Protocol of the Session on October 28, 2015

Dann bringen Sie doch einen Antrag zur Bekämpfung anderer Formen des Extremismus‘ ein. Dann werden wir diesem Antrag auch zustimmen. Die Forderungen dieses Antrags sind doch nicht per se schlecht, weil sie sich nur auf eine Form des Extremismus‘ beziehen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der SPD und den GRÜNEN)

Ihrer Interpretation, dass mit diesem Dringlichkeitsantrag der Polizei von vornherein unterstellt werde, dass sie hier nicht hinsehe, können wir nicht folgen. Die deutsche Sprache ist eine schwere Sprache. Im Fach Deutsch gibt es Interpretationsmöglichkeiten. Wir interpretieren das in diesem Dringlichkeitsantrag nicht so. Darauf werde ich aber noch einmal zurückkommen.

In dem Dringlichkeitsantrag steht unter "I": Der Landtag stellt sich gegen jede Form von rassistisch motivierter Gewalt. - Sie haben geäußert, dass Sie sich dieser Formulierung anschließen. In diesem Satz ist jede Form von Gewalt gemeint. Und weiter: Er spricht allen, die sich davon bedroht fühlen, die volle Solidarität aus. - Ich denke, dass auch gegen diesen Satz nichts spricht. Das müssen wir unterstützen. Weiter heißt es: Er verspricht, sich uneingeschränkt für die Sicherheit der sich bedroht Fühlenden einzusetzen; und er verurteilt rassistische Stimmungsmache. - Das schließt auch andere Formen von Rassismus ein, auch wenn sie nicht explizit genannt werden.

Wir können mit der Nummer II leben, wenn wir auch nicht jedes i-Tüpfelchen unterschreiben. – Die Bekämpfung des wachsenden Rechtsextremismus‘ soll zur obersten Priorität erhoben werden. - Oberste Priorität bedeutet nicht erste Priorität. Das können wir so mittragen.

Die Pegida soll unter Beobachtung des Landesamts für Verfassungsschutz gestellt werden. Ich denke, das ist etwas, was inzwischen fast jeder hier fordert. Sicher könnte man darüber diskutieren, ob wir landesweite Notfallpläne für jede Einrichtung brauchen. Eine solche Forderung wird von uns eher abgelehnt, weil

wir nicht in allen Fällen für eine Steuerung von oben sind.

Klare Vorgaben zur Finanzierung des Personals werden bereits gemacht, sagen Sie vielleicht. Aber grundsätzlich ist nichts gegen diese Forderungen einzuwenden. Sie sind im Gegenteil zu unterstützen. In diesem Zusammenhang steht etwas von Polizei. Wenn Sie im Rahmen einer Aufgabenkritik etwas ganz kritisch hineininterpretieren wollen, möchte ich ausdrücklich sagen: Wir FREIEN WÄHLER sehen darin ganz klar keine Kritik an der Polizei. Wir sagen vielmehr, dass es momentan in vielen Zusammenhängen eine Neuverteilung der Ressourcen braucht. Wir sehen das also nicht als grundsätzliche Polizeikritik an, sondern wir danken an dieser Stelle im Gegenteil sämtlichen Polizisten, die momentan bis zum Limit ausgelastet sind und eigentlich mehr tun, als man von ihnen verlangen kann.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Der letzte Aufgabenblock ist, denke ich, von jeglicher Kritik frei; das muss man unterstützen. Im Übrigen könnte das sofort für alle Formen des Extremismus‘ gelten. Präventionsmaßnahmen sind zu intensivieren, ein Handlungskonzept ist zu erstellen, und Förderprogramme sind zu unterstützen. Das tragen wir voll mit.

