Protocol of the Session on July 22, 2015

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Logischerweise muss sich ein solches Einwanderungsgesetz an humanitären Grundsätzen und auch an unserer Aufnahmefähigkeit und an unserem wirtschaftlichen Bedarf orientieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das sind die wesentlichen Komponenten. Sagen Sie Ja dazu, und dann machen wir ein wunderbares Gesetz.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat Herr Kollege Kreuzer von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn es bei einem Thema keine Zweifel daran gibt, dass die Zahlen Bände sprechen, dann ist es die aktuelle Flüchtlingssituation. Mehr als 60 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht – so viele wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Jeden Tag kommen wohl 40.000 dazu.

Frau Kollegin Kamm, in dieser Situation kann es doch gar nicht infrage stehen, dass wir die Bemühungen im Rahmen der Entwicklungshilfe in Afrika und der gesamten Dritten Welt intensivieren, aber natürlich auch auf dem Balkan entsprechende Hilfe leisten. Dazu muss ich allerdings zwei Anmerkungen machen:

Erstens. Gerade auf dem Balkan hat sich die Europäische Union bereits in hohem Maße engagiert. Enorme Gelder sind dorthin geflossen. Aber dies hat bisher nicht gewirkt.

Zweitens. Selbst wenn wir unsere diesbezüglichen Bemühungen intensivieren, werden sich dort Verbesserungen – wenn sie denn überhaupt eintreten – erst mittelfristig oder gar langfristig, auf keinen Fall aber kurzfristig einstellen.

Wir müssen erkennen, dass wir, wenn sich die Situation nicht bald ändert, nicht in ein paar Jahren, sondern schon in ein paar Monaten, insbesondere im kommenden Winter, vor riesigen Problemen stehen werden. Vor diesem Hintergrund sind Ihre Ansätze, Frau Kamm, überhaupt nicht geeignet, das Problem zu lösen.

(Beifall bei der CSU)

Auch die Forderung nach einem Einwanderungsgesetz ist völlig daneben. Sie glauben doch wohl nicht, dass auch nur ein Einziger weniger käme, wenn wir 10.000 oder 20.000 Menschen mehr legal einwandern ließen. Alle anderen – vielleicht sogar noch mehr als bisher – werden natürlich den Weg im Rahmen des Asylrechts wählen. Mit einem Einwanderungsgesetz bekommen wir das Problem, das wir haben, zahlenmäßig nicht in den Griff. Dieser Vorschlag ist nur eine Ablenkung von den wahren Problemen, vor denen wir stehen.

(Beifall bei der CSU)

Diese Probleme sind enorm. Stellten 2008 noch 20.000 Flüchtlinge einen Asylantrag in Deutschland, so waren es 2014 schon mehr als 200.000. Für das Jahr 2015 erwarten wir mindestens 500.000; wahrscheinlich werden es mehr sein. Das sind mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr! Anders formuliert: Nach Deutschland kommen in diesem Jahr so viele Flüchtlinge, wie die Stadt Nürnberg Einwohner hat. Wenn sich die Zahlen so weiterentwickeln – sie werden sich so weiterentwickeln, wenn wir nichts unternehmen –, bekommen wir im nächsten Jahr 800.000 oder gar 1 Million Asylsuchende. Viele von ihnen kommen zur Erstaufnahme nach Bayern, und ein sehr großer Anteil bleibt auch hier.

Derzeit sind 9.230 unbegleitete Minderjährige und junge Volljährige in Bayern untergebracht – fast dreimal so viele wie vor einem halben Jahr. Ich wiederhole: In einem halben Jahr hat sich eine Steigerung auf das Dreifache ergeben. Wir in Bayern müssen die Hälfte der unbegleiteten Minderjährigen der gesamten Bundesrepublik Deutschland versorgen.

Es ist nicht zu bestreiten: Unser Asylsystem hat in jeder Hinsicht organisatorisch, personell und finanziell die Grenzen der Belastbarkeit erreicht. Das sagen uns Landräte und Bürgermeister jeden Tag. Das sagen mittlerweile aber auch viele ehrenamtlich engagierte Flüchtlingshelfer. Sie sehen, dass es so nicht weitergeht. Ich möchte diesem Personenkreis auch im Namen meiner Fraktion ganz herzlich danken. Aber auch sie stoßen an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit.

