Protocol of the Session on April 8, 2014

Schon heute drängt sich die Frage auf: Wie reagieren wir, wenn die Fahrgastzahlen und die Pannen weiter zunehmen? Schon heute drängen an Spitzentagen 850.000 Fahrgäste in die Züge der Münchner S-Bahn. Pro Jahr werden 20 Millionen Fahrkilometer zurückgelegt. Bei Sanierungsmaßnahmen rettet sich der MVV bisher mit der Verhängung von Nachtsperrungen, Ganztagessperrungen oder sogar Wochensperrungen. Soll es dabei bleiben? Wir brauchen die zweite Stammstrecke, und zwar möglichst schnell.

Schauen wir zurück: 1991 gab es die erste Ankündigung der Staatsregierung. 1997 sagte Wiesheu, 2001 komme die neue Stammstrecke. Dann kam Minister Huber - und hat geschoben.

(Erwin Huber (CSU): Angeschoben! – Volkmar Halbleib (SPD): Der Schub war aber nicht so immens!)

Es kamen auch die Ministerin Müller und der Minister Zeil; es kam aber nicht die Tunnelinbetriebnahme. Die Kraft war nie so richtig da. Unter Minister Zeil wurde noch einmal ein Termin genannt; dieser wird aber erneut nicht eingehalten.

Herr Rotter, damit bleiben all die Maßnahmen, die auch Sie als dringlich benannt haben – der behindertengerechte Bahnhofsausbau, die kommunalen Verkehrsplanungen für Unterführungen –, auf der Strecke. Die Kommunen können im Außenbereich nicht planen, wenn nicht klar ist, wie es mit der Stammstrecke weitergeht.

Die Engstelle in Pasing muss ebenfalls beseitigt werden. Wir hätten zudem endlich eine schnelle Anbindung an den Flughafen, wenn die zweite Stammstrecke da wäre. Ich darf in Abwandlung und in memoriam Stoiber sagen: Dann steigen Sie in den Münchner Hauptbahnhof ein und sind in nur 23 Minuten am Flughafen. Sie kommen dann wirklich dorthin. Aber die Stammstrecke muss vorher gebaut werden.

Herr Herrmann, wir setzen jetzt einmal auf Sie. Sie sind der neue Verkehrsminister. Es ist verständlich, dass Sie sich noch einmal in die Prüfung begeben. Auch ich hätte nicht das geglaubt, was der Herr Zeil mir hinterlassen hat.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Aber die Prüfung muss schnell gehen. In ein paar Jahren läuft das Verkehrsfinanzierungsgesetz aus. Die Finanzvereinbarung zwischen Bund, Land und Deutscher Bahn vom November 2012 muss fortgeschrieben werden. Wir sind gar nicht so schlecht im Rennen, wie es in der Zeitung dargestellt wurde.

Auch das hat Herr Rotter schon gesagt: Schon bisher liegen der Vereinbarung 2,5 Milliarden Euro inklusive Risikopuffer zugrunde. Die Zeit geht voran, die Kosten steigen – je länger man wartet, desto mehr. Aber der Kosten-Nutzen-Faktor in Bezug auf die Tunnelstrecke ist nach den jüngsten Berechnungen – ich habe nachgelesen – auf immerhin 1,23 gestiegen. Auch insofern sind also die Voraussetzungen dafür gegeben, dass Sie tätig werden können. Ich hoffe, dass die Staatsregierung nun aufs Tempo drückt.

Die Fahrgäste und alle Bürgerinnen und Bürger, die betroffen sind, weil nichts weitergeht, sind auch wegen der nicht gehaltenen Versprechen und der dauernden Untätigkeit erheblich verunsichert. Sie haben angesichts des wiederholten Aufschiebens ihr Vertrauen in die Verkehrspolitik der Staatsregierung verloren. Schönreden hilft nicht mehr weiter. Entschlossenes Handeln ist gefragt. Die Verwirklichung dauert ohnehin noch viele Jahre. Aber wir müssen heute anfangen, und zwar mit Macht.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat Herr Kollege Professor Dr. Michael Piazolo von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kränzlein, zunächst ein klares Wort, das ich auch als Münchner sage: Bayern ist nicht nur München.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Ach was?)

- Ja, Herr Pfaffmann. Das sage ich sehr deutlich.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Es ist auch nicht so, dass ganz Bayern nur an München hängt. Wir haben erst kürzlich die Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen als Ziel in die Verfassung aufgenommen. Die Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen mahnen wir FREIEN WÄHLER an. Das heißt, es darf nicht alles Geld nach München fließen. Wahr ist auch, dass nicht alles Geld für Bayern aus München kommt. Das sage ich sehr deutlich – auch als Münchner.

