Danke schön, Frau Kollegin. – Den Gesetzentwurf der Staatsregierung begründet Herr Staatsminister Joachim Herrmann. Bitte schön, Herr Staatsminister.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung vom 20. November 2013 angekündigt, in Bayern das Instrument der Volksbefragung einzuführen.
Vorab will ich einige Bemerkungen zu den Vorschlägen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN machen, die von Frau Kollegin Schulze eben erläutert worden sind. Die dort vorgeschlagenen Änderungen sind nach meiner Überzeugung teilweise verfassungswidrig und aus verfassungspolitischen Gründen auf jeden Fall abzulehnen.
Der Verfassungsgerichtshof hat bereits im Jahr 2000 zu einem in Teilen inhaltsgleichen beantragten Volksbegehren entschieden, dass sowohl eine Regelung, die haushaltswirksame Volksbegehren und Volksentscheide generell zulässt, als auch eine Absenkung der Unterstützungsunterschriften von 10 % auf 5 % beim Volksentscheid gegen die demokratischen Grundgedanken der Bayerischen Verfassung verstoßen und deshalb auch nicht im Wege einer Verfassungsänderung herbeigeführt werden können. - Des Weiteren bestehen gegen die Regelungen, wonach mehrere Konkurrenzvorlagen aus der Mitte des Landtags bei einer mit Volksbegehren initiierten Entscheidung möglich sein sollen, auch verfassungsrechtlich Bedenken. Mit Blick auf die erforderliche demokratische Legitimation kann es nicht genügen, dass über die Gesetzentwürfe, die möglicherweise nur von einem Mitglied des Landtages getragen werden, anschließend durch Volksentscheid mit einfacher Mehrheit der Abstimmenden ohne jedes Quorum entschieden werden kann.
Meine Damen und Herren, unseres Erachtens sollten zwar die Regelungen über Volksbegehren und Volksentscheide, die sich bewährt haben, unangetastet bleiben, aber die Voraussetzungen für die Durchführung von Volksbefragungen zu Vorhaben des Staates mit landesweiter Bedeutung jetzt geschaffen werden. Bayern wäre damit das erste Bundesland in Deutschland, in dem Volksbefragungen möglich sind. Mit diesem Instrument würden die Staatsregierung und der Landtag künftig in ihrer Entscheidungsfindung, etwa zu bedeutsamen Großprojekten, durch das Volk nicht nur unterstützt, sondern solche Projekte würden durch ein positives Votum auch zusätzliche Legitimation erfahren.
Dass Volksbefragungen einen übereinstimmenden Beschluss von Landtag und Staatsregierung voraussetzen, schließt einen unzulässigen Eingriff in die jeweilige Kompetenz des anderen Verfassungsorgans von vornherein aus. Im Übrigen werden Volksbefragungen natürlich politische Kraft entfalten, und dies auch ohne rechtliche Verbindlichkeit.
Da Volksbefragungen weitestgehend nach den Regeln eines Volksentscheids unter Beachtung der Wahlrechtsgrundsätze durchgeführt werden sollen, haben sie auf jeden Fall weit mehr Legitimität als bloße demoskopische Umfragen. Mit Volksbefragungen schaffen wir also ein Mehr an demokratischer Mitwirkung und ein neues Instrument lebendiger Demokratie. - Ich bitte das Hohe Haus um eine wohlwollende Beratung dieser zukunftsweisenden Initiative.
Danke, Herr Staatsminister. – Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Dafür sind pro Fraktion jeweils fünf Minuten Redezeit vorgesehen. Als Erster hat nun Kollege Franz Schindler von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Fünf Minuten Redezeit, die mir zur Verfügung stehen, reichen bei Weitem nicht aus, um den beiden Gesetzentwürfen auch nur einigermaßen gerecht zu werden, sodass ich mich auf einige wenige Schlagworte beschränken muss.
