Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor sechs Wochen gingen wieder einmal Meldungen durch die Presse wie: Dumpingpreise bei Lebensmit teln, Lebensmittel werden verschleudert, Ramschprei se und, und, und. Viele von Ihnen kennen dieses Thema.
Ich habe mich heute in der Früh, vor dem Beginn die ser Sitzung, zu einem Discounter aufgemacht, um zu schauen, ob diese Entwicklung anhält. Wir werden darüber heute sicher noch diskutieren. Ich habe fest gestellt: Verarbeitete HMilch kostet nach wie vor 55 Cent pro Liter. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn das kein Dumping preis ist, dann weiß ich nicht.
Wir FREIEN WÄHLER wollen mit unserem Dringlich keitsantrag drei Ziele erreichen. Wir wollen zunächst einmal die bäuerliche Landwirtschaft schützen; denn unser Einkommen wird zunehmend nicht mehr vom Produktpreis bestimmt, sondern überwiegend von Ausgleichszahlungen. Auf Dauer kann es nicht hinge nommen werden, dass das Einkommen einer Berufs gruppe vom Steuerzahler kommt, obwohl es leicht am Markt erwirtschaftet werden könnte.
Zum Zweiten möchten wir viele kleine Lebensmittel betriebe unterstützen, die es sonst bald nicht mehr geben wird. Bei der Entwicklung am Kartellamt ist das auch kein Wunder.
Zum Dritten – das ist ein ganz wichtiger Punkt – müs sen wir wieder mehr Bewusstsein schaffen. Neulich kam die Meldung, dass pro Einwohner 80 Kilogramm Lebensmittel im Jahr vernichtet werden. Das nehmen wir zur Kenntnis, aber es geht so weiter. Diese Ent wicklung wird zunehmen. Dieses Verramschen, die ses "Geiz ist geil" in der Gesellschaft müssen wir wie der abstellen.
Das können wir aber nicht mit Parolen. Wir werden das auch nicht mit der weiteren Verschärfung von Ge setzen schaffen; denn die bisher bestehenden Geset ze wurden – ich werde kurz darauf eingehen – noch gar nicht vollzogen.
Ich will mit 1999 beginnen. Damals gab es massiven Protest verschiedener Berufsgruppen. Ich kann mich noch erinnern. Ich war mit Kollegen unterwegs. Wir hatten Preise – das müssen Sie sich einmal vorstel len, liebe Kolleginnen und Kollegen – in Höhe von neun Pfennig für einen Joghurt und in Höhe von 43 Pfennig für einen Liter Milch.
Pfennig! Das war noch vor 2000; denn das Gesetz kam 1999. Damals wurde das Gesetz gegen Wettbe werbsbeschränkungen erlassen. Nachdem die Kon zentration im Lebensmitteleinzelhandel zunahm, war es das erste Ziel dieses Gesetzes, den kleineren und mittleren Betrieben Chancen zu geben. Dieses Ge setz wurde erlassen.
2007 kam das Gesetz gegen den Preisverfall. Im sel ben Jahr kam noch ein weiteres Gesetz. In diesem Gesetz wurde festgelegt, dass sich einer, der mehr als drei Wochen lang einen Dumpingpreis anbietet, rechtswidrig verhält. Im selben Jahr kam das Gesetz gegen den Preisverfall, das besagte, dass es nicht einmal drei Wochen sein müssen, sondern dass es genügt, wenn es über kurze Zeit hinweg passiert. Die ses Gesetz von 2007 wurde bis 2012 verlängert. 2012 kam die Verlängerung bis 2017.
Meine Damen und Herren, wir haben Gesetze zu die sem Problem, aber sie wurden bisher nicht ange wandt. Als Kreisobmann habe ich mich bereits mehr mals an das Bundeskartellamt gewendet und ihm Preisdumping und Konzentration im Lebensmittelein zelhandel mitgeteilt. Sie wissen es. Momentan stehen Gespräche darüber an, dass Edeka Tengelmann übernimmt. Es geht nicht nur die Kollegen der SPD an, dass Herr Gabriel hier hart bleibt. Das Kartellamt schaut bereits zu lange weg. Wir fordern eindeutig, dass vom Kartellamt hingeschaut wird und Maßnah men ergriffen werden. Wenn ein Liter Milch zu einem Dumpingpreis von 55 Cent verramscht wird, muss eingegriffen werden. Ich lade alle Kollegen ein. Wir können nach der Sitzung gemeinsam zu dem besag ten Discounter gehen und uns mit Milch eindecken.
