Protocol of the Session on July 8, 2015

unterschiedliche Antworten. Aber wenigstens wäre dieses Verfahren nicht so belastend. Es ist sehr wichtig, diesen Aspekt in den Blick zu nehmen. Ein in jeder Hinsicht gerechtes Übertrittsverfahren wird es nicht geben; das ist auch mir klar. Ich halte es dann mit dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, das die Lösung in längerem gemeinsamen Lernen sieht. Denn, so werden die Wissenschaftler zitiert:

So können … herkunftsbedingte Leistungsunterschiede von Schülerinnen und Schülern aus sozial benachteiligten Elternhäusern besser ausgeglichen werden, zum anderen können auch die Interessen der Kinder selbst in stärkerem Maße in die Schulwahl einbezogen werden.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Das alles sind Gründe, dass Sie sich dem Antrag doch noch einmal nähern und hier im Plenum das Ergebnis der Abstimmung im Bildungsausschuss kippen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Güll. – Die nächste Rednerin ist die Kollegin Trautner. Bitte sehr, Frau Trautner.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute wieder einen Dringlichkeitsantrag der SPDFraktion, mit dem das Übertrittsverfahren an weiterführende Schulen neu geregelt werden soll. Als Grund dafür führen Sie eine Studie an, nach der die Kinder in der dritten und vierten Klasse erhöhte Stresswerte aufweisen, was Sie auf den Übertrittsdruck zurückführen.

Ich denke, wir sind uns alle einig, dass unsere Schülerinnen und Schüler vor unnötiger Stressbelastung bewahrt werden sollten. Doch die Studie der Uni Würzburg, die Sie, lieber Kollege, zitiert haben und mit der Sie Ihren Antrag auch begründen, sagt klipp und klar: Es sind die überfordernden Eltern, die den Stress durch überzogene und unrealistische Erwartungen an ihre Kinder erhöhen.

(Beifall bei der CSU)

Es sind die Eltern, die mehr von ihren Kindern verlangen, als diese vielleicht zu leisten in der Lage sind. Uns soll immer wieder weisgemacht werden – das ist schließlich nicht der erste Antrag dieser Art -, dass

durch das bayerische Verfahren eine Überprüfung stattfinden soll und nicht die Förderung unserer Kinder im Vordergrund steht. Dem möchte ich mit aller Deutlichkeit widersprechen.

(Beifall bei der CSU)

Schließlich leisten unsere Grundschullehrer doch hervorragende Arbeit, und bei Vergleichen zwischen den einzelnen Bundesländern stehen wir Bayern immer absolut an der Spitze. Wollen Sie etwa behaupten, das wäre ohne die Förderung der Kinder durch unsere exzellenten Lehrer möglich?

Einig sind wir uns vermutlich auch darüber, dass wir in der Frage des Übertritts ganz sicher eine kompetente Beratung der Grundschullehrkraft brauchen. Schließlich kann diese Lehrkraft auch am besten einschätzen, wie sich das Kind im Vergleich in der Klasse verhält und ob das Kind auch die steigenden Anforderungen einer weiterführenden Schule meistern kann. Dass diese verantwortungsvolle Aufgabe von unseren Grundschullehrkräften sehr kompetent, verantwortungsbewusst und mit größter Sorgfalt wahrgenommen wird, daran gibt es, so glaube ich, auch keinen Zweifel. Allerdings sind wir der Überzeugung, dass zudem auch die Notengebung entscheidend ist, um die Leistungsfähigkeit eines Schülers für den Übertritt in eine weiterführende Schule bestmöglich bewerten zu können. Machen wir uns doch nichts vor: Auch dort wird es von Anfang an darum gehen, sich zu behaupten und nachprüfbare Leistungen zu erbringen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Schuldarwinismus ist das, was Sie da predigen!)

Noten im Sinne der Leistungsbewertung dienen auch der Motivation und setzen Anreize.

Übrigens: Das Bemühen, Stressbelastungen bei den Schülerinnen und Schülern in den Grundschulen zu vermeiden, ist keineswegs neu. Dies wurde bereits untersucht, und es sind bereits konkrete Maßnahmen ergriffen worden. So werden zum Beispiel Probearbeiten inzwischen angekündigt, und die Aufteilung in Lern- und Prüfungsphasen ist auch erfolgt. 65 % der Eltern empfinden diese Situation als deutlich entlastend. Das Übertrittsverfahren wird von 80 % der Eltern und 70 % der Lehrkräfte positiv bewertet.

Für den Fall, dass der Notendurchschnitt nicht erreicht wird, besteht immer noch die Möglichkeit, Probeunterricht mitzumachen. Selbst mit Note 4 in den Fächern Mathematik und Deutsch ist der Übertritt aufs Gymnasium möglich. Da greift wirklich der Elternwille, wobei man dabei auch mit in Betracht ziehen sollte, dass es Erfahrungen gibt, dass Schüler, die dadurch

den Übertritt schaffen, manchmal gleich in der sechsten Klasse Schwierigkeiten bekommen, wenn die zweite Fremdsprache dazukommt. Es stellt sich halt immer die Frage: Was ist das Beste für das Kind?

