Wir wollen nicht, dass in Bayern im Wahlkampf weiter billige Schmutzelei zulasten von Saisonarbeitern betrieben wird. Wir wollen eine Politik, die mit anderen Ländern auf Augenhöhe kommuniziert und mit der wir die sozialen Probleme der Menschen lösen können, was besser ist, als nur darüber nachzudenken, wie man die Schuldenprobleme lösen kann. Das ist wichtig; aber wir wollen auch die sozialen Probleme lösen.
Lieber Kollege Aiwanger, dem Teil 1 stimmen wir gerne zu. Mit Ziffer 2 haben wir ein Problem, das ich Ihnen gerne erläutere: Wir wollen die Rechte des Europäischen Parlaments stärken. Wir wollen die Rechte der Bürgerinnen und Bürger auf Mitwirkung stärken, und wir glauben, dass wir über europäische Fragen auf europäischer Ebene abstimmen sollten und nicht auf nationalstaatlicher Ebene. Das wäre ja so ähnlich, wie wenn wir beide in Schwaben ein Volksbegehren für irgendeine landesrelevante Frage durchführen. So funktioniert Bayern nicht, und so funktioniert Europa auch nicht. Deshalb können wir leider Ihren Antrag nicht mittragen; Ziffer 1 können wir jedoch sehr wohl mittragen.
Liebe Kollegin, ich glaube, ich habe in meinen Ausführungen klar und deutlich gemacht, dass es in dem Antrag der SPD darum geht, Kompetenzen nach Europa abzugeben. Wir FREIEN WÄHLER sind der Meinung, dass wir Kompetenzen nur abgeben können – in diesem Fall ist das Soziale eben Bundesaufgabe –, wenn das Volk zustimmt. Deshalb wollten wir, wenn man Kompetenzen verlagert, eine Volksabstimmung. Darum steht Ziffer 2 drin. Wir können über sie leider nicht getrennt abstimmen lassen, sondern lassen den Antrag als Ganzes stehen.
Liebe Kollegin Müller, ich verstehe den Antrag der SPD so, dass sich Europa mehr um die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und insbesondere auch der arbeitslosen Jugend kümmern soll. Dies bedeutet nicht, dass wir Kompetenzen abtreten. Das können wir auch gemeinsam tun, ohne Kompetenzen abzutreten. Solidarität ist ein wichtiges Stichwort. Wir müssen insgesamt die europäische Demokratie stärken. Nationale Volksabstimmungen sind für uns in dieser Frage nicht der richtige Weg.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Förster, Sie haben mit Ihrer Rede dick unterstrichen, dass der Dringlichkeitsantrag der SPD natürlich ein Wahlkampfantrag ist, gar keine Frage.
Herr Dr. Förster, Sie sagten auch, dass wir zu einem sachlichen Umgang zurückkehren sollten. Dies tue ich jetzt, so wie Sie es vorhin gewünscht haben.
Für uns als CSU und vor allem als Staatsregierung ist klar: Wir sagen Ja zu Europa, aber wir wollen in Europa keinen Zentralismus, sondern wir wollen Subsidiarität, und wir wollen vor allem auf keinen Fall einen EU-Supersozialstaat, der auf Gleichmacherei setzt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist normalerweise nicht meine Art und auch nicht in meiner Zuständigkeit, europapolitische Lehrstunden zu erteilen. Aber ich erlaube mir aus meiner Erfahrung heraus schon den Hinweis, dass sich die Europäische Union in ihren Verträgen eindeutig zum Leitbild der Sozialen Marktwirtschaft bekennt und in ihrer Charta der Grundrechte ausdrücklich soziale Rechte formuliert. Dadurch macht die Europäische Union nach außen deutlich, dass die gemeinsame europäische Werteordnung neben politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rechten auch soziale Rechte beinhaltet.
