Interpellation der SPD-Fraktion betreffend die Entwicklung der ambulanten, teilstationären und stationären Versorgung psychisch erkrankter, seelisch behinderter und suchtkranker Menschen in Bayern (Drs. 17/482)
Ich eröffne die Aussprache. Erste Rednerin ist Kollegin Kathrin Sonnenholzner von der SPD-Fraktion. Frau Kollegin, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zu Beginn einige wenige grundsätzliche Ausführungen zum Thema Psychiatrie in Deutschland seit 1945 machen. Nach den schrecklichen Erfahrungen der betroffenen Patientinnen und Patienten in der Nazizeit war es ein steiniger Weg von Ruhigstellung und reiner Aufbewahrung zu Therapie und Regionalisierung. In Bayern waren es der Zweite Bayerische Landesplan zur Versorgung psychisch Kranker und psychisch Behinderter aus dem Jahr 1990 und die Grundsätze zur Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Bayern aus dem Jahr 2006, mit denen maßgeblich versucht wurde, steuernd auf die Entwicklung der psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung einzuwirken. Fachleute und auch die SPD-Fraktion hier im Landtag haben allerdings von Anfang an bemängelt, dass diese Psychiatriegrundsätze wenig konkret und wenig verbindlich waren. Zusätzlich fehlt auf Landesebene eine moderierende und Ziele verfolgende Instanz.
Die Tatsache, dass der Zweite Landesplan nicht als Plan fortgeschrieben, sondern zugunsten der Psychiatriegrundsätze mit wenig Verbindlichkeit aufgegeben wurde, zeigt nur zu deutlich, dass kein Interesse besteht, die Ziele weiterzuentwickeln und umzusetzen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass seit dem Jahr 2007 in Bayern nur wenige Fortschritte bei der Entwicklung der psychiatrischen Versorgung zu verzeichnen sind. Außerdem stellen Expertinnen und Experten fest, dass die für Planungs- und Entwicklungsprozesse notwendigen Daten, die den Gesamtbereich der psychiatrischen Versorgung in den Fokus nehmen, nach wie vor fehlen. Das war für uns Grund genug, mit dieser Interpellation einen Anstoß zur Weiterentwicklung der psychiatrischen Versorgung in Bayern im Sinne der Psychiatrie-Enquete von 1975 und der Expertenkommission von 1988 zu geben.
Wir sind sicher, dass sich alle Anstrengungen zur Weiterentwicklung der Versorgung auf Strukturdaten stützen müssen, die ein Bild der Nachfrage nach psychiatrischen und psychotherapeutischen Leistungen einerseits sowie der Versorgungssituation andererseits geben. Bei der Beantwortung ist die Chance vertan worden, aktuelle und – wie wir meinen – durchaus verfügbare Daten einzuspeisen. Leider hat man sich zu 100 % auf die Angaben, die auf den Homepages des Verbands der bayerischen Bezirke ohnehin für jedermann öffentlich sind, verlassen. Nach einer Bearbeitungszeit von insgesamt 15 Monaten und mehrfacher Verschiebung des Abgabetermins liegt seit Ende des letzten Jahres die Antwort vor. Damit unterliegt die Interpellation ärgerlicherweise im Wesentlichen der Diskontinuität. Das bedeutet, dass wir sie nicht ausführlich im Ausschuss debattieren können.
Vorweg genommen kann man sagen: Das Ergebnis ist dürftig, ernüchternd und enttäuschend. Flapsig könnte man zu diesen 467 Seiten sagen: Geschrieben haben Sie viel, aber gesagt haben Sie nichts. Das ist explizit kein Vorwurf an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ministerium, sondern an die zuständigen Minister und Ministerinnen in der Vergangenheit und der Gegenwart, denen das Thema nicht wichtig ist. Diese Antwort zeigt, dass keinerlei Gestaltungswille vorhanden ist. Mit der personellen Besetzung für dieses Thema im Ministerium ist auch nicht viel mehr möglich.
