Protocol of the Session on April 3, 2014

Das ist doch eine ganz klare Ansage. Jetzt wissen wir, dass das G 8 im gebundenen Ganztag in Bayern schwer umzusetzen ist, weil es keine Infrastruktur dafür gibt, weil Sie den Ausbau der gebundenen Ganztagsklassen ablehnen. Deshalb gibt es auch für uns keinen Grund mehr, unsere ursprüngliche Einschätzung beizubehalten, neun Jahre seien die bessere Zeit, sondern es ist erneut zu prüfen, ob es zweckmäßig ist, zu einer neunjährigen Grundform zurückzukehren und das im Gesetz auch so festzuschreiben. Das muss noch durch unsere Gremien gehen, das ist ganz klar, aber diese Entwicklung zeichnet sich ab nach den vielen Gesprächen, die wir haben.

Da, Herr Ministerpräsident, kommen Sie nicht heraus. Sie müssen einen Gesetzentwurf vorlegen, in dem in Artikel 9 eine klare Ansage gemacht wird, ob da acht Jahre drinbleiben oder ob da in Zukunft neun Jahre

hineinkommen. Alles andere ist wieder Murks, alles andere ist wieder Rumgeeiere. Wenn das einmal im Gesetz steht, dann setzen wir uns zusammen. Ihr Angebot, Herr Professor Dr. Waschler, nehme ich dann gern an. Wir sind selbstverständlich bereit, an der inhaltlichen Ausgestaltung des Gymnasiums mitzuarbeiten. Das ist klar.

Das muss jetzt zügig passieren, weil wir nicht mehr warten können, bis diese Umsteuerung passiert, weil die Schülerinnen und Schüler jetzt eine Entlastung brauchen und nicht erst in drei oder vier Jahren.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin zuversichtlich, dass wir das Volksbegehren der FREIEN WÄHLER nicht brauchen und dass die Einsicht kommt, dass man da umsteuern muss. Wir werden den Druck über den parlamentarischen Weg erhöhen. Wir werden beim Volksbegehren nicht mitmachen, weil es keinen Sinn macht, ein totes Pferd zu reiten.

(Anhaltende Unruhe)

Deshalb lade ich Sie ein, diesen Diskurs zu führen und in die konkrete Umsetzung des G 9 zu gehen.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Güll. Als Nächster hat Kollege Thomas Gehring vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben draußen in der pädagogischen Familie eine breite Diskussion über das Gymnasium. Hier drin haben wir noch eine etwas verengte Diskussion über die Zukunft des Gymnasiums. Wir reden zwar viel über Strukturen, wir reden über Dauer, aber wir reden zu wenig über die Schülerinnen und Schüler. Ich finde, über sie müssen wir mehr reden; denn um sie geht es bei Schule eigentlich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wie schaffen wir eine Schule, in der Schülerinnen und Schüler gut und nachhaltig lernen können und in der vor allem auch Raum und Zeit zur Persönlichkeitsentwicklung ist – Zeit, Begleitung, vielleicht auch Reibepunkte, um die Persönlichkeit entwickeln zu können?

In dieser breiten Diskussion über die Zukunft des Gymnasiums, die wir draußen haben und die durchaus auch durch das beginnende Volksbegehren entstanden ist, finden wir viele unterschiedliche Modelle.

Aber wir finden auch Gemeinsamkeiten in der Einforderung von pädagogischen Reformen an der Schule. Die Philologen sprechen von der hohen Belastung in der Mittelstufe. Der Landeselternverband spricht vom Wohl des Kindes und davon, dass Freude an der Schule gestärkt und lang anhaltendes Wissen vermittelt werden soll. Die GEW sagt, die Schule müsse als Lern- und Lebensort gestärkt werden, nicht die Dauer sei entscheidend. Der BLLV spricht von Neuausrichtung auf nachhaltiges und verständnisorientiertes Lernen. Die Gymnasialeltern fordern Teamarbeit, Empathie, musische und sportliche Bildung. Alle wollen keine Rückkehr zum alten G 9. Auch das muss klar sein und gesagt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Anforderungen an das Gymnasium sind gestiegen. Die Heterogenität hat zugenommen. Herr Waschler, die Übertrittsquoten sind gestiegen. Ob sie weiter steigen, wissen wir nicht, aber wir müssen davon ausgehen, dass die Anforderungen größer werden und dass wir tatsächlich über das Gymnasium des 21. Jahrhunderts nachdenken und Vorschläge machen müssen.

