Protocol of the Session on July 21, 2015

Das sind sowohl die Krippe als auch die Tagesmutter und die Familie, die sich entscheidet, zu Hause zu betreuen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Dann müsst ihr aber mehr bezahlen als 150 Euro! Mit 150 Euro kommen die nicht weit!)

Wir würden gut daran tun, diesen Familien die Möglichkeit zu geben, darüber selbst zu entscheiden.

Das Betreuungsgeld ist ein Erfolgsmodell. Es wurde deutschlandweit 450.000 Mal bewilligt. Eine ganze Menge Menschen haben sich dafür entschieden. Immerhin 73 % der bayerischen Eltern nehmen es an. Wir werden diese Eltern nicht im Stich lassen.

(Beifall bei der CSU)

Herr Rinderspacher, wir haben keinen erhöhten Beratungsbedarf. Die Beratungen sind heute Morgen, wie ich Ihnen gerade gesagt habe, abgeschlossen worden.

(Markus Rinderspacher (SPD): Wir werden im Landtag darüber beschließen! Als Parlamentarierin werden Sie mir da recht geben!)

Selbstverständlich, Herr Rinderspacher. Wenn Sie sich mit diesen Themen so intensiv befasst haben, dann wundert mich aber schon etwas: Ich durfte bei den Koalitionsverhandlungen mitverhandeln; ich habe dort leider keinen einzigen aus der SPD-Landtagsfraktion getroffen. Deswegen bin ich sehr verwundert, dass Sie sich jetzt hier einbringen.

(Markus Rinderspacher (SPD): Sie wissen, dass die SPD dagegen war! – Volkmar Halbleib (SPD): Das spricht für die hohe Qualität der Fraktion!)

Da bekanntlich der Koalitionsvertrag gilt, wissen Sie, dass der Krippenausbau und der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz ab dem ersten Jahr mit dem Betreuungsgeld parallel geschaltet sind.

(Zurufe von der SPD – Unruhe – Glocke des Prä- sidenten)

Das heißt: Beides gilt, und beides ist mit der SPD vereinbart. Ich gehe davon aus, dass auch Sie sich wie wir an den Koalitionsvertrag halten werden. Das Betreuungsgeld ist klar Bestandteil des Koalitionsvertrags.

(Markus Rinderspacher (SPD): Ja! Der Koalitionsvertrag sollte vom Verfassungsgericht gekippt werden! – Volkmar Halbleib (SPD): Der Koalitionsvertrag ist in diesem Punkt Makulatur!)

Das heutige Urteil besagt nicht, dass der Inhalt nicht passt; darin wurde nur die politische Zuständigkeit festgestellt.

(Beifall bei der CSU)

Wir sind zuständig, und wir behalten das bei.

(Beifall bei der CSU – Volkmar Halbleib (SPD): Sie haben ein Verständnis von Verfassung!)

Frau Gottstein hat gesagt, 150 Euro seien nicht genug. Das kann ich nachvollziehen, Frau Gottstein. Ich erwarte einen Antrag auf Erhöhung des Betrages. Dann würden wir nämlich genau zu diesem Punkt kommen. Ich finde es interessant, dass Sie sagen, in Bayern würden die Kinder nur betreut, aber nicht gefördert. Ich erlebe Erzieherinnen und Erzieher, die eine ganz hervorragende Arbeit leisten. Sie fördern die Kinder genau so, wie dies auch Eltern tun.

(Beifall bei der CSU)

Ich möchte Ihnen also sagen, Frau Gottstein: Das, was Sie formuliert haben, geht weit an dem vorbei, was unsere Familien und unsere Erzieherinnen und Erzieher vor Ort leisten. Wir als CSU-Fraktion werden weiterhin für die Vielfalt eintreten, damit Familien für

sich entscheiden können, wie sie ihre Kinder großziehen, wie hoch der Anteil der Fremdbetreuung und der Anteil der Selbstbetreuung sein soll. Wir werden uns da von Ihnen auch nicht aufhalten lassen.

(Beifall bei der CSU – Zuruf der Abgeordneten Margarete Bause (GRÜNE))

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächste hat Frau Kollegin Rauscher von der SPD das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal vorab, Herr Unterländer: Bitte hören Sie auf, der SPD zu unterstellen, wir würden den Familien nicht die Wahlfreiheit lassen.