Frau Ministerin Huml, daran ändert auch nichts, dass Sie in den letzten zwei Wochen drei Pressemitteilungen rausgeblasen haben, die Ihre Verdienste zeigen sollen. In einer Pressemitteilung haben Sie sich auf Ihre Kampagne "Schwanger? Null Promille!" berufen. Um der Geschichtsklitterung vorzubeugen, möchte ich sagen, dass dies eine Initiative der SPD-Fraktion hier im Landtag auf mein Anraten war. Es ist zwar schön, dass Sie das machen, aber das ist nicht Ihre Initiative.
Das, was Sie heute geschrieben haben, betrifft nur einen sehr kleinen Teil der psychiatrischen Versorgung. Die Zeit erlaubt es nicht, alle Themenkomplexe anzusprechen, geschweige denn sie ausführlich zu debattieren. Deswegen beschränke ich mich auf einige wenige Themen.
Bei der abgefragten Häufigkeit psychischer Erkrankungen im Bereich der psychotropen Substanzen ist das Thema Alkohol zu nennen. In der Tat ist es erschreckend, wie trotz aller Bemühungen und trotz der Zunahme von Jugendlichen, die weniger oder gar nicht trinken, die Rate der Krankenhausfälle wegen akuter Alkoholintoxikation nach wie vor steigt. Außer
dem sind andere Auffälligkeiten zu verzeichnen, die wir mit einem Antrag zum Thema Alkoholkrankheit – das ist eine der großen Volkskrankheiten – in den kommenden Wochen im Ausschuss als SPD-Fraktion aufgreifen werden.
Das Problem der Methadon-Versorgung ist nach wie vor riesengroß. Nach unserem Antrag in der letzten Legislaturperiode haben Sie zwar einen Arbeitskreis oder einen Runden Tisch eingerichtet, trotzdem gab es weiter Approbationsentzüge bei Ärzten, die sich leitliniengerecht verhalten haben. Die Versorgung der betroffenen Menschen in der Fläche ist weiter gefährdet.
Ein Fokus sollte in Zukunft auf die Frage Abusus von Sedativa bei älteren und alten Menschen gelegt werden. Den alarmieren Zahlen stehen keine Aktivitäten gegenüber. Nach eigenem Bekunden gehen Sie von einem künftig steigenden Versorgungsbedarf im Suchtbereich aus. Sie beurteilen jedoch in keiner Weise den Veränderungs- bzw. Verbesserungsbedarf, der in Ihrer eigenen Zuständigkeit liegt. Deshalb werden wir über die Grundsätze zu Drogen oder Sucht einen Bericht einfordern, damit wir über dieses Thema und die nötigen Konsequenzen ausführlich im Ausschuss diskutieren können.
Ebenfalls ein wichtiges Thema sind die neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen. Dort nehmen sowohl die stationären als auch die ambulanten Fälle in allen Altersgruppen zu. Jede fünfte bis jede zehnte GKV-versicherte Frau ist mindestens einmal pro Quartal wegen einer solchen Störung in ambulanter Behandlung. Dort bewerten Sie das Versorgungssystem und den Entwicklungsbedarf durch eigene Maßnahmen leider nicht.
Deutliche Zunahmen gibt es auch bei den Verhaltensstörungen und den emotionalen Störungen mit Beginn des Kinder- und Jugendalters. Das muss in Zukunft ganz dramatisch im Fokus unserer Bemühungen stehen. Das gilt auch für die Kinder- und Jugendpsychiatrie insgesamt. Dort gibt es große Verwerfungen, die wir schon an vielen Stellen angesprochen haben. Der Landesgesundheitsrat hat sich mit diesem Thema beschäftigt. Leider gibt es keine konkreten Maßnahmen zur Verbesserung der Situation.
Herr Kollege Kreuzer, wenn Sie ein bisschen leiser reden könnten, könnte ich mich ein bisschen besser konzentrieren.