(Beifall bei der CSU)

Es hilft nicht, Betroffenheit zu erzeugen und sich der Realität zu verweigern. Wir müssen die Probleme deutlich ansprechen und zu lösen versuchen. Damit ist den schutzbedürftigen Flüchtlingen mehr geholfen als mit reiner Betroffenheitsrhetorik, da diese an ihrer Situation nichts ändert.

Vor diesem Hintergrund haben wir vier zentrale Ziele formuliert: Den wirklich Schutzbedürftigen müssen wir Schutz gewähren. Wir müssen massenhaften Missbrauch des Asylrechts verhindern. Wir müssen kriminelle Schleuserbanden bekämpfen. Wir dürfen unsere Kommunen und die Menschen, die in den Kommunen leben, mit diesem Problem nicht überfordern.

Deshalb sind wir entschlossen, verantwortungsbewusst zu handeln. Für uns steht außer Frage: Jeder Mensch, der verfolgt wird und um Leib und Leben fürchten muss, wird bei uns Zuflucht finden. Das darf auch am Geld nicht scheitern. Unser Asylrecht gewährleistet individuellen Grundrechtsschutz. Es ist das wirksamste Asylrecht auf der ganzen Welt. Wir haben es geschaffen, weil wir Lehren aus der Geschichte gezogen haben; denn in früheren Zeiten mussten auch aus unserem Land viele Menschen fliehen. Wir wollen an unserem Asylrecht festhalten – für Schutzbedürftige, für Menschen, die verfolgt sind.

(Beifall bei der CSU)

Aber derzeit fällt nur rund ein Drittel der Flüchtlinge in diese Kategorie. Alle anderen kommen zu uns, weil sie ein besseres Leben suchen.

Es stimmt eben nicht, dass 50 % hierbleiben dürfen. Ich habe mir die Zahlen des Bundesamtes für die Monate Januar bis Mai noch einmal angeschaut: 38 % der Anträge sind abgelehnt worden. Zählen wir die wegen Aussichtslosigkeit zurückgenommenen Asylanträge und die Anträge, die wegen des Dublin-Verfahrens in einem anderen Mitgliedstaat zu bearbeiten sind, hinzu, kommen wir auf fast zwei Drittel. Lediglich ein gutes Drittel der Antragsteller bekommt hier ein Bleiberecht zugesprochen. Das sind die wahren Zahlen, nicht etwa 50 % oder sogar noch mehr. Wir müssen von den realen Zahlen ausgehen, die uns die Behörden liefern.

(Beifall bei der CSU)

Deswegen müssen auch der Kosovo, Albanien und Montenegro dringend als sichere Herkunftsländer eingestuft werden. Allein zwischen Ende Dezember 2014 und Mitte Februar 2015 sind rund 25.000 Menschen aus dem Kosovo nach Deutschland gekommen und haben Asyl beantragt. Im Februar dieses Jahres stand das Kosovo bundesweit an erster Stelle der Herkunftsländer, weit vor dem Bürgerkriegsland Syrien.

Auch aus den beiden anderen Westbalkanstaaten stellen immer mehr Menschen einen Asylantrag, seit die Visumpflicht abgeschafft worden ist. Im April kamen fast 20 % aller Asylantragsteller aus Albanien.

Albanien war somit das zugangsstärkste Herkunftsland der ganzen Welt.

Und wie sich die Zahlen entwickeln: Während die Zahl der Erstantragsteller aus Albanien im Jahr 2010 noch bei 39 lag, stieg sie im Jahr 2014 auf 7.865. Die Menschenrechtssituation in Albanien hat sich in dieser Zeit nicht verschlechtert; auch das will ich feststellen.

Die Anerkennungsquote für Antragsteller aus den drei Balkanstaaten liegt nahezu bei null. Niemand kann doch die Augen davor verschließen, dass unser Asylsystem hier systematisch missbraucht wird. Dies müssen wir abstellen. Das sind, streng genommen, keine Flüchtlinge. Kaum jemand, der aus dem Balkan zu uns kommt, wird ernstlich davon ausgehen, dass er auf Dauer hierbleiben könne. Er weiß, dass er nach unseren Rechtskategorien nicht als Verfolgter gilt.

Wir dürfen nicht nach Kategorien von Flüchtlingen unterscheiden, sondern wir müssen entscheiden, ob jemand Flüchtling ist oder aus anderen Gründen zu uns kommt. Die Menschen aus dem Balkan kommen aus anderen Gründen zu uns.

