Protocol of the Session on February 3, 2015

Abstimmung über Anträge, die gemäß § 59 Abs. 7 der Geschäftsordnung nicht einzeln beraten werden (s. Anlage 1)

Hinsichtlich der jeweiligen Abstimmungsgrundlagen mit den einzelnen Voten der Fraktionen verweise ich auf die Ihnen vorliegende Liste.

(Siehe Anlage 1)

Wer mit der Übernahme seines Abstimmungsverhaltens bzw. dem jeweiligen Abstimmungsverhalten seiner Fraktion entsprechend der aufgelegten Liste einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CSU, der SPD, der FREIEN WÄHLER und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit übernimmt der Landtag diese Voten.

Ich rufe gemeinsam die Tagesordnungspunkte 4 bis 8 auf:

Antrag der Abgeordneten Harry Scheuenstuhl, Florian von Brunn, Klaus Adelt u. a. (SPD) Antragspaket Klimaschutz I - Vergleichbare Klimaschutzziele für Bayern (Drs. 17/3597)

Antrag der Abgeordneten Harry Scheuenstuhl, Florian von Brunn, Klaus Adelt u. a. (SPD) Antragspaket Klimaschutz II - Integriertes Energieund Klimaschutzkonzept für Bayern (Drs. 17/3598)

Antrag der Abgeordneten Harry Scheuenstuhl, Florian von Brunn, Klaus Adelt u. a. (SPD) Antragspaket Klimaschutz III - Ehrliches Treibhausgas-Monitoring und Klimaschutzbeirat für Bayern (Drs. 17/3599)

Antrag der Abgeordneten Harry Scheuenstuhl, Florian von Brunn, Klaus Adelt u. a. (SPD) Antragspaket Klimaschutz IV - Langfristige, verbindliche Klimaschutzziele für Bayern bis 2050 (Drs. 17/3600)

Antrag der Abgeordneten Harry Scheuenstuhl, Florian von Brunn, Klaus Adelt u. a. (SPD) Antragspaket Klimaschutz V - Konzept für die Reduzierung der CO2-Emissionen im Verkehr (Drs. 17/3601)

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Vielleicht können wir uns beruhigen, damit wir die einzelnen Themenbereiche mitbekommen.

Ich eröffne die Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt nach der Geschäftsordnung 36 Minuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich an der Redezeit der stärksten Fraktion. – Erster Redner ist der Kollege Harry Scheuenstuhl von der SPD. – Bitte schön, Herr Kollege. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, jetzt wird es ernst. Vorhin haben wir die Theorie behandelt. Jetzt kann jeder beweisen, wie ernst er es mit dem Klimaschutz meint. Zeigen Sie der Bevölkerung, dass Sie keine Dampfplauderer sind, sondern auf diesem Gebiet wirklich etwas bewegen wollen. An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit nutzen und unserer Natascha Kohnen, die sich im Bereich Energie besonders profiliert hat und das Thema hervorragend begleitet, im Namen

der Fraktion einen herzlichen Dank für ihre hervorragende Arbeit aussprechen.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf unserer Erde wird es immer wärmer. Der Hauptgrund dafür ist die Freisetzung von Treibhausgasen durch die Verbrennung von Erdöl, Gas und natürlich Kohle. Der Klimawandel macht auch vor unserem schönen Bayernland nicht halt. So ist die Durchschnittstemperatur im Freistaat in den letzten 100 Jahren von acht auf neun Grad angestiegen. Die Sommertage haben zugenommen, die Eistage deutlich abgenommen. Langfristig muss der Süden Bayerns mit 20 bis 30 % mehr Niederschlag rechnen, während der ohnehin schon trockene Norden Bayerns noch trockener wird. Die Alpen sind mit einem Temperaturanstieg von mehr als 1,5 Grad Celsius in den letzten 100 Jahren besonders dramatisch von dieser Entwicklung betroffen. Uns droht ein Szenario mit unabsehbaren Folgen. Es drohen Ernte- und Viehzuchtverluste, schlechte Wasserqualität sowie eine massive Zunahme des Überflutungsrisikos.

