Dass im Gesetzgebungsverfahren das eine oder andere verändert wird, weiß jeder, der den Deutschen Bundestag mit dem sogenannten Struckschen Gesetz konfrontiert. Gesetze – und dafür sind die parlamentarischen Beratungen da – haben eben auch das eine oder andere aufzunehmen und zu verändern. Und dazu gehören Übergangsregelungen.
Aber in erster Linie ist das Ziel dieses Gesetzes, Missbrauch auf dem Arbeitsmarkt zu beenden. Es ist ein zentrales Ordnungselement in einer sozialen Marktwirtschaft. Es geht um den Erhalt der Balance zwischen den Arbeitnehmerrechten und den Arbeitgeberrechten. Dazu gehört es, den Mindestlohn auch in Bayern konsequent umzusetzen. Es ist eben nicht so, wie uns die Vorredner glauben machen wollten.
Mir liegen Schreiben von Universitäten vor, in denen die Kanzler ganz klar sagen: Es ist nicht mit mehr Haushaltsmitteln zu rechnen. Bitte lassen Sie die Verträge am 31.12 auslaufen. – Und in allen neuen Verträgen berücksichtigen sie in der Kalkulation ihrer Institute und des Haushalts der Universität den gesetzlichen Mindestlohn. Das ist nämlich genau das, was Herr Unterländer eben auch gerade angesprochen hat. Es wird auf dem Rücken der Arbeitnehmer ausgetragen, und zwar dort, wo sowieso schon prekäre Arbeitsverhältnisse sind. Dann hat man die Wahl: Entweder hat man einen kürzeren Vertrag an der Universität, oder man hat im Prinzip gar keinen Vertrag mehr. Das nenne ich: nicht den Geist des Mindestlohns leben.
Da ist die Bayerische Staatsregierung gefordert. Die Universitäten sind unsere. Es gilt, den Universitäten deutlich zu machen: Wir erwarten, dass der Mindestlohn konsequent eingehalten und umgesetzt wird.
Das ist aber nur der erste Schritt. Wenn sich herausstellt, dass eine Verstärkung der Haushaltsmittel vonnöten ist, dann müssen mehr Mittel in einem Nachtragshaushalt eingebracht werden. Das wäre ein ehrlich gelebtes Gesetz. Das wäre, das Gesetz mit Herz in die Hand zu nehmen.
Es liegen auch Befürchtungen vor von Verbänden, die im Rettungswesen tätig sind. Auch dort ist offenbar ernsthaft beabsichtigt, die Einsatzstunden und die Vergütungen nur so anzuheben, dass der Mindestlohn im Prinzip auch dort nicht gelebt werden kann.
Die Erhöhung des Haushaltsansatzes bleibt unter den Möglichkeiten, sodass auch dort der Mindestlohn nicht tatsächlich erfüllt werden kann. Die Verbände sagen, 15 % Erhöhung seien vonnöten, und 2,8 % an Haushaltsverstärkungsmitteln sollen im Augenblick geleistet werden. Auch dort wird der Geist dieses Gesetzes nicht gelebt. Das ist es, was wir mit dieser Aktuellen Stunde eigentlich uns allen ins Stammbuch schreiben.
Diejenigen, die die Koalition in Berlin leben, haben auch auf der bayerischen Ebene das Gesetz so umzusetzen, dass es tatsächlich als Vorbild im öffentlichen Bereich gelten kann; denn nur wenn wir Vorbild sind, können wir andere Arbeitgeber in Bayern kritisieren, dass sie hinterherhinken.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Jetzt hat für die CSU-Fraktion Frau Kollegin Schreyer-Stäblein das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Weikert hat am Anfang gesagt, das sei der bedeutendste Reformentwurf. Ich bin einmal gespannt und ich hoffe, dass die Koalition in Berlin noch etwas mehr bedeutende Reformentwürfe bringt als den einen,
wenngleich es hier um ein Thema geht, das natürlich sehr wichtig ist. Bei diesem Thema dürften wir uns alle darin einig sein: Natürlich muss jeder von dem Geld, das er verdient, leben können. Natürlich kann es nicht sein, dass sich Unternehmer abstimmen und entsprechend wenig Geld zahlen wollen. Darin dürften wir uns einig sein. Ob der Gesetzentwurf die Lösung des Problems ist, werden wir noch feststellen. Darauf werden wir miteinander achten.
Ich habe verstanden, dass dieses Gesetz einen Beitrag leistet. Ich wünsche uns allen, dass der Beitrag so ist, dass es wirklich funktioniert. Zu der Idee, dass Bayern die Stellen organisiert oder mit einstellen soll, oder, wie Sie so schön beschreiben, dass Bayern in Vorleistung gehen muss, hat Herr Rosenthal ein Bei
spiel genannt. Ich kann es nicht nachprüfen, ich glaube ihm aber, dass es genauso ist. Das würde das Gesetz aber schon wieder in Zweifel ziehen; denn wenn man mit dem Gesetz trotzdem die Möglichkeit hätte, Dinge so auszuhebeln, dass das Geld nicht beim Einzelnen ankommt, dann wäre es schwierig. Wir werden sicher gemeinsam überlegen, wie wir das Problem lösen können. Ich will nur sagen: Das Beispiel war leider keine Rede für das Gesetz, weil wir an der Stelle offensichtlich das Problem immer noch nicht lösen würden.
