Protocol of the Session on May 7, 2015

Herr Kollege Blume, Sie sprechen von 30 Mbit/s aufwärts. Wissen Sie, was mit all den Kommunen passiert, die am ersten Förderprogramm teilgenommen und vielleicht schon viel eigenes Geld angefasst haben? - Diese Kommunen haben heute eine Versorgung von über 30 Mbit/s, fallen aber aus dem Förderprogramm heraus. Im Prinzip haben also alle, die bei der Ersterschließung dabei waren, nach der jetzigen Ausgestaltung keine Chance mehr, am Digitalisierungswettbewerb teilzunehmen. Das heißt, Sie haben die Kommunen, die im ersten Schritt aktiv waren, ausgenommen.

(Widerspruch bei der CSU)

- Das ist aber so. Lesen Sie Ihr Programm und fragen Sie die Gemeinden. Wer aus München nicht herauskommt, kriegt das auch nicht mit.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Herr Kollege Blume, um dem Ganzen noch eines draufzusetzen: Wissen Sie, was es bedeutet, wenn heute eine Gemeinde, wenn Gemeinderat und Bürgermeister ein Schreiben des Telekommunikationsbetreibers bekommen, in dem steht, dass der Telekommunikationsbetreiber eigenwirtschaftlich ausbaue? – Das bedeutet, dass die Gemeinde ihren Fördercheck komplett eintüten und an das Ministerium zurückschicken kann. Die Geschichte hat sich also erledigt; denn in dem Moment, in dem der Telekommunikationsbetreiber einen eigenwirtschaftlichen Ausbau ankündigt, ist eine Förderung nicht mehr möglich. Sie sagen: gut, gut. Wissen Sie, was das bedeutet? - Das bedeutet, die Telekommunikationsbetreiber gehen keinen notariellen Vertrag ein, sondern schreiben denen auf ein Blatt Papier, dass sie es ausbauen wollen. Wenn sie das in drei Jahren nicht getan haben, haben die Kommunen Pech gehabt. Ich sage

Ihnen jetzt voraus: Sollte der Fördertopf dann leer sein, werden all diese Kommunen in die Röhre schauen. Sorgen Sie also auch dafür, dass die Kommunen, bei denen die Telekommunikationsbetreiber einen eigenwirtschaftlichen Ausbau anzeigen, diesen Ausbau zeitnah und notariell abgesichert umgesetzt bekommen; denn sonst kann von einer Breitbandversorgung in Bayern keine Rede sein.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Zuruf von der CSU)

- Es ist so. Man spricht immer von der großen Digitalisierung 4.0. Das ist im Prinzip Handwerk. Aber im Handwerk will man sich letztendlich nicht darum bemühen, weil man damit nicht glänzen kann.

(Zuruf des Abgeordneten Florian Streibl (FREIE WÄHLER))

Sie sprechen ferner von dem großen Thema Datensicherheit. Ich halte die Datensicherheit für extrem wichtig. Was es bedeutet, wenn Unternehmen bespäht und ausgespitzelt werden, ist heute bereits mehrfach angesprochen worden. Es ist schon fast eine Ironie, dass die NSA mithilfe des Bundesnachrichtendienstes mit Schlüsselwörtern deutsche Unternehmen ausspioniert, ohne dass es das Parlament bzw. das Parlamentarische Kontrollgremium weiß. Wir müssen hier Geld investieren, um unsere Unternehmen zu schützen; denn der Bundesnachrichtendienst unterstützt die NSA bei der Ausspitzelung unserer Unternehmen. Das ist eigentlich eine Perversion.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Hubert Ai- wanger (FREIE WÄHLER): TTIP noch dazu!)

Des Weiteren haben Sie gefordert, in der EU einen einheitlichen digitalen Binnenmarkt zu schaffen. Ich glaube nicht, dass wir mit Blick auf die zahlreichen Szenarien, die wir auf europäischer Ebene geregelt und gelöst haben, die europäische Ebene unbedingt als Maßstab für einen einheitlichen Standard nehmen sollten. Es wäre wichtiger, auf diesem Gebiet selbst initiativ zu werden und uns selbst zu vertrauen, weniger der Europäischen Union; denn ich wage zu bezweifeln, dass deren Standards unseren Standards entsprechen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Sehr geehrte Frau Staatsministerin, aus Sicht der FREIEN WÄHLER bleibt in Ihrer Rede vieles in der digitalen Wolke. Das Thema hat viel Spannendes, aber handwerklich gibt es viel Handlungsbedarf. Der Bayerische Landtag – alle, die wir hier sitzen – könnte mit gutem Beispiel vorangehen. Wir schaffen es im Landtag nicht, für unsere Bürgerinnen und Bürger ein

freies WLAN umzusetzen. Es geht um einen einfachen und logischen Schritt in Richtung Kommunikation und Digitalisierung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, setzen Sie sich also dafür ein, dass unser Landtag diese Serviceeinrichtung allen Interessierten zur Verfügung stellt!