(Beifall bei der CSU)

Gerade weil wir den Menschen, die von Krieg und Terror traumatisiert sind, helfen wollen, müssen wir den Asylmissbrauch unterbinden. Wir müssen verhindern, dass die Zahl derjenigen, die unbegründet einen Asylantrag stellen, ins Unermessliche steigt.

Mit der Einstufung von Albanien, dem Kosovo und von Montenegro als sichere Drittstaaten würden wir die Asylverfahren beschleunigen, Anreize für Asylmissbrauch abbauen und könnten denjenigen, die wirklich unserer Hilfe bedürfen, besser helfen. Deswegen fordere ich Rot-Grün noch einmal auf: Geben Sie die Blockadehaltung, die Sie im Bundesrat zu diesen Fragen einnehmen, auf! Sie ist unverantwortlich.

(Beifall bei der CSU)

Da wir uns leider nicht darauf verlassen können, dass diese Einsicht bei Ihnen einkehrt – zumindest in der nächsten Zeit wird das wohl nicht der Fall sein –, müssen wir in Bayern handeln. Wir stellen uns klar hinter den Beschluss der Staatsregierung, grenznahe Aufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern und aus Albanien, dem Kosovo und Montenegro zu schaffen. Mit diesen neuen Aufnahmezentren können wir für schnellere Verfahren sorgen, wenn alle zuständigen Behörden vor Ort effektiv zusammenarbeiten. Nur so können wir – dies zeigt doch die Erfahrung – Asylverfahren sinnvoll und nachhaltig beschleunigen. Nicht monatelange Verfahren, sondern Entscheidungen binnen weniger Wochen

sind unser Ziel. Nur so können wir den massenhaften Asylmissbrauch eindämmen. In diesen Einrichtungen wird das Sachleistungsprinzip Vorrang haben, damit falsche Anreize zum Zuzug vermieden werden. Nur so können wir die Kommunen bei der Unterbringung der Flüchtlinge wirkungsvoll entlasten, weil dann nur noch diejenigen dort ankommen, die wirklich Chancen auf ein längerfristiges Bleiberecht haben. Nur so können wir den wirklich Schutzbedürftigen helfen.

Bayern gerät angesichts der momentanen Zustände bei der Unterbringung und Betreuung von Asylbewerbern zunehmend an seine Belastungsgrenze. Dies ist nicht nur in Bayern so, meine Damen und Herren. Baden-Württemberg will die Asylbewerber, die es nach dem Königsteiner Schlüssel bekommt, in andere Bundesländer abschieben. Die Stadt Hamburg will Geldzahlungen an andere Länder leisten, wenn diese Asylbewerber übernehmen. Die Stadt Hamburg denkt zudem ganz offensichtlich darüber nach, ob Containerschiffe auf der Elbe mit Asylbewerbern belegt werden sollen. Diese Beispiele zeigen, dass wir nicht vor einem bayerischen Problem stehen, sondern vor einem bundesweiten Problem. Die Suche nach geeigneten Unterkünften wird von Tag zu Tag schwieriger. Wie viele Turnhallen und wie viele Gemeindezentren wollen wir denn noch als Asylbewerberunterkünfte verwenden, bevor wir handeln? - Wir dürfen unsere Kommunen nicht überlasten. Die neuen Aufnahmezentren sind unverzichtbar, um den Asylmissbrauch nachhaltig einzudämmen. Deswegen werden wir sie einrichten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU)

Wer aus sicheren Herkunftsstaaten nach Deutschland einreist und ein Asylverfahren beantragt, obwohl er weiß, dass er nicht verfolgt wird, will in erster Linie Leistungen erhalten. Diesen Anreiz müssen wir beenden. Deswegen ist neben den grenznahen Aufnahmeeinrichtungen auch die Erweiterung des § 1a des Asylbewerberleistungsgesetzes unumgänglich, um verfassungskonforme Leistungseinschränkungen im Einzelfall zu ermöglichen. Meine Damen und Herren, auch hier fordere ich Rot-Grün auf, die Blockadehaltung im Bundesrat aufzugeben. Dies ist notwendig. Es darf sich nicht mehr lohnen, nach Deutschland zu kommen, wenn man weiß, dass man keinen Fluchtgrund hat. Deswegen müssen wir die Leistungen einschränken.

