Protocol of the Session on January 29, 2015

Handlungsbedarf besteht dann, wenn die neue Zusammensetzung der Gremien ansteht. Vorher besteht kein Handlungsbedarf. Wir haben also ausreichend Zeit. Besteht ein großer Änderungsbedarf, wie Sie das versucht haben nahezulegen? – Ich meine: Nein. In Bayern erfüllen der Rundfunkrat und der Medienrat bereits heute wesentliche Vorgaben des Verfassungsgerichts. Das haben Sie nicht gesagt. So darf der Anteil von Vertretern der Staatsregierung und des Parlaments ein Drittel nicht überschreiten.

(Prof. Dr. Michael Piazolo (FREIE WÄHLER): Das tut er!)

- Nein, das tut er nicht. Die kommunalen Vertreter kommen hinzu. Damit wird der Anteil überschritten. Die Gremien-Mitglieder werden frei gewählt und sind nicht an Weisungen gebunden. Auch das ist ein Un

terschied zu den Regelungen der anderen Länder und des ZDF. Die Sitzungen sind heute schon öffentlich.

Ich gestehe zu, dass darüber hinaus Handlungsbedarf besteht. Das ist völlig unstrittig. Sie haben angesprochen, dass die Inkompatibilitätsregelungen erweitert und die Gremienzusammensetzung angepasst werden müssen. Außerdem müssen relevante Gruppen berücksichtigt und regelmäßig Evaluationen durchgeführt werden. Einer Erstarrung der Gremien muss entgegengewirkt werden. Die Gleichstellung von Frauen ist ein Thema, das wir uns anschauen müssen. Das gilt auch für die Begrenzung von Amtszeiten. In diesen Fragen besteht im Grundsatz Einigkeit.

Mich wundert jedoch das Verfahren. Sie haben gesagt, Sie wollten eine Anhörung. Das haben Sie auch zusammen mit der Opposition beantragt. Sie scheren jedoch bereits im Vorfeld mit einem eigenen Gesetzentwurf aus, in dem Festlegungen getroffen werden. Das müssen Sie mit der Opposition ausmachen. Wir halten das für den klar falschen Weg. Meine Damen und Herren, eine Anhörung nach der Einbringung eines Gesetzentwurfs durchzuführen, ist schräg.

(Beifall bei der CSU)

Der Gesetzentwurf ist aus einer ganzen Reihe von Gründen abzulehnen:

Erstens. Sie wollen den Einfluss der Politik und vor allem der Abgeordneten zurückdrängen. Das haben Sie gerade gesagt. Herr Kollege Dr. Piazolo, Sie leiten das aus dem Urteil des Verfassungsgerichts ab. Das ist aber falsch. Das Verfassungsgericht hat gesagt, dass es eine Staatsferne sehen wolle und die Grenze bei einem Drittel ziehe. Das Verfassungsgericht hat nicht gesagt, dass die Volksvertretung oder die Exekutive keine Rolle mehr spielen sollten.

Herr Kollege Dr. Piazolo, ein Punkt ärgert mich: Sie sind Politikwissenschaftler. Sie degradieren die Stellung des Parlaments zur Stellung einer beliebigen gesellschaftlichen Gruppe. Sie haben wörtlich gesagt: "Relevanz statt Masse". Dies wird der Volksvertretung nicht im Ansatz gerecht.

(Beifall bei der CSU – Karl Freller (CSU): Sehr richtig!)

Welcher Akteur hat eine so breite demokratische Legitimation durch öffentliche Wahlen? Frei, gleich geheim - das müssten Sie eigentlich wissen. Trotzdem behaupten Sie, dass dadurch keine Volksvertretung abgebildet würde. Das kann ich nicht nachvollziehen.

