Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin ganz froh, dass der Kollege Glauber den Eindruck, den das Thema der Aktuellen Stunde ein bisschen erweckt hat, mit seinem Redebeitrag verwischt und den Mindestlohn nicht infrage gestellt hat. Dafür bin ich ihm dankbar.
Liebe Kollegin Weikert, wir sind zwar keine Regierungspartei in Berlin, aber doch in vielen anderen Bundesländern. Auch wir GRÜNE stehen zum Mindestlohn. Das ist hier in diesem Hohen Hause, denke ich, klar.
Man sagt bei diesem Thema gern "ohne Wenn und Aber". Das kann ich heute allerdings nicht so ganz unterstreichen; denn es gibt durchaus ein Aber. Darauf komme ich später noch zurück.
Dieses Gesetz ist von der Arbeitsministerin mit heißer Nadel gestrickt worden. Jetzt, nach vier Wochen Erfahrung damit, zeigen sich Probleme, und es kommt Kritik. Es wird eine Entschlackung des bürokratischen Chaos gefordert. Seltsamerweise hört man hier aber nur die Stimmen der Arbeitgeber oder der arbeitgebernahen Verbände.
Man hört nicht die vielen tausend Stimmen derjenigen, die jetzt endlich einen Mindestlohn erhalten und damit für ihre Arbeit den Lohn bekommen, den sie verdienen und von dem sie im Rahmen einer Vollzeitstelle leben können. Diese Stimmen sind leider viel zu wenig zu hören.
Lieber Herr Kollege Unterländer, Ihre Haltung gegenüber dem Gesetz ist für mich frappierend. Ich gehe davon aus, lieber Kollege Unterländer, dass Ihnen bereits vorher klar war, wie das Gesetz umgesetzt wird und wie die Verordnung dazu aussieht. Dass es eine Überprüfung geben und dass das der Zoll machen soll, haben Sie in Berlin mitgetragen. Nun wird in München an diesem Gesetz herumgemäkelt. Es heißt: Wie kann das sein? – Der ganze Vorlauf scheint an Ihnen vorbeigegangen zu sein, lieber Kol
lege Unterländer. Das ist unglaubwürdig. Wir vermuten, dass Sie die Axt an dieses Mindestlohngesetz anlegen wollen.
Dass die Einkommensgrenzen überprüft werden sollen, dagegen sage ich nichts. Ob die 2.958 Euro die Einkommensgrenze sein müssen – man hat sich auf diese Höhe geeinigt –, kann man hinterfragen. Das könnte abgesenkt werden. Aber Minijobs generell von der Dokumentationspflicht auszunehmen, das kann nicht sein. Gerade bei den Minijobs waren doch Niedrigstlöhne und die Umgehung von Standards an der Tagesordnung. Jetzt zu sagen, bei den Minijobs müssen wir genauer hinsehen, ist nicht in Ordnung. Gerade hier brauchen wir die 8,50 Euro. Davon sollte man nicht abgehen.
Dass die Evaluierung überhaupt im Gesetz steht, ist den GRÜNEN zu verdanken. Dass sie erst im Jahr 2020 erfolgen soll, ist aber nicht akzeptabel. Es muss eine schnellere Evaluierung im Laufe dieses Jahres erfolgen. Die Kolleginnen und Kollegen haben die einzelnen problematischen Bereiche benannt. Ich nenne das Taxigewerbe. Ein selbstständiger Taxiunternehmer kann den ganzen Tag in seinem Auto sitzen. Ein angestellter Fahrer muss seinen Stundenzettel abgeben. Ob der dann wirklich stimmt, weiß im Grunde niemand.
Zu den Sportvereinen hat Kollege Glauber Ausführungen gemacht. Ich ergänze noch: Bei den Amateuren gibt es 250-Euro-Verträge für Trainer oder Spieler über 29 Stunden. Wenn Sie dem Sport nahe stehen, wissen Sie, dass 29 Stunden in einer bis zwei Wochen erreicht sind. Wie sollen die Vereine das Geld erwirtschaften, um diesen Spielern oder Trainern den Mindestlohn zu zahlen? - Die Vorstände der Vereine in ganz Deutschland machen sich aktuell strafbar, wenn sie das Mindestlohngesetz nicht einhalten. Ich glaube, man kann nicht sagen, dann sollen die halt ihren Etat erhöhen. Das geht im Sport nicht so einfach.