Um diesen katastrophalen Folgen des global wirkenden Klimawandels entgegenzuwirken, haben sich die Industrieländer bereits im Jahr 1997 mit dem KyotoProtokoll darauf geeinigt, das Niveau der Treibhausgas-Emissionen im Zeitraum zwischen 2008 und 2012 gegenüber dem Emissionsniveau von 1990 um 5,2 % zu reduzieren. Als Folge dieser europäischen Richtungsentscheidung hat die damalige Bundesregierung ein integriertes Energie- und Klimaprogramm beschlossen, welches bis zum Jahr 2030 eine Minderung der klimaschädlichen Treibhausgase um 40 % vorsieht. Bis zum Jahr 2050 soll dieser Wert bei 80 bis 95 % liegen. 2014 war übrigens das wärmste Jahr seit 1881, als mit den regelmäßigen Messungen begonnen wurde.

Manche werden sich jetzt fragen, was ein Land unserer Größenordnung schon ausrichten kann. Da möchte ich meinen Vorredner Sandro Kirchner zitieren, der gesagt hat, wir sollen Vorreiter sein. Wir sollten wirklich Vorreiter sein. Deshalb sollten wir als Industrieland und als Land, das das nötige Know-how hat, den anderen zeigen, wie es geht, den Energiewandel und den Klimawandel zu stemmen.

Wir haben deshalb folgendes Antragspaket geschnürt: Wir fordern die Staatsregierung auf, alle Treibhausgas-Emissionen in Bayern kontinuierlich statistisch zu erfassen und daraus – das betone ich jetzt ganz besonders – ein mit Bundeszielen vergleichbares Minderungsziel für Treibhausgas-Emissionen auf Basis von CO2-Äquivalenten vorzugeben.

Alle Treibhausgas-Emissionen, das heißt auch die nicht energiebedingten Treibhausgas-Emissionen aus CO2, Methan und Lachgas, sollten nämlich erfasst werden. In Bayern beschränkt sich das derzeitige Klimaziel aber auf energiebedingte CO2-Emissionen. Andere Emissionen werden entgegen der bisherigen Meinung der Staatsregierung, die durch die Kollegen im Umweltausschuss vorgetragen wurde, nicht berücksichtigt. Belege ergeben sich aus Antworten auf Anfragen der SPD aus den Jahren 2010 und 2011. Hier wird nur von energiebedingten CO2-Emissionen gesprochen. Bis zum Jahr 2014 wurde immer wieder von einer Berücksichtigung der energiebedingten CO2-Emissionen gesprochen. Der damalige Minister Huber sitzt hier. Im Jahr 2014 haben Sie das persönlich gesagt: Bis zum Jahr 2020 sollen die energiebedingten CO2-Emissionen in Bayern pro Kopf und Jahr auf deutlich unter sechs Tonnen gesenkt werden. Das ergibt sich aus Ihrer eigenen Pressemitteilung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, künftig muss Klarheit herrschen. Die Vernebelungstaktik der CSU muss ein für alle Mal ein Ende finden. Aus diesem Grund fordern wir, dass allen Treibhausgas-Emissionen Beachtung geschenkt wird. Das darf nicht nach Lust und Laune der jeweiligen Ministerin oder des jeweiligen Ministers geschehen. Wir fordern die Staatsregierung auf, ein integriertes Klima- und Energiekonzept vorzulegen; denn Energiepolitik und Klimaschutz gehören nun einmal zusammen. Ein solches Konzept ist dann sinnvoll, wenn die Klimaschutzziele mit Sektorenzielen wie zum Beispiel Verkehr – vergleichen Sie dazu bitte unseren Antrag Nummer 5 –, Industrie oder Haushalt verbunden werden und wenn Strategien und Maßnahmen hinterlegt werden.

Die Staatsregierung wird aufgefordert, ein jährliches Treibhausgas-Monitoring für Bayern vorzulegen. Im Rahmen dieses Monitorings soll die Wirksamkeit von Klimaschutzmaßnahmen im Hinblick auf die Klimaschutzziele regelmäßig evaluiert und gegebenenfalls Anpassungsmaßnahmen vorgeschlagen werden. Beim Monitoring sind die Beiträge und Wechselwirkungen durch Klimaschutzmaßnahmen seitens des Bundes sowie der Europäischen Union zu berücksichtigen. Ein Klimaschutzbeirat, der sich aus den Mitgliedern der Bayerischen Klima-Allianz zusammensetzen könnte, soll die Umsetzung der Strategien und Maßnahmen sowie das Erreichen der Klimaschutzziele begleiten. Außerdem fordern wir die Staatsregierung auf, bis zum Jahr 2050 vergleichbare Klimaschutzziele für Bayern gesetzlich festzulegen und eine landesgesetzliche Konkretisierung des Klimaschutzbelangs, die beim Vollzug klimarelevanter Entscheidungen zu berücksichtigen ist, herzustellen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Übrigens haben wir sehr viel Zeit verloren. Die CSU hat unser Klimaschutzgesetz 2013 abgelehnt. Wir hätten viel mehr erreichen können. Wie wir vorhin gehört haben, handelt es sich bei der Staatsregierung um wahre Energieeinsparer. Klimaschutz ist ein Generationenthema und ein Thema der sozialen Gerechtigkeit. Hier sind langfristige und vor allem verbindliche Ziele notwendig. Wir wollen, dass auch künftige Generationen sauberes Wasser trinken, eine schadstoffarme Luft einatmen und sich an der schönen Natur Bayerns erfreuen können.