Herr Kollege, ganz schräg wird es, wenn ich Ihr Zitat von der Pressekonferenz, die Sie im November letz

ten Jahres abgehalten haben, dazunehme. Sie haben gesagt, die Politiker müssten Platz machen für wichtige gesellschaftliche Gruppen. Sehen wir uns an, was Sie konkret regeln wollen: Sie wollen, dass die anderen Fraktionen Platz machen, aber Sie, lieber Herr Kollege, möchten gern im Medienrat bleiben. Die CSU und die SPD sollen jedoch ihre Vertreter abgeben. Herr Kollege, wenn das Ihr Verständnis von Vielfalt in den Gremien ist, dann haben Sie wenig verstanden.

(Beifall bei der CSU)

Zweitens. Wir wenden uns dagegen, die Vertretung der Staatsregierung zu eliminieren. Dafür gibt es überhaupt keinen Anlass. In dem Urteil gibt es definitiv keinen Hinweis darauf, dass die Exekutive nicht mehr vertreten sein sollte. Ganz im Gegenteil! Wir halten es geradezu für notwendig, dass die Häuser der Staatsregierung, die die Verantwortung tragen, vertreten sind.

(Prof. Dr. Michael Piazolo (FREIE WÄHLER): Die sind nie da!)

Zum Thema der Entsendung von Frauen – das ist der dritte Punkt – kommt von Ihnen der Vorschlag, Vertreter des Bayerischen Landesfrauenrats einzuführen. Im Gegenzug soll die Stellung anderer gesellschaftlicher Großorganisationen beschnitten werden, lustigerweise gerade denjenigen, die bisher schon Frauen geschickt haben. Diese Organisationen sollen bestraft werden, um auf anderem Weg Frauen in das Gremium zu bringen. Dies erschließt sich mir nicht. Ich glaube, das ist nicht logisch.

Viertens. Sie haben erklärt, Sie wollten einen muslimischen Mitbürger berücksichtigt sehen. Sie haben aber vergessen, einen Hinweis zu geben, wie dieser Vertreter gefunden werden soll. Hierzu fehlt eine konkrete Bestimmung. Wie Sie wissen, gibt es nicht die Vertreter der muslimischen Glaubensrichtung. Das ist schwierig.

Fünftens. In Ihrem Gesetzentwurf gibt es eine gewisse Beliebigkeit. Bei der Pressekonferenz haben Sie gesagt, der Verbraucherschutz sei ein ganz wichtiges Thema; der Verbraucherschutz müsse berücksichtigt werden. Jetzt ist der Verbraucherschutz aus Ihrem Gesetzentwurf wieder herausgefallen; stattdessen ist die Bürgerallianz dabei.

Sechstens. Sie haben erklärt, dass drei Sitze jeweils neu vergeben werden sollten. Sie wollen es der Staatsregierung anheimstellen, wie diese Sitze vergeben werden. Dies ist verfassungswidrig. Hier fehlt es an einer gesetzlichen Bestimmung, die logischerweise nur der Gesetzgeber erlassen kann. Dies können wir nicht der Exekutive überlassen.

Siebtens. Ihr Vorschlag, in jeder dritten Amtszeit eine Frau in das Gremium zu entsenden, ist wiederum uns zu wenig. Was Sie sich erhoffen, nämlich rasch mehr Frauen in ein Gremium zu bekommen, würden wir auf diesem Wege erst in zehn Jahren oder später erreichen. Das ist uns zu wenig.

Achtens. Zum Thema Inkompatibilität müssen Sie das Urteil noch einmal genau lesen. Hier sind auch die Vertreter der Kommunen erfasst. Darauf gehen Sie in Ihrem Gesetzentwurf jedoch nicht ein. Hier muss die Grenze weiter gezogen werden.

Meine Damen und Herren, mir ist wichtig zu betonen, dass sich die Aufsicht über den Rundfunk in Bayern durch den Rundfunkrat und den Medienrat bewährt hat.

