Protocol of the Session on December 8, 2015

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Frau Gottstein, bitte bleiben Sie am Rednerpult. Uns liegt noch eine Zwischenbemerkung von Frau Kollegin Brendel-Fischer vor.

Frau Gottstein, ich finde es unmöglich, wenn Sie suggerieren, dass jede Betreuung, die nicht in einer Einrichtung stattfindet, unqualifiziert ist. Das ist eine Anmaßung für alle Personen, die beispielsweise in Verwandtschaftsbeziehungen erzieherisch tätig sind. Damit werden diese Menschen diskriminiert. Ich finde es nicht in Ordnung, das in der heutigen Zeit auszusprechen.

Ihre Strategie, von oben bis unten strenge Verordnungen zu erlassen, lehnen wir ab. Wer geht zur Arbeit? Wer bleibt zu Hause? Wir Frauen – Sie haben uns Frauen angesprochen – haben das doch selber in der Hand. Unsere junge Frauengeneration ist doch selbstbewusst genug, um solche Entscheidungen zu treffen. Die jungen Frauen lassen sich nicht von einem Partner oder der Gesellschaft reglementieren. Wir in der CSU haben ein anderes Frauenbild. Die hohe Zahl an qualifizierten und berufstätigen Frauen spricht für sich. Wir befinden uns auf einem hervorragenden Weg. Ich bin mir sicher, dass wir in zehn Jahren sagen werden: Das ist eine gute Sache. Wir haben die Vereinbarkeitsfrage optimiert – vorrangig im öffentlichen Dienst, aber zunehmend auch in der freien Wirtschaft. Wir haben es geschafft, dass Frauen auch im Alltag gut dastehen, weil sie Familie und Beruf gut miteinander verbinden können. Wir lassen unsere Kleinkinder jedoch auch von den Familien betreuen, wenn das so gewünscht ist.

(Beifall bei der CSU)

Das machen wir auch. Sie haben mir entweder nicht zugehört oder mich nicht verstanden. Die beiden Punkte, die Sie angesprochen haben, habe ich so nicht geäußert. Ich habe davon gesprochen, dass die Gefahr besteht, weil keine Differenzierung vorgenommen wird. Ich gehe nicht davon aus, dass die Oma von den 150 Euro bezahlt wird. Trotzdem besteht die Gefahr einer unqualifizierten außerhäuslichen Betreuung, weil es sich nicht um eine staatlich qualifizierte Betreuung handelt. Diese Leute kennen Sie doch auch. Sie kennen sicherlich auch Fälle, in denen Kinder im Rahmen von Schwarzarbeit betreut werden.

(Gudrun Brendel-Fischer (CSU): Das ist eine Unterstellung!)

Diese Unterstellung entspricht sehr wohl der Wirklichkeit. – Bringen Sie die Mütter, die zu Hause bleiben, in eine Pflichtversicherung. Das habe ich schon in einem anderen Redebeitrag angesprochen. Damit wird die Altersarmut verhindert. Die 150 Euro sind jedoch nichts anderes als ein Beruhigungsmittel. Sie werden der Erziehungsleistung der Mütter und Väter, die zu Hause bleiben, nicht gerecht. Das Geld fehlt jedoch für eine echte Wahlfreiheit an einer anderen Stelle.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön. – Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Celina.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich nehme noch einmal auf, was meine Vorrednerin gesagt hat. Stellen Sie sich einmal vor, Fahrradfahrer und Autofahrer würden ab dem nächsten Jahr in Bayern Geld dafür erhalten, dass sie nicht mit dem Bus fahren. – Das ist doch absurd, oder?

(Widerspruch bei der CSU)

Stellen Sie sich vor, Eltern, die ihre Kinder in einer Privatschule unterrichten lassen, bekämen vom Staat Geld dafür, dass sie die öffentlichen Schulen nicht in Anspruch nehmen. – Das ist doch absurd, oder? Stellen Sie sich jetzt einmal vor, Eltern bekämen Geld dafür, dass sie ihr Kind nicht in eine Kita geben. Sie erhalten Geld dafür, dass sie eine Leistung, die der Staat für alle Eltern und Kinder bereitstellt, aus ganz persönlichen Gründen nicht in Anspruch nehmen. – Das ist doch absurd.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Genau das passiert gerade, und zwar nicht in Absurdistan, sondern in Bayern. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, werden demnächst Ihre Stimme dafür hergeben, das Betreuungsgeld einzuführen. Mit diesem Gesetz schütten Sie das Geld mit einer Gießkanne über Bayern aus, ohne zu schauen, wie unsere Kinder individuell am besten gefördert und bedürftige Familien am besten unterstützt werden könnten. In manchen Fällen – das betone ich – wäre ein Anreiz, das Kind regelmäßig in die Kita zu bringen, für alle Beteiligten besser. Das wissen Sie genauso gut wie ich, auch wenn Sie nicht zugeben werden, dass sich die Fachleute bei dieser Frage einig sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich frage mich, was Sie mit dem Betreuungsgeld eigentlich bezwecken wollen. Kein Paar wird sich wegen dieser Leistung entschließen, ein weiteres Kind zu bekommen. Das Betreuungsgeld ist keine Leistung, die eine echte und klare Wertschätzung der Erziehungsleistung beinhaltet. Die Betreuung des Kindes wird – Pi mal Daumen – mit einem Euro die Stunde wertgeschätzt. Das entspricht bei Weitem nicht dem Wert der Erziehungsleistung, wie wir GRÜNE sie sehen.