Ansonsten habe ich den Eindruck: Und ewig grüßt das Murmeltier. In diesem Film sitzt Bill Murray in der Zeitschleife. Ich habe den Eindruck, bei diesem Thema sitzen auch wir, sitzen insbesondere Sie, in der Zeitschleife.

Herr Ministerpräsident, Sie haben vor Kurzem die Befürchtung geäußert, dass der zweite Stammstreckentunnel zu einem Finanzgrab werden könnte. Wir behandeln dieses Thema schon sehr lange. Was schätzen Sie: Wie hoch wurden damals, im Jahr 2000, als die zweite Stammstrecke zum ersten Mal im Landtag behandelt wurde, die Kosten angesetzt? Welche Größenordnung war das? Ich habe mir das aufgeschrieben: umgerechnet 537 Millionen Euro vor 14 Jahren. Dann ging das über die Jahre. Im Jahr 2003 waren es 900 Millionen Euro, im Jahr 2006 1,55 Milliarden Euro, 2007 1,8 Milliarden Euro, 2012 2,04 Milliarden Euro, und jetzt sind es 2,55 Milliarden Euro. Nur einer von drei Teilabschnitten ist planfestgestellt. Da muss man kein Mathematiker sein, um zumindest absehen zu können, wohin sich das entwickelt. Die geschätzten Kosten haben sich innerhalb von 14 Jahren verfünffacht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, es ist jetzt Zeit, zu entscheiden, wo man hin will. Will man weiter in diese Richtung planen? Dann fordere ich die Staatsregierung auf, noch einmal die Kosten zu berechnen. Der Wirtschaftsminister hat immer gesagt, das machen wir, wenn alles planfestgestellt ist. Ich würde sagen: Das wird jetzt gemacht. Berechnen Sie jetzt die Kosten und sagen Sie ganz konkret, wann der Baubeginn sein kann; denn es wird dagegen geklagt werden. Ich rechne nicht damit, dass dieser zweite Stammstreckentunnel vor 2025 fertig sein könnte. Wir haben hier vor einem Jahr selbst ein Gutachten erstellt, das von Kosten von 2,6 bis 3,7 Milliarden Euro ausgeht. Den Betrag von 2,6 Milliarden Euro haben wir FREIEN WÄHLER bereits vor einem Jahr gesehen. Ich frage Sie: Wann glauben Sie uns endlich mal?

(Zuruf von der CSU)

Herr Ministerpräsident, aus der CSU scheinen Sie der Einzige zu sein. Bei den Studiengebühren haben Sie als Erster erkannt, dass ein Wechsel notwendig ist: beim G 8/G 9 auch und in diesem Bereich auch. Bringen Sie das doch Ihrer Fraktion einmal bei! Bringen Sie es Ihrer Fraktion bei.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Der Seehofer ist ein FREIER WÄHLER!)

Oder kommen Sie zu uns. Dann werden Sie die richtigen Zahlen erfahren und die richtigen politischen Entscheidungen treffen.

(Florian Streibl (FREIE WÄHLER): Es herrscht Fraktionsfreiheit! – Heiterkeit bei den FREIEN WÄHLERN)

Sehr gut, gut abgestimmt! Wir haben das nicht abgesprochen, Herr Ministerpräsident. Es ist mein Angebot, nicht das der Fraktion. Entscheiden Sie jetzt bezüglich des zweiten S-Bahn-Stammstreckentunnels schnell! Denn es ist so: Der Bedarf ist da. Die Leute – das weiß auch der Herr Vizepräsident sehr gut, weil er aus der Gegend kommt – warten darauf, dass etwas passiert. Herr Kränzlein, Sie wissen das aus Puchheim natürlich auch sehr gut: Jeden Tag warten die Menschen an den Bahnhöfen, und es werden immer mehr Menschen. Sie lassen mit dieser Politik die Menschen im wahrsten Sinne des Wortes im Regen stehen. Deshalb fordere ich schnelle Entscheidungen. Aus meiner Sicht ist dieser Tunnel nicht finanzierbar. Das sollte man jetzt schnell erkennen und dann gleich Alternativplanungen einleiten.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Dr. Herbert Kränzlein (SPD): Welche?)

Unverantwortlich ist es aus meiner Sicht, jetzt noch Jahre zu warten. Ich glaube, Herr Huber, da sind wir uns auch einig. Sie haben schon in der letzten Legislaturperiode im Wirtschaftsausschuss ein paar kritische Töne dazu gefunden. Es ist unverantwortlich, die Menschen über Jahre im Regen stehen zu lassen und in eine Richtung zu planen, von der man weiß, dass sie höchstwahrscheinlich nicht zu realisieren ist. Insofern lassen Sie uns jetzt dieses Gutachten zum Anlass nehmen, neu darüber nachzudenken, ob das Projekt finanzierbar ist und was man stattdessen tun kann, wenn es das nicht ist.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

Danke schön, Herr Kollege. - Als Nächster hat Herr Kollege Markus Blume von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Das war heute Nachmittag tatsächlich eine beeindruckende Vorstellung, insbesondere von der Opposition. In drei Oppositionsreden wurden mindestens vier Meinungen vertreten. Das steht doch schon einmal für sich.