(Beifall bei der SPD – Josef Zellmeier (CSU): Es ist aber so!)

Zu Frau Schreyer-Stäblein: Die SPD war auch auf Bundesebene von Anfang an gegen das Betreuungsgeld. Sie wissen, wie Koalitionsverträge ausgehandelt werden. Wir haben jetzt das Urteil und können neu ansetzen. Die SPD wird auch weiterhin dagegen sein, sowohl im Bund – dort hat es sich erledigt – als auch auf Landesebene.

Kolleginnen und Kollegen, heute besteht ein Grund mehr, die Familienleistungen im Freistaat in den Fokus zu nehmen und genau hinzusehen, was sich Familien für sich und für ihre Kinder wirklich wünschen. Wenn man sich die Leistungen ansieht, die Familien beziehen, stellt man fest, dass diese Leistungen sehr stark auf monetäre Dinge begrenzt sind: Betreuungsgeld, Landeserziehungsgeld, Elterngeld. Wenn man sich aber mit den Familien – und übrigens auch mit solchen, die es noch werden möchten – auseinandersetzt, dann hört man öfter, dass sie gute Rahmenbedingungen für die Betreuung ihrer Kinder zur Vereinbarkeit von Familie und Berufstätigkeit, eine echte Wahlfreiheit und ein modernes Familienbild möchten.

Familienleistungen müssen an die Lebenswirklichkeiten der Familien angepasst werden. Diese haben sich in den vergangenen Jahren stark verändert.

Sie haben sich hinsichtlich der Familienstrukturen verändert. So haben wir zunehmend Familien mit Paaren ohne Trauschein, und wir haben einen steigenden Anteil alleinerziehender Männer und Frauen. Wir haben einen rückläufigen Anteil von Ehepaaren – das ist nun einmal so -, und wir haben einen Anstieg der Zahl von

eingetragenen Lebenspartnerschaften. Auch dort findet Familie statt.

Verändert haben sich auch die Bedürfnisse und Ansprüche der Väter und Mütter, die sich für Familie entschieden haben. Sie möchten weg von der klassischen Rollenverteilung und dem einseitigen Ernährermodell; sie wollen weg von dem Familienklassiker der CSU und hin zu echter Partnerschaft mit gleichberechtigten Chancen für sich persönlich und auch beruflich.

In einer Allensbach-Umfrage gaben über 50 % der Befragten an, dass es ihnen wichtig sei, dass beide Partner eine gute berufliche Perspektive haben. Gute berufliche Perspektive heißt dabei auch, dass die Frau nicht automatisch mit der Geburt des Kindes ihre Berufstätigkeit aufgeben oder eine Teilzeitarbeit ausüben muss, wie es heute noch die Regel ist; denn dadurch verringern sich das Einkommen und, wie Ihnen allen bekannt ist, auch die Rentenansprüche. Damit schlägt die Falle der Altersarmut zu.

Gerade Frauen haben oftmals keine guten Aussichten am Arbeitsmarkt, weil die richtigen Rahmenbedingungen fehlen und es beim Spagat, Beruf und Familie zu vereinbaren, an allen Ecken und Enden zwickt, sodass sich die Frau gegen die Berufstätigkeit entscheidet. Echte Vereinbarkeit von Beruf und Familie kann es nur dann geben, wenn die Rahmenbedingungen angepasst und die Familienleistungen wirklich neu geordnet werden. Ich denke zum Beispiel an einen familienfreundlicheren Arbeitsmarkt mit flexibleren Arbeitszeitmodellen für Berufstätige und an Wiedereinsteigerprogramme für junge Eltern; ich denke an die Unterstützung von Familien durch Familienstützpunkte, in denen Familien Hilfe in allen Lebenslagen und bei Problemen in ihrer Lebenssituation bekommen.

(Beifall bei der SPD)

Von einem flächendeckenden Ausbau solcher Stützpunkte sind wir in Bayern noch weit entfernt. Ich denke an das Familiensplitting und ganz zentral an die Schaffung eines guten Angebots an Kindertagesbetreuung. Den Eltern ist mittlerweile sehr wichtig, dass ihre Kinder, wenn sie sie außer Haus geben, qualitativ wirklich hochwertig betreut werden, damit sie ihre Kinder nicht mit schlechtem Gewissen abgeben müssen. 41 % der Eltern mit Kindern unter drei Jahren wünschen sich laut einer Studie einen Betreuungsplatz für ihre Jüngsten. Momentan liegen wir bei einer Betreuungsquote von 28 %. Da gibt es also einen Nachholbedarf.