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächste hat Frau Kollegin Verena Osgyan vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Staatsministerin, liebe Kolleginnen und Kollegen! In eineinhalb Jahren Landtag habe ich eines gelernt: dass es bei der CSU offensichtlich immer wieder guter Brauch ist, in wechselnden Besetzungen und Variationen dieselben Ankündigungen zu machen. Aber vom Ankündigen wird das Ganze auch nicht wahrer.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben mehrfach gehört, wie Bayern zur Leitregion für den digitalen Aufbruch werden soll. Das haben wir bereits von Horst Seehofer in seiner allerersten Regierungserklärung gehört. Seitdem ist wenig passiert. Ich zitiere:

Wir investieren in die Arbeitsplätze von morgen, eröffnen Chancen überall im Land und schaffen soziale Sicherheit für die kommenden Generationen. BAYERN DIGITAL steht für nachhaltiges Wachstum und höchste Lebensqualität im Freistaat.

Das kann ich voll unterschreiben. So klangen damals die Lobeshymnen. Ich erinnere mich auch noch sehr gut, dass damals von 1,8 Milliarden Euro für 2015/2016 die Rede war; jetzt ist von 500 Millionen Euro in vier Jahren die Rede. Im Doppelhaushalt steht wesentlich weniger. Das sind einfach alles Nebelkerzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Aigner, ich freue mich sehr, dass Bayern Digital jetzt langsam konkret wird, dass Sie etwas vorgestellt haben. Ich muss aber sagen: Von dem damals angekündigten großen Wurf bleibt nur noch ein Rumpfkonzept oder ein Schrumpfkonzept übrig. Die ersten Trippelschritte sind gemacht, aber ein bayerischer Masterplan ist immer noch nicht gesteckt. Die hochgesteckten Erwartungen können nicht erfüllt werden. Wir sind nicht wesentlich weiter als 2013.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich habe den Prozess in Teilen in Ihrem Beirat mitverfolgen können. Ich muss sagen: Ich zolle dem durchaus Respekt, dass Sie einen Beteiligungsprozess angestoßen haben, dass Sie unter Einbeziehung von Experten und wieder einmal viel zu wenig Expertinnen aus Wirtschaft und Hochschule eine digitale Strategie entwickeln. Ich glaube, da sind längst nicht alle Forschungsschwerpunkte berücksichtigt, die wir für Bayerns Zukunft brauchen. Das ist an dieser Stelle aber wirklich nicht mein Hauptkritikpunkt.

Ich kritisiere vielmehr, dass wieder einmal, anstatt die Kompetenzen zu bündeln, nach dem Prinzip "teile und herrsche" die Handlungsfelder auf alle möglichen Ministerien verteilt sind. Es geht wohl darum, allen Kronprinzen und -prinzessinnen ihren Teil vom Kuchen abzugeben. Das kann aber wirklich nicht sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Söder hat jetzt Breitband und E-Government, Sie haben das Zentrum für Digitalisierung, und Herr Herrmann darf weiterhin mit verfassungsmäßig fragwürdigen Law-and-Order-Instrumenten Cybercrime bekämpfen. Im Ergebnis ist das nicht nur eine Zerstückelung eines Querschnittthemas, sondern vor allem bleiben jede Menge weiße Flecken auf der digitalen Landkarte. Ich nenne zum Beispiel die digitale Bildung, die digitalen Bürgerrechte und die digitalen Verbraucherrechte. Da herrscht in Bayern nach wie vor Fehlanzeige. Wir können noch dreimal davon reden, dass wir einen Masterplan für digitale Bildung brauchen. Diesen brauchen wir eigentlich seit 20 oder 30 Jahren. Ich glaube, "Laptop und Lederhose" ist schon lange kein Rezept mehr, und "Laptop und Dirndl" ist auch kein Rezept. Wir haben schon seit Langem die vierte digitale Revolution. Sie ist nicht nur in der Industrie, sie ist vor allem in der Dienstleistungsbranche längst angekommen.

Maschinen lernen gerade das Denken. Wir lesen jetzt erstmals, dass auch Zeitungsartikel von Computern verfasst werden können, und McKinsey sagt voraus – und zwar mit Recht, auch wenn ich viele andere Aussagen in deren Studie anzweifle –, dass bis zu 40 % der Stellen in Bayern von der Digitalisierung und von deren Strukturbrüchen betroffen sein könnten. Ich glaube, damit sind die Ängste, die viele Menschen haben, durchaus berechtigt.

Für uns ist es an der Zeit, dass wir uns entscheiden, welche Aufgaben von Menschen erledigt werden können und welche von Maschinen, und dass wir gerade unsere Jugend dafür fit machen müssen, diesen komplexen Herausforderungen gewachsen zu sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Denn nicht alles, was möglich ist, ist auch gut. Diese Entscheidungen werden unsere Zukunft bestimmen. Die bayerische Wirtschaft und Bayerns Bürgerinnen und Bürger, die diese Wirtschaft tragen, haben sicher ein großes Interesse daran, dass wir diese Fragen heute beantworten und dass wir sie richtig beantworten.

