Protocol of the Session on March 8, 2016

Die Exportförderung ist und bleibt für Bayern weiterhin ein Thema. In vielen kaufkräftigen Drittländern warten die Menschen auf unsere Produkte. Deshalb müssen wir unsere Märkte pflegen – in guten wie in schlechten Zeiten.

Das ist auch ein Grund, liebe FREIE WÄHLER, liebe GRÜNE und liebe SPD, warum wir die aktuell diskutierten Handelsabkommen nicht von vornherein pauschal ablehnen, sondern sie für unsere Bauern als Chance sehen, wenn denn die roten Linien nicht überschritten werden.

(Widerspruch bei den FREIEN WÄHLERN – Hu- bert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Die Bauern sehnen sich nach TTIP!)

Lassen Sie mich bitte einmal ausreden.

Notwendig sind nicht nur regionale, sondern überregionale, also auch transatlantische Wirtschaftskreisläufe, –

(Zuruf des Abgeordneten Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER) – Unruhe)

Ich bitte um etwas Ruhe, meine Herrschaften.

– wenn Bayern seine flächendeckende Landbewirtschaftung und seine reich gegliederte Kulturlandschaft im Sinne des bayerischen Weges erhalten will.

(Zuruf des Abgeordneten Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER))

Herr Aiwanger, wenn Sie Ihre Ohren aufgemacht hätten, dann hätten Sie gehört, dass ich gesagt habe, rote Linien werden nicht überschritten.

(Beifall bei der CSU)

Frau Brendel-Fischer, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ich bedanke mich für das schöne Geschrei, das Sie hier produziert haben. – Die CSU und die Staatsregierung werden weiterhin das tun, was sie bisher getan haben, nämlich unsere bäuerlichen Betriebe eng begleiten.

(Beifall bei der CSU – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Sterbebegleitung machen Sie!)

Danke schön. – Der nächste Redner ist der Kollege Horst Arnold.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Brendel-Fischer, die Maßnahmen, die Sie genannt haben, sind zum Teil natürlich sehr sinnvoll und werden von uns unterstützt. Aber grundsätzlich ist es doch so: Wenn es in das Haus oben hineinregnet, dann ist das Dach zu dichten. Das, was wir hier überlegen und Sie vorschlagen, sind staatliche Zuschüsse und Erwägungen, wie man Pumpen anschafft, um das überlaufende Haus leer zu pumpen. Daran geht nichts vorbei.

(Beifall bei der SPD und den FREIEN WÄH- LERN)

In der Tat – da verwende ich die Zahlen vom Bauernverband – haben die Familienbetriebe im Jahr 2014/2015 22,5 % weniger Einkommen erzielt, das heißt 2.342 Euro brutto. Davon gehen noch der Beitrag für die Krankenkasse und alle sonstigen Kosten ab. Das bedeutet auch, die Investitionsmittel müssten aus dem Gewinn bezahlt werden.

Die Bereitschaft zu investieren sinkt zunehmend, auch im Agrarsektor. Das hat auch Folgen für den anderen wichtigen Bereich, nämlich die nachgelagerte Industrie, die die Landwirtschaft bedient. Wenn in der Traktorenproduktion Kurzarbeit ausbricht – Stichwort Fendt –, dann wissen Sie ganz genau, dass diese Zusammenhänge nicht nur global, sondern auch industriell und wirtschaftlich in Bayern ganz entscheidend sind.

Die Zahl der Betriebe ist von 2000 bis 2013 in Bayern um circa 50.000 zurückgegangen. Die Vielfalt und die Kleinteiligkeit der bayerischen Landwirtschaft werden dadurch sehr stark infrage gestellt.