Kollege Freller hat zu Recht angesprochen, dass die 1.600 Stellen unbesetzt sind. Insofern bitte ich, dass wir in Berlin gemeinsam dafür Sorge tragen, dass die Stellen entsprechend organisiert werden. Das tun wir ja nicht in Bayern, sondern in Berlin. Es würde ja nichts helfen, wenn die Leute nicht auf den Stellen sind, um das zu kontrollieren. Ich weiß nicht, ob man immer alles bis ins letzte Detail kontrollieren kann. Ich stelle mir vor, wie der Zeitungsträger mit einer Zeiterfassung, die gerade angesprochen wurde, kontrolliert werden soll. Ob das also der Weisheit letzter Schluss ist, weiß ich nicht. Wir werden das miteinander überlegen müssen.
Ich persönlich kann das Ganze deswegen gutheißen, weil die Ausnahmeregelungen, die vorhin dargestellt wurden, enthalten sind. Ich hätte es mir sonst nicht vorstellen können, egal, ob ich die Praktika nehme, ob ich den Langzeitarbeitslosen nehme, ob ich den Unter-18-Jährigen nehme, der die Berufsausbildung noch nicht abgeschlossen hat. Das ist, Gott sei Dank, rausverhandelt worden. Insofern kann ich mich dem schon anschließen.
Ich hoffe, dass das Gesetz den Push bekommt, der hier mehrmals dargestellt wurde. Ob das alles über Kontrolle bis ins Letzte funktioniert, weiß ich nicht.
Für mich persönlich ist eine Aussage schwierig wie vorhin die: die Arbeitgeber. Ich mag keine Pauschalierungen. Wir haben Arbeitgeber, die sehr wohl die Arbeitskraft des Menschen wertschätzen und entsprechend bezahlen. Wir haben natürlich auch andere. Wenn wir es schaffen würden, etwas mehr Motivation reinzubringen, dann soll es mir recht sein, wenn das Gesetz greift.
Ich muss aber sagen: Wenn das der bedeutendste Reformentwurf wäre, den wir in Berlin in dieser Legislatur schaffen würden, dann wäre ich damit nicht zufrieden.
Vielen Dank. – Für die Staatsregierung hat Frau Staatsministerin Müller ums Wort gebeten. Bitte schön, Frau Staatsministerin.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Koalitionsvertrag haben wir, CDU/CSU und SPD, den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn verankert. Ab dem 1. Januar 2015 wird es bundesweit einen Mindestlohn von 8,50 Euro geben.
In den ersten beiden Jahren kann in einzelnen Branchen über Tarifverträge davon abgewichen werden. Das wurde jetzt mehrfach diskutiert. Ab dem 1. Januar 2017 gilt der Mindestlohn von 8,50 Euro dann ohne Ausnahme. Auch der Freistaat Bayern kommt seiner Verpflichtung nach, Frau Weikert. Das möchte ich hier in aller Deutlichkeit sagen. Dazu stehen wir.
Die gerechte und auskömmliche Entlohnung von Arbeitsleistung ist ein Grundprinzip der sozialen Marktwirtschaft. Da bin ich ganz bei Ihnen. Die Umsetzung des Mindestlohngesetzes ist Sache der Bundesregierung. Das möchte ich ganz klar zum Ausdruck bringen. Sie können aber sicher sein, dass sich die Bayerische Staatsregierung für eine praxisgerechte Umsetzung des Mindestlohns einsetzt.
Dabei ist uns Folgendes wichtig: Die Arbeitsplätze dürfen nicht gefährdet werden. Karl Freller hat das vorhin angesprochen. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist momentan hervorragend. Wir haben einen robusten Arbeitsmarkt in Bayern. In Bayern liegt die Arbeitslosenquote aktuell bei 3,4 %. Wir sind auf dem Weg zur Vollbeschäftigung. Diesen Erfolg dürfen wir auf keinen Fall aufs Spiel setzen. Wir brauchen Flexibilität. Unverhältnismäßige Belastungen für die Wirtschaft müssen wir tunlichst vermeiden, damit sie im härter werdenden internationalen Wettbewerb weiter bestehen kann: denn wenn Arbeitsplätze wegfallen – dessen müssen wir uns auch bewusst sein –, nützt der ganze Mindestlohn überhaupt nichts.