(Beifall bei der CSU)

Diese Leistungskürzungen helfen uns, Länder und Kommunen zu entlasten. Dann haben wir mehr Geld für diejenigen zur Verfügung, die unsere Hilfe wirklich benötigen. Das Tragische ist nämlich Folgendes:

Leute aus Syrien und anderen Ländern, die Fluchtgründe haben, leiden unter der bestehenden Situation, meine Damen und Herren. Wegen der hohen Belegungszahlen in den Einrichtungen kann eine vernünftige Unterbringung für sie nicht mehr sichergestellt werden. Sie sitzen gemeinsam mit Personen ohne Fluchtgrund in den Turnhallen. Wir können dadurch nicht mehr die notwendigen Maßnahmen zur Sprachförderung und zur Integration ergreifen. Wir müssen diese Maßnahmen aber ergreifen, weil diese Menschen auf Dauer oder lange Zeit bei uns bleiben werden. Wir brauchen mehr Kapazitäten für die Flüchtlinge, die Fluchtgründe haben. Voraussetzung ihrer Schaffung ist, dass wir die Zahl der Flüchtlinge eindämmen, die keine Fluchtgründe haben. Nur so geht es.

(Beifall bei der CSU)

Wir brauchen natürlich auch Lösungen auf europäischer Ebene. Deswegen bleibt es bei unserer Forderung nach europäischen Asylzentren in Nordafrika in Verbindung mit einer endlich gerechten Verteilung der Flüchtlinge auf alle EU-Mitgliedstaaten. Wir Deutsche üben innerhalb der EU jeden Tag Solidarität. Wir müssen und können erwarten, dass sich andere Länder mit Deutschland, Schweden und weiteren Ländern, die viele Flüchtlinge aufnehmen, solidarisch zeigen.

Mit den EU-Asylzentren in Nordafrika bieten wir Hilfesuchenden eine Alternative, damit sie auf sicherem Weg nach Europa gelangen und nicht in unsichere Boote steigen müssen. Nur so unterbinden wir die organisierte Kriminalität und entziehen den kriminellen Schlepperbanden die Geschäftsgrundlage. Ich weiß, dass es nicht einfach sein wird, dies zu vereinbaren, meine Damen und Herren. Aber wenn dies gelingt, wird das sinnlose, grausame, menschlich berührende Sterben der Menschen im Mittelmeer endlich aufhören. Allein schon deswegen müssen wir es versuchen.

(Beifall bei der CSU)

Es steht außer Frage: Die aktuelle Situation ist dramatisch. Es steht aber auch außer Frage, dass wir nicht alle Menschen, die zu uns wollen, aufnehmen können. Wir dürfen die Situation deswegen nicht schönreden, geschweige denn ignorieren. Der massive Missbrauch des Asylrechts überfordert unsere Kommunen bei der Unterbringung der Flüchtlinge und überfordert die Integrationskraft unseres Landes. Der massive Missbrauch des Asylrechts sorgt dafür, dass die Akzeptanz für die wirklich Hilfsbedürftigen mehr und mehr zu schwinden droht. Wir brauchen deshalb eine Politik der Verantwortung. Verantwortung bedeutet, dass wir denjenigen, die wirklich Hilfe benötigen,

die notwendige Hilfe gewähren. Verantwortung bedeutet aber auch, dass wir die Menschen vor Ort, die in den Kommunen Hervorragendes leisten und sich unermüdlich für die Flüchtlinge engagieren, nicht im Stich lassen. Verantwortung bedeutet letztlich – im Moment ist dies das Wichtigste, was wir zu tun haben -, den Missbrauch des Asylrechts zu verhindern.

Deswegen appelliere ich an die Opposition: Stellen Sie sich endlich dieser Verantwortung! Stimmen Sie dem Antrag der CSU zu, und stimmen Sie über die Länder, in denen Sie regieren, den entsprechenden Maßnahmen im Bundesrat zu, damit wir dieses Problem in den Griff bekommen. Wir sind den Menschen und den Kommunen in Bayern gegenüber verantwortlich. Wir sind verantwortlich dafür, dass Menschen, die verfolgt und mit dem Tode bedroht werden, bei uns schützend Aufnahme finden. Meine Damen und Herren, wir werden unser Ziel mit diesem Forderungskatalog erreichen.

(Anhaltender Beifall bei der CSU)