Wir haben – das als Schlussbemerkung – gehört, dass Herr Huber am vergangenen Donnerstag behauptet habe, bei der 10-H-Regelung bzw. bei der Festlegung von Standorten für Windkraftanlagen könnten die Gemeinden erst aufgrund der neuen Gesetze eingreifen. Ich weise das mit Entschiedenheit zurück und möchte Herrn Huber bitten, sich doch einmal zu erkundigen. Auch über den Regionalplan, in dem die Standorte für Windkraftanlagen festgelegt sind, könnten die Gemeinden eingreifen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, unserem Klimaschutzpaket zuzustimmen. Reden Sie nicht nur in der Aktuellen Stunde darüber, sondern lassen Sie Ihren Worten auch Taten folgen.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank. – Jetzt bitte ich die Kollegin Schorer-Dremel zum Rednerpult.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, werte Gäste!

Der Schutz der Umwelt, der Ressourcen und des Klimas erfordert, dass alle auf internationaler Ebene Verantwortlichen gemeinsam handeln und bereit sind, in gutem Glauben, dem Gesetz entsprechend und in Solidarität mit den schwächsten Regionen unseres Planeten zu arbeiten.

Dieses Zitat von Papst Benedikt XVI. aus dem Jahr 2009 zeigt, dass unser Klima und der Klimaschutz uns alle angehen, dass der Klimaschutz eine Aufgabe ist, die wir im Interesse von uns, aber auch im Interesse unserer Kinder, Enkelkinder und Urenkel gemeinsam erfüllen müssen. Ich denke, darüber sind wir uns im Hohen Haus alle einig. Die Frage ist nur: Wie können wir das erreichen? Hier kann man verschiedene Wege beschreiten und sicherlich auch unterschiedlicher Auffassung sein.

Um nicht zu weit auszuholen, möchte ich mich in meiner Rede auf zwei Punkte beschränken, nämlich auf

die langfristigen Klimaziele und das Konzept für die Reduzierung der CO2-Emissionen im Verkehr. Die SPD-Landtagsfraktion fordert die Staatsregierung auf, verbindliche Klimaschutzziele bis 2050 festzulegen und gesetzlich zu verankern. Dies deckt sich mit dem Gesetzentwurf der SPD vom 27. Mai 2013 zur Förderung des Klimaschutzes in Bayern und zur Änderung des Bayerischen Landesplanungsgesetzes.

Eine Festlegung gesetzlich verankerter verbindlicher Klimaschutzziele auf Landesebene ist jedoch problematisch, weil die Einflussmöglichkeiten aufgrund der EU- und Bundesgesetzgebungskompetenzen begrenzt sind. Die EU- und bundesrechtlichen Vorschriften setzen den Ländern enge Grenzen bei der Festlegung und Erreichung selbst gesteckter Klimaschutzziele. Für die Aufstellung und Einhaltung von Klimaschutzzielen auf internationaler Ebene ist die Bundesregierung völkerrechtlich verantwortlich. Dies gilt auch für die Klimaschutzziele der EU, zu deren Erreichung sich die Bundesregierung im Rahmen der Aufteilung von Minderungsbeiträgen, dem sogenannten Effort Sharing, verpflichtet.

