Liebe Kolleginnen und Kollegen, 1,5 Milliarden Euro im Haushalt nützen nichts, wenn das Geld nicht bei den Kommunen ankommt, weil das Programm nichts taugt.
Es reicht auch nicht, den Vermessungsämtern neue Türschilder zu verpassen. Lieber Herr Minister Söder, das hat schon bei den FBI-Mützchen für die Steuerfahnder nicht funktioniert.
Die großen Ankündigungen von Telekom und Kabel Deutschland, 70 % des Landes mit Internet schneller als 50 Megabit zu versorgen, klingen sehr gut. Aber was ist denn mit den anderen 30 %? Hierbei handelt es sich genau um diejenigen, bei denen das Internet jetzt noch langsamer ist als die Brieftaube. Damit vergrößert sich die digitale Spaltung immer weiter.
Wo bleibt endlich eine zielführende Anstrengung der Staatsregierung in Berlin, damit auch im Grenzraum zu Tschechien LTE eingesetzt werden kann? Der Einfluss der Staatsregierung in Berlin und in Europa ist doch angeblich so groß. Warum gibt es für die betroffenen Menschen nicht endlich eine Lösung?
Ich komme zum Bereich digitale Wirtschaft. Nach Umfragen der IHK sehen sich kleine und mittlere Unternehmen auf die Digitalisierung der Arbeitswelt und die damit verbundenen Folgen für ihre eigenen Geschäftsmodelle kaum vorbereitet. "Bayern Digital" darf sich nicht allein auf Großunternehmen und Forschungseinrichtungen fokussieren. Die KMU, die kleinen und mittleren Unternehmen, sind das Rückgrat unserer Wirtschaft, vor allem im ländlichen Raum. Sie brauchen bei diesen Umwälzungen Unterstützung und Begleitung auf Augenhöhe. Das betrifft vor allen Dingen so wichtige Bereiche wie die Vernetzung der einzelnen Glieder der Wertschöpfungskette über eine Cloud und die damit verbundenen Sicherheitsprobleme. Wie wir sehen, liest Google im Zweifel alles. Wenn es nicht Google ist, dann sind es Facebook oder NSA. Bei dieser Thematik brauchen wir Lösungen.
Es gibt den schönen Bereich des Digitalfunks. Der hat natürlich auch etwas mit Digitalisierung zu tun. Die Geschichte der Einführung des Digitalfunks ist eine einzige Schlappe für die Staatsregierung.
Da hilft es nichts, wenn jetzt im Vorgriff auf den G-7Gipfel auf Schloss Elmau ein teures potemkinsches Dorf mit Digitalfunk aufgebaut wird, damit die Blamage nicht ganz so groß ist. Das wird nur rund um das Schloss gemacht. Hier gilt es, damit endlich voranzukommen. Vielleicht machen wir erst einmal den Digitalfunk, bevor wir über digitale Ökosysteme schwadronieren.
Ich komme zum Thema Telemedizin. Obwohl ich es ungern sage, soll die Telemedizin die Lösung für Probleme im ländlichen Raum sein. Aber sie kann nicht die Lösung genau dort sein, wo der Telemedizin das "Tele" fehlt, nämlich der vernünftige Internetanschluss. Also bitte, hier müssen erst einmal Grundlagen geschaffen werden.
Auch was Schule und Wirtschaft betrifft, nützt das Whiteboard in jedem Klassenzimmer nichts, wenn es nicht genügend Lehrer gibt, die diese auch bedienen und die Schüler in Medienkompetenz unterweisen
Lassen Sie mich zum Schluss auf den wichtigen Bereich "Fokus auf die Menschen im Zuge des digitalen Wandels" eingehen. Die Forschungszuschüsse im Bereich Digitalisierung sind zum größten Teil technikzentriert. Die Forschung zum Wandel der Produktionsarbeit in Zeiten des digitalen Wandels hat es in den letzten Jahren, wenn überhaupt, nur punktuell gegeben.