Ein weiteres Beispiel sind Saisonbetriebe mit Jahresarbeitszeitverträgen. Wie soll ich eine Wochenarbeitszeit dokumentieren, wenn ich Jahresarbeitszeitverträge abgeschlossen habe, weil das Arbeitsaufkommen volatil ist? Es gibt Überprüfungsbedarf; das ist notwendig. Das sehen wir so. Wir wollen keinen Generalverdacht gegen Unternehmer. Aber der DGB hat ein Telefon eingerichtet. Wenn dort ein Drittel der Anrufer sagt, der Arbeitgeber versuche schon wieder, den Mindestlohn auszuhebeln, dann ist eine Überprüfung
Vielen Dank. Für die CSU-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Dr. Schwartz das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Eines vorab: Es war nicht alles falsch, was meine Vorredner gesagt haben. Viele der Positionen würden auch wir unterschreiben, aber es kommt dann doch auf das Detail an.
Frau Weikert, Sie haben auf das Thema der Aktuellen Stunde Bezug genommen und wollten einen Vergleich ziehen bzw. alle Beamten als diffamiert darstellen. Das sehen wir nicht so.
Herr Mütze, Sie haben gesagt: Ob Stundenzettel tatsächlich stimmen, das weiß niemand. Genau das ist das Problem. Der Arbeitgeber muss das ab jetzt wissen, weil er dafür haftet.
Die Debatte zeigt ein sehr seltsames Bild vom Unternehmer, das in einigen Köpfen offensichtlich noch vorhanden ist. Ich darf hier einen Ausspruch zum Besten geben, der mir gestern zu Ohren gekommen ist. Winston Churchill sagte wohl einmal: Es gibt Leute, die halten Unternehmer für einen räudigen Wolf, den man totschlagen müsse; andere meinen, der Unternehmer sei eine Kuh, die man ununterbrochen melken kann. Nur ganz wenige sehen in ihm das Pferd, das den Karren zieht.
Mit einem Mindestlohn von 8,50 Euro konnten und können wir uns auch seitens der Unternehmerschaft nolens volens einverstanden erklären, wobei sich, wie Sie alle wissen, natürlich viele Fragen stellten, etwa in Bezug auf regionale Unterschiede. Was kostet die Dienstleistung am Starnberger See und was im Bayerischen Wald? Regionale Unterschiede und Branchenunterschiede treten heute sehr deutlich zutage, wenn wir uns anschauen, aus welchen Branchen uns die Beschwerden erreichen. Die betroffenen Branchen leiden im Augenblick aber nicht nur unter der gewollten Erhöhung, sondern vor allem an der eher problematischen Umsetzung, etwa in der Pflege, in den Sozialberufen, in der Gastronomie, bei Speditionen,
Wenn Sie bei Google "Kritik an der Umsetzung des Mindestlohns" eingeben, erhalten Sie heute 533.000 Treffer. Viele davon beschreiben ein Bild, das uns zum Handeln auffordert. Die CSU als Mittelstandspartei will handeln. Die Höhe des Mindestlohns ist dabei, auch bei kurzfristig geringfügig Beschäftigten, gar nicht das große Thema, sondern die Umsetzung. Basierend auf § 17 Absätze 3 und 4 des Mindestlohngesetzes ist sie, – man darf es wohl so sagen – zumindest verunglückt. Man hätte das in Berlin auch seitens der Unionsfraktionen merken müssen, dürfen, sollen; ich weiß nicht mehr, wer das vorhin gesagt hat. Achtung: Diese Verordnung ist ohne Mitwirkung des Bundestags und des Bundesrats zustande gekommen. Das ist schlicht so.