(Zurufe von der SPD und den FREIEN WÄH- LERN)

Aber Spaß beiseite.

(Unruhe bei der SPD und den FREIEN WÄH- LERN)

- So viel habe ich noch gar nicht gesagt, dass Sie sich jetzt so aufregen müssten. – Wenn man sich mal die

letzten zwei Wochen den Störmelder der S-Bahn anschaut - Weichenstörung, Stellwerksstörung, Signalstörung, technische Störung am Zug, gefolgt von Personen-, Gleis- und Notarzteinsätzen –, dann sieht man, meine Damen und Herren, dass die Fahrgäste im Münchener S-Bahnsystem in der Tat wieder auf eine harte Probe gestellt worden sind. Bereits dies zeigt, dass hier Not am Mann ist und dringend etwas getan werden muss.

Dass Ihnen, werte Vertreter der GRÜNEN, heute nichts Besseres einfällt, als die zweite Stammstrecke als Irrweg darzustellen, lässt sich fast nur mit niederen Beweggründen erklären.

(Beifall bei der CSU – Lachen bei den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN – Hubert Aiwan- ger (FREIE WÄHLER): Dann baut sie doch!)

Niedere Beweggründe deswegen, weil Sie natürlich eine generelle Aversion gegen Großprojekte haben. Diese Aversion ist in den letzten Jahren hinreichend dokumentiert worden.

(Zuruf des Abgeordneten Markus Rinderspacher (SPD))

Herr Ganserer, ich frage Sie: Ist es nicht sogar Verhandlungstaktik für die künftige Koalition im Münchner Stadtrat, die Sie heute zu einer solchen Position gebracht hat?

(Zuruf der Abgeordneten Katharina Schulze (GRÜNE))

Denn ich wundere mich schon: Vor drei Wochen haben Sie noch eine glühende, bedingungslose Wahlempfehlung für einen OB-Kandidaten abgegeben, der zugegebenermaßen keinen Zweifel daran gelassen hat, dass er an die zweite Stammstrecke glaubt.

(Zurufe von den GRÜNEN und den FREIEN WÄHLERN)

Und noch besser, Herr Ganserer – da bin ich mir jetzt nicht sicher, ob Sie das wissen: Die GRÜNEN im Münchner Stadtrat haben in den letzten Jahren regelmäßig mit Mehrheit für dieses Projekt gestimmt. Da frage ich mich schon, was Sie uns hier heute im Landtag mit Ihrer Haltung suggerieren wollen.

(Zuruf der Abgeordneten Katharina Schulze (GRÜNE))

Hier im Landtag blinken Sie wieder einmal links und biegen dann in München rechts ab. Meine Damen und Herren, das ist keine verlässliche Verkehrspolitik.

(Beifall bei der CSU)

Für die CSU-Fraktion und die Staatsregierung kann ich in Anspruch nehmen, dass wir etwas für die Pendler tun, und zwar nicht nur, indem wir auf die zweite Stammstrecke schielen. Wir haben ein 13-Punkte-Sofortprogramm aufgelegt. Es war goldrichtig, dass die Staatsregierung das damals getan hat, und eben nicht nur im Konnex mit der zweiten Stammstrecke. Sie hat unabhängig davon Verbesserungen erzielt. Die Linie A wird elektrifiziert. Dazu kann Herr Kollege Seidenath gleich noch mehr sagen. Das ist einer der Erfolgsbausteine. Wir haben 60 Millionen Euro für den barrierefreien Ausbau in den künftigen Haushalten mobilisiert. Auch das wird unmittelbar Komfortverbesserungen für die Fahrgäste bringen. Wir haben auf Takt- und Qualitätsverbesserungen geachtet, was wir oft im Wirtschaftsausschuss diskutiert haben.

Aber das reicht natürlich nicht, meine Damen und Herren. München hat in den letzten zehn Jahren – das sage ich als Münchner Abgeordneter – 200.000 Einwohner dazugewonnen. Die Prognosen besagen, dass bis zum Jahr 2023 100.000 bis 150.000 zusätzliche Einwohner zu verzeichnen sein werden. Dann würde die Gesamteinwohnerzahl 1,6 oder 1,7 Millionen Einwohner betragen. Dabei haben wir noch gar nicht über das Umland gesprochen, auf das Herr Kollege Seidenath sicherlich noch eingehen wird.