Viele Fragen sind heute noch nicht geklärt, zum Beispiel Fragen der zweiten Fremdsprache, der Lehrpläne, der Verbesserung des Unterrichts, der Fächerdichte und der Weiterentwicklung der neuen Oberstufe.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Warum da nicht ein Volksbegehren machen?)

- Lieber Kollege Aiwanger, genau das ist das Problem des Volksbegehrens, und das ist das Problem, über das wir eine Diskussion brauchen. Das Thema ist: Wie soll das Gymnasium ausschauen? Es gibt eine breite Diskussion. Leider hören wir nichts von der CSU. Lieber Kollege Waschler, ein abgelesenes lateinisches Zitat ist noch kein Bildungskonzept.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und den FREIEN WÄHLERN – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Das ist nicht einmal ein Bildungsbeweis!)

Von Ihnen ist kein Satz zu den Fragen gekommen, wie es weitergehen soll und wie das Gymnasium der Zukunft aussehen soll. Sie haben nichts dazu gesagt, ob es in der CSU irgendwelche Überlegungen über eine Neuausrichtung oder eine Weiterentwicklung des Gymnasiums gibt. Zur Aussage, die CSU ist die Herzkammer der Macht, sage ich: Die CSU ist allenfalls die Nasennebenhöhle, und diese ist noch verstopft.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich verstehe natürlich Ihr Dilemma. Der Ministerpräsident hat gesagt: keine Reform. Der Fraktionsvorsitzende spricht von einem Gelübde auf Ruhe. Aber die Politik braucht die Debatte und die produktive Unruhe. Wenn sich das Gymnasium weiterentwickeln soll, braucht es auch die Diskussion darüber, damit es dann auf Kurs kommt und in Ruhe weiterentwickelt werden kann. Diese Diskussion müssen wir jetzt führen. Das Volksbegehren der FREIEN WÄHLER bietet uns die Chance, diese Diskussion jetzt zu führen und zu einer neuen Politik zu kommen.

(Beifall bei den GRÜNEN und den FREIEN WÄH- LERN)

Mit dem Volksbegehren werden zwar die richtigen Fragen gestellt, aber die Antworten passen nicht. Deswegen müssen wir hier drinnen die richtigen Antworten finden. Aber leider kommt von der Staatsregierung und von der CSU nichts.

Wir werden den Dringlichkeitsantrag stellen, dass wir die Diskussion in den Ausschuss ziehen und zumindest eine Anhörung durchführen. Wir haben jetzt ein Zeitfenster, um die Diskussion zu führen und zu überlegen, wie es mit dem Gymnasium weitergeht. Wir haben konzeptionelle Vorschläge. Wir brauchen vor allem eine Veränderung in der Mittelstufe. Das muss insbesondere eine pädagogische Veränderung des Unterrichts und des Lehrplans sein. Wir haben eine Oberstufe im eigenen Takt und im Kurssystem vorgeschlagen. Das ist ein Vorschlag. Wir warten auf Ihre Vorschläge. Es ist notwendig, dass wir anschließend eine Lösung in einem breiten Konsens finden. Wenn dabei das Volksbegehren der FREIEN WÄHLER Druck macht, ist es umso besser; denn ohne Druck passiert in der Politik nichts. Aber es braucht auch eine breite Debatte, Unruhe und schnelle Entscheidungen. Wir müssen die Debatte jetzt führen, und wir fordern, sie hier im Landtag zu führen. Wenn Sie das nicht tun, beantragen wir eine Anhörung im Ausschuss, um dann weitere Schritte machen zu können.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD und der FREIEN WÄHLER)

Danke schön, Herr Kollege. Als Nächster hat der Kollege Otto Lederer von der Christlich Sozialen Union das Wort.

