Protocol of the Session on November 24, 2015

liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen, und Tagesordnungspunkt 2 ist erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Interpellation der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Dr. Christian Magerl u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Umsetzung der Alpenkonvention in Bayern (Drs. 17/6592)

Ich eröffne die Aussprache. Gemäß § 68 Absatz 2 Satz 3 der Geschäftsordnung hat in der Aussprache die interpellierende Fraktion das erste Wort. Dies ist die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Als erster Redner hat Herr Abgeordneter Ludwig Hartmann das Wort. Bitte sehr.

Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Beim Schutz der Alpen benimmt sich die CSU-Regierung wie ein Skifahrer in der Berghütte: große Reden schwingen, aber draußen nach dem ersten Meter gleich auf dem Hosenboden landen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Selbstwahrnehmung und Wirklichkeit klaffen meilenweit auseinander. Es gab immer vollmundige Ankündigungen zum Schutz unserer Bergwelt, aber Taten sind in den letzten zehn Jahren so gut wie gar nicht wahrnehmbar gewesen.

Im Zuge des deutschen Vorsitzes der Alpenkonvention bis Herbst 2016 wurde von CDU/CSU- und SPDFraktion im Deutschen Bundestag der Antrag mit dem Titel "Die Alpen-Vielfalt in Europa – Ziele der Alpenkonvention voranbringen und nachhaltig gestalten" eingebracht. Viele hübsche Worte sind darin zu finden, viele schöne Beschreibungen, aber von konkretem Handeln ist man meilenweit entfernt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gute Politik misst sich nicht an schönen Worten, sondern an konkretem Handeln. Wir haben die Interpellation zum Thema Schutz der Alpen nach zehn Jahren erneut gestellt, um einen Zwischenbericht zu erhalten und zu erfahren, ob irgendetwas besser geworden ist. Man kann dies in ein paar Bereichen zusammenfassen und muss ganz ehrlich sagen, dass sich in diesen Bereichen in den letzten zehn Jahren hier in Bayern so gut wie gar nichts verbessert, sondern vieles noch deutlich verschlechtert hat. Die Verantwortung für den Schutz der Alpen braucht man gar nicht nach Berlin zu schieben. Hier ist Bayern ganz konkret in der Pflicht und hat die Verantwortung, den völkerrechtlichen Vertrag konkret umzusetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich möchte mit einem Themenbereich beginnen, der auch vom Finanzminister gerade angesprochen worden ist. Das ist der Flächenverbrauch. In den hochsensiblen Gebieten unseres Alpenraums hat sich der Flächenverbrauch für die Siedlungs- und Verkehrsflächen von 1992 bis 2013 um 5.335 Hektar erhöht. Man kann es auch anders ausdrücken: Dies sind 7.500 Fußballfelder bzw. das ist einmal die Fläche vom Starnberger See, die rein im Alpenbereich neu benötigt worden ist. Das ist deutlich zu viel.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch nach der gerade getroffenen Aussage von Minister Söder kann man nur von einem hemmungslosen Flächenfraß der Politik dieser Staatsregierung sprechen. Es ist wirklich hemmungslos, wie Sie mit dem wertvollen Gut Boden in diesem Land umgehen.

Ich möchte einen weiteren Bereich nennen und es damit noch einmal unterstreichen: Wir sind uns sicher alle darin einig, dass die Alpen zu den sensibelsten Gebieten in Bayern gehören. Man kann es eigentlich kaum glauben: In den letzten zehn Jahren wurde im Alpenbereich kein einziges neues Naturschutzgebiet ausgewiesen. Zehn Jahre sind eine verdammt lange Zeit, meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU. Vor zehn Jahren hatten Sie noch eine Zweidrittelmehrheit. Auch das ist verdammt lange her.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kommen wir von den Naturschutzgebieten zu den Landschaftsschutzgebieten. Ihre diesbezügliche Antwort in der Interpellation ist geradezu manipulativ. Das Landschaftsschutzgebiet Inntal-Süd wird als neu geschaffen dargestellt. Fakt ist aber, dass Sie das alte Landschaftsschutzgebiet durch eine neue Verordnung sogar noch um 650 Hektar verkleinert haben. Das wird dann als neuer Erfolg verkauft. Das ist wirklich zum Schämen!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn man sich die Zahlen insgesamt anschaut, so ergibt sich, dass die Landschaftsschutzfläche in Bayern im Alpenbereich in den letzten Jahren de facto um 900 Hektar zurückgegangen ist. Das lässt sich nicht mit dem Naturschutzprotokoll der Alpenkonvention in Einklang bringen. So kann das wirklich nicht weitergehen.