Klar ist: Wir haben einen Strukturwandel. Dagegen kann man sich kaum stemmen, aber dieser Strukturwandel muss gesteuert und gelenkt werden. Klar ist aber auch: Die Landwirtschaft muss sich lohnen. Die Landwirtinnen und Landwirte müssen betriebswirtschaftlich solide arbeiten können. Da nehme ich Bezug auf die Ausführungen von Kollegen Dr. Herz. Wenn die Kosten weitaus höher sind als die auf dem Markt erzielten Erlöse, dann ist das nicht mehr würdig und nicht mehr hinnehmbar. Da nützt auch die Ausbildung von noch so kompetenten Betriebsleiterinnen und Betriebsleitern nichts. Der Markt hat die Macht. Das ist das Entscheidende und nicht das, was am Rande mehr oder weniger konnotativ herumfuchtelt.

Es ist doch ganz wichtig, einmal zu schauen – darüber haben Sie kein Wort verloren –, wie der Lebensmitteleinzelhandel als einer der großen Teilnehmer an diesem Markt funktioniert. Da kann ich den Sprecher der Ernährungsindustrie zitieren, der sich bei einem Symposium in Berlin wie folgt geäußert hat: Gibt es Käufer, die dafür zahlen? Unternehmen warten nicht auf die Politik. Soziale Aspekte oder Erzeugerinteressen spielen im Handeln der Ernährungsindustrie keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Das sind die Leute, die die Macht ausmachen, und das ist auch das Entscheidende, das es politisch zu steuern gilt.

Die Lebensmitteleinzelhandelskonzerne vermelden, dass der Erzeugerpreis in der EU in den letzten zwei Jahren um 30 bis 40 % gefallen ist, während die Lebensmittelpreise in der gleichen Zeit nur um 2 % gefallen sind. Die Konzerne werden weder von der EU noch von den Regierungen kontrolliert. Ist das Angebot knapp, dann wird die Gewinnmarge dadurch gesichert, dass die Erzeugerpreise erhöht werden; gibt es einen Überfluss an Angebot, werden die Preise gegenüber den Erzeugern gesenkt und die entsprechenden Extramargen weiterhin vom Lebensmitteleinzelhandel vereinnahmt.

Insofern ist es doch klar, dass man auf EU-Ebene daran denkt – derzeit wird gerade darüber diskutiert, eine Entschließung einzureichen –, die Marktmacht in diesem Bereich zu brechen. Die Kollegin Noichl hat im Europaparlament den Antrag eingebracht, den Ländern zu ermöglichen, Preisunterbietungen deutlich und massiv Einhalt zu gebieten. Was aber ist geschehen, und was hören wir? – Ablehnung, und zwar nicht nur von Ihren Kolleginnen und Kollegen von der CSU, sondern auch – das wundert mich schon – von der Kollegin Müller, der einzigen Vertreterin der FREIEN WÄHLER, die offenbar auch keinen Handlungsbedarf sieht, den Lebensmitteleinzelhandel dorthin zu bringen, wohin er gehört, nämlich zu einem funktionierenden Bestandteil einer sozialen Marktwirtschaft.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Das glauben Sie selber nicht!)

Da haben Sie in Ihrer Funktion versagt.

(Beifall bei der SPD)

Die Situation bei der Milch ist erörtert worden. Sie kommt nicht von ungefähr. Bereits 2012 hat das Bundeskartellamt in einer Untersuchung festgestellt, dass das Verhältnis zwischen den Erzeugern und dem Lebensmitteleinzelhandel zum Himmel schreit bzw. ungerecht ist. Seit 2012 ist nichts geschehen. Die Mär, dass dabei das Russland-Embargo und die sinkende Nachfrage in Asien eine entscheidende Rolle spielen, ist widerlegt. Denn seit 2013 sind die Preise bis zum Russland-Embargo um 50 % und danach noch schlimmer gesunken, sodass die Entwicklung weit vorher ersichtlich war. Es sind einfach zu große Mengen auf dem Markt.