Die Menschen sehen in den Arbeitsprozessen eine Veränderung der Aufgabeninhalte durch den Einsatz von Multimedia, Cloud-Technologien und vielen anderen Dingen vor sich. Sie erkennen eine ständig zunehmende Virtualisierung von Arbeitsschritten und Arbeitsprozessen, gleichzeitig auch eine zunehmende Kontrolle ihrer Arbeit durch massive Datenerfassung. Ein Beispiel dafür mag ein Schuhvertreiber sein, der Mitarbeiter abgemahnt hat, weil sie zweimal fünf Minuten Inaktivität bei der Verteilung von Ware auf Schachteln gezeigt haben. Das zeigt, wie umfassend Menschen in ihren Arbeitsprozessen kontrolliert werden.
Die Mitarbeiter sehen eine verstärkte Flexibilisierung von Arbeitszeit, Rahmenbedingungen und erhöhten Qualifikationsanforderungen vor sich. Aufgabe des Wirtschaftsministeriums ist es, gemeinsam mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden einen gemeinsamen Kurs zu guter Produktion und guten Produkten, zu guter Arbeit gemäß 4.0 und Strukturen der Mitbestimmung gemäß 4.0 einzuschlagen. Das ist keine Spielwiese für Profilierungsversuche. Lassen Sie uns dies gemeinsam anpacken!
Vielen Dank, Frau Kollegin. Als Nächster hat Herr Kollege Muthmann für die Fraktion der FREIEN WÄHLER das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Aktuelle Stunde ist auch noch einmal eine Huldigung an die Staatsregierung für den IT-Gipfel der vergangenen Woche. Herr Kollege Blume hat, was die Bewertung der Aufgabe an sich angeht, eingangs eindrucksvoll die Chancen, Perspektiven und Herausforderungen beschrieben. Es ging um 4.0-Maschinenbau, Industrie, Automobilbau, vernetzte Mobilität, IT-Management, auch um IT-Sicherheit sowie um digitale Medizintechnik. Er hat all das vor Augen geführt, was für die Gesamtentwicklung Bayerns wichtig ist. Ein Münchener führt das vor. Wenn man die Ankündigungen und Strategien auf dem IT-Gipfel ein
bisschen genauer betrachtet, kann man da zunächst nicht von einer Strategie für ganz Bayern sprechen. Vielmehr handelt es sich um ein Thema, das in München seinen Fokus hat. Von München aus soll ganz Bayern bedient werden.
Das ist aber, wie wir finden, an vielerlei Stellen nicht die Lösung unserer Probleme. Wir müssen ein weiteres Mal bei der Grundvoraussetzung beginnen, dem Breitbandausbau für ganz Bayern. Geflissentlich wird weitgehend verschwiegen, dass wir trotz der Ankündigung von 1,5 Milliarden Euro beim Breitbandausbau in ganz Bayern genau genommen seit etwa zwei Jahren einen Stillstand haben. Verantwortlich dafür sind die zwei Staatsregierungen, die die dafür notwendigen Förderprogramme noch nicht anwendungsreif gemacht haben.
An dieser Stelle will ich es noch einmal sagen: Angesichts der Bedeutung des Breitbands, wie sie auch Herr Blume vor Augen geführt hat, halten wir es für falsch, dass der Freistaat für die Entwicklung des Breitbandes in ganz Bayern lediglich Informationen und Fördermittel anbietet, aber nicht selbst die Verantwortung dafür trägt, dass sich Glasfaser über ein Gesamtnetz in Bayern verbreitet und die Kommunen dann die Feinverteilung vornehmen können. Das ist ein Systemfehler, der jetzt auch die mangelnde Geschwindigkeit in der Entwicklung zur Folge hat. Wir hätten auf alle Förderprogramme nicht zu warten brauchen, wenn der Freistaat die Aufgabe der Haupterschließung, die für die gesamte Entwicklung Bayerns äußerst wichtig ist, selbst übernommen hätte. Leider stellen wir dabei nach wie vor Fehlanzeige fest. Die Chance, umzusteuern und die richtigen Weichenstellungen vorzunehmen, hätten Sie immer noch.
Digitalisierung, Hochschulforschung, Gründerzentrum für das Internet – das sind sicherlich richtige und gute Ansätze. Das Exzellenteste an dieser Initiative besteht in der Show der Ankündigung und Selbstdarstellung der Staatsregierung.
