Protocol of the Session on January 29, 2015

Ich möchte auf die Bedenken gegen den Antrag der CSU etwas näher eingehen, zumal er bei den Mehrheitsverhältnissen in dem Hause wahrscheinlich eine Mehrheit finden wird. Es ist löblich, dass Sie mit dem ersten Punkt Ihres Antrags vielleicht zum ersten Mal, zumindest deutlicher als sonst, auf den Zusammenhang mit der Ausstattung der Polizei eingehen und die Prävention erwähnen. Sie haben die Schaffung von 100 Stellen bei der Polizei zugesagt. Bitte denken Sie allerdings daran, dass wir momentan von 100 leeren Stühlen und Schreibtischen reden. Wir meinen, dass wir doppelt so viele Stellen brauchen. Vor allem aber müssen wir die Polizisten ausbilden.

(Zuruf von der CSU)

- Nein, das wird nicht gemacht. Hier besteht ein Nachholbedarf; das wissen Sie. Natürlich kann man einen Stuhl besetzen, indem man den anderen freimacht, aber das kann nicht die Lösung sein.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Unsere Forderungen in dieser Hinsicht sind ganz konkret. Werfen Sie einen Blick auf unseren Antrag: Die Polizei muss auf Augenhöhe mit Islamisten sein. Das müssen Sie zugestehen, und Sie müssen für eine angemessene Ausstattung sorgen. Das ist nicht mit einem Antrag getan. Das wissen Sie. Wir werden darauf achten, dass Sie diese Forderung erfüllen.

Sie gehen auch auf die Prävention ein. Das ist lobenswert. Allerdings gilt auch hier: Butter bei die Fische. Das heißt, man braucht mehr pädagogisches Personal, mehr Lehrer. Sie werden dazu sagen: Wir haben ja genug Personal. – Doch mit Ihrem Antrag haben Sie eine neue Aufgabe ins Spiel gebracht, und daraus sind die Konsequenzen zu ziehen. Auch wir haben dieses Anliegen in einem Punkt, der sich auf Beratungslehrer, Anrechungsstunden usw. bezieht, sehr differenziert formuliert.

Wir brauchen ein Umdenken bei der Beurteilung unserer Fächerkanons. Wir dürfen nicht die Anforderungen der Wirtschaft zum Maßstab erheben, egal ob beim Studium oder in der Schule, sondern wir müssen hier die Anforderungen des Lebens als Maßstab heranziehen.

Wir brauchen Erziehung zu Respekt. Das klingt furchtbar altmodisch. Wir stehen dazu. Das ist nicht altmodisch. Hier geht es um unsere Grundwerte, um Achtung vor jeder Religion,

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

um Achtung vor der Freiheit des anderen. Das ist wichtiger als ein weiterer LehrplanPLUS, den irgend

welche – das muss ich so ausdrücken – Theoretiker entwerfen und der in der Schullandschaft nichts ändern wird.

Außerdem geht es um mehr Zeit in der Schule. Gerade die Anschläge sowie die Reaktionen und die Reden danach haben gezeigt: Es geht darum, dass man nicht nur Informationen über die Ringparabel in "Nathan der Weise" googelt, sondern dass man die Ringparabel auch lesen und darüber diskutieren muss. Ich bitte Sie, bei der Diskussion über die Gymnasialzeit auch diesen Gesichtspunkt zu berücksichtigen. Die Auseinandersetzung mit einem solchen Thema in der Schule braucht nämlich Zeit. Gerade die Menschen, die später eventuell Führungspersonen sind, müssen auch in diesem Bereich ausgebildet werden; das kommt zu kurz.

Die an die Bundesebene gerichteten Forderungen gehen uns teilweise zu weit, teilweise sind sie schon erfüllt. Mich wundert, warum sich eine Ihrer Forderungen auf das Strafgesetzbuch bezieht, obwohl es § 129 StGB schon gibt. Wir gehen davon aus, dass Sie in allen Ihren Spiegelstrichen unter Ziffer 2 die Forderung des Verfassungsgerichts nach Verfassungsmäßigkeit berücksichtigen. Wir gehen mit, weil wir meinen, dass Sie diese Forderung erfüllen werden. Andernfalls würde Ihr Koalitionspartner in Berlin gar nicht mitmachen.