Diese Mengen wollen wir regulieren – natürlich nicht, Frau Brendel-Fischer, mit der Quote; das ist klar. Aber bei den Produzenten muss insgesamt Einsicht einkehren. Das gilt auch für die Molkereien. Sie machen zwischenzeitlich auch Vorschläge. In Frankreich gibt es gestaffelte Preise. Für die normale Menge gilt die erste Stufe. Die zweite Stufe muss man zukaufen, und bei der dritten Stufe gibt es nur noch 4 Cent für den zusätzlichen Liter Milch. Das regelt der Markt jetzt schon im Einzelnen. In Holland spricht man davon, ab einer Überlieferung von 20 % von Abnahmeverpflichtungen gänzlich Abstand zu nehmen. Das sind alles Mechanismen, die die Wirtschaft schon bereithält. Aber können wir es denn verantworten, die Landwirtschaft in Bayern mit einem solchen Flickenteppich von einzelnen Lösungen und Zufälligkeiten dahintreiben zu lassen, ohne dass es in irgendeiner Art und Weise ein Regulativ gibt? – Das können wir nicht.

(Beifall bei der SPD)

Man muss auch daran denken, wie zum Beispiel die Schweinehalter operieren müssen. Ich kann Ihnen dazu ein Beispiel aus dem Mittelstand nennen. Ein Erlös von 22.724 Euro für 180 Mastschweine bedeutet 126 Euro für ein 120 kg schweres Mastschwein. Das Schwein wird vier Monate lang für 60 Euro auf dem Hof gemästet. Diese Woche ist ein Vereinigungspreis von 1,31 Euro pro Kilogramm festgelegt worden. Hier in Bayern, liebe Kolleginnen und Kollegen, gibt es mittlerweile für die Schlachtung einen Monopolisten. Er heißt VION. Er ist so stark, dass er diesen Preis ablehnen kann, Hauspreise fordert und noch einmal um 2 Cent heruntergeht, sodass der Totalverlust des mittelständischen Betriebs bei 1.000 Euro liegt. Das ist die Realität in Bayern, und so kann man nicht wirtschaften. Sie können da auch nicht sagen,

das ist mit einzelbetrieblicher Erziehung oder mit der Ausgestaltung von Möglichkeiten zu regulieren. Das ist eine systemische Frage, an die Sie nicht herangehen wollen. Sie wollen nur die Pumpen finanzieren, die das Wasser aus dem Haus pumpen, aber nicht das Dach abdichten.

(Beifall bei der SPD)

Das Fazit aus der ganzen Geschichte ist, dass wir die Milchmengen und die Mengen insgesamt mit sinnvollen Anreizen steuern müssen. Wir müssen aber auch der katastrophalen Preispolitik des Lebensmitteleinzelhandels durch sinnvolle Maßnahmen entgegentreten. Wir können es nicht zulassen, dass man sagt: Das reguliert der Markt. Ein Beweis dafür ist nicht erbracht. Die Zahlen dokumentieren im Gegenteil, dass der Markt nicht reguliert. Wenn wir eine immer monopolistischere Landwirtschaft haben wollen, können wir weiter sagen: Das reguliert der Markt. Aber das kann nicht im Sinn der Kleinteiligkeit und der Vielseitigkeit der Landwirtschaft sein.

Das bedeutet, dass wir gegen den Freibrief für die Ausbeutung, den es bisher gibt, und den Preiskapitalismus des Lebensmitteleinzelhandels vorgehen müssen. Das heißt aber auch, irgendwann einmal gegenüber den Lobbyisten Farbe zu bekennen und ihnen klarzumachen, dass es so nicht weitergeht. Wenn ihnen die Verbraucherinnen und Verbraucher am Herzen liegen, ist das auch ihr Anliegen.

Wir haben 2014 drei Anträge zur Milchmarktkrise eingebracht. 2015 hat der Kollege Schöffel gesagt, wir reden die Krise herbei. Nun ist sie da. Das belegen die Preise und die Situation. Deswegen hoffen wir, dass Sie sich besinnen und dort ansetzen, wo es notwendig ist, das heißt, das Dach abdichten und nicht den Schaden unten im Haus begrenzen.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Sengl.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich brauche nicht alles zu wiederholen; was bis jetzt gesagt worden ist, ist alles richtig.