Wir hätten auch an dieser Stelle gerne konkrete Ziele und messbare Vorgaben, um bei der Erreichung dieser Ziele Unterstützung gewähren zu können. Leider sind aber diese Ziele und Vorgaben – das ist auch kein neues Phänomen – wieder sehr vage und unverbindlich geblieben; sie sind nur schön präsentiert worden.
Ich will nur noch auf einen Aspekt, den Wachstumsfonds Bayern, hinweisen. Bayern soll in der IT mit jährlichen Großveranstaltungen für Hightech-Gründer, wie wir schon erfahren durften, und Wagniskapitalgebern aus aller Welt zu einer Gründerhochburg wer
den. Bayern ist dabei aber nicht an der Spitze. Im bundesrepublikanischen Vergleich ist hier Berlin an der Spitze. In Berlin werden für die IT 133 Millionen Euro ausgegeben, in Bayern nur 19 Millionen. Diese Zahlen stammen vom Institut der deutschen Wirtschaft. Berlin hat uns hier abgehängt. Auch das ist die Wahrheit. Auch da möchten wir hören, wie und wann Sie aufholen wollen. Wenn Sie uns sagen, wo und wie Sie ansetzen, und es nicht bei einer sehr vagen und publicityträchtigen Ankündigungsphilosophie belassen, unterstützen wir Sie bei diesem für ganz Bayern so wichtigen Thema gern. Reduzieren Sie Ihre Planungen aber nicht auf München!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! "Bayerns Erfolgsgeschichte fortschreiben – den Freistaat zur Leitregion für den digitalen Aufbruch weiterentwickeln": Dieses Thema suggeriert, dass die Digitalisierung in Bayern schon bisher eine Erfolgsgeschichte war. Das Gegenteil aber ist der Fall. Beim Breitbandausbau sind wir immer noch eher Leidregion statt Leitregion. Bei uns Franken ist das phonetisch fast dasselbe; das ist aber eine andere Geschichte. Ein flächendeckend schnelles Internet in ganz Bayern wurde uns schon einmal zu Beginn der letzten Legislaturperiode versprochen. Passiert ist nahezu nichts. Der Neustart des bayerischen Breitbandförderprogramms in der neuen Legislaturperiode unter Staatsminister Söder hinkt immer noch gewaltig hinterher. Immer noch haben wir im ländlichen Raum nur 16 bis 18 % schnelles Internet. Statt aufzuholen, wird der ländliche Raum immer mehr abgehängt.
Keine einzige Kommune hat das Programm im letzten halben Jahr erfolgreich abgeschlossen. Diese Zahlen sprechen doch schon einmal Bände. Nun soll das Programm deutlich vereinfacht und gestrafft werden, wenn es denn die EU zulässt. Das begrüßen wir natürlich und hoffen auf einen schnellen Erfolg. Wir müssen dem einfach eine Chance geben.
Wenn jetzt aber beim sogenannten Breitband-Pakt Telekom und Kabel Deutschland versprechen, 70 % der bayerischen Haushalte bis 2017 mit schnellem Internet versorgen zu wollen, stellt sich die Frage, warum bisher so wenig ging. Ein Pakt ist für uns keine vollmundige Absichtserklärung, sondern ein verbindlicher Vertrag. Den wird der Freistaat von den Unternehmen bestimmt nicht zum Nulltarif bekommen, so
viel steht fest. Wir alle würden uns wünschen, dass das Versprechen eines schnellen Internets in ganz Bayern endlich Wirklichkeit wird. Das Internet gibt es nun schon seit schlappen 20 Jahren, es geht auch nicht mehr weg, und jetzt wird es Zeit, dass es überall hinkommt.
Dabei stellt sich für uns die Frage, wie viele Neustarts es jetzt noch braucht. Nach drei Fehlstarts wird man bei der Leichtathletik normalerweise disqualifiziert. Dazu ist es jetzt nicht mehr lange hin.
