Protocol of the Session on December 10, 2015

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben den Föderalismus und die Stärkung der Parlamente angesprochen. Ich glaube jedenfalls, das meinten Sie damit. Auch da gibt es feine Unterschiede. Während Ihre Kollegin in Nordrhein-Westfalen egal, wie sie zu dem Kompromiss steht – am nächsten Tag den Landtag ausführlich unterrichtet und dort ausführlich darüber debattiert, unterrichten Sie die Presse. Am Schluss des Ganzen gibt es dann einen nichtssagenden Dringlichkeitsantrag der CSU, dem man, weil er so nichtssagend ist, nicht zustimmen kann.

Danke schön. Nächster Redner ist der Kollege Aiwanger.

Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Seehofer, wir wollen es gerne glauben, dass Sie alles getan haben, um im Sinne Bayerns zu verhandeln. Es beruhigt mich aber nicht, wenn Sie in Berlin eine Einigung mit neun roten Ministerpräsidenten erzielen. Das dient vielleicht dazu, den Angriff der SPD auf Sie etwas abzumildern. Ich bin mir aber nicht so sicher, ob der bayerische Steuerzahler gut schlafen kann, wenn Sie sagen, Sie seien sich mit den SPD-Ministerpräsidenten einig.

(Markus Rinderspacher (SPD): Vorsicht, Hubert!)

Ein ganz großes Problem bleibt weiterhin bestehen. Es wird in Wirtschaftskreisen auch kritisiert. Auch im neuen System wird es für die schwachen Länder kaum Leistungsanreize geben, damit sie wirklich aus ihrer Talsohle herauskommen. Wenn ein Land wie Brandenburg von einem eingenommenen SteuerEuro heute 7,7 Cent, im neuen System aber auch nur 9,1 Cent behalten darf, wird es sich weiterhin nicht auf die Hinterbeine stellen, um die Steuereinnahmen wirk

lich zu erhöhen. Länder wie Brandenburg werden sich weiterhin – systembedingt – zurückhalten.

Gleiches gilt für die leistungsstarken Länder: Wenn ein Land wie Baden-Württemberg anstatt 25,5 Cent künftig 28 Cent jedes zusätzlich eingenommenen Euros behalten darf, dann wird dies nicht dazu führen, dass die Geberländer massiver – –

(Ministerpräsident Horst Seehofer: Dafür gibt es die Schuldenbremse auf der Ausgabenseite!)

Die mögen Sie haben. Aber in meinen Augen ist an der sehr wichtigen Stellschraube der Leistungsanreize überhaupt nicht gedreht worden. Wie bei einem Wackelpudding werden nur die Defizite hin- und hergeschoben: Die Geberländer zahlen ein bisschen weniger; dafür muss der Bund mehr zahlen. Wir Bayern werden uns weiterhin überdurchschnittlich daran beteiligen müssen, den Bund über Wasser zu halten.

Um aus der Defizitspirale herauszukommen, muss die Eigeninitiative angekurbelt werden. Den schwachen Ländern ist zu sagen: Für euch rentiert es sich tatsächlich, die Wirtschaft in euren Ländern nach vorn zu bringen. – Dieser Ansatz fehlt leider weiterhin völlig.

Herr Ministerpräsident, Sie verweisen darauf, dass Bayern ab 2020 eine Milliarde Euro weniger zahlen müsse. Diese Milliarde tut uns wohl gut, aber ich glaube nicht, dass sie Bayern rettet. Wenn Sie auf dieser Grundlage die Voraussage wagen, Bayern werde ab 2030 schuldenfreie Haushalte aufstellen können, dann haben Sie schon viel Gottvertrauen. Das lobe ich mir. Auch ich wünsche mir, dass wir irgendwann dieses Ziel erreichen. Ihre Aussage aber, wir müssten nur noch fünf Jahre durchhalten, und danach werde für Bayern alles besser, bleibt leider deutlich hinter dem zurück, was wir in den vergangenen Jahren von Ihnen gehört haben und was wir als Ergebnis der Verhandlungen erwarten konnten.

Ich glaube auch nicht an Ihre Aussage, ab 2030 werde es für Bayern noch viel besser. Das ist Illusionsmarketing.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wenn Sie es noch nicht gehört haben, dann sage ich Ihnen noch einmal, was ich eigentlich will: Ich will mehr Leistungsanreize für alle Länder, damit sie von zusätzlichen Steuereinnahmen mehr behalten dürfen. Es reicht nicht aus, Defizite hin- und herzuschieben, sondern es muss darum gehen, die Wirtschaftskraft zu stärken. Auch durch das neue System wird die Wirtschaftskraft leider nicht gestärkt. Deshalb sage ich: Der ganz große Wurf ist Ihnen nicht gelungen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Herr Kollege Aiwanger, würden Sie bitte noch einmal an das Rednerpult zurückkommen? – Für eine Zwischenbemerkung: Herr Kollege Kirchner, bitte.

(Vom Redner nicht autori- siert) Herr Aiwanger, Sie haben zu Recht festgestellt, dass keine Ministerpräsidenten der FREIEN WÄHLER an der Runde beteiligt waren. Sie sind auch Bundesvorsitzender der FREIEN WÄHLER. Wie waren Ihre Lösungsansätze? Wie war Ihr Beitrag dazu?

(Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir liegt keine – –

(Anhaltende Heiterkeit bei der CSU)

Darf ich fortfahren? Danke.