Die Beantwortung der Interpellation hat uns leider auch deutlich gezeigt, dass der Erhalt und der Schutz unserer einzigartigen bayerischen Landschaft nicht auf der politischen Agenda dieser Staatsregierung

stehen. Sie nehmen weder Rücksicht auf die Natur noch auf den Wirtschaftszweig Tourismus in den Alpen. Ich weiß, dass Sie es kaum noch hören können, aber wenn Sie sich die Zahlen, beispielsweise jene des Tourismusverbandes, anschauen, erkennen Sie: Der Sommertourismus in den Alpen nimmt zu. Das Bedürfnis, die schöne Natur, die einmalige Landschaft, die Ruhe zu genießen und Erholung zu finden, ist der Hauptgrund für diesen Tourismus in den Alpen. Gerade diesen Bereich, der wirklich von unserem Naturwunder Alpen lebt, zerstören Sie mit jedem Eingriff für ein absurdes Wettrüsten der Skigebiete. Jedes Jahr geht es ein Stück weiter, und das alles angeheizt durch Steuermillionen für immer neue Schneekanonen und neuen Skiliftbau. Dieser Umweltvandalismus – so muss man es wirklich nennen – schreitet in immer sensiblere Gebiete voran. Die Interpellation zeigt ganz deutlich, dass Sie in der letzten Zeit bei immer mehr neuen Beschneiungsanlagen eine Umweltverträglichkeitsprüfung gebraucht haben. Sie greifen in immer sensiblere Gebiete ein, und das alles – man kann es nur so deutlich sagen – für ein Tourismuskonzept, das langfristig in Bayern keine Zukunft hat. Es ist absolut unstrittig, dass der Klimawandel, also der Temperaturanstieg, in den Alpenregionen doppelt so schnell voranschreitet wie im Durchschnitt. Das heißt, die Zukunft des Wintersports wird nicht in Bayern liegen. Hier sind wirklich neue Konzepte gefragt. Darauf geben Sie keinerlei Antworten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Man kann es sich so vorstellen: Die CSU-Staatsregierung baut in Bayern mit Steuermillionen eine Sackgasse immer weiter aus, anstatt den Weg in die Zukunft zu weisen.

Ich möchte einen weiteren Bereich ansprechen und habe an Sie, Frau Ministerin Scharf, eine dringliche Bitte. – Der CSU-Fraktionsvorsitzende Kreuzer hat ja leider gerade den Saal verlassen. Ich muss Sie wirklich bitten, standhaft zu sein und dabei zu bleiben, dass wir die Schutzzone C erhalten und dass die Skischaukel am Riedberger Horn nicht umgesetzt wird. Sollte es dazu kommen, können Sie die Alpenkonvention im wahrsten Sinne des Wortes in die Tonne treten. Wenn Sie dort das Fass aufmachen, verstoßen Sie in vielen Bereichen gegen die Konvention. Sie müssen Ihren CSU-Kolleginnen und Kollegen wirklich ins Gewissen reden und Ihnen deutlich machen, dass das dort nicht umgesetzt werden kann.

Zusammenfassend kann man sagen: Ein völkerrechtlicher Vertrag, der fast 25 Jahre alt ist, wird von der Staatsregierung eigentlich nur als reine Feiertagscharta angesehen, als ein Dokument, das man gerne aus der Schublade nimmt, um Umweltverbände zu

beruhigen. Unsere Alpenlandschaft wird hingegen in keiner Weise geschützt und erhalten.

Wir fordern die Staatsregierung auf, die Alpenkonvention endlich ernsthaft und konsequent in Bayern umzusetzen. Dies ist ihre Aufgabe. Zehn Jahre hat man vertan. Jetzt ist es wirklich Zeit zu handeln.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat der Kollege Beißwenger von der CSU das Wort. Bitte sehr, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, ich muss in meiner Rede einiges, was Herr Hartmann gesagt hat, richtigstellen. Die Alpen brechen nicht zusammen. Es wird einiges getan.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Wie wir alle wissen, sind die Alpen der größte Naturund Kulturraum Mitteleuropas. In acht Staaten prägen sie Landschaft und das Leben der dortigen Bevölkerung. Zudem ziehen sie mit ihrer einzigartig faszinierenden Landschaft Erholungssuchende aus der ganzen Welt an. Die Alpenkonvention wurde zum Schutz und zur nachhaltigen Entwicklung dieser Region mit ihren klimatischen, ökologischen und naturräumlichen Besonderheiten beschlossen.

Gemeinsam mit allen anderen Alpenstaaten leisten wir in Deutschland, besonders in Bayern, unseren Beitrag. In sogenannten fachlichen Protokollen wird zu einzelnen Fachbereichen festgelegt, welche konkreten Schritte zum Schutz und zur nachhaltigen Entwicklung der Alpen ergriffen werden sollen. Die Themen der acht Protokolle umfassen verschiedene Sachbereiche wie Berglandwirtschaft, Naturschutz, Landschaftsplanung, Bergwaldtourismus, Bodenschutz, Energie, Verkehr, Entwicklung und Raumplanung.

Über alle Protokollbereiche hinweg können wir festhalten: Bayern hält sich nicht nur an die Bestimmungen der Konvention, sondern leistet auch einen aktiven Beitrag bei der Umsetzung sowohl in materieller Hinsicht als auch durch seine Beteiligung in den Gremien.