Erstens, zum Gesetzentwurf der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Einen solchen Gesetzentwurf hatten wir bereits; ich meine, es war im Jahr 2011. Ein gleichlautender Gesetzentwurf war auch schon Gegenstand eines missglückten Volksbegehrens mit den Konsequenzen, die Herr Staatsminister angesprochen hat. Damals ist argumentiert worden, dass der Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Prinzip verfassungswidriges Verfassungsrecht schaffen würde. Ich will es so hart heute nicht sagen, aber dennoch Folgendes anmerken:
Die SPD-Fraktion macht bei allen echten Verbesserungen der Instrumente der direkten Demokratie mit, und zwar deswegen, weil Volksbegehren und Volksentscheide – das sage ich so oft, bis Sie es nicht mehr hören können – sozialdemokratische Erfindungen sind.
Deswegen sind wir dafür, dass über die Frage des Unterschriftenquorums hinsichtlich der 10 % ernsthaft
diskutiert wird. Wenn man es aber so macht wie Sie in Ihrem Gesetzentwurf, dass man die Hürde von 10 % auf 5 % absenken will, provoziert man, dass beim Volksentscheid ein Quorum gefordert wird, weil es ansonsten an der Legitimation einer entsprechenden Entscheidung fehlen würde. Das ist das Problem, das wir hierin sehen, meine Damen und Herren.
Zweitens. Wenn die Verfassung so geändert werden sollte, wie Sie es vorschlagen, dass künftig nicht mehr nur Volksbegehren mit dem Ziel der Schaffung eines Gesetzes – so wie es jetzt in der Bayerischen Verfassung steht – möglich sein sollen, sondern diese auch zu allen anderen Themen zulässig sein sollen, über die der Landtag Beschluss fassen kann, dann wäre das etwas ganz anderes, als es sich die Väter und die wenigen Mütter der Bayerischen Verfassung im Jahr 1946 vorgestellt haben. Sie hatten damals die Kompetenzen zwischen Volk, Landtag und Exekutive genau verteilt, und zwar in einer Weise, wie es in keinem anderen Bundesland der Fall ist. Es wurde festgeschrieben, dass das Volk und der Landtag nebeneinander gleichberechtigte Gesetzgeber sind und dass die Staatsregierung für den Vollzug zuständig ist.
Sie schlagen vor, dass der Landtag und das Volk letztlich auch Einzelfallentscheidungen treffen können sollen mit der Folge, dass sie Zuständigkeiten der Staatsregierung für sich reklamieren würden. Das kann man wollen – das sage ich ausdrücklich –, aber das wäre etwas ganz anderes, als man es sich bezüglich der Zuständigkeiten im Jahr 1946 überlegt hat. Deswegen muss man hierbei außerordentlich vorsichtig sein.
Zum Gesetzentwurf der Staatsregierung, meine sehr verehrten Damen und Herren: Die Begründung des Gesetzentwurfes ist jetzt sehr staatstragend vorgetragen worden. Eigentlich mussten Sie selbst schmunzeln, weil man diesen Gesetzentwurf wohl nicht sonderlich ernst nehmen kann. Mir tun die armen Verfassungsjuristen in der Staatskanzlei und im Justizministerium leid, die sich damit und mit der Ankündigung des Ministerpräsidenten herumärgern mussten, endlich auch in Bayern Volksbefragungen zuzulassen. Es ging immer nur um die Frage: Können wir eine Abstimmung zur dritten Startbahn herbeiführen, Ja oder Nein? Und das nur, weil Ihnen das Ergebnis in der Stadt München nicht gefallen hat. Das ist der ganze Hintergrund dieses Traras, das Sie hierzu veranstalten.
Unser Gesetzentwurf ist bereits im Januar eingebracht und diskutiert worden. Ich meine auch sagen zu können: Unser Gesetzentwurf ist stärker durchdacht und besser als Ihr Gesetzentwurf, obwohl Sie eine riesige Abteilung hierfür zur Verfügung hatten.