Dem immensen Druck, der durch die Eltern auf die Kinder ausgeübt wird, können wir meines Erachtens durch sachliche Beratung begegnen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Ein großer Druck – das ist schon einmal eine Feststellung!)

Wir dürfen nicht müde werden, angesichts der überzogenen Ansprüche und Ängste der Eltern auf die Vorteile der Durchlässigkeit unseres bayerischen Bildungssystems und die vielfältigen Möglichkeiten, die sich daraus für jedes Talent ergeben, hinzuweisen.

(Beifall bei der CSU – Volkmar Halbleib (SPD): Durchlässigkeit von oben nach unten, aber nicht von unten nach oben!)

Dafür gibt es ja auch die verschiedenen Schularten. Die einen greifen mehr die theoretische Wissensvermittlung auf, und die anderen sind mehr praxisbezogen. Sie kennen die Zahlen doch auch. Über 40 % der Hochschulzugangsberechtigungen werden heute ohne Abitur erreicht.

Der Tag der Übertrittszeugnisse ist also kein Schicksalstag. Die Wahl der weiterführenden Schulart ist nach der vierten Klasse überhaupt noch nicht abgeschlossen und keineswegs ausschlaggebend für den gesamten schulischen Lebenslauf. Das müssen wir den Eltern immer wieder bewusst machen. Es ist eben nichts verloren, wenn das Kind nach der vierten Klasse nicht sofort aufs Gymnasium geht.

(Beifall bei der CSU)

Wir sollten darüber vermehrt sprechen und nicht ständig mit den gleichen Anträgen zusätzliche Verunsicherung bei den Eltern schüren. – Eines möchte ich an dieser Stelle auch einmal in aller Deutlichkeit sagen: Das Gymnasium ist keine Schulart für jeden. Aber das macht auch nichts. Wir haben hervorragende Realschulen, wir haben hervorragende Mittelschulen, und diese bieten auch hervorragende Bildungschancen.

(Beifall bei der CSU)

Wenn Sie sich bei unseren Unternehmern umhören und wenn Sie sich die aktuelle Situation auf dem Lehrstellenmarkt anschauen, werden auch Sie zu dem Schluss kommen – darin sind wir uns wohl auch einig -, dass wir nicht nur Akademiker, sondern auch Handwerker brauchen.

(Beifall bei der CSU)

Das sollte auch immer Thema bei den zentralen Beratungsgesprächen sein. – Ob wir es wollen oder nicht, wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Können wir angesichts dieser Tatsache die Leistungsbewertung an den Schulen in Form von Noten abschaffen? Ganz sicher nicht. Können wir angesichts der steigenden Anforderungen und der erhöhten Leistungsbereitschaft, die an einer weiterführenden Schule selbstverständlich erwartet werden, in der Grundschule so tun, als gäbe es sie nicht? Ist es nicht verantwortungsvoller, unsere Kinder darauf vorzubereiten? - Ich meine, ja. Umgekehrt: Ich halte es für verantwortungslos, die Kinder nicht darauf vorzubereiten und im Zweifelsfall deshalb an der weiterführenden Schule scheitern zu lassen;

(Beifall bei der CSU)

denn es ist zu fragen, ob die Kinder nicht gerade dann besonders leiden und persönlich schwer zu kämpfen haben.

Wir sind davon überzeugt, dass das Übertrittsverfahren, wie es derzeit ist, verantwortungsvoll gehandhabt wird und dass es der richtige Weg ist, und lehnen deshalb den von der SPD vorgelegten Antrag ab. Eine Antwort auf die entscheidende Frage, auf welchem anderen Weg dann Leistung für den Übertritt an eine weiterführende Schule gemessen werden sollte, bleibt der Antrag der SPD übrigens ganz schuldig.

(Beifall und Zurufe von der CSU: Bravo! – Zuruf des Abgeordneten Martin Güll (SPD))

Vielen Dank, Frau Kollegin Trautner. – Der nächste Redner ist Herr Kollege Felbinger. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir wissen alle, dass es in wenigen Wochen an den bayerischen Schulen die Jahreszeugnisse gibt. Es ist durchaus üblich, dass gerade Grundschulkinder danach zu ihren Großeltern gehen und ihnen stolz ihr Zeugnis präsentieren. Und meist belohnen Opa oder Oma ihre Enkel oder machen deutlich, dass Noten eben nicht alles im Leben sind. Sie geben damit eine wichtige Orientierung und Einordnung, spenden aber auch Trost. Das ist heutzutage umso wichtiger, wenn man sich klarmacht, welche Bedeutung manche Eltern der Schule und ihren Zeugnissen inzwischen zubilligen.