Mir liegt keine weitere Wortmeldung vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion auf Drucksache 17/9373 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Die CSU. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. – Keine. Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltung der SPD, der Fraktion der FREIEN WÄHLER und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist der Dringlichkeitsantrag angenommen. Danke schön.

(Beifall bei der CSU)

Zur gemeinsamen Beratung rufe ich auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Florian von Brunn, Harry Scheuenstuhl u. a. und Fraktion (SPD) Salmonellen-Skandal: Rückhaltlose Aufklärung und Durchsetzung des Verbraucherschutzrechts auch in Bayern! (Drs. 17/9374)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Gudrun Brendel-Fischer, Dr. Otto Hünnerkopf u. a. und Fraktion (CSU) Bayern-Ei: Bericht des Sonderermittlers (Drs. 17/9395)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Rosi Steinberger u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bayern-Ei - lückenlose Aufklärung (Drs. 17/9396)

Ich eröffne die Aussprache. – Der erste Redner hat sich schon am Rednerpult eingefunden. Bitte schön, Herr Kollege von Brunn.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, Sie haben heute davon gesprochen, dass Sie einen "Volltreffer" gelandet hätten. In der Angelegenheit, über die wir jetzt reden, sind bisher alle Schüsse der Staatsregierung nach hinten losgegangen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN)

Es ist zu überprüfen, ob, und wenn ja, wie bayerische Behörden ihren Aufsichts- und Kontrollpflichten umfassend nachgekommen sind. Es ist zu untersuchen, ob, und wenn ja, aus welchen Gründen Kontrollen nicht durchgeführt oder vorher angemeldet wurden. Aufgeklärt werden muss die Frage, ob und gegebenenfalls aus welchen Gründen die Öffentlichkeit vom zuständigen Staatsministerium nicht unverzüglich informiert wurde und ob auf diese Weise die Gefährdung von Menschen in Kauf genommen wurde.

Das ist kein Fragenkatalog für einen neuen Untersuchungsausschuss; das stammt aus dem Auftrag des Untersuchungsausschusses zu Berger-Wild und Gammelfleisch aus dem Jahr 2006. Herr Kreuzer – er ist nicht mehr da – müsste das kennen; denn er war Vorsitzender des Untersuchungsausschusses. Das war vor fast zehn Jahren. Wenn wir heute, nach dem europaweiten Salmonellenskandal, Bilanz ziehen, dann können wir keinen großen Unterschied zu 2006 feststellen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir müssen folgern: Die Verbraucherschutzpolitik der Staatsregierung besteht aus leeren Versprechungen und ungedeckten Schecks.

Was die schon damals angesprochene Information der Öffentlichkeit angeht: Die Öffentlichkeit wurde von Ihnen nie aus eigenem Antrieb informiert. Es wurde auch nicht gewarnt. Wenn nicht der Bayerische Rundfunk und die "Süddeutsche Zeitung" diesen Skandal öffentlich gemacht hätten, dann hätten Sie alles unter den Teppich gekehrt.

Der damals verantwortliche Verbraucherschutzminister Marcel Huber – er war bis zum 15. September

2014 im Amt; Mitte Juli war die ganze Geschichte an das Tageslicht gekommen – wurde persönlich am 14. August 2014 über diese Sache informiert. Herr Huber, wir erwarten auch von Ihnen, dass Sie dem Bayerischen Landtag Ihr Verhalten in dieser Angelegenheit erklären.

(Beifall bei der SPD)

Sie waren nicht nur der verantwortliche Minister; als ehemaliger Tierarzt beim Tiergesundheitsdienst Bayern sind Sie mit der Materie vertraut. Ich nehme an, dass Sie wussten, was los war und welche Maßnahmen von der Staatsregierung getroffen wurden und welche nicht.

Eine wichtige Frage für uns: Können wir davon ausgehen, dass Sie an der Entscheidung vom 2. August 2014 beteiligt waren, die Öffentlichkeit nicht zu informieren und auch keine Lebensmittelwarnung herauszugeben? Das hätten wir gern geklärt.

Seit die Causa Bayern-Ei im Mai 2015 aufgedeckt wurde, hat die Staatsregierung keinen besonderen Eifer an den Tag gelegt, aufzuklären und die Fehler in der Öffentlichkeit klar zu benennen. Das Gegenteil von dem, was der Herr Ministerpräsident am 10. Juni öffentlich erklärte, ist geschehen. Er sagte damals:

Ich möchte, dass die ganze Sache völlig vorurteilsfrei und im Sinne des Verbraucherschutzes angegangen wird.

Ein frommer Wunsch! Die Umsetzung hat zu wünschen übrig gelassen.

Bei der Erfüllung dieses Auftrags, Frau Staatsministerin Scharf, haben Sie nicht nur viel Zeit verloren, sondern noch mehr Porzellan zerschlagen. Das war nicht nur eine Serie von "Pleiten, Pech und Pannen"; nein, Sie konnten durch Ihr Tun das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher in Bayern bis heute nicht zurückgewinnen,

(Beifall bei der SPD)

auch wenn Sie und Herr Dr. Zapf vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit versucht haben, der Öffentlichkeit eine heile Welt des Verbraucherschutzes in Bayern vorzugaukeln. So sagte Herr Dr. Zapf im Mai 2015 im Bayerischen Rundfunk:

Ich bin der Auffassung, dass damals sachgerecht und korrekt vorgegangen wurde.