Gestern wurde eine Umfrage zu dem Thema veröffentlicht, wem das Vertrauen unserer Bürgerinnen und Bürger gehört. Mit 84 % genießt die Berufsgruppe der Polizei das höchste Vertrauen. Die Bevölkerung sieht im wahrsten Sinne des Wortes in dieser Berufsgruppe immer noch die Ordnungshüter im klassischen Sinne des Wortes. Wenn es darin schwarze Schafe gibt, müssen wir darauf kontrollierend achten. Die Bevölkerung weiß und spürt, dass diese Personen dafür ausgebildet werden und dazu bereit sind, ihre Gesundheit und eventuell ihr Leben für uns aufs Spiel zu setzen. An dieser Stelle ist ein großes Danke angesagt; das darf man in dieser Diskussion nicht vergessen.

(Beifall bei der FREIEN WÄHLERN)

Die Politik hat die Aufgabe, diese Berufsgruppe, die nicht ohne Grund so viel Vertrauen genießt, mit Material und Personal angemessen auszustatten. Des Weiteren brauchen wir Gesetze – dabei sehe ich zu Ihnen auf dieser Seite –, die der Verfassung entsprechen und unsere Grundrechte wahren und die eine solche Ausstattung dieser Berufsgruppe bewirken, dass sie ihre Aufgaben auch im Hinblick auf den Terrorismus wahrnehmen kann.

Wir müssen außerdem die Justiz so ausstatten, dass sie die rechtsstaatliche Kontrolle ausüben kann. Und

wir müssen unsere Gesellschaft, besonders unsere Kinder und Jugendlichen, so erziehen, dass Anträge wie die heute eingebrachten überflüssig werden.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächste hat Frau Kollegin Margarete Bause von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die Anschläge von Paris haben uns alle zutiefst erschüttert, und es ist gut, dass wir uns im Bayerischen Landtag heute damit auseinandersetzen. Uns alle eint das Mitgefühl mit den Opfern, mit den Mitarbeitern von "Charlie Hebdo", mit den Kunden und Mitarbeitern des jüdischen Supermarkts und auch mit den ermordeten Polizisten. Uns eint die Verurteilung dieses mörderischen Terrorattentats und jeglicher Form von Terror, brutaler Gewalt und Menschenverachtung. Die weltweite Solidarisierung unter dem Motto "Je suis Charlie" nach diesen Anschlägen bedeutet aber auch ein wichtiges, ermutigendes Signal; denn die Anschläge von Paris – das wurde immer wieder gesagt – waren natürlich auch ein Angriff auf unsere freiheitliche Gesellschaft, auf unsere Grundwerte, auf die Freiheit der Presse, der Meinung und der Religionsausübung, auf die Toleranz und insgesamt auf eine offene Gesellschaft.

Deshalb sollte unsere Reaktion auf diese Angriffe auf die Freiheitswerte in einem Bekenntnis zu genau diesen Werten bestehen, in einem Bekenntnis zum Dialog, zur Demokratie, zur Solidarität, zur Vielfalt und zum Schutz der Bürgerrechte und eben nicht zur Aushöhlung der Bürgerrechte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Angriffe auf die Freiheit dürfen wir nicht mit der Einschränkung unserer Freiheit beantworten, wie das leider zum Teil, insbesondere im Antrag der CSU, der Fall ist. Denjenigen, die unnötige oder verfassungswidrige Gesetzesänderungen bzw. Gesetzesverschärfungen fordern, halten wir das entgegen, wogegen sich die Anschläge gerichtet haben, nämlich Freiheit und Bürgerrechte. Deswegen sind wir der Meinung, dass reflexhafte Forderungen nach Strafverschärfungen und nach einer Generalüberwachung -

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Die Forderungen sind nicht reflexhaft!)

- Reflexhafte Forderungen, Herr Herrmann! Wie lange schon reden Sie von genau solchen Strafverschärfun

gen! Immer wieder versuchen Sie, dieses Thema auf die Tagesordnung zu setzen. Sie lassen sich auch von einem klaren Urteil des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs nicht davon abhalten, immer wieder das Gleiche auf die Tagesordnung zu setzen.

