Ein allerletzter Punkt, wenn wir von Risiken reden: Wir müssen auch mit Ratingagenturen reden. Auch das
ist anders als vor 20 Jahren. Als Ratingagenturen das erste Mal einen Länderfinanzminister gefragt haben, wie es geht, habe ich mir gedacht, das sei eher ein Witz. Bei diesen Gesprächen ist der Minister persönlich anwesend. Natürlich ist bei diesen Gesprächen die Bank immer eine Frage. Bei einem zweiten Risiko besteht bei den Beratern aber völliges Unverständnis. Insbesondere von Beratern, die nicht aus Deutschland kommen, wird immer die Frage gestellt: Wieso überweisen Sie fast 10 % Ihres Haushalts einfach so, ohne sich dagegen zu wehren, obwohl es Ihr Steuergeld ist? Sie ahnen, was damit gemeint ist. Es ist der Länderfinanzausgleich. Die veranschlagten 4,7 bzw. 4,9 Milliarden Euro im Doppelhaushalt 2015/2016 sind die größten Einzelposten im bayerischen Staatshaushalt. Der größte Posten im bayerischen Staatshaushalt ist der Länderfinanzausgleich. Mittlerweile zahlen wir fast 60 % des gesamten Länderfinanzausgleichs. Das zahlt nur Bayern. Deswegen sage ich Ihnen: Es ist unfair, dass der bayerische Steuerzahler Steuern zahlt und dafür kein Äquivalent bekommt. Der bayerische Steuerzahler bekommt weniger von seinen Steuern zurück, weil er anderswo schlechte Politik mitfinanzieren muss. Das geht einfach nicht weiter so. Daran muss sich etwas ändern.
Deswegen verfolgen wir eine zweigeteilte Strategie. Das eine ist die Klage. Das andere sind die neuen Bund-Länder-Verhandlungen, die übrigens sehr schwierig sind, weil die Interessen völlig unterschiedlich sind. Dabei streiten sich viele andere. Mittlerweile rückt selbst das grün-rot regierte Baden-Württemberg trotz Versuchen, es parteilich anders zu sehen, immer weiter zu uns, weil die Schwaben und die Badenser mit dem Länderfinanzausgleich genauso überfordert sind wie die Franken und die Bayern. Deswegen ändert sich etwas am Länderfinanzausgleich. Naiv wäre es aber, auf folgende Forderung einzugehen: Zieht erst einmal die Klage zurück, dann wird verhandelt; wir trinken einen Kaffee und essen ein paar Plätzla. Das wäre naiv. Wenn es ums Geld geht, meine Damen und Herren, hört die Freundschaft auf. Deswegen brauchen wir die beiden Strategien, die Klage und die Verhandlungen. Es werden schwierigste Verhandlungen werden. Das merkt man schon jetzt. Diese Fragen können nur ganz oben entschieden werden. Das schaffen keine Staatssekretäre und auch keine Minister. Diese Frage muss an der Spitze entschieden werden. Unsere Position ist, dass Bayern ein Stück Entlastung braucht und im Länderfinanzausgleich Strukturreformen erfolgen müssen.
Ich weiß, dass der Haushalt langweilig und trocken wirkt. Ich weiß, dass Peter Winter und seinen Kollegen spannende Wochen bevorstehen. 5.500 Seiten und 15.000 Einzelposten erfordern wirklich harte Arbeit. Ich wünsche dabei viel Freude und auch gute Beschlüsse.