Um welche Leistung handelt es sich dann? – Diese Leistung wollten Sie entgegen vielen Warnungen bundesweit durchsetzen. Sie müssen geahnt haben, dass Sie damit vor dem Bundesverfassungsgericht eine krachende Niederlage einstecken werden. Frau Ministerin, die Eltern mögen überrascht gewesen sein; das Ministerium war es sicherlich nicht. Sie wussten auch, dass die anderen Bundesländer diese Leistung für völlig falsch halten und stattdessen in Kitas vor Ort investieren. Der Bedarf ist da, und die Herausforderungen sind groß. Die Integration, die Inklusion sowie die Bezahlung von qualitativ hochwertigem Personal kosten viel Geld. Trotzdem haben Sie das Betreuungsgeld auf Bundesebene einführen wollen in der Hoffnung, die Absurdität des Betreuungsgeldes zu verschleiern. Das hat dank des Bundesverfassungsgerichts nicht geklappt, das klar gesagt hat, dass der Bund dafür gar nicht zuständig ist. Damit hat sich das Bundesverfassungsgericht eine inhaltliche Bewertung erspart. Ich bin aber sicher, sie wäre ähnlich vernichtend ausgefallen.

Die Zahlen in Bayern sprechen für sich. Viele haben das Betreuungsgeld beantragt, nachdem ihnen die fertig ausgefüllten Anträge zugesandt worden waren. Das ist ja auch ganz einfach. Viele von denen, die das Betreuungsgeld erhalten, bekommen auch schon Landeserziehungsgeld. Während das Landeserziehungsgeld nur denjenigen zusteht, die sich am unteren Rand des bayerischen Einkommensspektrums befinden und auf jeden Euro – das sagen Sie, Frau Ministerin – achten müssen, beglückt das Betreuungsgeld alle, die angeben, eine staatliche Leistung nicht in Anspruch zu nehmen. Das kontrolliert übrigens keiner. Für die Ärmeren stellt das Betreuungsgeld eine unzulässige Doppelleistung dar; denn das Landeserziehungsgeld gibt es schon. Viele andere, die darüber hinaus Betreuungsgeld bekommen werden, brauchen es gar nicht. Die Entscheidung berufstätiger Eltern, die ihren Tagesablauf mit Au-pair-Mädchen oder Tagesmüttern selbstständig organisiert haben, hängt nicht von 150 Euro Betreuungsgeld ab, die sie jetzt als zusätzliches CSU-Schmankerl ohne Gegenleistung bekommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Angesichts all dieser Tatsachen und Widerstände finde ich es erstaunlich, dass Sie das Betreuungsgeld trotzdem durchpeitschen werden. Diese Leistung wird von Fachverbänden einvernehmlich als kontraproduktiv bezeichnet. Ich finde es erstaunlich, dass Sie in Zukunft Mittel in Höhe von rund 230 Millionen Euro jährlich dafür aufwenden wollen, etwas zu bezahlen, für das es keinen Anlass außer dem Sammeln von Wählerstimmen gibt. Die 230 Millionen Euro kommen nicht einer benachteiligten Zielgruppe zugute, sondern werden mit der Gießkanne ausgeschüttet. Das ist eine unzulässige Doppelleistung parallel zum Landeserziehungsgeld.

Frau Ministerin, abschließend frage ich mich und Sie: Wo und bei wem möchten Sie in Zukunft diese Mittel einsparen? Aus der Portokasse werden sie nicht kommen. Ich sage nur: Armes reiches Bayern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Celina, bitte bleiben Sie am Rednerpult. Vom Kollegen Unterländer liegt die Anmeldung einer Zwischenbemerkung vor.

Frau Kollegin Celina, sind Sie bereit anzuerkennen, dass sich das Bundesverfassungsgericht in keiner Weise inhaltlich mit dem Betreuungsgeld beschäftigt hat? Es hat ausdrücklich die Frage der Zuständigkeit beurteilt. Damit ist die Bezeichnung "krachende Niederlage" im Hinblick auf die Bayerische Staatsregierung völlig fehl am Platz.

(Beifall bei der CSU)

Finden Sie nicht auch, dass familienpolitische Leistungen nicht von der finanziellen Situation der Familien abhängen, sondern grundsätzlich allen Familien zustehen sollten?

Zur ersten Frage: Herr Unterländer, das Bundesverfassungsgericht hat dem Betreuungsgeld ganz klar eine krachende Niederlage beschert, und zwar aus formalen Gründen. Zum Inhalt hat sich das Bundesverfassungsgericht nicht geäußert. Genau das habe ich bereits gesagt. Ich bin mir sicher: Hätte sich das Bundesverfassungsgericht geäußert, wäre es auch so ausgegangen. Wir sind aber noch nicht so weit. Das Bundesverfassungsgericht hat sich nicht inhaltlich dazu geäußert.