Wir erinnern uns ähnlich wie der Vorredner von der SPD gerne an eine interfraktionelle Initiative gegen Rechtsextremismus in diesem Haus. Zu Beginn der letzten Legislaturperiode gab es einen Dringlichkeitsantrag für eine gemeinsame Entschließung gegen Rechtsextremismus. Die FREIEN WÄHLER haben auch immer wieder in Anträgen die wirksame Bekämpfung extremistischer Gewalttäter gefordert und sich gegen Extremismus und für Toleranz ausgesprochen. Das Thema hat uns also immer alle beschäftigt, und dies zu Recht.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich darf in diesem Zusammenhang an die Anhörung in der vorletzten Woche zur Lage gewaltbereiter islamistischer Radikalisierung erinnern. Erschreckend, aber für jemanden, der mit jungen Leuten zu tun hat, eigentlich überhaupt nicht überraschend war, dass die Experten, die bei dieser Anhörung berichtet haben, warum junge Leute von Salafisten zu diesem Gedankengut verführt werden, dieselben Ursachen genannt haben, die wir bei jeder Form von Extremismus und immer dann finden, wenn uns Menschen entgleiten. So wurde hoher Gruppendruck genannt, und es wurde ganz klar gesagt, dass Jugendliche wegen privater Probleme zu extremen Organisationen wechseln. Es waren einige Experten aus der praktischen Arbeit dabei, und es wurde ganz klar festgestellt, dass

vor allem Jugendliche entweder aus extrem autoritären oder supertoleranten Familien gefährdet sind. Das fand ich eine interessante Aussage.

Insgesamt wurde darauf hingewiesen, dass es eine Gefährdung in diesem Bereich bei einer Perspektivlosigkeit von jungen Leuten oder dann gibt, wenn sie Diskriminierung erfahren. In allen Aussagen der Experten war zu hören, dass es um Emotionales geht und Leute gerade in der emotionalen Phase des Erwachsenwerdens zu jeder Form von Extremismus verführt werden können. Solche Untersuchungen gibt es auch im Zusammenhang mit dem Rechtsextremismus.

Das sollte uns vor dem Hintergrund dieses Antrages zu denken geben. Die Wurzeln liegen in der Familie, in der Schule und in der Gesellschaft. Deswegen unterstützen wir den Antrag, auch wenn er nur einen Teilbereich des Extremismus‘ betrifft.

(Jürgen W. Heike (CSU): Das ist zu kurz gesprungen!)

Dann springen Sie doch weiter, wenn Sie das draufhaben. Das ist überhaupt kein Problem.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Die Sensibilität hat in diesem Bereich noch großes Steigerungspotenzial.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Frau Kollegin, kommen Sie bitte für eine Zwischenbemerkung des Kollegen Zellmeier ans Rednerpult zurück.

Frau Kollegin Gottstein, habe ich Sie recht verstanden, dass Sie angeregt haben, in Nummer I Absatz 1 die Worte "Androhung rechtsextrem bzw. rassistisch motivierter Gewalt" durch "Androhung extremistischer Gewalt" zu ersetzen? Habe ich Sie da richtig verstanden?

Ich habe den Antrag nicht vor mir. Aber ich habe gesagt, man könnte das erweitern.

Im ersten Absatz heißt es "gegen jede Form und Androhung rechtsextrem bzw. rassistisch motivierter Gewalt." Im ersten Teil wird aber die Thematik noch mehrfach ausgeführt. Wenn Sie meinem Vorschlag zustimmen, könnten wir mit dem ersten Teil mitgehen, wenn es hieße "Androhung extremistisch motivierter Gewalt."

Das ist aber doch nicht unser Antrag, Herr Kollege Zellmeier.

Ich frage Sie, ob das ein Änderungsvorschlag wäre, den die GRÜNEN aufnehmen sollen. Wenn sie das nämlich tun würden, könnten wir mitgehen.

Vielleicht wollen Sie es den GRÜNEN auf diese Weise über die FREIEN WÄHLER mitteilen.

(Allgemeine Heiterkeit)

Wir haben ganz klar gesagt, dass wir eine Erweiterung bevorzugen, weil wir meinen, dass es in vielen Bereichen, auch in diesem, Extremismus gibt. Natürlich ist er wegen der Asylproblematik gerade wieder sehr greifbar. Wir stimmen diesem Antrag zu. Einem weitergehenden Antrag würden wir natürlich noch lieber zustimmen.

(Jürgen W. Heike (CSU): Was soll denn das?)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Ich darf mich hier einmal einmischen; ich denke, das dient der Sache. Ich bitte darum, dass sich die Fraktionen untereinander verständigen, ob es aufgrund dessen, was jetzt vom Kollegen Zellmeier vorgeschlagen worden ist, eventuell zu einer Einigung kommen könnte. Ich bitte wirklich, sich hier abzustimmen. Ich denke, man sollte auch als Präsidentin einmal deutlich machen, dass es schön wäre, wenn man gerade bei dieser Problematik eine Einigung finden würde.