Wenn man sich Ihren Gesetzentwurf genauer anschaut, stellt man Folgendes fest: Es soll die Möglichkeit einer unmittelbaren Beteiligung des Volkes im Bereich der Aufgaben, die der Staatsregierung als oberster, leitender und vollziehender Gewalt obliegen, geschaffen werden. Es ist nicht die Rede von den Zuständigkeiten des Landtags, sondern es ist die Rede von den Aufgaben und Zuständigkeiten der Staatsregierung – ausschließlich. Dazu soll die Möglichkeit der Befragung des Volkes geschaffen werden. Aber das soll und darf natürlich kein Akt der Staatswillensbildung sein, Herr Staatsminister. Auch das haben wir erkannt. Deswegen steht in unserem Gesetzentwurf, dass eine solche Volksbefragung nicht verbindlich sein kann, weil ansonsten die Zuständigkeitsverteilung generell infrage gestellt würde. Wenn es aber kein Akt der Staatswillensbildung sein kann und darf: Ja, soll es denn dann ein Akt der Willensbildung des CSU-Vorsitzenden sein? Nichts anderes meinen Sie offensichtlich, weil es politisch und faktisch dann doch Relevanz haben soll.
Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, man kann dieses Vorhaben der Staatsregierung nur als wirklich tricky bezeichnen. Sie wollen hier dem Volk Sand in die Augen streuen, ohne dass es eine tatsächliche Verbesserung der direkten Demokratie wäre.
Zu § 2 Ihres Gesetzentwurfs, der das Außerkrafttreten bestimmter Regelungen betrifft, möchte ich sagen: Das eine ist tricky, und das andere kann man nicht anders bezeichnen als gaga,
gaga deshalb, weil es eine sogenannte Paragrafenbremse gibt und die obersten Juristen der Staatskanzlei sich offensichtlich nicht zu schade und nicht zu dumm dafür waren, das auch noch in diesem Zusammenhang einzulösen, und einfach irgendwelche Vorschriften benennen, die man außer Kraft setzen kann. Auch das wird dem Gegenstand nicht gerecht. - Ich sage noch einmal: Tricky und gaga, nichts anderes.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die beabsichtigte Änderung des Bayerischen Landeswahlgesetzes durch die Bayerische Staatsregierung will die Möglichkeit für Volksbefragungen für Angelegenheiten eröffnen, die für ganz Bayern von Bedeutung sind, und dies davon abhängig machen, dass Staatsregierung und Landtag hier einen übereinstimmenden Beschluss auf den Weg bringen. Dabei wird die Volksgesetzgebung – Volksbegehren, Volksentscheid – unberührt gelassen und ein zusätzliches Instrument eingeführt, um Erkenntnisse als Basis für künftige Entscheidungen zu erlangen.
Wir begrüßen diesen Entwurf ganz ausdrücklich, weil wir es eben gerade gut finden, dass wir eine neue, eine zusätzliche Basis für Erkenntnisse gewinnen. Das gilt umso mehr – das muss ich jetzt schon sagen, ich wollte eigentlich auf die Paragrafenbremse nicht eingehen, Herr Kollege –, als man dieses Instrument im Landeswahlgesetz angesiedelt hat, indem man dort auf die bereits bestehenden Vorschriften für Volksbegehren und Volksentscheid mit verweisen kann. Damit schafft man gerade kein Mehr an Bürokratie, sondern wählt einen ausgesprochen schlanken Gesetzesweg. Auch das muss einmal gesagt werden.
Wir werden den Gesetzentwurf der Fraktion der GRÜNEN ablehnen. Bereits in der Einleitung wird darauf verwiesen, dass die direkte Demokratie einer Stärkung bedürfe, also die derzeitig direkte Demokratie in Bayern sozusagen ein stumpfes Schwert sei. Es wird dabei völlig übersehen, dass das Scheitern von Volksbegehren und Volksentscheid zu bestimmten Themen eben nicht daran liegt, dass in Bayern klare gesetzliche Regelungen fehlen, sondern letztendlich daran, dass die Mehrheit der Bevölkerung die dort verfolgten Ziele gerade nicht unterstützt. Deshalb scheitern Volksbegehren. Es zeigt sich auch, dass Volksbegehren immer dann, wenn die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land ein bestimmtes Petitum umsetzen möchte, auch mit Erfolg stattfinden. Nehmen wir nur das Rauchverbot: Hier war die Mehrheit der Bevölkerung trotz der von Ihnen gescholtenen gesetzlichen Regelung durchaus in der Lage, entsprechende Entscheidungen auf den Weg zu bringen.
Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken wurde bereits einiges ausgeführt, dem ich mich nur anschließen kann. Wir lehnen selbstverständlich eine Absenkung des Unterschriftenquorums auf 5 % ab; denn wir sind der Überzeugung, man braucht ein starkes Signal, und das sind für uns mindestens 10 % der Bevölkerung, da es anders als in anderen Bundesländern –
diese haben Sie diesmal, anders als in den Jahren davor, auch gar nicht bemüht - bei uns dann beim Volksentscheid kein Quorum gibt. Es muss auch klar sein, dass nur dann ein entsprechendes Gesetz in Kraft treten kann, wenn eine starke Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung im Rahmen einer Volksgesetzgebung dies wünscht.
Ich möchte nur einige weitere Punkte herausgreifen, denn insoweit stimme ich wiederum mit Herrn Schindler überein: Fünf Minuten sind sehr wenig, um hier umfassend Stellung zu nehmen. - Wir sind auch der Ansicht, dass es nicht angehen kann, dass in das ureigenste Recht des vom Bürger gewählten Parlaments, nämlich das Budgetrecht, eingegriffen wird; denn das Budget soll nicht bestimmten Interessengruppen dienen, sondern das Haushaltsgesetz soll so gestaltet sein, dass es der Mehrheit der Bevölkerung dient. Deshalb hat sich der Gesetzgeber unserer Verfassung damals auch zu Recht entschlossen, gerade Haushaltsgesetze von einem Volksbegehren auszunehmen.
Für uns ist auch nicht nachvollziehbar, was an Mehr an Demokratie damit verbunden sein soll, wenn die Eintragungsfrist nicht mehr 14 Tage, sondern vier Wochen betragen soll. Wer sich bei einem bestimmten Thema eintragen will, der wird das auch tun. Ansonsten hat man nur eine Verdoppelung der Zeit ohne ein Mehr an Demokratie. Wir sind auch der festen Überzeugung, dass eine briefliche Eintragung mehr Missbrauchsmöglichkeiten eröffnet und deshalb gerade nicht im Interesse eines effektiven Weges der Volksgesetzgebung sein kann. - Dabei möchte ich es jetzt einfach belassen. Meine Redezeit ist auch zu Ende.
Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat der Kollege Professor Dr. Michael Piazolo von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Berg kreißte und gebar ein Mäuschen. Der bayerische Löwe wollte brüllen, öffnete das Maul, und heraus kam ein Krächzen. - Die Idee, meine sehr verehrten Damen und Herren, eine unverbindliche Volksbefragung einzuführen, ist vordemokratisch.
- Das ist ein Witz, genau das. – Sie fallen damit vor Kant zurück, und der lebte im 18. Jahrhundert. Sie wollen den Bürger in die Unmündigkeit zurückschicken, wenn Sie ihm nicht das Recht geben, darüber
Sehr verehrter Herr Ministerpräsident, was Sie da machen, ist keine Koalition mit dem Bürger, sondern das ist Demokratie ohne Trauschein. Sie haben Angst vor der bindenden Entscheidung des Volkes, also keinen Mut, und Sie wollen keine Verbindlichkeit, also Rechtlosigkeit. Klassische Demokratie ohne Trauschein!
Wir FREIEN WÄHLER nehmen das Wort des Volkes ernst; Sie haben Angst vor dem Volk. Wir wollen die Menschen entscheiden lassen; Sie wollen die Bürger nur befragen. Das ist eine Politik des Widerspruchs: eine unverbindliche Volksbefragung. Das ist aber auch Spiegelbild Ihrer Politik: Beliebigkeit statt Festlegung; mal für Studiengebühren, mal dagegen; mal für Wehrpflicht, mal dagegen; mal für die Energiewende, mal dagegen; mal für Ganztagsschulen, mal dagegen; mal für G 8, mal dagegen; mal das Volk entscheiden lassen bei Wahlen, mal es nur unverbindlich befragen. So etwas nennt man im Griechischen ein Oxymoron, einen Widerspruch in sich selbst. Oxymoron – ich möchte den Begriff erklären, aber da muss man ein bisschen mitdenken – ist zum Beispiel das herrenlose Damenfahrrad,
ist auch der eingefleischte Vegetarier oder das offene Geheimnis. Und Oxymoron – das ist jetzt für Feinschmecker – ist auch Microsoft Word, denn es funktioniert nie.