Wir legen heute einen Entwurf auch für die bayerischen Bürger vor, damit sie die Möglichkeit haben, Einblick in unsere Philosophie zu bekommen. Wir legen einen Haushaltsentwurf vor, der gewissermaßen das Rückgrat ist, um auch in Zukunft in einer unsicheren Welt aufrecht gehen zu können, Sicherheit zu haben, nicht zu stolpern und auch noch das Signal zu setzen, dass wir versuchen, jede anstehende Herausforderung anzunehmen. Dieser Haushalt ist auch in schwierigsten Zeiten der bislang stabilste Haushalt, den wir vorlegen. Ich bitte deshalb um wohlwollende Beratung und Zustimmung am Ende des Prozesses. Ich glaube, dieser Haushalt ist tatsächlich supersuper. Herzlichen Dank, ich freue mich auf die Beratung.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte ich darauf hinweisen, dass der Vertreter der Staatsregierung die Redezeit von 30 Minuten um 6 Minuten und 40 Sekunden überzogen hat. Aus diesem Grund stehen jeder Fraktion nun 36 Minuten und 40 Sekunden Redezeit zu. Als erster Redner hat Herr Kollege Volkmar Halbleib das Wort. - Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das war sie also für heute; wir haben sie schon mehrmals erlebt; wer bei den Empfängen des Herrn Finanzministers dabei ist, erlebt sie permanent in Bayern: die Super-Super-Haushaltsshow. Finanzminister Söder tritt als Weltpolitiker auf.
Das kann man an diesem Rednerpult alles machen. Man kann auch sagen: Es ist der beste Haushalt, den wir je hatten.
Bei allem großmächtigen Gehabe, das zumindest akustisch einer CSU-Fraktion zu Gebote steht, müssen Sie darauf achten, dass nicht die größten Sprü
Wir lassen nicht zu, dass von dem abgelenkt wird, was hier in Bayern stattzufinden hat, nämlich bayerische Haushaltspolitik und bayerische Landespolitik. Den Bürgern kommt es nicht darauf an, große Reden über die Welt und die EZB zu hören. Es kommt ihnen darauf an, dass die Probleme in Bayern angepackt werden. Sie haben Ihre Hausaufgaben in Bayern zu machen, aber da bleiben Sie auch bei diesem Doppelhaushalt leider vieles schuldig.
Ich darf auf ein paar Punkte eingehen. Ich glaube, dass wir, die Opposition und besonders auch die SPD-Fraktion, bei den vergangenen Haushaltsberatungen Punkte gesetzt haben, um die Sie bei der Gestaltung dieses Haushalts nicht herumgekommen sind. Schauen wir doch einmal, meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU-Fraktion, ruhig und genau auf das, was jenseits der Hochglanzrhetorik übrig bleibt.
Der Finanzminister hat die Schuldentilgung hervorgehoben. Aber wir fragen uns: Wenn die Finanzierung komplett aus den Rücklagen erfolgt und die Konjunkturentwicklung mit einigen Fragezeichen zu versehen ist - bei Herrn Söder ist das angeklungen -, ob und wenn ja, wie sie wieder aufgefüllt werden.
Wir fragen uns vor allem: Wie kommt die Schuldentilgung zustande? Sie kommt nur dadurch zustande das ist der entscheidende Punkt -, dass Sie andere Lasten in die Zukunft schieben. Sie plündern die Pensionsvorsorge im Milliardenumfang; das wissen Sie selbst. Sie verursachen einen Stau bei der Unterhaltung staatlicher Gebäude und Liegenschaften. Sie unterlassen Investitionen. Wenn der Oberste Rechnungshof schon zitiert wird, dann bitte vollständig Herr Minister, hören Sie genau hin! -: Der Stau bei der Unterhaltung staatlicher Gebäude und Liegenschaften hat eine Größenordnung von 2 Milliarden Euro erreicht. Mindestens in gleicher Höhe unterlässt die Staatsregierung Infrastrukturinvestitionen. Darauf basiert die Schuldentilgung.
Jeder Haushaltspolitiker muss sehen: Ihre Haushaltspolitik führt zu versteckter Verschuldung, und dann brüsten Sie sich mit dem Abbau von Verschuldung durch Tilgung. Den Begriff "versteckte Verschuldung" haben Sie noch zurückgewiesen, Herr Söder. Den Begriff kannten Sie nicht, damit konnten Sie nichts anfangen. Dabei hat ihn der Herr Ministerpräsident in einem Interview selbst verwendet. Dass Sie versteck
te Verschuldung in dieser Größenordnung produzieren, ist etwas, was wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Sie verschieben Lasten in die Zukunft. Das muss man kritisieren.