Deswegen möchte ich den Kolleginnen und Kollegen der SPD durchaus in der Problembeschreibung recht geben, dass der Druck an der Grundschule zugenom

men hat. Aber ich glaube, die SPD macht es sich zu leicht, wenn sie auf die Schnelle und auf den ersten Blick vermeintliche Schlussfolgerungen zieht. So sollen von heute auf morgen Ziffernnoten und Notendurchschnitte im Übertritt abgeschafft und durch wertschätzende Entwicklungsgespräche und intensive Beratung der Eltern ersetzt werden. Die SPD meint, damit einerseits den Übertrittsdruck abzumildern und andererseits mehr soziale Gerechtigkeit zu erreichen. Ich billige durchaus zu: Beides sind richtige Zielsetzungen. Wir sind uns also in der Problemanalyse durchaus einig, aber es gilt nun auch, die richtigen Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.

Die SPD nimmt, wie Frau Kollegin Trautner schon gesagt hat, eine Studie von Professor Reinders von der Uni Würzburg als Begründung her. Aber diese Studie von Professor Reinders muss man sehr differenziert betrachten. Er hat dazu nämlich 1.620 Dritt- und Viertklässler in Bayern und in Hessen befragt, und seine Fragestellung lautet: Wie gestresst fühlen sich die Eltern im Übertrittsverfahren?

(Ingrid Heckner (CSU): Sehr gut!)

Nach seinen Ergebnissen gibt fast die Hälfte der bayerischen Eltern an, dass ihr Kind gestresst ist, während das in Hessen nur 25 % sind. Professor Reinders schlussfolgert daraus, dass die verbindliche Schulzuweisung mit einer deutlich höheren Stressbelastung einhergeht, und er rät deswegen von einer verbindlichen Übergangsempfehlung ab, setzt eher auf einen Übertritt nach der 6. Klasse und fordert eine bessere Beratung der Eltern.

Die SPD argumentiert damit, dass man mit der Freigabe des Elternwillens bessere Chancen und weniger Druck an der Grundschule hätte, und folgert weiterhin, folglich würden mehr Kinder mit Migrationshintergrund ans Gymnasium wechseln.

Aber stimmt diese These denn wirklich? – Es gibt auch einige gegenteilige Studien, die besagen, dass die Freigabe des Elternwillens keineswegs dazu führt, dass daraus soziale Gerechtigkeit folgt. Beispielhaft nenne ich die Studie des Bildungsforschers Jörg Dollmann aus dem Jahr 2011, worin er klar feststellt: Die soziale Ungleichheit in Nordrhein-Westfalen ist durch die totale Freigabe des Elternwillens sogar größer geworden. Des Weiteren schlussfolgert die SPD aus der Reinders-Studie, dass wir eine Gemeinschaftsschule brauchen und möglichst auf Noten verzichten sollen.

Um es klar zu sagen: Wir FREIE WÄHLER wollen nicht auf das Leistungsprinzip verzichten. Unserer Ansicht nach braucht es auch weiterhin Zeugnisse zur Orientierung. Im Übrigen habe ich kürzlich in einer Umfrage gelesen, dass auch 60 % der bayerischen

Eltern das weiterhin so wünschen. Wir glauben, dass es motivierend ist, wenn Schülerinnen und Schüler sich messen können. Dann merkt man, dass es sich lohnt, sich anzustrengen. Die Schule nur zu einem reinen Schonraum zu machen, in dem es keine Noten mehr gibt, kann nicht ernsthaft unser Ziel sein. Deswegen brauchen wir objektive Leistungsbeurteilungen.

Sicherlich muss man mehr die ganzheitliche Sicht auf das Kind miteinbeziehen, eine intensive Beratung der Eltern umsetzen und durchaus auch kognitive Leistungen, ein Portfolio, einen Verbalbericht oder einen Entwicklungsbericht hinsichtlich Stärken und Kompetenzen im musischen, sportlichen oder sozialen Bereich berücksichtigen.

Unser Fazit: Es ist mitnichten alles gut im Übertrittsverfahren, wie es die CSU oft behauptet. Der Ansatz der SPD bietet unserer Meinung nach jedoch auch keine Lösung. Wir FREIE WÄHLER setzen deswegen auf Freiheit und Verantwortung der Schule vor Ort. Diese schafft passgenaue Lösungen und setzt Kreativität und entsprechendes Engagement frei.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege Felbinger, – Nächster Redner ist der Kollege Gehring. Bitte schön.

(Vom Redner nicht auto- risiert) Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schade, Herr Felbinger, dass Sie jetzt nicht erklären konnten, was denn eine passgenaue Lösung wäre. Aber das ist ja vielleicht auch gar nicht so wichtig. – Wir führen diese Debatte tatsächlich nicht zum ersten Mal, und es kommen immer wieder die gleichen Argumente. Dann wird davon geredet, dass die Eltern Druck ausüben. Tatsächlich bestätigt dies die Würzburger Studie: Eltern in Bayern fühlen sich mehr gestresst als Eltern in Hessen, und sie üben vermutlich auch mehr Druck aus als Eltern in Hessen. Der Grund, warum sie sich gestresst fühlen, ist dieses Übertrittsverfahren.