Ich fahre in der Rednerliste fort. – Jetzt hat der Herr Staatsminister das Wort. Herr Staatsminister, bitte.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zahl der Gewaltdelikte gegen Asylbewerber und deren Unterkünfte steigt. Gleichzeitig nehmen die Sorgen und Ängste in der Bevölkerung angesichts des nicht enden wollenden Flüchtlingsstroms zu. Die Extremisten versuchen, diese Situation auszunutzen und ihre rassistischen und fremdenfeindlichen Thesen unters Volk zu bringen. Jeder Angriff auf Flüchtlinge oder ihre Unterkünfte ist einer zu viel.

Hier gibt es auch vonseiten der bayerischen Sicherheitsbehörden keinerlei Toleranz. Wir müssen konsequent gegen jede Art von Gewalt vorgehen. Ich darf darauf hinweisen, dass nach dem Lagebild, das das Bundeskriminalamt am 9. Oktober vorgestellt hat, im Laufe dieses Jahres 2015 bislang in Nordrhein-West

falen 121 solche Angriffe vom BKA vermerkt wurden, in Sachsen 57, in Niedersachsen 36 und in Bayern 34. Wir wissen noch nicht, wie es in diesem Jahr weitergeht. Aber ich darf schon allein anhand dieser Zahlen wieder einmal feststellen: Wir gehen konsequent vor, und jeder Anschlag ist einer zu viel. Aber es gibt ganz offensichtlich jedenfalls keine demokratische politische Kraft in Deutschland, die für sich in Anspruch nehmen könnte, dass es dort, wo sie regiert, weniger rechtsextremistische Gewalt gäbe als bei uns. Ich sage das bewusst sehr defensiv.

Der Eindruck, der insbesondere vonseiten der GRÜNEN-Fraktion hin und wieder erweckt wird, als wäre in Bayern besonders viel in dieser Richtung zu beobachten – heute war es einigermaßen erträglich –, ist nach den bundesweiten Feststellungen eindeutig falsch. Meine Damen und Herren, ich bin in der Tat – das habe ich bei der Debatte über den letzten Antrag schon deutlich gemacht – stolz darauf, wie viel Hilfsbereitschaft gegenüber Flüchtlingen wir in unserem Land erleben. Deshalb stimmen wir darin überein, dass Hilfsbereitschaft auf keinen Fall von Rechtsextremisten eingeschüchtert werden darf. Es darf im Land nicht zu einer solchen Stimmung kommen, dass sich niemand mehr traut, Flüchtlingen zu helfen, weil er Angst vor Bedrohungen durch Rechtsextremisten haben muss. Das ist ein Beispiel, wie Extremisten Angst verbreiten können, ganz abgesehen von der Angst, die bei den Flüchtlingen selbst entsteht.

Ich wiederhole es ausdrücklich – das sage ich nicht nur hier, sondern auch bei vielen Gelegenheiten draußen im Land –: Ja, wir führen eine intensive Debatte darüber, wie es mit der Flüchtlingsentwicklung in unserem Land weitergehen soll; vorhin haben wir erneut darüber gesprochen. Das ändert nichts daran, dass jeder einzelne Mensch, solange er hier ist, Anspruch auf Schutz seiner Integrität hat. Auch dessen Menschwürde ist unantastbar. Dies gilt selbst dann, wenn er sich unrechtmäßig in unserem Land aufhält und wir zu dem Ergebnis kommen, dass er unser Land wieder verlassen muss. Das ist es, was alle Demokraten in unserem Land verbindet.

(Beifall bei der CSU, der SPD und den FREIEN WÄHLERN)

Vor diesem Hintergrund ist es in der Tat wichtig, dass unseren Ermittlungsbehörden jüngst ein wichtiger Schlag gegen Rechtsextremisten in Oberfranken und Mittelfranken gelungen ist. Bei Durchsuchungen von zwölf Objekten wurden eine Schusswaffe und weitere gefährliche Gegenstände gefunden. Gegen drei Personen wurden Haftbefehle vollstreckt. Wir ordnen die Gruppe eindeutig der rechtsextremen Szene zu, weil

mehrere Beteiligte schon aus anderen rechtsextremistischen Zusammenhängen amtsbekannt sind.