Sie werden einwenden: Was will er denn mit dem Hinweis auf "versteckte Verschuldung" und "unterlassene Investitionen" sagen? Was meint er konkret?
Ich lese Ihnen nur zu einem Einzelplan des Staatshaushalts – konkret: dem Einzelplan 03 Teil A, der in der Verantwortung des Innenministers steht – aus einem Schreiben des zuständigen Ressortministers vor. Darin geht es auch um Gebäude der bayerischen Polizei und der Verwaltung. Die Projekte werden erläutert. Das Schreiben liegt mir vor; Herr Söder, Sie haben dankenswerterweise einen Abdruck bekommen. Zunächst ist zu lesen, dass man mit diesem Doppelhaushalt bestimmte Vorhaben finanzieren könne. Aber dann folgen drei kritische Punkte:
Erstens. Baumaßnahmen mit einem Gesamtumfang von rund 100 Millionen Euro, für die die Haushaltsunterlage Bau in Arbeit bzw. bereits fertiggestellt ist, können wegen fehlender Haushaltsmittel nur mit zeitlicher Verzögerung begonnen werden. Das Vorlesen der Liste erspare ich Ihnen, auch im Hinblick auf meine begrenzte Redezeit; Sie können das alles nachlesen. Aber das ist nur ein kritischer Punkt.
Zweitens. Für zahlreiche Baumaßnahmen – diese werden genannt; es handelt sich um wichtige Projekte für die innere Sicherheit –, deren Gesamtkosten bei 90 Millionen Euro liegen, ist derzeit kein Planungsauftrag möglich, weil die anschließende Finanzierung der Baudurchführung nicht gesichert ist. Das ist der zweite kritische Punkt, den der Innenminister anspricht.
Drittens geht es um das, was eigentlich notwendig ist – der Herr Innenminister hat es klar gesagt –: Die Auflistung enthält nur Baumaßnahmen, die bereits in den Haushaltsplan aufgenommen wurden. Aber auch diese sind nicht finanzierbar, hören wir.
Darüber hinaus besteht ein erheblicher Investitionsstau bei den Baumaßnahmen der Polizei. Der bereits bekannte Baubedarf beläuft sich auf 500 Millionen Euro.
Allein die kritischen Anmerkungen zu diesem einen Einzelplan zeigen auf, wie Sie im Zusammenhang mit dem Haushalt agieren: Sie verschieben Investitionen, die dringend notwendig sind, in die Zukunft und brüsten sich dann mit einer vermeintlich soliden Haushaltspolitik. Notwendige Investitionen zu unterlassen, ist allerdings keine solide Haushaltspolitik.
Wir müssen es an dieser Stelle deutlich ansprechen: Wenn wir die kritischen Anmerkungen auch zu den anderen Ressorts bekämen und die zuständigen Minister genauso wie der Herr Innenminister ihren jeweiligen realen Investitionsbedarf für zwingend erforderliche Projekte präsentierten, dann würden wir eine noch spannendere Haushaltsdiskussion führen. Wir werden darauf drängen, dass wir die Zahlen bekommen. Dann schaut die Bilanz ganz anders aus, als sie der Finanzminister heute darstellen will.
Zum Thema Landesbank will ich nicht viel sagen. Wenn jedoch der Herr Finanzminister das Triple-ARating für Bayern so hervorhebt, dann wird mir ganz schwummerig zumute, denn wir hatten schon einmal ein Triple A – bei der Landesbank! Wozu das geführt hat, haben wir gesehen.
Bis heute sind 11,8 Milliarden Euro Steuerzahlergelder in diese Bank geflossen, weil der Steuerungsverlust bei der CSU und ihr Großmachtgehabe so groß waren. 11,8 Milliarden Euro Steuergelder haben wir in dieser Bank versenkt. Mittlerweile weiß jedes Schulkind, das man fragt, was das beste Beispiel für unsinniges Geldausgeben ist: die Bayerische Landesbank! Verantwortlich dafür war die CSU. So schaut es aus.