Zur zweiten Frage: Ich bin für jede familienpolitische Entlastung dankbar. Diese Entlastungen müssen aber über die Steuern allen Familien gewährt werden und nicht nur den Eltern, die ihre Kinder nicht in eine Kita bringen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. – Die nächste Rednerin ist Frau Staatsministerin Müller.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Argumente sind ausgetauscht. Wir alle wissen, wo wir stehen. Ich möchte Ihnen trotzdem sagen: Familien lassen sich Gott sei Dank nicht in ein festes Schema pressen. Das gilt auch für Frauen.

(Beifall bei der CSU)

Frauen sind heute selbstbewusst genug, um zu entscheiden, was sie denn in der Zukunft wollen. Als Sozialministerin ist es mir ein Herzensanliegen, dass sich die Eltern bei der Entscheidung, wie ein Kind betreut werden soll, wohlfühlen. Die Eltern müssen entscheiden können, ob sie zum Beispiel die ersten Schritte oder die ersten Worte des Kindes miterleben wollen. Sie nehmen dabei in Kauf, dass sie in dieser Zeit nicht arbeiten gehen können.

Jeder kann sein Kind in eine Kita bringen, wenn er das will. Wenn die Menschen das aber nicht wollen, haben wir doch nicht das Recht zu entscheiden, was für das Kind besser ist.

(Dr. Simone Strohmayr (SPD): Sollen die alle zu Hause bleiben?)

Für die Kinder unter drei Jahren haben wir in Bayern 110.000 Plätze. Im Jahr 2007 waren es lediglich knapp 33.000 Plätze. Wir haben also enorm aufgeholt. Wir setzen dabei nicht nur auf Quantität, sondern auch auf Qualität. Das geht bei uns Hand in Hand. Wir haben den Mindestanstellungsschlüssel verbessert und damit ebenfalls aufgeholt.

In Bayern gibt es derzeit sehr viele Migrantenkinder. Immer wieder wird gesagt, diese Migrantenkinder müssten alle in die Kitas. Die NUBBEK-Studie hat jedoch bewiesen, dass zweijährige Kinder mit Migrationshintergrund zu Hause mindestens ebenso gut aufgehoben sind wie in einer Kita.

Die Betriebskosten im Jahr 2015 lagen bei 1,3 Milliarden Euro. Frau Rauscher, Sie haben vorhin gefragt, wer denn die Eltern informiere. Mit dem Antrag auf Betreuungsgeld werden die Eltern sofort über die Konsequenzen informiert, wenn sie sich unrechtmäßig verhalten und Betreuungsgeld beziehen, während sie ihr Kind in einer Kita betreuen lassen. Frau Rauscher, wenn die Kinder in eine Kita gebracht werden, kann dies mit einem einzigen Satz und mit einer formalen Unterschrift geklärt werden.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Frau Ministerin. – Frau Rauscher hat noch den Wunsch nach einer Zwischenbemerkung geäußert.

Ja, gerne.

Frau Ministerin, ich möchte erstens feststellen, dass uns in Bayern 20.000 KitaPlätze fehlen, um die von Fachinstituten empfohlene Betreuungsquote von 40 % zu erreichen.

Zweitens, zur Qualität: Sämtliche Anträge, die im Fachausschuss mit dem Ziel der Qualitätssteigerung eingebracht wurden, wurden abgelehnt. So viel zum Qualitätsausbau. Ja, in den letzten Jahren gab es ein paar Verbesserungen. Sie haben gerade die NUBBEK-Studie erwähnt, wonach zweijährige Kinder mit Migrationshintergrund zu Hause besser aufgehoben seien -

Sie sind dort genauso gut aufgehoben, nicht besser!

Diese Studie kommt deshalb zu dem Ergebnis, dass diese Kinder zu Hause besser aufgehoben wären, weil die Qualität der Krippen in ganz Deutschland, aber gerade auch in Bayern, noch nicht dem Qualitätsniveau entspricht, das nötig wäre, damit die Kinder dort gut versorgt werden könnten. Gerade diese Kinder könnten von einem solchen Krippenplatz profitieren.

Wir hoffen, dass die Qualität der Kitas weiter gesteigert wird. 230 Millionen Euro zuzüglich der 32 Stellen, die im Amt für Familie für die Bearbeitung der Anträge geschaffen worden sind, sind richtig viel Geld. Damit könnten wir für die Kitas richtig Gas geben. Wir könnten damit von mir aus auch in den Grundschulen die Inklusion fördern und die Randzeiten- und Ferienbetreuung ausbauen.

Trotzdem dürfen die Eltern ihre Kinder zu Hause betreuen. Sie haben natürlich eine Wahlfreiheit. Keiner wird zu etwas gezwungen, weder von der SPD-Fraktion noch von den anderen Oppositionsparteien.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Zwei kurze Antworten: Wir bauen die Zahl der KitaPlätze weiter aus.

(Eva Gottstein (FREIE WÄHLER): Aber das Geld fehlt uns doch!)