Ein weiteres großes Thema ist die ambulante Versorgung. Wir haben sehr unterschiedliche Dichten in der Versorgung mit niedergelassenen Psychiatern, Ner
venärzten und Psychotherapeuten. In dicht versorgten Kommunen ist der Versorgungsgrad bis zu zehnmal so hoch wie in Gebieten mit niedriger Versorgungsdichte. Dabei haben wir aber auch in Gebieten mit hohem Versorgungsgrad dramatisch lange Wartezeiten. Da wundert es mich schon, dass Sie uns nicht sagen können oder wollen, wie lange die Wartezeiten sind, weil wir auch diese bei der Bedarfsplanung berücksichtigen müssen. Sie machen auch keine Aussagen zum zukünftigen Bedarf. Ich fühle mich hier fast an die drei Affen erinnert: Ich sehe nichts, ich höre nichts, ich sage nichts. Diese Haltung zieht sich wie ein roter Faden durch Ihre Beantwortung hindurch. Ich sage es jetzt nicht mehr; denn bei jeder gestellten Frage heißt es, die Staatsregierung mache keine Angaben über den weiteren Bedarf oder die zukünftige Entwicklung. Denken Sie sich das bitte zugunsten meiner Redezeit zu jedem Punkt, den ich erwähne, hinzu. Es ist überall mehr oder weniger so zu lesen.
Bei den Institutsambulanzen können Sie auch keine Aussagen zur weiteren Entwicklung des Bedarfs machen. Deswegen wundert es mich, Frau Huml, dass Sie die psychiatrischen Institutsambulanzen in Ihrer heutigen Pressemitteilung so hochloben. Sie sind tatsächlich gut. Wenn Sie mit den Institutsambulanzen reden, hören Sie aber, dass es Probleme an der Schnittstelle zu den niedergelassenen Ärzten gibt. Auch darauf müsste der Fokus gerichtet werden. Auch darum müssen wir uns kümmern. Für die Bedarfsplanung bei der sektorenübergreifenden psychiatrischen Versorgung müsste endlich das gemeinsame Landesgremium nach § 90a SGB V eingerichtet werden. Wir, die SPD-Fraktion, haben dazu in der letzten Sitzung des Gesundheitsausschusses einen Berichtsantrag eingebracht.
Mit der teilstationären Versorgung liegen wir deutlich unter dem Bundesschnitt. Bayern hat 6,8 teilstationäre Plätze je 100.000 Einwohner. Im Bundesdurchschnitt liegt diese Zahl bei 14,5. In der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie liegen wir zwar mit 3,2 Plätzen für die teilstationäre Versorgung im Bundesdurchschnitt. Angesichts des Bedarfs ist diese Zahl aber zu niedrig. Auch hier gehen Sie von einem tendenziell steigenden Bedarf aus. Dann müssen Sie aber auch etwas dafür tun, dass Sie diesen Bedarf decken können; denn die Angebote werden nicht vom Himmel fallen.
Der nächste Punkt ist die stationäre Versorgung. Auch dafür haben wir deutlich weniger Betten als im Bundesdurchschnitt. Natürlich kann man mit mehr ambulanter Behandlung auch im Interesse der Patientinnen und Patienten den Bedarf an stationären Plätzen zurückfahren. Allerdings ist die Auslastung der stationären Versorgung von 90,7 % auf 96,6 % gestie
gen. Deshalb glaube ich nicht, dass die jetzigen Kapazitäten ausreichen. Frau Ministerin, Sie sagen auch, dass Sie mit einer Zunahme der Häufigkeit psychischer Erkrankungen rechnen.
Die Kinder und Jugendlichen habe ich schon erwähnt. Bei ihnen sind die Wartezeiten extrem. Das hat auch darin seinen Niederschlag gefunden, dass bei der neuen Bedarfsplanung 20 zusätzliche Niederlassungsmöglichkeiten für Kinder- und Jugendpsychiater geschaffen worden sind. Aber auch da sind die regionalen Unterschiede zu berücksichtigen. Eine bedarfsorientierte und regionalisierte Bedarfsplanung ist bei den Kinder- und Jugendpsychiatern mindestens so bedeutsam wie bei der Erwachsenenpsychiatrie. Außerdem brauchen wir auch für Kinder und Jugendliche eigene psychiatrische Dienste.
Bei den älteren Menschen sehen Sie sich auch nicht in der Lage, relevante Zahlen zu nennen. Das ist insbesondere deswegen bedenklich, weil ich nicht weiß, wie wir die Versorgung weiterentwickeln sollen, wenn Sie nicht einmal den Ist-Zustand kennen. An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass wir angesichts der bekannten demografischen Gegebenheiten, der zunehmenden Versingelung der Gesellschaft und der prognostizierten dramatischen Zunahme demenzieller Erkrankungen bei der Datenerhebung, bei der Entwicklung von Konzepten und beim flächendeckenden Ausbau ambulanter psychiatrischer Pflege einen großen und dringenden Handlungsbedarf haben. Hier müssen Sie mit Modellprojekten Erfahrungen gewinnen, wie die Reichweite ambulanter Hilfen ist.
