Herzlichen Dank, Herr Minister. - Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, nachdem der Herr Minister die Redezeit um eine Minute und 36 Sekunden überzogen hat, steht diese zusätzliche Redezeit auch jeder Fraktion zur Verfügung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Brunner, Ihre Regierungserklärung enthält punktuelle Statements, versehen mit einem ganzheitlichen, zum Teil romantischen Anstrich. Ihre Politik wird jedoch mehr vom Wunsch als von Taten getragen.
Der Anstrich blättert auch sehr schnell; das zeigt sich bei näherem Hinschauen. Herr Brunner, Sie wirken wie ein Eventmanager oder, bezogen auf den bayerischen Weg, wie ein Wanderführer, der den bayerischen Bürgerinnen und Bürgern eine heile Welt vorgaukelt, was aber in vielen Bereichen nicht der Realität entspricht.
Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich und meine Fraktion Sie in einigen Bereichen nachhaltig unterstützen, oft weit mehr, als Ihre eigene Fraktion es tut.
Aber sobald die Logistik knapp wird und das Event beendet ist, war es das häufig. Herr Brunner, als Personalbeweis für Nachhaltigkeit auch in Krisenzeiten stehen Sie eher mit Ihrer Amtszeit, sie stehen weniger für Inhalte.
Sie zeichnen gern ein romantisches Bild vom bäuerlichen Familienbetrieb. Aus Ihrem Haus kommt kaum eine Broschüre, in der nicht eine glückliche junge Familie gemeinsam im modernen Laufstall steht und in die Kamera lacht. Wir hören und lesen viele Ankündigungen: Werkstatt der Ideen, Innovationsnetze, Sachverständigenrat, diesmal zur Bioökonomie, regionale Aktionsjahre, neue Dialogforen. Das sind oftmals Worthülsen für Selbstverständliches. Das genügt aus unserer Sicht nicht, um den aufgezeigten Weg zu beschreiten.
Herr Brunner, Realität ist doch, dass viele Erzeuger sich vom Handel gegängelt fühlen. Sie werden nicht in die Position gebracht, auf Augenhöhe zu verhandeln. Was noch schlimmer ist: Oftmals werden sie auch von der bayerischen Agrarpolitik und der Verwaltung allein gelassen.
Jeder siebente Arbeitsplatz in Bayern ist von Landund Forstwirtschaft abhängig. Die Agrarbranche ist ein Wirtschafts- und Lebensbereich, der gerade in strukturschwachen ländlichen Gebieten für Wertschöpfung und sozialen Frieden sorgt. Die Landwirtschaft ist ein Garant für den Wohlstand in unserem Land und für den Erhalt der Kulturlandschaft. Sie produziert hochwertige Nahrungsmittel und erhält das soziale Gefüge im ländlichen Raum aufrecht. Sie stabilisiert unser Land.
Die Landwirtschaft ist aber auch abhängig von Preisentwicklungen, die oftmals völlig losgelöst vom Markt entstehen. Schuld ist meist die extreme Marktmacht des Handels. So wurde heuer, zu Beginn der Grillsaison, der Preis für Schlachtschweine innerhalb von nur einer Woche um rund 10 % gesenkt. Die Verantwortlichen in den Schlachthöfen, die ich besucht habe, können sich das kaum erklären. Sie wissen nicht, woher sie die Schweine bekommen sollen, die sie für die Nachfrage schlachten müssten. Ähnlich verhält es sich mit der Milch. Obwohl die entsprechende Nachfrage vorhanden war, sanken im Jahr 2008 die Preise; es kam zur großen Milchmarktkrise.
Wie bekommt man das politisch in den Griff? Der Handel und die Verarbeiter begründen ihre Preisgestaltung mit veränderten Rahmenbedingungen. Aber auch in den bayerischen Ställen und Forsten verän
Vor einigen Jahren wurde in diesem Haus über die Milchmarktkrise diskutiert. Es wurden Millionenhilfen zugesagt, um bäuerliche Strukturen zu retten. Wir alle waren der Meinung, dass wir die diesbezüglichen Rahmenbedingungen ändern müssten. Aber was ist passiert? Nichts anderes als Runde Tische wurden installiert, ohne dass im Übrigen die Rahmenbedingungen berührt wurden.