Noch immer tut sich die Staatsregierung schwer, die Wünsche und Forderungen für neue Lebensentwürfe

von Familien anzuerkennen. Nach wie vor fehlen uns Plätze, und es fehlt vor allem bei den Kinderkrippen an der notwendigen Entwicklung der Qualität. 150 Euro sind kein wirklicher Anreiz, Kinder mit der eigenen Lebensplanung in Einklang zu bringen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU. Überdenken Sie das bitte, bevor wir hier im Hohen Haus noch einmal darüber beschließen. Ich hoffe auf die Vernunft einiger CSUler, vor allem von CSUlerinnen - denn oftmals betrifft es die Frauen -, damit wir am Ende hier im Parlament eine andere Position einnehmen.

(Beifall bei der SPD)

Übrigens: Bei einer Umfrage der Heinrich-Böll-Stiftung gaben 54 % aller Befragten an, sie würden es begrüßen, wenn durch Abschaffung des Betreuungsgeldes frei werdende Steuergelder in andere familienpolitische Leistungen fließen würden.

(Zuruf von der CSU)

- Spitzen Sie Ihre Ohren! – Ganz oben auf der Prioritätenliste stand die Verbesserung der Qualität in der Kindertagesbetreuung. Das sollte uns ein Signal sein.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben uns hier im Hohen Haus schon oftmals darüber unterhalten, wie wichtig eine hohe Qualität in der frühkindlichen Bildung ist. Wir wissen, wie wichtig diese gerade auch für Kinder mit einer anderen Muttersprache als Deutsch ist, wie wichtig vor allem eine sprachlich hochwertige Begleitung für ihre Entwicklung ist. Das gilt für Kinder mit sprachlichen Defiziten im Allgemeinen, aber auch für Kinder aus sozialen Brennpunkten. Denen müssen wir die Gelegenheit bieten, das Angebot der frühkindlichen Bildung zu nutzen. Das wäre ein guter Sockel für die weitere Entwicklung ihrer Bildungsbiografie.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir sind uns eigentlich auch einig, dass dazu sowohl eine bessere finanzielle Ausstattung der Kitas als auch eine ausreichende Anzahl von Fachkräften und von ausreichend bezahlten pädagogischen Fachkräften gehört, womit sich auch eine bessere Kind-Erzieher-Relation ergibt.

Eine qualitativ hochwertige und ausreichende Ausstattung mit Kinderkrippenplätzen trägt übrigens auch zur Erhöhung der Geburtenquote bei. Das darf man nicht unterschätzen. Das ifo-Institut hat belegt: Steigt die Zahl der Betreuungsplätze um 10 %, dann steigt die Geburtenrate um 2,8 %. Außerdem steigt die Zahl der Frauen, die ein zweites oder ein drittes Kind bekommen möchten. Bei einer Ausbausteigerung um

10 % steigt die Wahrscheinlichkeit, ein zweites Kind zu bekommen, um 4 %, die Wahrscheinlichkeit, ein drittes Kind zu bekommen, um 7 %. Also auch im Hinblick auf die demografische Entwicklung möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass eine Optimierung der Strukturen notwendig ist.

(Beifall bei der SPD)

Wir könnten damit dem demografischen Wandel und dem Rückgang der Geburtenzahlen stärker entgegenwirken. Doch dazu brauchen wir einen wirklich bedarfsgerechten Kita- und Krippenausbau mit passgenauen Öffnungszeiten, wie mein Kollege Markus Rinderspacher bereits erwähnt hat, mit einer Betreuung in den Rand- und Ferienzeiten und mit einer hohen Qualität.

Das Urteil aus Karlsruhe und die Diskussionen darüber sind in meinen Augen ein Wink mit dem Zaunpfahl und eine gute Gelegenheit, noch einmal genau hinzuschauen, was gewünscht wird und was nicht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, verzichten Sie nach der Abschaffung des Betreuungsgeldes auf Bundesebene bitte auf die Wiedereinführung auf bayerischer Ebene.

(Beifall bei der SPD)