Ich höre sofort auf. Wenn wir hier den Raum wieder verlassen, nur Durchhalteparolen aussprechen und sagen, hier muss ein Gesetz verschärft werden, dann sage ich: Bereits bestehende Gesetze wurden bisher nicht angewandt. Darin liegt das Problem.
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! § 20 Absatz 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen verbietet den Verkauf von Lebensmitteln unter Einstandspreisen. Fakt ist, dass die Bäuerinnen und Bauern in der Milchprodukti on Produktionskosten im Schnitt in Höhe von 49 Cent pro Liter haben. Fakt ist auch, dass die Bäuerinnen und Bauern derzeit im Schnitt 30 Cent ausbezahlt be kommen und dass von Discountern der Liter Milch für 51 Cent günstig angeboten wird.
Fakt ist auch, dass hochwertiges Kotelett vom Schwein beim Discounter unter vier Euro pro Kilo gramm angeboten wird. Diese Diskrepanz zu den Produktionskosten schreit eigentlich danach zu fra gen: Wer verbietet das? Offensichtlich funktioniert das Verbot nach diesem Gesetz nicht so ganz, aber die Umsetzung ist notwendig. Deswegen unterstützen wir alle Anträge, die in diese Richtung gehen. Wir müssen uns aber auch klarmachen, dass es eine Auf gabe des Bundesgesetzgebers ist, diese Gesetze zu erlassen.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CSU, das Schicksal dieser Norm war allerdings sehr unge wiss; denn im Koalitionsvertrag von SchwarzGelb wurde seinerzeit vereinbart, § 20 komplett abzuschaf fen und zu einer positiven Sanktionierung von Dum ping zurückzukehren. Sie haben sich zwar dagegen gewehrt, aber letztendlich hat erst der Bürger mit sei ner Wahlentscheidung, die FDP nicht mehr in die Par lamente kommen zu lassen, dafür gesorgt, dass das Gesetz zumindest noch erhalten bleibt.
Wichtig ist auch, dass hier nachgearbeitet wird. Sie setzen sich in Ihrem Antrag richtigerweise dafür ein, dass das Gesetz über 2017 hinaus verlängert wird. Allein aber die Fachdiskussion über den Begriff des Einstandspreises füllt Seiten. Wir könnten darüber ein juristisches Seminar im Zusammenhang mit Betriebs wirtschaft halten. Wir haben den Einstandspreis, dann kommt die Hinzurechnung der Bezugskosten. Alles dies wurde in unterschiedlicher Rechtsprechung seit 1983 behandelt. Ich erinnere an den CoopBeschluss, dann an den MassaBeschluss, den REWEBe schluss und an den Beschluss zu WalMart. In unter
Das bedeutet, dass das Bundeskartellamt nicht mit festen Begriffen umgehen kann. Dankenswerterweise hat das Bundeskartellamt in diesem Zusammenhang Richtlinien ausgereicht, die uns helfen, mit diesem Problem umzugehen. Sie helfen jetzt aber faktisch noch nichts. Deswegen müssen wir auch von Bayern aus den Druck auf den Bund und das Bundeskartell amt erhöhen, um dieser Preisgestaltung, die sich für unsere kleinteilige Landwirtschaft in Bayern vernich tend auswirkt, Einhalt zu gebieten.
Deswegen haben wir in unserem Antrag die weitere Forderung aufgestellt, dass über den sensiblen Be reich der Landwirtschaft aus Bayern Bericht erstattet wird, weil Bayern in einer speziellen Situation ist. Wel che Möglichkeiten sieht die Staatsregierung in diesem Binnenraum, dieses Verbot durchzusetzen? Welche Anhaltspunkte gibt es? Wie stellt sich die Bayerische Staatsregierung dazu? Was ist aus deren Sicht der Einstandspreis? All das sind wichtige Fragen.