(Beifall bei der CSU)

Deswegen gibt es für uns keinen Anlass für eine grundlegende Neuordnung. Eingedenk dessen, was ich eingangs gesagt habe, gibt es für uns vor allem keinen Anlass für eine überhastete Vorfestlegung, wie sie von Ihnen mit handwerklichen Fehlern gebracht wurde. Wir werden deshalb den Gesetzentwurf ablehnen.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. - Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Kollegin Fehlner das Wort. – Bitte schön, Frau Kollegin.

(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist und bleibt eine unserer wichtigsten demokratischen Errungenschaften nach 1945. Wir sind froh und stolz, dass wir ihn haben. Ihn gilt es auch in Zukunft in Qualität, Vielfalt und Unabhängigkeit zu sichern. Das bedeutet zugleich, dass wir versuchen müssen, ihn vor allem vor einer unangemessenen politischen Einflussnahme zu schützen.

(Beifall bei der SPD)

Dieses Erfordernis ist auch Inhalt des Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Dieses Urteil hat natürlich auch Auswirkungen auf unsere Aufsichtsgremien über den Bayerischen Rundfunk und die Bayerische Landeszentrale für neue Medien. Es geht hierbei um die Staatsferne im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Zusammensetzung der Gremien. Hier sehen wir Reform- und Handlungsbedarf. Die Gremien müssen unsere Gesellschaft vielseitig und facettenreich wider

spiegeln und dürfen nicht versteinern; ich drücke es einmal so salopp aus.

Seit Jahrzehnten hat sich an der Zusammensetzung der Räte kaum etwas geändert. Schwer verständlich ist für mich beispielsweise, dass wir zwar über Inklusion in allen gesellschaftlichen Bereichen reden, aber in den Aufsichtsgremien Menschen mit Behinderung genauso wenig wie Menschen mit Migrationshintergrund vertreten sind. Die Repräsentanz von Frauen in der Rundfunkaufsicht ist immer noch weit von einem paritätischen Verhältnis entfernt. Das sind nur ein paar Beispiele, die ich noch weiter ausführen könnte.

Fakt ist: Hier müssen wir neu denken; hier müssen wir umdenken. Rundfunkaufsicht ist natürlich keine Castingshow. Uns geht es um das vom Verfassungsgericht neuerlich geforderte Gebot der Vielfaltssicherung. Dazu gehört, die Aufsichtsorgane darauf auszurichten, dass Personen mit möglichst vielen Perspektiven und Erfahrungshorizonten aus allen Bereichen des Gemeinwesens vertreten sind. Für sehr bedenkenswert halte ich die Empfehlung der Verfassungsrichter, neben großen, das öffentliche Leben bestimmenden Verbänden und Organisationen kleine, untereinander wechselnde Gruppierungen zu berücksichtigen. Das Verfassungsgericht hat festgestellt, dass die Aufsichtsgremien staatsfern, aber nicht staatsfrei sein sollen. Das ist richtig und wichtig. Es argumentiert weiter, gewählte Volksvertreter seien prägender Bestandteil eines demokratischen Gemeinwesens. Es entspreche ihrer politischen Gesamtverantwortung, dass auch sie Aspekte des Gemeinwohls in die Arbeit der öffentlich-rechtlichen Anstalten einbringen. Ihr Einfluss darf aber nicht beherrschend sein. Deshalb begrenzt das Verfassungsgericht den Anteil der Vertretung aus Politik und Staat auf ein Drittel.