Um sie umzusetzen, haben die Staats- und Regierungschefs vor mehr als drei Jahren die Strategie "Europa 2020" beschlossen und damit die soziale Dimension der Wirtschafts- und Währungsunion definiert und unterstrichen; die Kollegin Wittmann hat vorhin darauf hingewiesen. Das Ziel ist ein wirtschaftlich starkes Europa, und Wachstum soll dabei allen zugutekommen und niemanden ausgrenzen. So hat sich die Europäische Union erstmals in ihrer Geschichte ein konkretes Ziel zur Armutsbekämpfung gesetzt, nämlich – es steht wirklich darin –: Bis zum Jahr 2020 sollen europaweit 20 Millionen Menschen aus der Armut geholt werden, auch mithilfe des Europäischen Sozialfonds. Deutschland und die Bundesregierung bekennen sich ausdrücklich zur "Europa 2020"-Strategie, und Bayern und die Bayerische Staatsregierung tun dies übrigens ebenfalls. Deshalb muss jeder Mitgliedstaat zunächst einmal seine eigenen Hausaufgaben machen. Deutschland hat dies getan. Unsere Zahlen zur Jugendarbeitslosigkeit sprechen für sich. Kollegin Wittmann hat vorhin auch die bayerischen Zahlen noch einmal im Detail erörtert, und ich kann nur sagen, ich unterstreiche dies. Wir stehen hierbei sehr gut da, weil wir unsere Hausaufgaben in der Vergangenheit gemacht haben.
Wir haben rechtzeitig wichtige Strukturreformen angepackt, und ich darf Ihnen sagen: die Union und die SPD gemeinsam und nicht irgendjemand anders. Ich erinnere nur an die Agenda 2010, die ein Bundeskanzler der SPD geschaffen hat und die wir alle mitgetragen haben, und wir tun es noch immer ohne Wenn und Aber. Ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD: Die Große Koalition im Bund hat mit Unterstützung des Freistaates wichtige sozialpolitische Ziele vereinbart und steckt derzeit mitten in der Umsetzung.
Wir haben uns auf einen gesetzlichen Mindestlohn geeinigt, der von den Sozialpartnern gemeinsam fest
gelegt wird. Die Entsenderichtlinie ist in deutsches Recht überführt. Unser Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und das Teilzeit- und Befristungsgesetz setzen die bestehenden europarechtlichen Grundlagen um. Wir haben im Koalitionsvertrag des Bundes weitere Verbesserungen vereinbart, wie die Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten bei der Zeitarbeit und eine Erleichterung der Rückkehr aus der Teilzeit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch die Bekämpfung der Schwarzarbeit funktioniert. Nur eine Zahl: Der Zoll hat im Jahr 2013 in 135.000 Verfahren wegen Schwarzarbeit ermittelt und dabei einen Schaden von insgesamt 777 Millionen Euro aufgedeckt. Auch die Mütterrente kommt und die abschlagsfreie Rente ab 63, die Ihnen so ganz besonders am Herzen liegt. Nur dürfen wir keine Frühverrentungsansätze schaffen.
Auch in Sachen Arbeits- und Gesundheitsschutz sind wir in Deutschland und in Bayern Vorreiter. Wir sind die Messlatte für andere Länder in ganz Europa. Bayern liegt auch an der Spitze in Europa, was die Chancen von jungen Menschen betrifft. Die Jugendgarantie ist wichtig, vor allem für die jungen Menschen in Portugal, Spanien und Griechenland. Wir wollen keine verlorene Generation in Europa haben. Deshalb verstehe ich überhaupt nicht, Frau Kamm, dass Sie behaupten, dass es im CSU-Programm keine klare Aussage zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit gäbe. Auf Seite 10 des CSU-Programms finden Sie ganz konkret, was die CSU einfordert. Wir wollen für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa die Weichen stellen, damit junge Menschen eine Perspektive und eine Chance haben.