Ich gebe dem Kollegen Herz recht. Auf der einen Seite stellen wir Forderungen. Glauben Sie aber nicht, dass mit diesem Antrag dieses Thema abgehakt ist. Das Problem wird in der Kürze der Zeit nur angeris sen. Wir müssen aber dranbleiben. Wenn die Bäuerin nen und Bauern irgendwann einmal ihre Existenz auf geben müssen, können wir allesamt die Schuld nicht von uns weisen, sondern dann sind auch wir daran schuld, weil wir nicht gehandelt haben. Deshalb unter stützen wir Ihren Antrag. Er ist ein wichtiges Signal. Lassen Sie uns aber dann im Freistaat auch dezidiert an dieser Geschichte arbeiten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann den beiden Vorrednern beipflichten. Ich hoffe, Sie pflichten mir jetzt auch bei. Unser Antrag ist weitergehend. Sie haben heute die Chance, dem Antrag der CSU zuzu stimmen.
Ich werde ihn noch begründen. Ich spreche nicht als Jurist und auch nicht als Betriebswirtschaftler, son dern als ehemaliger verantwortlicher Erzeuger von Milchprodukten.
Auch ich vernehme es so wie meine Kolleginnen und Kollegen. Ich sehe meistens am Sonntag die Zeit schriften und Angebotsblätter durch, die am Wochen ende hereinkommen. Darin heißt es: noch günstiger, Tiefpreise usw. Es gibt uns schon zu denken, dass gerade im Lebensmittelhandel mit seinen marktbe herrschenden Discountern in den letzten Jahrzehnten ein erheblicher Preiskampf stattgefunden hat. Der Le bensmittelhandel ist von scharfem, teilweise ruinösem Preiskampf geprägt. Insbesondere die großen Han delsunternehmen sind durch hohe Konzentration in der Lage, Kunden durch Niedrigpreisstrategien und Verkäufe unter dem Einstandspreis anzulocken. Sie können dadurch einen Preisdruck ausüben, den wir eigentlich nicht wollen. Da können kleine und mittlere Einzelhandelsbetriebe, insbesondere aber die Erzeu ger von Lebensmitteln vielfach gar nicht mithalten. Über den Preis wird aber auch eine Wertschätzung gegenüber dem Produkt zum Ausdruck gebracht. Das klar zu machen, ist für mich wichtig. In dieser Frage bin ich auch bei dir, lieber Horst Arnold. Ich meine: Wir müssen die Leute draußen mitnehmen. Viele stimmen uns zu, aber dann kaufen sie doch wieder das billigste Produkt. Das liegt in der Sache, das ist mir klar. Wir Politiker müssen da aber gemeinsam handeln – deshalb auch die heutigen Anträge – und an einem Strang ziehen.
Gerade bei den Lebensmitteln entscheiden aber die Art der Produktion und der eingesetzten Zutaten über die Qualität. Eine verantwortungsvolle Produktion von Lebensmitteln setzt deshalb faire Preise für die Erzeu ger voraus. Aus diesem Grund regelt das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in § 20 Absatz 3, dass Unternehmen Lebensmittel nicht unter dem Ein standspreis anbieten dürfen. Auch das wurde von den Vorrednern bereits erläutert. Ausnahmen gelten nur, wenn der Verderb der Ware droht oder Lebensmittel kostenlos an Tafeln abgegeben werden.
Diese Regelung ist dazu gedacht, kleine und mittel ständische Lebensmittel oder Handelsunternehmen vor einem Verdrängungswettbewerb durch große Un ternehmen zu schützen. Bayern hat sich daher bereits 2011 auf Bundesebene für eine Verlängerung des ab soluten Verbots eines Verkaufs von Lebensmitteln unter dem Einstandspreis eingesetzt. § 20 Absatz 3 dieses Gesetzes wurde damals bis Ende 2017 verlän gert. Das heißt, diese strenge Regelung für Lebens mittel ist befristet und gilt nur bis zum 31.12.2017. Die FREIEN WÄHLER haben also ein wichtiges Thema aufgegriffen, lassen bei Ihrer Forderung aber diese Befristung völlig außer Acht. Auch der Antrag der SPD geht nicht darauf ein.