Eine rechnerische Aufteilung von Minderungspflichten auf die einzelnen Bundesländer gibt es nicht. Wegen der bundesweit unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Ausgangssituationen ist eine direkte Übertragung von Minderungszielen des Bundes auf die Länder auch nicht zielführend. Es macht im Hinblick auf CO2-emittierende Heizungsanlagen und den Straßenverkehr eben einen großen Unterschied, ob die Bevölkerungszahlen mittel- und langfristig stabil sind, wie bei uns in Bayern, oder ob sie sinken, wie etwa in Nordrhein-Westfalen. Gleiches gilt für die Wirtschaftsleistung, insbesondere des produzierenden Gewerbes und der Industrie. Auch insofern verzeichnet Bayern im Gegensatz zu anderen Bundesländern zum Glück Zuwächse.

Auch die in den einzelnen Bundesländern unterschiedlichen energiepolitischen Ausgangssituationen sind zu berücksichtigen. So gibt es etwa in NordrheinWestfalen einen hohen Anteil an Braunkohlestrom mit hohen CO2-Emissionen und ein dementsprechend hohes CO2-Minderungspotenzial. Bei uns sieht es bekanntlich anders aus.

Wegen all dieser und noch weiterer landesspezifischer Unterschiede, die man nicht wegdiskutieren kann, dürfen im Hinblick auf die Klimaschutzziele nicht alle Länder über einen Kamm geschoren werden. Gleichwohl dürfen die Länder auch nicht unabhängig voneinander gesehen werden; denn CO2Emissionen machen vor Bayerns Grenzen nicht halt. Das muss uns beunruhigen.

Werfen wir einmal einen Blick auf die 30 Kraftwerke mit den höchsten absoluten CO2-Emissionen in Deutschland. Keines davon steht in Bayern.

(Dr. Christian Magerl (GRÜNE): Noch nicht!)

Ganz kurz: In Nordrhein-Westfalen stehen vier mit einer jährlichen Emission von 91,8 Millionen Tonnen CO2, in Sachsen drei mit 36,6 Millionen Tonnen CO2 nur um Ihnen ungefähr ein Bild von den Zahlen zu geben.

(Florian von Brunn (SPD): Und Sie müssen die 46 % Atomstrom ersetzen!)

In den Klimaschutzgesetzen der anderen Bundesländer, speziell in den Gesetzen von Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, sind die Treibhausgas-Minderungsziele ebenfalls nicht verbindlich festgelegt, sondern es sollen bestimmte Minderungen erreicht oder angestrebt werden. Dort wird flexibel auf anstehende Entwicklungen und Herausforderungen reagiert. Trotz aller Unterschiede sind Klimaziele auf Landesebene eine wichtige Voraussetzung. Das bayerische Kabinett hat am 8. Juli 2014 das "Klimaschutzprogramm Bayern 2050" verabschiedet. Dieses wurde nach Anhörung gesellschaftlicher Akteure vom Umweltministerium federführend erarbeitet. Es basiert auf drei bewährten Säulen: Minderung von Emissionen, regionale Anpassung an die Folgen des Klimawandels und Ausbau der Forschung zur weiteren Verbesserung der Entscheidungsgrundlagen. Bayern hat dafür allein von 2008 bis 2014 eine Milliarde Euro ausgegeben und im jetzigen Doppelhaushalt 170 Millionen zur Verfügung gestellt.

In Anlehnung an das europäische Minderungsziel sollen die Treibhausgas-Emissionen bis 2050 um 80 bis 95 % reduziert werden. Das heißt, pro Kopf und Jahr sollen sie um zwei Tonnen reduziert werden. Das ist ein vernünftiges Ziel mit hohen Ansprüchen, da wir in Bayern – das darf ich sagen – zwar auf einer Insel der Seligen leben, aber auf keiner vom Bund und Europa unabhängigen Insel. Daher ist das Anliegen der SPD, langfristig Klimaziele gesetzlich festzuschreiben, auf Landesebene allein nicht zu erfüllen. Ich meine, das Erreichen der Klimaschutzziele muss über Bayern hinaus gesehen werden. Hier sehe ich auch Energieminister Gabriel in der Pflicht, sich in den emissionsreichen Bundesländern für eine deutliche Verringerung einzusetzen, wozu er auch im Zuge der Weltklimakonferenz im letzten Jahr aufgefordert wurde.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Noch nicht, im Anschluss, bitte. – Treibhausgas-Emissionen sind aber

nicht nur auf die Energieerzeugung, sondern auch auf den Verkehr zurückzuführen. Hier beklagt die SPD, dass Bayern im Bundesländerindex Mobilität 2013 schlecht abgeschnitten habe, und fordert nun die Staatsregierung auf, ein Konzept zur Reduzierung der CO2-Emissionen im Verkehr vorzulegen.