Wir sehen in Bayern gesetzgeberischen Handlungsbedarf auf diesem Gebiet und fordern eine Unvereinbarkeitsregelung, die verhindert, dass Verbände und Organisationen Politiker oder staatsnahe Vertreter in die Gremien entsenden. Wir haben einen interfraktionellen Antrag eingebracht - Herr Kollege Blume, Sie haben das schon angesprochen –, in dem wir eine Anhörung zu diesem Thema fordern. Danach werden wir eine Entscheidung treffen und gegebenenfalls einen eigenen Gesetzentwurf einbringen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt hat Frau Kollegin Osgyan das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir brauchen

eine starke Rundfunk- und Medienaufsicht. Herr Piazolo hat gerade die Diskussion um den aktuellen Auftritt von Herrn Staatsminister Söder in "Dahoam is Dahoam" in unser Parlament eingebracht. Diese Diskussion hat gezeigt: Es geht nicht darum, dass Politik in fiktionalen Formaten keinen Platz haben soll, sondern darum, dass man über die redaktionelle Umsetzung sprechen muss.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Darüber werden wir im Rundfunkrat sprechen. Es gibt zwar schon eine plurale Aufsicht, sie muss aber auch der Vielfalt und Zusammensetzung unserer Gesellschaft gerecht werden. Die aktuelle Zusammensetzung des Rundfunkrats und des Medienrats zeigt außerdem, dass die notwendige Staatsferne nicht gegeben ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Blume, ich widerspreche Ihnen. Wir haben durchaus Handlungsbedarf und können nicht ewig abwarten; denn die aktuelle Zusammensetzung des Rundfunkrats und des Medienrats zementiert im Prinzip die Zusammensetzung der Gesellschaft der Siebzigerjahre. Diese ist weit überholt. Ich denke, dass alle Vertreterinnen und Vertreter eine gute Arbeit leisten. Allerdings spiegelt bei 47 Mitgliedern die Mitgliedschaft von zwei Vertretern des Bauernverbands nicht die aktuelle Repräsentanz der Bauern in der Gesellschaft wider.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es wurde schon angesprochen, dass zu wenig Migrantinnen und Migranten repräsentiert sind. Aktuell hat überhaupt niemand aus dieser Gruppe einen Sitz im Rundfunkrat. Nichtchristliche Frauen-Organisationen sind dort ebenfalls nicht vertreten. Wir haben auch schon gehört, dass Menschen mit Behinderung nicht repräsentiert sind. Jedoch ist es wichtig, dass unsere moderne plurale Gesellschaft in ihrer ganzen Breite vertreten ist.

Deshalb freut mich ganz besonders, dass durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts Bewegung ins Spiel kommt und infolgedessen auch in Bayern die Zusammensetzung der Räte überdacht werden muss, nachdem sehr lange Zeit auf diesem Gebiet nichts passiert ist. Ich finde es etwas schade, dass die CSU sagt, wir hätten Zeit bis zur nächsten Neubesetzung der Gremien; man kann die Sache auch jetzt angehen. Andere Bundesländer wie Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen haben das bereits getan.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Zeiten, in denen die Anträge, die wir zu dem Thema vielfach gestellt haben, vom Tisch gewischt wurden, sind Gott sei Dank endlich vorbei. Ich begrüße den Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER ganz ausdrücklich, weil er das Thema nochmals aufs Tapet bringt. Ich muss jedoch einen Knackpunkt benennen. Der Teufel liegt im Detail; der Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER ist operational nicht so ausgeführt, wie ich es mir vorstellen würde.

Ein Beispiel wurde bereits genannt; es betrifft die geschlechtergerechte Verteilung der Sitze in den Gremien. Aktuell gibt es dort einen Frauenanteil von 25 %. Das ist beschämend. Zwar gibt es auch im Bayerischen Landtag einen Frauenanteil von nur 30 % - das finde ich ebenfalls beschämend -, aber ich finde, in den Medienaufsichten sollten wir der Geschlechterverteilung wirklich besser gerecht werden können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf bringt keine wirkliche Lösung. Darin steht zum Beispiel die windelweiche Bestimmung, für mindestens jede dritte Amtszeit des Rundfunkrats soll eine Frau entsandt werden; bei schriftlicher Begründung kann davon abgewichen werden. – Ich kann mir vorstellen, dass sich irgendeine Begründung immer findet. Das kann ich nicht akzeptieren.