(Günther Felbinger (FREIE WÄHLER): Die CSU ist ganz stumm geworden! – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Die schauen die Stundentafel an, wie sie es doch hinkriegen könnten!)

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr verehrter Herr Ministerpräsident, liebe Kollegin

nen und Kollegen! Alle Konzepte auf den Tisch - eigentlich müsste man dahinter ein Fragezeichen setzen. Aber wir können uns das Konzept der FREIEN WÄHLER gern einmal genauer anschauen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Schauen Sie einmal Ihres an!)

Weder die SPD noch die Fraktion der GRÜNEN noch die CSU unterstützt dieses Konzept. Herr Felbinger, Sie haben gesagt, es handle sich um den Wunsch der Schüler, der Eltern und der Lehrer. Aber mir ist kein namhafter Verband bekannt, der dieses Konzept unterstützt.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Der Philologenverband!)

Das ist auch kein Wunder.

(Beifall bei der CSU – Zurufe – Unruhe – Glocke des Präsidenten – Thomas Kreuzer (CSU): Der Aiwanger ist nervös! – Weitere Zurufe – Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Lederer! - Herr Aiwanger, wenn das noch einmal vorkommt, muss ich Sie verwarnen. So kann es nicht weitergehen, dass Sie ständig dazwischenquatschen.

(Beifall bei der CSU)

Zwischenrufe sind erlaubt. Aber wenn man die Debatte hier im Haus so konsequent zu stören versucht, verstößt das gegen die Geschäftsordnung. Das sage ich Ihnen klipp und klar.

(Beifall bei der CSU – Volkmar Halbleib (SPD): Das ist die Leidenschaft!)

Bitte schön, Herr Kollege Lederer, Sie haben das Wort.

Ich möchte nur noch darauf hinweisen, dass selbst den Mitgliedern der FREIEN WÄHLER von den Direktoren draußen zugetragen wird, dass ihr Konzept die Gymnasien im ländlichen Raum gefährdet. Es handelt sich auch nicht um eine echte individuelle Wahlfreiheit der einzelnen Schüler. Vielmehr entscheidet ein Schulforum über G 8, G 9 oder Parallelbetrieb. Die Individuelle Förderung soll bei Ihrem Konzept gestrichen werden. Das ist aber etwas, was sehr sinnvoll ist.

Alle Konzepte auf den Tisch? – Es gibt auch ein Eckpunktepapier des Bayerischen Philologenverbands. Es unterscheidet sich aber sehr stark vom dem, was die FREIEN WÄHLER vorlegen, und ist damit nicht vereinbar. Ich darf eine Pressemeldung des Philolo

genverbandes von der letzten Woche auszugsweise zitieren: " … die Parallelführung von G-8- und G-9Zügen an einzelnen Schulen beziehungsweise innerhalb einer Schule … ist keine Option." Dennoch haben Sie letzte Woche einen Dringlichkeitsantrag gestellt, in dem Sie die Staatsregierung auffordern, den Vorschlägen der FREIEN WÄHLER und des Philologenverbands zu folgen. Die zwei Dinge gehen überhaupt nicht zusammen. Das ist gar nicht nachvollziehbar.

(Beifall bei der CSU)

Sie müssen sich zunächst einmal eindringlich mit Ihrem Konzept und mit den Konzepten anderer Verbände beschäftigen. Manchmal reicht es eben nicht, wenn man sich nur aus der Presse informiert.

(Beifall bei der CSU)

Herr Güll, im Sommer 2012 haben Sie noch gesagt: Die Schüler und Lehrkräfte in den Gymnasien brauchen mehr Ruhe und pädagogische Neuorientierung,

(Volkmar Halbleib (SPD): Ja!)

aber kein unsinniges zusätzliches Schuljahr. Das wollte ich nur kurz in Erinnerung rufen.