Unser Antrag hingegen geht weiter. Er ist konkreter, und ich möchte das hier betonen und hoffe, dass Sie
dem Antrag der CSU dann auch zustimmen werden: Wir fordern, dass § 20 Absatz 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen über den 31.12.2017 hinaus unbefristet Geltung erlangt. Damit schaffen wir ein langfristiges Instrument, um gegen den ruinösen Preiskampf im Lebensmitteleinzelhandel vorzugehen. Wir fordern in unserem Antrag auch weiterhin sicher zustellen, dass Bayern anlassbezogen in diesen Fäl len unverzüglich tätig wird.
Es gibt aber noch einen weiteren Punkt, den die An träge von SPD und FREIEN WÄHLERN gar nicht auf greifen. Es ist das Grundproblem: Die stark konzent rierten Handelsunternehmen drücken beim Einkauf zwar die Preise, sie verkaufen aber nicht unbedingt unter den Einstandspreisen. Wir müssen bedenken: Preise werden in einer freien Marktwirtschaft nicht ordnungspolitisch festgelegt, sondern der Wettbewerb regelt die Preisbildung. Der Staat muss sich auf die Sicherstellung des freien Wettbewerbs konzentrieren. Das heißt, letzten Endes muss der Verbraucher ent scheiden. Wir müssen ihn aber unterstützen, eine be wusste Entscheidung für oder gegen ein Produkt zu treffen. Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen und weitere Maßnahmen ergreifen, um Kleinere zu unterstützen und den Mehrwert ihrer Produkte gegen über den Discountprodukten im Wettbewerb heraus stellen.
dass Lebensmittel angemessen geschätzt werden. Zudem müssen wir alle Marktmaßnahmen zur regio nalen und Direktvermarktung fortführen, welche die Vertrauensbildung beim Verbraucher unterstützen, wie beispielsweise das Qualitäts und Herkunftssiche rungsprogramm "Geprüfte Qualität Bayern". Das wird seit mehr als zehn Jahren in Bayern praktiziert.
Haben Sie zugehört, Herr Pohl? – Nur wenn die Le bensmittel das Vertrauen der Verbraucher genießen, sind die Verbraucher auch bereit, hierfür höhere Prei se zu bezahlen. Das wird letzten Endes die Wettbe werbsfähigkeit der bayerischen Landwirtschaft stär ken. Nur bei ausreichender Bezahlung sind eine gleichbleibende Qualität und ein hoher Sicherheits standard bei den Lebensmitteln aufrechtzuerhalten. Im Hinblick auf gerechte Preise ist auch die Erschlie
ßung ausländischer Märkte ein wichtiger Aspekt. Wir begrüßen deshalb auch verkaufsfördernde Maßnah men, wie sie beispielsweise die Marktagentur ALP durchführt und dadurch die Nachfrage nach bayeri schen Produkten im Ausland erhöht.
Aus all diesen Gründen lehnen wir die Anträge der FREIEN WÄHLER und der SPD ab und bitten um Zu stimmung zum Antrag der CSU.
Zum Schluss möchte ich als einer der Hauptverant wortlichen für den Holzmarkt auf etwas hinweisen. Ich möchte jetzt nicht despektierlich sein, indem ich von den Lebensmitteln zum Holzmarkt komme. Wenn ich aber Gespräche zum Holzpreis führe, stelle ich bei den Verhandlungen fest: Wir müssen hier auf das Kartellrecht achten. Es muss berücksichtigt werden. Ich gebe Horst Arnold recht, wenn er das anspricht. Wir müssen deshalb die Bundesgesetzgebung weiter unterstützen und dafür sorgen, dass hier das Kartell recht auch angewandt wird.
Ich kann Ihnen aber sagen: Das ist nicht einfach. Wir müssen zusammenhelfen, damit das Kartellrecht nicht verletzt wird. Alles in allem hoffe ich, dass wir Lösung en finden. Dabei müssen wir die Bevölkerung mitneh men, damit diese in Zukunft nicht auf die billigsten Produkte schaut, sondern sieht, dass das Produkt, das von unserer Landwirtschaft produziert wird, sei nen Wert hat. Wir wollen, dass unsere Bevölkerung in den Genuss dieser Produkte kommen kann.