Dabei gibt es wenigstens drei ganz große Problemfelder: erstens die Dokumentationspflicht, zweitens die Auftraggeberhaftung und drittens die Kontrollen. Lassen Sie mich vorweg sagen: Ich möchte hier Minimalforderungen darstellen. Es wird bei Weitem mehr veranlasst sein, aber Minimalforderungen müssen sein. Zum Beispiel müssen gewerbliche Minijobs vom Anwendungsbereich ausgenommen werden, und der Schwellenwert muss heruntergesetzt werden, wie Herr Kollege Mütze gerade gesagt hat. Dieser ist ohnehin ein Kalauer, wenn man feststellt, dass der Schwellenwert bei 2.958 Euro liegen soll, was, – wie vielen bekannt ist – 29 Tagen à 12 Stunden Mindestlohn entspricht. Selbst Abgeordnete schaffen es kaum, 29 Tage durchgehend 12 Stunden zu arbeiten.
Das weiß ich. Frau Kollegin, darauf kommen wir vielleicht noch zu sprechen. - Ich habe in einer früheren Verwendung einmal gelernt: Wer schreibt, der bleibt. So ähnlich scheint es auch hier zu sein. Aber die Unternehmer haben durchaus noch anderes zu tun, als zu dokumentieren. Sie sind eben nicht die Melkkühe, die Steuereintreiber, die Statistiker, die Fürsorger etc. Und wehe, wenn der Unternehmer Gewinn macht. Das ist das Bild, das in den Köpfen offensichtlich herumschwirrt.
Die Auftraggeberhaftung ist ein Unding. Jeder, der die Wirtschaft kennt, weiß, wie Vertragsverhandlungen geführt werden. Der weiß auch, dass die Auftraggeberhaftung praktisch nicht umsetzbar ist. Ich kann nicht von jedem Unternehmen, das ich beauftrage, einen Nachweis verlangen und gleichzeitig selbst in
die Haftung gehen, und das bei Wegfall der Exkulpationsmöglichkeit, die ursprünglich schon einmal reinverhandelt worden war. Die Wiedereinführung der Exkulpationsmöglichkeit, der Festlegung also, dass der Auftraggeber nicht persönlich haftet, zumindest dann, wenn er nicht wusste oder nicht wissen konnte, dass sein Subunternehmer den Mindestlohn unterschreitet, sollte nun wirklich Konsens werden.
Dass wir hier regelrecht einem Kontrollwahn unterliegen, ist ein weiteres Beispiel dafür, dass hier tatsächlich überbordender Bürokratismus entsteht, Frau Weikert. In jedem anderen Bereich würde man Zeter und Mordio schreien, wenn wir 1.600 neue Stellen bräuchten.
Von der Verordnung sind heute 9,3 Millionen Arbeitnehmer – 9,3 Millionen Arbeitnehmer! – betroffen. Wir müssen hier nachbessern und den Anwendungsbereich der Verordnung reduzieren.
Die Evaluierung im Jahr 2020 kommt viel zu spät. Jeder kann in seinem Büro beobachten, wie die Beschwerden hereinprasseln. Wir wissen jetzt schon, wo die Probleme liegen. Was die Bewertung der Aussage betrifft, fünf Jahre abzuwarten, bis wir am Schluss feststellen, da müssen wir nachbessern, sind wir zu spät dran.
Das vielleicht viel größere Problem ist aber die Tatsache, dass wir es hier mit einem echten Systembruch zu tun haben. Bisher begegnen sich zwei Vertragspartner auf Augenhöhe: der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber.
So ist es im wirklichen Leben. Es ist nicht mehr der ausbeuterische Staat des 19. Jahrhunderts, sondern wir sind weiter. Da müssen Sie jetzt auch weiterkommen.
Ich beschäftige selber mehr als 100 Personen und sage Ihnen eines: Ich weiß, wie Arbeitsverträge verhandelt werden.
In dem Augenblick, in dem wir unser Unternehmerbild ändern, erkennen wir auch, dass bei einer Vertragsbeziehung, in der sich zwei Vertragsparteien gegenüberstehen, sich plötzlich eine dritte in den Raum drängt, und das wäre hier der Staat,