(Beifall bei der CSU)

Den Vorsitz der Alpenkonvention hat aktuell Deutschland inne. Das bayerische Umweltministerium unterstützt das Bundesumweltministerium während der zweijährigen deutschen Präsidentschaft in der Alpen

konvention. In den letzten Jahren wurden im bayerischen Landesentwicklungsprogramm explizit Verweise auf die Alpenkonvention aufgenommen.

Was wir hierzu sicherlich nicht brauchen, sind neue Protokolle, etwa für Abfallwirtschaft, Luftreinhaltung oder Kultur sowie zusätzliche nationale Vollzugsregelungen. Hierfür gibt es teilweise entsprechende EURichtlinien. Außerdem hat hierzu ein Vergleich im Jahr 2006 gezeigt, dass die einzelnen Bestimmungen der acht Durchführungsprotokolle in Deutschland bereits hinreichend Entsprechungen im innerstaatlichen Recht finden. Was wir aber sehr wohl in den Vordergrund stellen müssen, ist Folgendes: Wir müssen die Kernanliegen besser vermitteln und umsetzen, anstatt neue und zusätzliche rechtliche Regelungen zu schaffen.

Bayern bringt gegenüber dem zuständigen Bundesumweltministerium wie auch in den Alpenkonventionsgremien stets zum Ausdruck, dass nur mit einer stärkeren Umsetzungsarbeit durch konkrete Maßnahmen vor Ort und durch eine bessere Einbindung der Kommunen und der Bürger eine höhere Akzeptanz erzielt werden kann. Bayern hat sich in den Alpenkonventionsgremien erfolgreich dafür eingesetzt, dass die Überprüfungsberichte zur Einhaltung der Konventionsbestimmungen alle zehn statt alle zwei Jahre erstellt werden; es soll schließlich am Ende ein Mehrwert für die Umwelt herauskommen und nicht nur dicke Akten und bürokratische Strukturen.

(Zuruf des Abgeordneten Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD))

Die Frage war, was man dafür tut. Deshalb sage ich jetzt etwas zu den Förderaktivitäten und den Investitionen der Staatsregierung. Natur- und Umweltschutz zieht sich seit vielen Jahrzehnten wie ein roter Faden durch die bayerische Politik. Am 8. Dezember 1970 hat der Bayerische Landtag die Gründung des Bayerischen Staatsministeriums für Umweltfragen und Landesentwicklung beschlossen.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Es war nicht nur das erste Umweltministerium Deutschlands, nicht nur das erste in Europa, sondern das erste Umweltministerium weltweit. Unsere Staatsregierung behält diesen Weg der Nachhaltigkeit bei, wie man an den vielfältigen finanziellen Fördermaßnahmen und Investitionen zugunsten des Alpenraums sieht. Es sind einige ehemalige Umweltminister anwesend, außerdem unsere aktive Umweltministerin. Ich erinnere mich daran, wie ich mit Marcel Huber in Sonthofen das Moor besucht habe. Überall hat man gesehen, was mit diesen Mitteln getan worden ist.

In den Bereichen Hochwasserschutz, Alm-/Alpwirtschaft, ökologischer Landbau, Vertragsnaturschutz, Landschaftspflege, Schutzwaldsanierung, Schutzwaldpflege, Waldumbau, Biomasse, Ausbau ÖPNV und so weiter – gilt unser Dank nicht nur Umweltministerin Ulrike Scharf, sondern auch und vor allem unserem Landwirtschaftsminister Helmut Brunner für die Unterstützung der Berggebiete. Ich erinnere mich gut an die Verhandlungen zum letzten KULAP, in denen der Minister immer Wert darauf gelegt hat, dass man die Berggebiete unterstützt.

(Beifall bei der CSU)

Der bayerische Alpenraum gehört zu einem Schwerpunktgebiet für Fachprogramme des Naturschutzes. In ganz Bayern entfallen allein ein Viertel der Ausgaben für den Vertragsnaturschutz und 80 % für den Erschwernisausgleich auf Feuchtflächen auf die Gebietskulisse der Alpenkonvention.

Das Engagement im Naturschutz zeigt sich auch in zahlreichen Artenhilfsprogrammen. Wir wissen alle, in den vergangenen Jahren sorgte die natürliche Zuwanderung vereinzelter, ehemals auch in den bayerischen Alpen heimischer Großsäuger, Wölfe und Bären, für mediale Furore.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Und Stoiber hat ihn abgeschossen!)

Für den Umgang mit Interessenkonflikten, die durch Wildtiere verursacht werden können, hat die Staatsregierung ein Wildtiermanagement etabliert.

(Florian von Brunn (SPD): Und der Landwirtschaftsminister will wolfsfreie Zonen!)

Dieses Management berücksichtigt die speziellen Ansprüche der Menschen und der Wildtiere, die in einer Region leben, gleichermaßen. Das soll insbesondere der Verbesserung der Akzeptanz dienen. In diesem Zusammenhang tourt auch die Ausstellung "Die großen Vier – vom Umgang mit Bär, Wolf und Luchs" durch ganz Bayern.