Die jüngste Aktion zeigt, dass wir – wie schon bei unserem Vorgehen gegen das "Freie Netz Süd" – konsequent mit allen rechtsstaatlichen Mitteln gegen Rechtsextremisten und deren menschenverachtendes Gedankengut vorgehen.

Daneben treffen die Sicherheitsbehörden routinemäßig alle erforderlichen Maßnahmen bei Vorliegen von Gefährdungserkenntnissen für Asylbewerberunterkünfte, andere Einrichtungen und bedrohte Personen. Diese Vorkehrungen werden laufend überprüft und der aktuellen Lage angepasst.

Vor dem Hintergrund der Mordserie der rechtsextremistischen Terrorzelle NSU, über die wir hier im Landtag in Untersuchungsausschüssen, aber auch in Plenardebatten wiederholt gesprochen haben, ist für die bayerische Polizei ein neues Gesamtkonzept zur Intensivierung der Bekämpfung des Rechtsextremismus‘ erarbeitet worden. Es umfasst neben organisatorischen Aspekten wie der Bildung von Kommissariaten "Operativer Staatsschutz" bei den Kriminalpolizeiinspektionen mit Zentralaufgaben auch verbesserte Ermittlungsansätze sowie eine Reihe von Einzelmaßnahmen.

In der Frage, wie rechtsextremistische Gruppierungen wirksam verboten werden, gehen wir konsequent voran. Insoweit braucht sicherlich keine Behörde in Bayern Nachhilfeunterricht. Aber darüber will ich mich jetzt nicht weiter verbreiten. In der vergangenen Woche ist unser Verbot des "Freien Netzes Süd" vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof erfreulicherweise bestätigt worden. Das ist ein wichtiges Zeichen. Wir hatten es uns in der Tat nicht leicht gemacht. Daraufhin hörten wir wieder den Vorwurf, dass es hätte schneller gehen können.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

In der heutigen Zeit wird gegen solche Verbotsverfügungen regelmäßig vorgegangen, das heißt, sie werden intensiv gerichtlich überprüft. Schon deshalb müssen wir darauf achten, dass die Verbotsverfügungen absolut gerichtsfest sind. Nichts wäre für unseren demokratischen Rechtsstaat peinlicher, als wenn aus irgendwelchen formalen Gründen oder wegen Verfahrensfehlern eine Verbotsverfügung aufgehoben würde.

Die Gruppierungen DIE RECHTE und Der III. Weg agieren im Unterschied zum "Freien Netz Süd" eindeutig bundesweit. Je nachdem, ob man sie als Parteien oder als Vereine qualifiziert, wäre für ein Verbot das Bundesverfassungsgericht oder das Bundesin

nenministerium zuständig. Es ist sicherlich jedem zur Genüge bekannt, dass ein Parteiverbotsverfahren nicht einfach ist. Auch insoweit dürfen keine Schnellschüsse abgefeuert werden. Qualität und planvolles Vorgehen sind gefragt. Die Sicherheitsbehörden auf bayerischer Seite arbeiten eng mit denen der anderen Länder und des Bundes zusammen.

Meine Damen und Herren, es ist aber offenkundig, dass die Gruppierungen DIE RECHTE und Der III. Weg sich auch deswegen des Mantels einer politischen Partei bedienen, um ein Verbot zu erschweren. Deshalb sage ich an dieser Stelle einmal mehr: Ich hoffe sehr, dass sich das Bundesverfassungsgericht in dem anhängigen Verfahren zum Verbot der NPD dessen bewusst ist, dass nicht aus rein formalen Gründen zu hohe Hürden für ein Parteiverbotsverfahren in der Bundesrepublik Deutschland aufgerichtet werden sollten. Es ist offenkundig, dass sich weitere extremistische Gruppierungen formal des Mantels einer politischen Partei bedienen wollen, nur um ihrem späteren Verbot entgegenzuwirken. Dessen muss sich jeder bewusst sein.

Angesichts der Erfahrungen aus der Weimarer Republik ist es gut, dass man in der Bundesrepublik Deutschland eine Partei nicht mir nichts, dir nichts verbieten kann. Das ist demokratischer Grundkonsens. Die hohen Hürden dürfen jedoch nicht dazu führen, dass extremistische Gruppierungen einen Freibrief bekommen. Wir haben gemeinsam das NPDVerbotsverfahren in Karlsruhe vorangebracht. Ich hoffe nach wie vor, dass es zum Erfolg führt.