(Horst Arnold (SPD): Alles?)

Fast alles. Es genügt nicht, die Symptome zu bekämpfen, sondern wir müssen an die Ursachen heran. Die Exportquote bei Agrarprodukten war noch nie so hoch wie 2015. Trotzdem waren die Preise noch nie so schlecht. Da kann also an Ihrem Konzept irgendet

was nicht stimmen. Es muss dringend geändert werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist ein komplett falscher Weg, die Landwirtschaft immer nur in Größe und Masse zu treiben. Das ist einfach ein Irrweg.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Viele Betriebe haben sich zu 100 Prozent der Rationalisierung, der Technisierung, der Arbeitsteilung und der Exportorientierung verschrieben. Es gibt aber Betriebe, die das zu 100 % verfolgt haben und genauso wie kleinere Betriebe vor dem Aus stehen. Es gibt ein schönes Zitat von Kees de Vries, einem Mitglied der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der auch Mitglied im Agrarausschuss ist. Er sagte, die Zukunft der Milch liege im Weltmarkt, und wer für 32 Cent pro Liter Milch nicht wirtschaften könne, hätte lieber Beamter werden sollen. Es ist wirklich traurig, dass jemand mit landwirtschaftlicher Ausbildung die Ausbeutung seines eigenen Berufsstandes befeuert. Kees de Vries bewirtschaftet übrigens 1.300 Hektar mit 700 Milchkühen und 600 Jungrindern. Aktiv ist er auch im Deutschen Bauernverband.

Traurig für Bayern ist auch die Aussage des europäischen Kommissars Phil Hogan, der bei der Jahresversammlung des Bayerischen Bauernverbandes gesagt hat, der Milchmarkt komme nur wieder auf die Füße, wenn sich der gesamte Milchmarkt restrukturiert. Das heißt nichts anderes, als dass der Strukturwandel weiter verstärkt wird. Bei dieser Versammlung haben die Milchbauern draußen vor der Tür bleiben müssen und haben demonstriert. Es war ein bisschen unheimlich. Man hat die Kuhglocken gehört. Jeder in der Versammlung wusste: Draußen stehen die Milchbauern und demonstrieren wegen der schlechten Milchpreise. Das wurde aber mit keinem Wort erwähnt. Das war auch sehr traurig. Man hat sich nicht einmal herabgelassen zu sagen: Kommt herein; sagt, was los ist; ihr habt genauso eine Stimme bei uns wie alle anderen auch.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber gut, das ist die Entscheidung des Bayerischen Bauernverbandes. Es soll wohl nur noch in jedem zehnten Dorf ein Stall stehen, in Gewerbehallenoptik. Das ist auch ganz hübsch. Ihn kann man dann gar nicht mehr von Logistikhallen der Gewerbegebiete und von irgendwelchen windigen Industriebauten der Discounter unterscheiden. Das passt dann alles gut zusammen. Die Bauernhöfe werden verschwinden, und übrig bleiben vielleicht ein paar industrielle Agrarbetriebe. Wir müssen nur so weitermachen wie bisher,

die Dinge laufen lassen, sie dem freien Spiel der Weltmarktkräfte überlassen.

Aber wenn wir das nicht wollen, wenn wir wollen, dass die Agrarpolitik anders ausschaut, dass damit auch unsere Landschaft anders ausschaut, dass unsere Dörfer anders ausschauen, dass unsere Versorgung mit frischen und hochwertigen Lebensmitteln gesichert ist, dann müssen wir etwas dagegen tun. Hierzu haben wir auch ein sehr gutes Instrument zur Hand, nämlich die EU-Agrarzahlungen. Diesbezüglich könnten wir drei Dinge ändern; dann hätten wir gerade für diese kleinen Betriebe, für die Vielfalt in der Agrarstruktur, die – das glaube ich schon – wir uns alle wünschen, sehr viel Geld zur Verfügung.