Protocol of the Session on October 15, 2014

Wer erinnert sich nicht an das eiskalte Zitat Ihrer Ministerin, Herr Ministerpräsident, an das eiskalte Haderthauer-Zitat: Wem es hier nicht passt, der kann ja gehen. So viel Zynismus bei der derzeitigen Lage ist unerträglich, und auch das müssen Sie sich anhören. Ich darf Ihnen vielleicht noch in Erinnerung rufen, dass über Jahre ihr erklärtes Politikziel war: Abschreckung, Abschottung und Rückführung. Das Wort Hilfe ist nicht vorgekommen. Ich sage es ganz pointiert: Das Ziel war nicht Hilfe, sondern das Ziel Ihrer Flüchtlingspolitik war aus wahltaktischen Gründen das Bedienen populistischer Tendenzen in dieser Gesellschaft.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das ist die Wahrheit. Sie sind jetzt in die Falle Ihrer eigenen Politik getappt. Es rächt sich.

(Ministerpräsident Horst Seehofer: Das sagt noch nicht einmal Ihr eigener Oberbürgermeister!)

Aber ich sage das.

(Zuruf des Ministerpräsidenten Horst Seehofer)

- Auf solche hilflosen Zwischenrufe bei einem solch wichtigen Thema kann dieses Haus gerne verzichten.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und den FREIEN WÄHLERN – Zurufe von der CSU: Oh!)

Ich frage mich – wenn Sie mir das zum Schluss noch gestatten –, wie es weitergehen soll. Ich sehe hektische Aktivitäten von Wochenende zu Wochenende, ich sehe hektische Aktionen von Tag zu Tag, ich sehe Versprechungen, die großartig in der Presse verkündet werden; man braucht das nur nachzulesen.

(Zuruf des Abgeordneten Jürgen W. Heike (CSU))

Jeden Tag werden 1.000 neue zusätzliche Plätze durch den Blätterwald getrieben – aber kein einziger ist bisher zusätzlich belegt, liebe Kolleginnen und Kollegen. Bei einer solchen Öffentlichkeitsarbeit, wenn das so weitergeht, werden bei uns auch in Zukunft Flüchtlinge und Hilfesuchende auf der Isomatte schlafen. - Ich frage mich: Was ist das für eine Sozialpolitik in diesem Land? Ich finde, dass dieses wunderschöne Land eine bessere Sozialpolitik verdient hat,

(Jürgen W. Heike (CSU): Aber nicht Ihre!)

nämlich eine Politik, die von dem Grundsatz des Willkommens geleitet wird und nicht von dem des Abschreckens, eine Politik, die Menschen hilft, die sie unterstützt, wenn sie aus Kriegsgebieten wie Syrien uns kommen. Wir wollen doch eine humane Gesellschaft sein! Ich erinnere mich gut an die Debatten der letzten Jahre im Sozialausschuss: Jedes Mal wurde argumentiert: Das braucht es nicht, das wollen wir nicht, warten wir ab. - Ich kann Ihnen das alles vorlesen.

Genau mit dieser Politik, lieber Herr Ministerpräsident, haben Sie Bayern direkt in diese humanitäre Katastrophe hineingeführt, so nicht anders war das.

(Beifall bei der SPD)

Das ist die Wahrheit; das muss einmal gesagt werden.

Nichtsdestotrotz bieten wir selbstverständlich unsere politische Unterstützung zur Verbesserung der Lage an. Dann müssen Sie nur bereit sein, mit uns zusammenzuarbeiten. Dann müssen Sie die alten Anträge, die Sie alle abgelehnt haben, aus der Schublade ziehen und lesen, was darin steht: mehr Erstaufnahmeplätze, mehr Betreuung. Wenn Sie das realisieren, dann wird, so glaube ich, alles besser. Dafür wünsche ich Ihnen, lieber Herr Staatsminister – Sie sind ja jetzt der Aufpasser bzw. der Krisenmanager oder wie immer man das nennen will –, viel Glück.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank. Bevor ich nun die Kollegin Schmidt ans Rednerpult bitte, gebe ich bekannt, dass für den laufenden Tagesordnungspunkt sowohl die SPD als auch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als auch die FREIEN WÄHLER namentliche Abstimmung beantragt haben.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir hatten viele Gipfel, wir hatten Runde Tische, wir hatten alles schon – aber getan hat sich nichts. Frau Ministerin,

ich habe hier vor vier Wochen gesagt: Ich glaube Ihnen, dass Sie jetzt eine schnelle Lösung herbeiführen wollen.

