem Tisch. Ich gebe zu, er kommt aus einem anderen Bundesland. Andere dürfen aber auch einmal gute Ideen haben. Es liegt jedenfalls ein Vorschlag auf dem Tisch, der fünf Grundsätze formuliert, die eigentlich für alle richtig sein müssten.

Zum Ersten soll es einen Steuerstraftatbestand für Schwarzmarktgeschäfte geben.

Zum Zweiten soll es keine mengenmäßige, wie bisher, sondern eine qualitative Begrenzung bei Sportwettenkonzessionen geben.

Drittens. Statt Höchsteinsatzgrenzen soll es künftig Verlustgrenzen bei Online-Spielen geben, damit sich die Spieler nicht so verschulden, dass sie sich und ihre Familie in den Ruin treiben.

Viertens. Es soll eine bundesweite Kommission zur Konzessionserteilung und Überwachung des Spieles geben, so wie die BaFin – Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Wobei die BaFin in der derzeitigen Situation auch keine gute Idee ist, wenn ich sehe, was bei den Panama Papers und der BaFin war.

Fünftens. Es soll eine zentrale Sperredatei für ganz Deutschland eingeführt werden.

Diese Vorschläge lagen also auf dem Tisch und wurden von den Ministerpräsidenten, auch von unserem, nicht wahrgenommen. Wir sind aber der Meinung, wir müssen diese Chance ergreifen. Es muss eine Ände

rung des Glücksspielstaatsvertrags geben. Deshalb habe ich den Antrag auch ins Plenum gehoben. Ich bin der Meinung, wir brauchen Bewegung. Es reicht nicht, Veränderungen nur wieder in homöopathischen Dosen vorzunehmen. Nein, wir brauchen den großen Wurf. Der muss zumindest angedacht werden. Mir ist dabei bewusst, dass der große Wurf nicht in drei Tagen geschehen kann. Wenn wir die Sache aber angehen, dann können wir das in den nächsten zwei Jahren schaffen. Ich bitte Sie darum, mit uns diese Aufforderung an unseren Ministerpräsidenten weiterzugeben. Der richtige Rahmen wäre damit gesetzt. Arbeiten Sie mit uns daran, damit es endlich Bewegung gibt. Ich bitte Sie sehr darum, damit wir uns nicht weiter in einem Klein-Klein bewegen, was für die Spielerinnen und Spieler, aber auch für den Staat ein Armutszeugnis wäre.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat Herr Kollege Pohl von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Glücksspielstaatsvertrag gehört nicht gerade zu den Ruhmesblättern bayerischer und deutscher Politik. Am 30. Juni 2012 ist der Glücksspielstaatsvertrag in Kraft getreten. Wir haben in der letzten Legislaturperiode intensiv im Innenausschuss gerungen, diskutiert und debattiert. Wir haben Verbesserungsvorschläge eingebracht, aber leider vergeblich. Es gibt zahlreiche Baustellen in diesem Glücksspielstaatsvertrag. Letztlich leidet das Regelwerk an solch massiven Fehlern, dass es von den Gerichten kassiert wurde.

Wie kam es denn überhaupt dazu, dass der Glücksspielstaatsvertrag neu geregelt werden musste? – Der Europäische Gerichtshof hat deutlich gemacht, dass das deutsche Sportwetten- und Glücksspielmonopol so nicht bestehen bleiben kann. Aber ich sehe es immer wieder: Wir haben uns davon noch nicht gelöst und die Vorgaben des EuGH nicht umgesetzt.

Wir hören immer wieder: Das gute Glücksspiel findet im Spielcasino statt; da kann es nicht genug sein. Da wollen wir immer noch bessere Automaten haben und sollen die Spiellust und Spielfreude der Menschen anheizen. Wenn es aber um das private Glücksspiel geht, ist genau das Gegenteil der Fall. Das ist schlecht.

Konkret hat dieser Glücksspielstaatsvertrag einen massiven Mangel. Es geht um die Verteilung der Konzessionen im Bereich der Sportwetten. Das ist nicht

nur unbefriedigend, sondern das ist auch ein rechtlicher Graubereich, der niemandem zuzumuten ist. Es ist für niemanden hinnehmbar, auch nicht für die Anbieter.

Ich erinnere Sie nur daran, dass das Amtsgericht Sonthofen eine Vorlage zum Europäischen Gerichtshof gemacht hat, um die europarechtliche Konformität dieser Vorschriften prüfen zu lassen, weil es da einen Delinquenten gibt, dem man vorwirft, ohne Konzession und ohne Erlaubnis Glücksspiel – sprich: Sportwetten – anzubieten. Daran sehen Sie, wie unzumutbar das für die Menschen und auch für die Unternehmer ist. Woran sollen sie sich denn halten, wenn schon das Amtsgericht Sonthofen als ein Gericht, das mit Qualitätsjuristen besetzt ist, keine Antwort weiß?

Deswegen sind die Anträge der FREIEN WÄHLER und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht nur richtig und wichtig, sondern sie sind auch ein Hilferuf an diejenigen, die es regeln könnten. Das sind die Ministerpräsidenten.

Da muss ich dem Kollegen Mütze schon recht geben, wenn er fragt, was die denn tun. Ist es ein so unlösbares Problem, sich auf zwei Dinge zu verständigen, dass man einerseits ein Glücksspiel einrichtet, das dem Spielerschutz und der Suchtprävention dient, und andererseits Rechtssicherheit für die Anbieter schafft? Darauf reduziert sich doch die Problematik. Wie man diese Ziele erreicht, darüber kann man im Einzelnen diskutieren. Das ist aber keine hochideologische Angelegenheit. Ich meine, das müsste schleunigst auf den Weg gebracht werden.

Nun zu den beiden Anträgen. Zustimmung hat unser Antrag gefunden, wonach die Staatsregierung berichten soll, wie die jetzige Rechtsunsicherheit der Lizenzvergabe der Sportwetten schnellstmöglich behoben und ein verlässlicher Rechtsrahmen hergestellt werden soll. Das soll natürlich nicht nur ein Bericht sein, sondern auch die Aufforderung zu sagen, wie die Staatsregierung das praktisch angehen will.

Der Antrag der GRÜNEN, der wegen der Bund-Länder-Kommission zunächst gewissen Bedenken begegnete, wurde in dieser Passage geändert. Jetzt ist der Antrag darauf reduziert, sich für eine möglichst schnelle Neuaufstellung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen einzusetzen. Ich kann nur sagen, dass das dringend notwendig ist; es hätte längst geschehen sollen.

Bald haben wir vier Jahre einen rechtswidrigen Glücksspielstaatsvertrag. Das ist so nicht hinzunehmen. Handeln Sie, und stimmen Sie beiden Anträgen zu!