Dass die Digitalisierung auch unsere Wirtschaft umkrempelt, ist keine Frage. Auch das ist nicht neu. Umso besser, dass beim IT-Gipfel endlich erkannt wurde, dass Handlungsbedarf besteht. Hier hat sich in Bayern in den letzten Jahren bereits unheimlich viel getan. Kleine und mittelständische Unternehmen aus der Kreativ- und IT-Branche sind der Motor für den Strukturwandel in Bayern. München und übrigens auch Nürnberg gehören bundesweit zu den wenigen Städten, bei denen bereits jetzt über 10 % der Beschäftigten in der IKT-Branche arbeiten. Dort haben wir bereits eine lebendige Gründerszene. Da mit einem Existenzgründerfonds anzusetzen, ist überfällig und besser, als noch mehr Geld den Telekommunikationsanbietern in den Rachen zu werfen.
Genauso wichtig ist es aber auch, Freiberuflern und Gründern Beratung und Hilfestellung zu geben. Wir hoffen, dass es mit dem angekündigten Zentrum für Digitalisierung in München nicht so läuft wie mit dem geplanten Zentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft in Nürnberg. Dort ist nach vollmundigen Absichtserklärungen jahrelang überhaupt nichts passiert. Wie dort der Stand ist, würde mich wirklich lebhaft interessieren. Auf die diesbezüglichen Anfragen von meinem Kollegen Sepp Dürr kam jedenfalls bisher keine aussagekräftige Antwort. Was die Digitalisierung der Arbeitswelt mit unserer Gesundheit, unseren Arbeitsbedingungen und dem Schutz der Arbeitnehmerrechte zu tun hat und wie wir das positiv gestalten können, davon habe ich bisher vonseiten der Staatsregierung noch kein Wort gehört.
Sehr bedenklich finde ich es genauso wie meine Vorrednerin, dass statt einer Bündelung der Zuständigkeiten wieder eine Zersplitterung stattfindet. Hier Herr Söder als CIO und da Frau Aigner - als was jetzt in dem Zusammenhang? Das Thema ist einfach zu groß und zu wichtig, um den Kuchen wieder nach rein machtpolitischen Gesichtspunkten zu verteilen.
Endlich wird es auch Zeit, dass wir die Digitalisierung nicht mehr rein technokratisch begreifen, wie es die Staatsregierung immer noch tut, sondern als gesellschaftliche Herausforderung, die alle Politikfelder betrifft. Datenschutz und Datensicherheit sind nicht nur für unsere Wirtschaft elementar, sondern ganz besonders auch für die Datenbestände des Staates und der Bürgerinnen und Bürger. Wenn wir nach dem Grundsatz verfahren, dass private Daten privat und öffentliche Daten öffentlich sind, ergeben sich daraus im Umkehrschluss große Chancen, Bayern demokratischer und transparenter zu gestalten. Denn eines ist klar: Eine Leitregion für den digitalen Aufbruch kann nicht zeitgleich Entwicklungsland in Sachen Open Government, Open Data und Verwaltungstransparenz sein.
Datenbestände der öffentlichen Verwaltung, sofern sie nicht personenbezogen oder sicherheitsrelevant sind, müssen lizenzfrei und maschinenlesbar im Internet abgerufen werden können.
Die Bayerische Staatsregierung verweigert sich seit Jahren vehement der Einführung eines Informationsfreiheitsgesetzes, obwohl Derartiges in elf Bundesländern und im Bund schon seit Jahren eingeführt ist. Mittlerweile haben auch zahlreiche Kommunen in Bayern Informationsfreiheitssatzungen. In vielen Bundesländern gibt es bereits jetzt die Informationsfreiheit 2.0, nämlich Transparenzgesetze, die die Länder verpflichten, von sich aus für die Menschen relevante öffentliche Informationen barrierefrei ins Netz zu stellen. So können zusammen mit den Bürgern hervorragende Projekte auf den Weg gebracht werden. Tolle Ideen finden sich zum Beispiel bei den Preisträgern des Wettbewerbs "Apps für Deutschland". Schauen Sie einfach einmal nach. Sie können alles im Internet abrufen.
In Bayern hütet CIO Söder wie seine Vorgänger die Datenbestände der Verwaltung wie Gollum aus "Der Herr der Ringe" seinen Schatz. Wer sich so verhält, ist nicht Spitze der Bewegung, sondern hält die rote Laterne in der Hand. Herr Söder, machen Sie etwas daraus. Begreifen Sie das als gesamtgesellschaftliche Verantwortung.