Bei den Wohnmöglichkeiten haben Sie bei der Berechnung der allgemeinpsychiatrischen Wohnheimplätze in Oberbayern offensichtlich Zähler und Nenner verwechselt. Jedenfalls sind die Zahlen nicht lesbar. Deswegen will ich darauf nicht näher eingehen. Das müssten Sie überarbeiten. Beim Bedarf an Wohnmöglichkeiten übernehmen Sie die Argumentation des Bayerischen Bezirketags, dass gewachsene Einrichtungsstrukturen aus Amortisierungsgründen einer weiteren "Ambulantisierung" entgegenstünden. Das ist wirklich ein Skandal. Uns geht es um das Interesse der Patientinnen und Patienten und nicht um die Amortisierung einzelner Einrichtungen. Sie tragen überall das Mantra "Ambulant vor stationär" vor sich her. Hier aber verhindern Sie die ambulante Behandlung, weil sich die Einrichtungen amortisieren müssen. Lieber lassen Sie dann die Leute in stationärer Behandlung.
Bei den Plätzen für das betreute Wohnen sehen Sie keinen besonderen Nachsteuerungsbedarf. Sie verweisen hier insbesondere auf die hervorragende Situation in Oberbayern. Ich weiß, dass es allein in den
Landkreisen Fürstenfeldbruck und Dachau fast keine Einrichtungen gibt. Dort sind immerhin 350.000 Menschen noch nicht versorgt. Jetzt geht es langsam los. Aber auch da gibt es einen massiven zusätzlichen Bedarf, was nicht verwunderlich ist, wenn man sich die steigenden Zahlen psychisch erkrankter Menschen ansieht.
Ein Megathema ist die Teilhabe am Arbeitsleben. Sie liefern die Zahlen für die Werkstätten für psychisch behinderte Menschen und für die Integrationsfirmen. Bei Letzteren verweisen Sie darauf, dass die aktuellen Bedingungen für die Gründung neuer Projekte eher günstiger seien. Sie verweisen auf die Ausgleichsabgabe und diverse Sonderprogramme. Diesen Optimismus können wir leider nicht ganz teilen, weil wir draußen von den Arbeitgebern immer wieder hören, dass es schwierig ist. Noch viel schlimmer ist es bei den Zuverdienstprojekten. Hier ist der Vorwurf allerdings im Wesentlichen der FDP in der schwarzgelben Koalition zu machen. Sie hat mit dem Hinweis darauf, dass jemand, der nicht in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden könne, auch keinen Anspruch auf Unterstützung habe, sehr viele gute Projekte kaputt gemacht. Selbst wenn wir Geld in diese Projekte hineinstecken, wird es schwierig sein, im Interesse der betroffenen Menschen wieder Fuß zu fassen.
Wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang die Zahl der Verrentungen aufgrund psychischer Störungen, auch wenn wir diese Zahl in der Interpellation nicht abgefragt haben. Die Verrentungen aufgrund psychischer Störungen sind zwischen 1993 und 2012 um circa 70 % gestiegen. Das gilt für Frauen und für Männer. Die Krankenstände sind bei diesen Diagnosen dreimal so hoch wie bei somatischen Erkrankungen. Deswegen würden Sie nicht nur einen humanitären, sondern auch einen pekuniären Benefit erzielen, wenn Sie sich um die psychisch Erkrankten mehr kümmern würden. Die Niederländer schaffen es, 48 % der Menschen mit psychischer Erkrankung in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen. In Österreich gibt es interessante Projekte; zum Beispiel werden Autisten auf dem regulären Arbeitsmarkt in IT-Firmen untergebracht und dort in hohem Maße von den Arbeitgebern akzeptiert. Deshalb wäre es gut, sich auch um dieses Thema zu kümmern.