(Markus Rinderspacher (SPD): Das hat sie schon vor einem Jahr gesagt!)

Das ist jetzt über vier Wochen her. Ich habe Ihnen geglaubt, dass Sie die Schließungen der Erstaufnahmestellen, die unter der Kollegin Haderthauer vorgenommen wurden, rückgängig machen wollen. Es ist jedoch nichts passiert.

Ich bin seit einem Jahr hier, aber getan hat sich in der Zeit nichts. Ich möchte Ihnen daher ein paar Synonyme mit auf den Weg geben, die Sie verwenden können, wenn die nächsten Gipfel kommen - für "Gipfel" können Sie zum Beispiel "Taskforce" sagen -, damit Sie jetzt schon die Begriffe für die nächsten vier Wochen haben, in denen wieder nichts passiert, in denen wieder nur gequatscht und nichts getan wird. Sie haben zum Beispiel die Möglichkeit, eine "Arbeitsgruppe", eine "Spezialeinheit" oder eine "Sondergruppe Leitlinien" einzurichten oder "Handlungsumfeldempfehlungen" zu geben. Wie gesagt: Ich gebe Ihnen jetzt schon alle Begriffe an die Hand.

Wenn aber doch alles besprochen worden ist, müsste man einfach einmal das Arbeiten anfangen.

(Markus Rinderspacher (SPD): Die regieren doch nicht! Die tun nur so!)

Ich erinnere mich an den Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung, den wir geschaffen haben, auf den ich auch sehr stolz bin, und an die Darstellungen der Kolleginnen und Kollegen, die ich gelesen habe: Ihre Eltern waren vertrieben, und die Eltern kommen von dort her oder die Familie von woanders her. Ich sage Ihnen eines: Ihre Eltern wären abgehauen, wenn die nach dem Krieg hier hergekommen wären und hätten 14 Tage auf einer Pritsche im Bierzelt schlafen müssen!

(Zurufe von der CSU – Unruhe – Glocke der Prä- sidentin)

Es gab Dächer über dem Kopf, und da war dieses Land kaputt, und da gehören unsere Eltern und Großeltern genauso dazu.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin – Zuruf von der CSU: Das ist ungehörig!)

Das ist nicht ungehörig.

Zur Verdeutlichung: "Pritschen" ist ein fränkischer Begriff und bei uns durchaus geläufig.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD – Zurufe von der CSU)

Entschuldigen Sie, ich sage es auf Hochdeutsch: "auf Feldbetten". Ist das in Ordnung?

(Zurufe von der CSU)

Darf ich bitte weiterreden?

Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, Sie haben die "Pritsche" genehmigt? – Danke.

Ich möchte Ihnen eines mitgeben: Das war damals nach dem Krieg, und sicher war das etwas anderes. Aber wir haben jetzt keinen Krieg. Ich höre seit Jahren immer, wie schön es ist, in Bayern zu leben -

(Zurufe von der CSU)

Ich habe Zeit.

(Thomas Kreuzer (CSU): So viel haben Sie nicht!)

Ich hätte gerne so viele Regungen von Ihnen in Sachen Asylpolitik erlebt. Da ist nämlich nichts gekommen.

(Zurufe von der CSU)

Ich habe mir nämlich, worauf der Kollege gerade hingewiesen hat, die Anträge der SPD und der GRÜNEN -

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Entschuldigen Sie, ich kann auch lauter, ich habe ein Mikrofon. Da kann ich gerne mithalten.

(Zurufe von der CSU)

- Dann warte ich, bis der Herr fertig ist.

(Zuruf von der CSU: Das ist nicht erforderlich!)

Das schlage ich dann auf ihre Zeit drauf; denn man versteht ja sonst das Wort von Frau Schmidt nicht mehr.