Herr Minister Brunner, bitte haben Sie den Mut, sich zukünftig offen auf die Seite der Erzeuger zu schlagen und dafür zu wirken, Anwalt der Menschen und nicht der Marktmacht zu sein. Dann sind Sie mit Ihrer Erklärung ziemlich im Einklang.
Treten Sie für ein echtes Kriseninstrument im Milchmarkt ein. Der Bundesverband deutscher Milchviehhalter hat dafür bereits ein interessantes Konzept vorgelegt, auch in Ihrem Haus. So kann bei unternehmerischer Verantwortung und auf Augenhöhe mit dem Handel eine Situation wie die letzte Krise verhindert werden. Seien Sie tatsächlich offen. Diskutieren Sie darüber, und schauen Sie darauf, dass wir in diesem Bereich gemeinsam Lösungen bekommen. Auch das ist die Grundlage dafür, dass Wohlfühlevents in die Zukunft hinein gestrickt werden können. Den Menschen und seine Bedürfnisse durch Mut und Handeln in den Mittelpunkt zu stellen ist das Motto.
Das Motto "Vielfalt erhalten. Zukunft gestalten" hört sich gut an. Aber was steckt dahinter? Wir sagen Ihnen, Herr Brunner: Nebenerwerb, das ist Vielfalt. Bereits über 49 % der bayerischen Bäuerinnen und Bauern arbeiten im Nebenerwerb. Das ist nichts Exotisches. Es handelt sich dabei nicht um Landwirte zweiter Klasse, sondern das ist die Regel. Sie sollten tatsächlich den Menschen und nicht die Fläche in den Mittelpunkt stellen.
Aber die 49 % blenden Sie in Ihrer Regierungserklärung nahezu völlig aus. Der Nebenerwerb findet in Ihrer Erklärung nur einmal Erwähnung, und zwar bei den von Ihnen angepriesenen Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten. Was ist das für eine Sichtweise? Gibt es dort gleiche Verhältnisse? Zum einen preisen Sie die Standbeine, vergessen – ja, unterschlagen - aber, wo der Standort ist. Wir kommen zu dem Ergebnis: Der Nebenerwerb kommt bei Ihnen viel zu kurz und damit auch 49 % unserer Landwirtschaft.
Wenn wir die bäuerlichen Strukturen erhalten wollen, so darf die Ausbildung nicht vornehmlich auf die Haupterwerbsbetriebe mit 5.000 oder 10.000 Mastschweinen ausgerichtet werden. Gerade die bayerische Ausbildung muss die Vereinbarkeit der Landwirtschaft mit anderen Berufen aufzeigen.
Herr Staatsminister, Sie waren vor Kurzem in Österreich und wollten sich kundig machen, vielleicht auch über die dort bestehenden Möglichkeiten eines modernen Ausbildungssystems für die angehenden Betriebsleiter. In Österreich gibt es seit Langem ein modernes Ausbildungssystem für angehende Betriebsleiter. Es handelt sich um die sogenannte Doppelqualifikation. Dort werden neben den landwirtschaftlichen auch gewerbliche Berufsabschlüsse und Qualifikationen erworben. Wir fordern seit Jahren, dieses System hier zu übernehmen. Das tun wir auch weiterhin. Dazu hört man bei Ihnen leider nichts. Aber wir hoffen, dass Sie unsere in diesem Zusammenhang gemachten Anregungen aufnehmen.
Auch im Studienbereich gibt es einiges nachzuholen. Wissen Sie eigentlich, wo die einzige auf Landwirtschaft spezialisierte Fernuniversität in Deutschland ihren Sitz hat? - Sie sitzt in Bernburg in Sachsen-Anhalt. Jeder dritte bäuerliche Betrieb in Deutschland ist in Bayern ansässig. Wir wollen, dass das so bleibt. Es ist nicht zu viel verlangt, die Notwendigkeit eines berufsbegleitenden Fernstudiums in Bayern zu prüfen. Weihenstephan und Triesdorf bleiben Nebenerwerblern unerreichbar, nicht, weil sie nicht können oder wollen, sondern weil es der betriebliche Alltag und die Struktur einfach nicht hergeben. Hier müssen wir etwas tun; das ist der bayerische Weg.