Bei der Selbsthilfe verweisen Sie auf die Förderung des Landesverbandes mit 16.100 bzw. 73.900 Euro. Bei der Frage nach den Selbsthilfeangeboten für psychisch kranke Eltern und deren Kinder verweisen Sie auf die 180 Erziehungsberatungsstellen. Das ist kein ausreichendes Angebot für diesen Personenkreis. Wir wissen gerade aus neueren Zahlen, dass Kinder psy
Dass es bei der Notfallversorgung und den Hilfen in psychiatrischen Krisen Nachsteuerungsbedarf gibt, zeigt auch Ihre heutige Pressemitteilung, in der Sie darauf hinweisen, dass Sie eine Hotline einrichten wollen. "Wollen" ist gut, es zu tun, wäre nötig. Wir reden hier seit Jahren darüber, dass es in dem Bereich, wo es Notfallversorgung für psychiatrische Krisen gibt, bei verschiedenen Problembereichen der psychisch Erkrankten deutlich weniger Probleme gibt. Das gilt für die Landeshauptstadt München und einige wenige andere Bereiche. Wir brauchen mobile Krisendienste flächendeckend. Das wird im Übrigen auch präventiv für den Bereich Zwangsunterbringung und Zwangsbehandlung wirken.
Mich hat am meisten geärgert - aus aktuellem Anlass -, dass Sie beim Thema der Versorgung von Migranten und Flüchtlingen keine Erkenntnisse über den Anteil von Flüchtlingen und Migranten in der psychiatrischen Versorgung haben. Das ist ein riesengroßer Skandal angesichts der Tatsache, dass wir Tausende von Flüchtlingen und dramatisch viele, logischerweise traumatisierte Flüchtlinge aus Syrien und von anderswo in den Einrichtungen haben, für die der Freistaat die Verantwortung hat. Sie haben die Stirn zu sagen, Sie haben keine Kenntnisse. Dann verschaffen Sie sich bitte diese Kenntnisse und sorgen Sie dafür, dass neben der somatischen Versorgung, die ebenso massiv defizitär ist, wie wir Presseberichten aus den letzten Wochen entnehmen konnten, dieser wichtige Bereich endlich in die Hand genommen wird!
Zum Thema Integrierte Versorgung möchte ich deswegen nichts sagen, weil Ihre Antwort lückenhaft ist. Ich weiß nicht, ob Sie bei der Techniker Krankenkasse angefragt haben. Die etablierten und besteingeführten Projekte in dieser Richtung in Kooperation mit der Techniker Krankenkasse und der AWO München und an anderer Stelle werden gar nicht erwähnt. Deswegen halte ich die Datenlage nicht für so belastbar, dass wir hier schon jetzt darüber reden könnten. Wir werden aber auch das aufgreifen.
Beim Thema Zwangsmaßnahmen und Menschenrechte teilen wir Ihre optimistische Einschätzung nicht. Nach Ihren Zahlen haben wir 119 Genehmigungen pro 100.000 Einwohner im Vergleich zum Bundesdurchschnitt von 58 Genehmigungen. Allein das zeigt, dass es richtig ist, dass die Ausschüsse für Verfassung und Recht sowie für Soziales am 8. Mai eine Anhörung machen.
Ich komme zum Fazit. Frau Präsidentin, vielleicht darf auch ich ein bisschen überziehen. Herr Staatsminister Herrmann durfte das auch. Das Thema ist auch wichtig. Ihre Antworten zeugen an markanten Punkten von Hilflosigkeit und Desinteresse. Es fehlt die systematisch anwendungsbezogene Versorgungsforschung. Man könnte darin positive Erfahrungen anderer Bundesländer oder anderer Staaten aufnehmen. Wir sagen: In vielen der Themenfelder besteht deutlicher Steuerungs- und Handlungsbedarf, insbesondere was die flächendeckende Versorgung und die Planung dazu angeht. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass wir ein PsychKHG brauchen. Wir werden in unseren weiteren Betrachtungen die Interessen der Beschäftigten – und da rede ich nicht nur von der Psychiatrie-Entgeltverordnung – im Blick behalten. Wir sind sehr davon überzeugt, dass die Menschen mit psychischen Erkrankungen wegen des Anspruchs auf Inklusion ein Recht auf mehr Unterstützung durch Ihr Ministerium, die Staatsregierung und durch dieses Haus haben. Wir werden weiter versuchen, das voranzutreiben. – Ich danke Ihnen für Ihre Geduld.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Versorgung psychisch Kranker steht im Mittelpunkt der heutigen Plenardebatte. Das ist eigentlich eine schwere Kost, aber ein wichtiges gesundheits- und sozialpolitisches Thema, über das wir uns auf der Grundlage der Interpellation der SPDFraktion und der umfassenden Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege heute hier im Hohen Haus austauschen.