Dafür braucht es wirklich ein komplettes Update unseres Bildungssystems. Schon mehrfach wurde genannt: Wir brauchen natürlich Tablets und eine digitale Ausstattung. Da sind wir anderen Ländern, zum Beispiel Norwegen, Skandinavien allgemein und England, wirklich meilenweit hinterher. Es geht aber nicht nur um Breitbandzugänge an Schulen, sondern vor allen Dingen um digitale Kompetenzen, die erworben werden müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es geht darum, dass wir selbstbestimmt und kreativ mit der digitalen Welt umgehen können. Da braucht es natürlich Medienbildung, die in allen Lehrplänen verpflichtend verankert ist, und vor allem ein Update der Lehrerinnen- und Lehrerbildung, damit die Lehrkräfte diese Kompetenzen auch vermitteln können. Diese Grundlagen müssen ganz selbstverständlich an jeden Jungen und jedes Mädchen vermittelt werden. Diesbezüglich stimme ich Herrn Blume gar nicht zu: Ich finde, Gleichstellung in der Bildung und im Netz ist ein großes Thema. Auch Ihr Beirat hat ganz klar formuliert, dass wir mehr Frauen in MINT-Fächer bringen müssen; denn das ist eine ganz, ganz große Ressource für Bayern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich glaube, es geht gar nicht primär darum, dass jeder und jede zwingend programmieren können muss oder dass wir eine Generation von Webmastern ausbilden. Wir alle müssen in der Lage sein zu verstehen, wie die Codes aufgebaut sind, die zunehmend unsere Lebens- und Arbeitswelt bestimmen, damit wir selbstbestimmt urteilen können. Das diskutieren Experten und Expertinnen seit über 30 Jahren. Das Kultusministerium, das dafür eigentlich zuständig ist, schiebt dies aber auf die lange Bank. Man müsste Geld in die Hand nehmen. Man müsste die Lehrerinnen- und Lehrerbildung revolutionieren oder vielleicht sogar das starre dreigliedrige Schulsystem an dieser Stelle infrage stellen.

Bei einem "Masterplan Digitale Bildung" bin ich sofort dabei, aber mir fehlt einfach der Glaube, dass er umsetzbar ist bzw. dass Sie es in der Hand haben, dieses Vorhaben überhaupt anzugehen. Ich habe dazu

im Doppelhaushalt keine Gelder entdecken können, obwohl wir viele Anträge dazu gestellt haben.

Zurück zum Zentrum für Digitalisierung, das für mich das einzig Konkrete in Ihrem Plan ist. In dem Papier, das uns vorliegt, spielen die zukunftsentscheidenden Themen Bildung, Arbeitsmarkt der Zukunft und Technikfolgenabschätzung leider immer noch kaum eine Rolle. Das finde ich sehr schade; denn das sind die wichtigen Punkte. Es geht natürlich um Technologie, aber es geht nicht nur um Technologie.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich vertraue darauf, dass in dem Ausschreibungsprozess, der jetzt kommt, die Expertinnen und Experten wirklich eine Gewichtung so vornehmen, dass diese zukunftsweisenden Themenfelder bei den 20 neuen Professuren auch zum Tragen kommen.

Ich möchte zu einem weiteren Punkt kommen, den ich heute vermisst habe, den Herr Seehofer aber damals sehr wohl in seiner Regierungserklärung hatte – das ist das nachhaltige Wachstum. Ich würde es lieber realistischer als Erhalt des Wohlstandes ohne eine weitere Zerstörung der Natur formulieren. Ich meine, das ist ein ganz wichtiges Thema, auch in Zusammenhang mit Digitalisierung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich muss sagen, dass ich mich etwas geärgert habe, dass Herr Blume dies so einfach abgetan hat; denn es geht darum, unsere Ressourcen zu wahren und damit unsere Heimat zu bewahren. Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich bin von der CSU ja schon gewöhnt, dass Umweltzerstörung in Kauf genommen wird, wenn es um Wirtschaftswachstum geht. Das können wir uns aber nicht mehr länger leisten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die digitalen Technologien verbrauchen nämlich in steigendem Maße Energie. Sie sind nicht grundsätzlich umweltfreundlich. Man muss sich überlegen: Weltweit werden bereits 3 % aller CO2-Emissionen von digitaler Kommunikation verursacht. Das ist mehr als durch den weltweiten Flugverkehr verursacht wird. Das heißt, es ist wirklich eine große Aufgabe, dass wir Ressourcen sparen, dass wir stromsparende Prozessoren entwickeln, dass wir unsere Server-Parks umbauen, dass wir darauf wirklich einen Forschungsschwerpunkt setzen; denn damit können wir Bayern sicherlich nach vorne bringen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bayern hat die besten Voraussetzungen, im Bereich Forschung und Entwicklung von Green by IT eine Leitregion zu werden. Ich würde mir wünschen, dass das noch aufgenommen wird. Wir haben bereits die Unternehmen, wir haben die Forschungseinrichtungen, und wir haben vor allem mittlerweile auch das Bewusstsein, dass unsere Ressourcen endlich sind. Ihre Kooperationsplattform um die digitalisierte Produktion, die vernetzte Mobilität, Digitalisierung und Energiebereich haben alle das Potenzial, um Green by IT hineinzubringen und es als Dachbegriff, als Überschrift zu setzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)