Im Hinblick auf kleinere und Nebenerwerbsbetriebe sind besonders auch andere Punkte anzusprechen, beispielsweise die Reduktion von Mindestinvestitionssummen bei der Förderung. Sie, Herr Brunner, sprechen nur von Obergrenzen, die zugunsten der bäuerlichen Strukturen eingeführt werden müssen. Herr Brunner, Sie wissen genau: Diese Obergrenzen liegen in Einzelbetrieben bei 750.000 Euro, in Zusammenschlüssen bei 1,5 Millionen Euro. Denken Sie, dass das die Grenzen für die real existierende, romantische kleinteilige Landwirtschaft in Bayern sind? Das ist wohl kaum der Fall. Es handelt sich um einen Placeboeffekt, der enttarnt werden muss. Das ist hiermit geschehen.
Mit diesen Erklärungen, Herr Brunner, betreiben Sie Kleinkunst im Maracana-Stadion; und das ist fast nicht sichtbar.
Lassen Sie mich, was Ihr Förderinstrument betrifft, zusammenfassen. Die Kühltheke für die Vermarktung vom Hofe aus wird nicht gefördert. Die Mindestförderung beträgt 30.000 Euro. Ein Stall mit 4.000 Mastschweinen wird gefördert. Das sind die Vorstellungen der bäuerlichen Landwirtschaft. Aber ganzheitlich ist das aus meiner Sicht nicht.
Die Tierwohlinitiative gab es bei der Förderung schon immer. Ich garantiere Ihnen auch diesmal, dass der Anteil an der Fördersumme unter 15 % liegt. Darauf kann man Wetten abschließen, auch wenn man weiß, dass Wetten Ehrensache sind.
Was fehlt, Herr Brunner, ist der Markt für Tierwohlprodukte. Reden Sie einmal mit den Verantwortlichen des Vion-Konzerns über das Tierschutzlabel. Leider läuft diese Maßnahme nicht richtig an, weil der Verbraucher gar nicht bereit ist, hier eine Leistung zu erbringen. Da ist die Ernährungsbildung gefragt. Ein neues Label aufzubringen, ergibt vielleicht ein schönes Foto für das Event, belebt aber nicht den Markt.
Die Förderungen ermöglichen die Vielfalt. Die europäische Agrarpolitik wurde in diesem Haus hinreichend, wenn auch nicht erschöpfend diskutiert. Wir haben in diesem Haus in der vergangenen Legislaturperiode Anträge zur Umschichtung von Direktzahlungen in die zweite Säule gestellt, um mittelständische Betriebsstrukturen im Rahmen der Agrar- und Umweltmaßnahmen zu fördern.
Damals wurde uns vonseiten des Bauerverbandes und von Ihnen vorgeworfen, wir zögen den Bauern das Geld aus der Tasche. Und wie ist es heute? Damals, 2010, haben Sie und Herr Füracker als geflissentliche Herolde des Bauernverbandes wörtlich verkündet: Mit uns keine Umschichtungen! Und heute? Heute schmücken und zelebrieren Sie die Umschichtung zugunsten der zweiten Säule und der Förderung der ersten Hektare als Ihr Verdienst. Das ist zwar eine gute Maßnahme, aber halten wir fest: Diese Vereinbarung ist nur deswegen zustande gekommen, weil sozialdemokratisch regierte Länder dazu ihre Zustimmung gegeben haben. Ohne diese gäbe es diesen bayerischen Weg nicht.
Herr Brunner, wir dachten, abgesehen von der Ausgestaltung der ökologischen Vorrangflächen sind wir auf einem guten Weg. Aber was lesen wir aktuell? - Im "DLZ-Agrarmagazin" von Juli 2014 steht auf Seite 110: Wollen Sie bestehende Verträge im Ökolandbau köpfen? Sie streichen die Mittel für die Biobauern – ein erneuter Vertragsbruch. Da werden 14 % genannt. Ihr Haus hat sich dagegen nicht gewandt. Wäre es in dem Zusammenhang unlauter, so wäre ich überzeugt, dass eine verantwortungsvolle Verwaltung sofort gegensteuert. Ich habe zwar nichts dergleichen gehört, aber diese ganze Geschichte ist natürlich deswegen leichter zu verbrämen, weil zugleich der Fördersockel erhöht wird, sodass die Kürzung durch die Förderung aufgehoben wird. Wer uns vorwirft, Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen, muss vorsichtig sein, wenn er solches ankündigt und dann auch noch als eigenes Verdienst preist.