Die Größenordnung der Rückzahlung, die der Herr Finanzminister in diesem Etat festschreibt, steht zudem infrage; das ist völliges Wunschdenken. Wir haben dazu in kleinerem Rahmen im Haushaltsausschuss einen wunderbaren Dialog zwischen dem Herrn Ministerpräsidenten und dem Herrn Finanzminister erlebt. Man muss es ehrlich sagen: Die Bayerische Landesbank bleibt eine der maßgeblichen offenen Flanken dieses Staatshaushalts. Das ist Ihre Verantwortung, die Verantwortung der CSU.
Zu dem Thema Länderfinanzausgleich nur ganz kurz: Wir hatten bereits Änderungen im Länderfinanzausgleich zugunsten Bayerns gefordert, als die CSU ihre damals verhandelte Lösung noch als "gutes Verhandlungsergebnis" uns gegenüber verteidigte. Das ist die Ausgangslage.
Wir sagen seit vielen Jahren deutlich: Die Belastung Bayerns muss zurückgeführt werden. Wir müssen den Bund dazu bringen, mehr in die Strukturförderung und die Hauptstadtaufgaben zu investieren. Wir wollen bessere Anreizstrukturen. Wir wollen eine Verringerung des Ausgleichsvolumens. Dafür haben Sie auch unsere Unterstützung.
Es ist aber nicht mehr die Zeit der flotten Sprüche, der Bierzeltparolen, die eine ganz einfache Lösung verheißen. Jetzt geht es darum, Bündnispartner für die Verfolgung bayerischer Interessen zu finden. Hosenträgerschnalzen und das Ringen um die Lufthoheit über den Stammtischen genügen nicht mehr; jetzt müssen Sie liefern. Das, was nach der Vereinbarung des letzten Länderfinanzausgleichs stattgefunden hat, wollen wir in diesem Hause nicht mehr erleben. Schon damals verhandelte die CSU-geführte Staatsregierung, der Herr Ministerpräsident stimmte im Bundestag zu. Ihre Fraktion bejubelte das Ergebnis, das der damalige Ministerpräsident Stoiber hier vortrug. So etwas wollen wir kein zweites Mal erleben. Deswegen betone ich: Nach den Sprüchen müssen Sie jetzt liefern.
Ich darf in die Debatte noch ein Thema einbeziehen, das Sie nicht angesprochen haben: Wir sind der festen Überzeugung, dass wir auch das Thema "kalte Progression" angehen müssen. Das ist ein Gebot der Gerechtigkeit; denn dabei geht es um den Einkommensteuertarif für die normalen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Übrigens haben wir die finanziellen Spielräume dafür ein Stück weit erarbeitet, beispielsweise durch den Mindestlohn, der ab 2015 gilt.
Er bringt nicht nur zusätzliche Einnahmen für die Sozialversicherungskassen, sondern auch 2,6 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen.
Was hören wir zu diesem Thema vonseiten der CSU? Söder wollte das Problem zunächst sofort angehen. Das hätte man machen können. Dann kam die Mitteilung seines Parteivorsitzenden, des Herrn Ministerpräsidenten Seehofer, das sei derzeit nicht finanzierbar. Es folgte der nächste Vorschlag von Finanzminister Söder: Wir regeln das ab 2020, im Zuge der Reform des Solidaritätszuschlags. - Als Finanzierungsvolumen ließ er 9 Milliarden Euro verlautbaren. Dann hörten wir wieder den Ministerpräsidenten und CSU-Parteivorsitzenden Seehofer: Wir gehen das Problem nicht erst 2020, sondern schon 2017 an. - Söder wollte 9 Milliarden Euro, Seehofer hat 3 bis 5 Milliarden Euro genannt. Wir haben im Augenblick eine Staatsregierung, deren maßgebliche Mitglieder,
der Ministerpräsident und der Finanzminister, in der Steuer- und Finanzpolitik definitiv nicht mit einer Stimme sprechen. Einmal heißt es hü, dann wieder hott. Es gibt vier Meinungen: die des Finanzministers von letzter Woche, die des Ministerpräsidenten von vorgestern, die des Finanzministers von gestern und die des Ministerpräsidenten von heute. Was morgen passiert, will ich gar nicht wissen.