Auch die Frauenquote kommt, aber wichtig für uns ist nicht nur die Vorstandsetage, sondern gerade auch die mittlere Führungsetage, in der Frauen nach wie vor nicht nach oben kommen. Die Ausgestaltung des Entgeltgleichgesetzes werden wir kritisch begleiten, um die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern zu schließen. Darauf haben wir uns im Koalitionsvertrag ebenfalls verständigt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, schauen Sie sich unseren gemeinsamen Koalitionsvertrag in Deutschland an. Sie werden das Allermeiste, was Sie hier fordern, darin wiederfinden. Deshalb legt Bayern größten Wert auf die Feststellung, dass die Zuständigkeit, aber auch die Verpflichtung für die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik bei den Mitgliedstaaten liegt. Dabei muss es in der Zukunft bleiben; denn sie gehören zum Kernbereich der nationalstaatlichen Souveränität. Abstrakte Debatten sind deswegen aus
meiner Sicht kontraproduktiv. Es darf nicht sein, dass wir die versäumten Strukturreformen anderer Staaten nachholen. Deshalb ist der Duktus Ihres Antrags europarechtlich und europapolitisch falsch.
Wer glaubt denn ernsthaft daran, dass der Wille zu notwendigen Reformen zunimmt, wenn der Druck abnimmt? Das glaubt von uns niemand, und draußen glaubt es erst recht niemand. Andersherum wird ein Schuh daraus. Wir fordern die Mitgliedstaaten auf, notwendige Strukturreformen endlich anzugehen. Gerade die Jugend in Europa braucht eine Perspektive. Der Bayerische Landtag ist für diesen Antrag der falsche Adressat.
Meine dringende Bitte ist: Tragen Sie Ihre Anliegen und den Antrag an Ihre europäischen Kollegen in Regierungsverantwortung heran, zum Beispiel an den französischen Präsidenten Hollande, der Dringendes zu tun hat, um die Situation in seinem Land zu verbessern.
Frau Staatsministerin, ich habe Ihren Ausführungen genau zugehört und mit Verwunderung festgestellt, dass das bayerische Ministerium alles macht, was in dem Antrag gefordert wird. Sie bekennen sich genau zu dem, was in dem SPD-Antrag steht. Die CSU könnte leicht zustimmen, schon im Blick auf das, was der Kollege Förster gesagt hat. Er hat gesagt, er wolle jetzt das soziale Europa der Arbeitnehmer haben. Dann würden andere Anträge folgen. Also könnten Sie in Ihrer Partei das Votum doch nachvollziehen.
Das ist die Aufgabe unserer Fraktion. Da ist die Kompetenz unserer Fraktion angesprochen. Ich kann nur sagen, dass es sich um einen Schaufensterantrag, einen Wahlkampfantrag gehandelt hat.
Wir kommen zur Abstimmung. Die Anträge werden hierbei getrennt. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/1915, Antrag der SPD-Fraktion, seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPD, die FREIEN WÄHLER und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen bitte ich
anzuzeigen. – Das ist die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.
Wir kommen nun zur namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktion der FREIEN WÄHLER auf Drucksache 17/1946. Die Urnen stehen bereit. Ich bitte, die Stimmkarten einzuwerfen. Es stehen fünf Minuten zur Verfügung.
Ich schließe den Abstimmungsvorgang. Die Stimmen werden außerhalb des Plenarsaals ausgezählt. Das Ergebnis wird zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Thorsten Glauber u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Kosten für den Rückbau der Kernkraftwerke und die Endlagerung des Atommülls nicht auf die Allgemeinheit abwälzen (Drs. 17/1916)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Dr. Christian Magerl u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Überführung der Atomrückstellungen in einen öffentlich-rechtlichen Fonds - keine Entlassung der Atomkraftwerksbetreiber aus der Haftung (Drs. 17/1947)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Frau Präsidentin! Ich glaube, dass wir über das Thema Europa heute in allen Facetten diskutieren. Im Zusammenhang mit der Frage, wie es mit der Atomenergie weitergeht, kommt dieses Thema wieder auf uns zu. Mich freut es, dass ein Teil der CSU dem vorherigen Antrag der FREIEN WÄHLER jetzt doch zugestimmt hat, um damit zu signalisieren, dass es sinnvoll ist, bei der Übertragung von Kompetenzen auf Brüssel das Volk zu fragen. Danke an diejenigen, die uns zugestimmt haben. Ich hoffe, dass wir die CSU auch bei weiteren Themen von der Sinnhaftigkeit von Vorschlägen der FREIEN WÄHLER überzeugen können, wie zum Beispiel beim jetzigen Thema, der Atomenergie.