Wir wissen, Herr Brunner – im Agrarbereich ist es allgemein bekannt -, dass Sie im Biolandbau häufig Alleinunterhalter sind, teilweise ohne Rückhalt in der eigenen Fraktion. Während Sie auf Hoffesten gern eine Verdoppelung der Anbaufläche fordern, vertritt die Fraktion im Ausschuss die Meinung – das ist ein wörtliches Zitat -: Für jeden neuen Biobetrieb muss ein anderer Biobauer aufgeben. Aber das geht nicht mehr. Offensichtlich hat Ihre Fraktion erkannt, dass Ihre Events gut ankommen. Je oberflächlicher sie sind, desto besser. Aber der dahinterstehende Prozess wird von anderen gestaltet. Da sind wir nicht bei der Masse, sondern bei Ihnen. Wir unterstützen Sie in Ihrer Situation, damit Sie nicht nur mehr Alleinunterhalter sind, sondern diese Gedanken bei einer Mehrheit in der CSU voranbringen können.
Vielfalt braucht Verlässlichkeit. Verlässlichkeit sollte der Grundpfeiler der Politik sein. Was bedeutet das in Bayern? Die Fördersätze für freiwillige Umweltleistungen der Bauern in laufenden Verträgen wurden gekürzt. Unter Juristen nennt man das Vertragsbruch; das habe ich schon erwähnt. Herr Ministerpräsident Seehofer verkündet den massiven Ausbau der Energiegewinnung aus Biogas in Bayern. Gleichzeitig geht der Ausbau auf ein historisches Tief zurück. Regionale Vermarktung soll gefördert werden, doch gleichzeitig gibt es für die Verbraucher keine klare Kennzeichnung. Frau Kollegin Noichl, die nunmehr im Europaparlament wirkt, hat einmal bemerkt: Sie sind mit jeder Kuh in Bayern auf Du, schaffen es aber nicht, die Milch sauber zu deklarieren. - Damit hat sie recht; auch in Europa wird sie damit recht haben.
Ein Weiteres bekümmert uns, weil es die Struktur betrifft. Sie sehen mit an, wie die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau mit Sitz in Kassel – auch diese kennen Sie, Herr Ministerpräsident - immer mehr Dienststellen in Bayern schließt. Das bedeutet Zentralismus statt Betreuung der Versicherten vor Ort, und das, obwohl jeder dritte bäuerliche Betrieb in Bayern sitzt. Für Landwirte, die im Nebenerwerb arbeiten, ist das eine Katastrophe. Ich nenne Ihnen einige Zahlen: Feuchtwangen, 7 Beschäftigte, Schließung; Fürth, 27 Beschäftigte, Standortverkleinerung mit dem Ziel der Schließung; Mühldorf, 90 Beschäftigte, Verkleinerung mit dem Ziel der Schließung; München, 280 Beschäftigte, Ziel der Schließung; Würzburg, 250 Beschäftigte, Standortverkleinerung.
Darunter versteht man nicht den sogenannten bayerischen Weg, sondern dieser Weg führt aus Bayern hinaus. Das können wir so nicht unterschreiben.
Zur Vielfalt der Wälder betone ich: Wir wollen keine einfache Waldstilllegung. Wir haben hier unsere volle und nachhaltige Unterstützung für Sie häufig dokumentiert. Wir wollen flächige Naturschutzkonzepte neben unbewirtschafteten nationalen Naturparks. Zur Vielfalt gehört aber auch die Möglichkeit, dass sich Wälder auf natürliche Weise verjüngen. Herr Brunner, hier würden wir uns wünschen, dass Sie sich von manchen Verbänden etwas emanzipieren und dies auf Dauer durchhalten. So kann es nicht angehen, dass die Forstverwaltung vor der Veröffentlichung des revierweisen Gutachtens zuerst bei der Jägerschaft vorstellig werden muss, um die Ergebnisse abnicken oder revidieren zu lassen. In vielen Wäldern Bayerns, insbesondere in Schutzwäldern, gab es seit Jahren keine natürliche Verjüngung mehr. Hier muss entschieden gehandelt werden. Das ist der Weg in Bayern.