(Widerspruch bei der CSU)

Sie schreiben, Sie wollen die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung. Das heißt, dass gerade das, was das Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt hat, wieder eingeführt werden soll. Da merkt man, dass Ihnen das offenbar völlig egal ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich finde, Sie müssen sich schon fragen lassen, ob Sie die terroristischen Attentate instrumentalisieren wollen, um Ihre

(Widerspruch bei der CSU)

sicherheitspolitischen Ladenhüter wieder ins Schaufenster zu hängen.

(Zurufe von der CSU: Unverschämtheit! Frech- heit! Bodenlos!)

Sie sollten sich die Urteile einmal genau durchlesen,

(Widerspruch bei der CSU – Jürgen W. Heike (CSU): Wir tun das!)

Sie sollten sich lieber überlegen, wie Sie die Polizei vor Ort tatsächlich unterstützen, als hier diese sinnlosen und verfassungswidrigen Gesetzesverschärfungen wiederholt vorschlagen.

Sie wissen auch – das wurde immer wieder erwähnt –, dass in Frankreich, wo es die Vorratsdatenspeicherung gibt, diese Attentate leider nicht verhindert werden konnten.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Man kannte die Terroristen vorher, man wusste von ihrer Gefährlichkeit, und trotzdem konnten die Attentate nicht verhindert werden. Das sollte Ihnen zum Nachdenken gereichen, dass wir wirklich ganz andere Maßnahmen ergreifen müssen.

Wenn Sie, Herr Herrmann, diesen sehr abenteuerlichen Vergleich mit dem Arzt bringen, muss ich sagen: Wenn ein Arzt den Verdacht hat, dass ein Patient zum Beispiel eine Krebserkrankung hat, dann ordnet er nicht ein Massenscreening der gesamten Bevölkerung an, sondern dann untersucht er diesen einzelnen Patienten.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Dr. Flo- rian Herrmann (CSU): Aber nur, wenn er das Gerät hat!)

Deswegen ist Ihr Vergleich völlig hanebüchen.

Auch Ihre weiteren Forderungen nach Strafverschärfungen sind aus unserer Sicht verfassungsrechtlich höchst bedenklich, zum Beispiel der Einsatz von Schadsoftware. Dieser sogenannte Bayern-Trojaner ist schon entsprechend qualifiziert worden. Die Datenschutzbeauftragten haben sich sehr deutlich dagegen ausgesprochen. Auch die umfassende und anlasslose Speicherung von Fluggastdaten schreiben Sie wiederholt in Ihr Papier.

Ich halte Ihre Forderung, Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen, für untragbar. Der Entzug der Staatsbürgerschaft ist nach dem Grundgesetz verboten. Das ist im Übrigen auch eine Lehre aus der NS-Zeit. Wir haben hier vor zwei Tagen eine sehr würdige Gedenkveranstaltung gehabt. Wir sollten nicht nur solche Gedenktage abhalten, sondern Lehren aus der Vergangenheit sehr ernst nehmen. Ihr Vorschlag zeugt nicht nur von Geschichtsvergessenheit, sondern er zeigt auch, dass Sie keine Verantwortung für die Menschen übernehmen wollen, die in unserer Gesellschaft aufwachsen und sich radikalisieren, die für Verführer anfällig werden. Wir haben die Verantwortung für diese Menschen. Deswegen können wir sie nicht abschieben in irgendein anderes Land, sondern wir müssen uns hier Maßnahmen überlegen, wie wir mit diesen Menschen so umgehen, dass von ihnen keine Gefahr für die Bevölkerung ausgeht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin Bause, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Reichhart zu?

Nein, ich lasse keine Zwischenfrage zu.

Sie haben wieder das Wort.

Auch Ihre Forderung nach einem speziellen Ersatzpersonalausweis halten wir nicht für sinnvoll. Sehr viel sinnvoller sind aus unserer Sicht verstärkte Ausreisekontrollen und Ausreiseuntersagungen. All das kann man schon machen. Man kann Meldeauflagen machen. Man muss sie kontrollieren und durchsetzen. Dazu brauchen Sie keinen Terroristenpersonalausweis. Sie müssen ganz konkret die Behörden vor Ort unterstützen, damit sie

ihre Arbeit machen können. Diese Möglichkeiten gibt es schon. Sie müssen die Behörden vor Ort und die Polizei unterstützen. Um das umzusetzen, brauchen Sie keinen Terroristenpersonalausweis.