Mit dieser Antwort des Ministeriums liegt eine umfassende Bestandsaufnahme und ein komplettes Bild der aktuellen Situation in der ambulanten, teilstationären und vollstationären Versorgung psychisch erkrankter, seelisch behinderter und suchtkranker Menschen in Bayern vor. Diese Antwort der Staatsregierung wird auf lange Sicht ein Nachschlagewerk für alle Fragen rund um dieses Thema sein. Wer sich künftig über das Thema Psychiatrie in Bayern informieren will, wird in diese insgesamt 467 Seiten blicken und das darin zusammengetragene reiche Daten- und Faktenmaterial zu Rate ziehen, und das sogar deutschlandweit. In der Tabelle auf Seite 279 wird die Bettenkapazität in der psychiatrischen Versorgung in den Bundesländern im Vergleich der Jahre 2000 und 2010 auf einer Seite übersichtlich dargestellt. Wir haben also eine Datensammlung par excellence, eine wunderbare Ar
beitsgrundlage. Mein Dank gilt deshalb zunächst den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gesundheitsverwaltung und der Ministerien, insbesondere des bayerischen Gesundheitsministeriums, die die gestellten Fragen akribisch und ausführlich beantwortet haben.
Mit größtmöglicher Sorgfalt haben sie eine Vielzahl von Daten, grundsätzlich auf dem Stand vom 1. September 2013, zusammengetragen und in einem ausführlichen Tabellenwerk abgebildet, differenziert nach Alter, Geschlecht und Migrationshintergrund. Sie haben sich um dieses gesundheitspolitische Feld verdient gemacht, weil sie eine Bestandsaufnahme liefern und gleichzeitig uns, den Gesundheitspolitikern, aufzeigen, wo Handlungsbedarf besteht und wo nicht. Danke für diese große Mühe, letztlich im Namen aller Bürgerinnen und Bürger Bayerns!
In eineinhalb Stunden handeln wir heute hier im Hohen Haus ab, woran Sie 13 Monate lang gearbeitet und gefeilt haben. Das ist letztlich nicht ausreichend. Sie mögen bereits hieran ersehen, dass die Behandlung in einer Plenarrede notgedrungen kursorisch und subjektiv bleiben muss. Die Interpellation ist nun aber in der Welt und öffentlich. Sie wird über einen langen Zeitraum und an vielen Stellen verwendet und zitiert werden. Sie wird Arbeitsgrundlage sein. Die Mühe hat sich also gelohnt.
Dieser Dank gilt aber auch der SPD-Fraktion, die mit ihrer Interpellation den Anstoß zu dieser vollständigen Datensammlung und Bestandsaufnahme gegeben hat. Der umfangreiche Fragenkatalog enthält insgesamt 288 Fragen mit bis zu jeweils 5 Unterfragen zum gesamten Themenfeld.
Liebe Frau Sonnenholzner, danken kann ich Ihnen allerdings nicht für Ihre gestrige Pressemitteilung. Dort fassen Sie die Arbeit von 13 Monaten und 467 Seiten auf einer Seite zusammen, ausschließlich kritisch, und schreiben – ich zitiere: "Der Unwille der Staatsregierung, Fakten zur Situation der Psychiatrie zu beschaffen und daraus Schlüsse zu ziehen, ist beschämend." Dieser Satz ist ein Schlag ins Gesicht für all diejenigen, die sich dieser großen Mühe unterzogen und Ihre 288 Fragen beantwortet haben. Bei allem Respekt vor den Zwängen einer Oppositionspartei, aber diese Generalkritik und Pauschalverdammung ist nicht nur undankbar, hochnäsig und unhöflich, sie ist letztlich unwürdig. – Tut mir leid!