Für unsere Beschäftigten wollen wir Fairness, also auskömmliche Löhne, Sicherheit und Schutz. Wir haben im Gesetzgebungsverfahren dafür gesorgt, dass die guten Absichten nicht ins Gegenteil verkehrt werden. Es war uns zum Beispiel ein Anliegen, speziell für die Langzeitarbeitslosen, wie vorhin angesprochen, einen Weg zu finden, der ihnen den Zugang zum ersten Arbeitsmarkt nicht unnötig erschwert. Für sie gilt der Mindestlohn erst nach sechs Monaten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist eine Win-winSituation. Ein Arbeitgeber erklärt sich bereit, einen Langzeitarbeitslosen einzustellen. Für den Langzeitarbeitslosen eröffnet sich die Chance, sich dort einzuarbeiten und Fuß zu fassen. Außerdem haben wir uns
erfolgreich dafür eingesetzt, dass ausbildungsbegleitende Praktika und Orientierungspraktika bis zu einer Dauer von drei Monaten vom Mindestlohn ausgenommen sind. Unseren Ansatz, die Wirtschaft nicht unverhältnismäßig zu belasten und den Arbeitnehmern einen wirksamen Schutz zu bieten, werden wir weiterverfolgen.
Ein aktuelles Beispiel dazu sind die geforderten Dokumentationspflichten in Branchen, die besonders von Schwarzarbeit betroffen sind, und bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen, den sogenannten Minijobs. Einerseits ist klar, dass eine Dokumentation grundsätzlich notwendig ist, damit die Einhaltung des Mindestlohngesetzes entsprechend kontrollierbar ist. Andererseits darf dies nicht zu einem Bürokratiemonster führen. Die Bundesarbeitsministerin ist jetzt am Zug, die vorgesehene Verordnungsermächtigung zu nutzen, um die Dokumentationspflichten sachgerecht einzuschränken. Das gilt für die Betriebe und für die Branchen, die von Haus aus den Mindestlohn von über 8,50 Euro bezahlen. Darauf hat sich der Koalitionsausschuss auf Bundesebene geeinigt. So wenig Bürokratie wie möglich – das muss auch unsere Devise sein.
Sie können sicher sein, dass wir sowohl die Mindestlohngesetzgebung als auch deren Umsetzung in die Praxis weiterhin konstruktiv-kritisch begleiten.
Frau Weikert, ich mache noch einen kleinen Exkurs zur Vergabe öffentlicher Aufträge und Mindestlohn. Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge werden wir strikt auf die Einhaltung des Mindestlohns achten.
Ein Bieter, der die gesetzlichen Pflichten aus dem Mindestlohngesetz nicht einhält und dagegen verstößt, ist wegen fehlender Zuverlässigkeit vom Bieterverfahren auszuschließen.
- Das wird durch die Zollbehörden kontrolliert. Herr Kollege Unterländer hat schon angesprochen, dass 1.600 neue Mitarbeiter eingestellt werden sollen. Für diese 1.600 Mitarbeiter ist das mit Sicherheit eine zentrale Aufgabe. Dazu brauchen wir aber keine eigenen Regeln in Bayern. Das folgt aus dem Mindestlohngesetz.
Das Mindestlohngesetz sieht konkret vor, dass öffentliche Auftraggeber beim Gewerbezentralregister Auskünfte über rechtskräftige Bußgeldentscheidungen wegen Verstoßes gegen den Mindestlohn anfordern.
Falls es in der Vergangenheit einen Verstoß gegen das Mindestlohngesetz gegeben hat, wird von der Bewerberin oder dem Bewerber der Nachweis über die Wiederherstellung der Zuverlässigkeit verlangt. Durch die enge Zusammenarbeit von Auftraggeber und Gewerbezentralregister ist eine Kontrolle gewährleistet.
Fazit aus dem Ganzen ist: In Bayern wird das Mindestlohngesetz so umgesetzt, wie es im Bund zwischen CDU/CSU und SPD vereinbart wurde. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Gesetzentwurf der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Prof. Dr. Michael Piazolo u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) zur Änderung des Gesetzes über die Hochschulzulassung in Bayern (Drs. 17/4314) - Erste Lesung
Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragsteller begründet. Hierzu bitte ich Herrn Kollegen Professor Piazolo an das Rednerpult. Ich gehe davon aus, dass die Begründung und die Aussprache zusammen erfolgen. Herr Kollege, Ihre Redezeit beträgt zehn Minuten.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Direkt zu Beginn darf ich Sie fragen, wer hier im Raum ein Abitur mit einer besseren Durchschnittsnote als 1,2 gemacht hat.
Ich sehe zwar, dass einige schnell den Raum verlassen; der Rest schweigt. Ich könnte Ihnen auch sagen: Deshalb sind Sie hier und nicht im Operationssaal. Diese Antwort wäre aber zu billig. Sie merken, wie wenige es sind. Für unsere Qualifikation als Volksvertreter und Gesetzgeber spielt die Abiturnote keine Rolle. Das ist auch gut so. Ich glaube – damit sind wir auch beim Thema –, dass bei angehenden Ärzten die beinahe ausschließliche Fixierung auf die Abiturnote nicht der richtige Weg ist.