Herr Kollege Imhof, bitte verbleiben Sie weiter am Rednerpult. Frau Abgeordnete Stamm hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet.
Sehr geehrter geschätzter Herr Kollege Imhof, nachdem man zunächst nicht auf Sie und andere Experten wie den Bezirkstagspräsidenten Sepp Mederer gehört hat, kann ich mir vorstellen, dass Sie tatsächlich froh waren, dass die größten Hämmer aus dem ersten Entwurf herausgenommen worden sind. Sie haben gerade ausdrücklich und explizit den Verband Psychiatrie-Erfahrener angesprochen. Ich habe mich schon gefragt, ob Sie der Brief mit der Stellungnahme zum jetzigen Gesetzentwurf nicht erreicht hat. Vielleicht malen Sie sich die Welt auch gerade schön. Ich weiß es nicht genau. Dort steht eindeutig, dass zwar die härtesten Dinger herausgenommen worden seien, aber es noch Änderungsbedarf gebe. Dann gibt es eine Liste mit neun Punkten. Gerade der erste Punkt, nämlich die Meldepflicht an die Polizei, ist sehr konkret und wirklich besorgniserregend. Von daher bleiben Sie bitte bei den Fakten. Das ist ein Brief des Verbands Psychiatrie-Erfahrener, mit dem Konkretes gefordert wird. Das hatte Änderungsanträge von meiner Seite zur Folge.
Ich habe keine weiteren Anmerkungen. Die Punkte, die jetzt angesprochen worden sind, sind in der Hauptsache bedacht worden. Alle Fachexperten stimmen darin überein, wenn auch nicht – was Sie sagen, ist richtig – in jedem einzelnen Detail. Die Anmerkungen, die Sie vorlesen, finden sich zu einem ganz großen Teil – nicht so explizit, wie Sie es vorlesen – im Gesetz wieder. Denken Sie nur an das Melderegister, das Sie anders haben wollen. Das lehnen wir übrigens ab, weil es eine Verschärfung wäre. Das wäre die absolute Verschärfung und würde weiter stigmatisieren.
Herr Kollege, bitte verbleiben Sie weiter am Rednerpult. Frau Kollegin Sonnenholzner hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Bitte schön, Frau Kollegin.
Herr Kollege Imhof, würden Sie mir zustimmen, dass es ein bisschen schwierig ist, wenn eine einzelne Abgeordnete, in dem Fall Frau Abgeordnete Stamm, in vier Ausschüssen Änderungsanträge einreicht und sich erkennbar ohne intensive Beschäftigung, weil sie nicht Fachausschussmitglied ist, einen einzelnen Brief herauspickt und diesen zum Dogma erhebt? – Selbstverständlich waren das immer die Forderungen des Verbands Psychiatrie-Erfahrener. Frau Kollegin Claudia Stamm, selbstverständlich teilt auch die SPD-Fraktion einen Teil dieser Forderungen. Dass wir diese Forderungen nicht alle aufgenommen haben, war Teil des Kompromisses am Runden Tisch, den auch der Verband Psychiatrie-Erfahrener mitgetragen hat. Im Übrigen waren die Psychiatrie-Erfahrenen, die am letzten Donnerstag und Freitag in Passau bei der Vollversammlung des Bayerischen Bezirketags waren, durchaus der Meinung, dass man diesem Gesetzentwurf zustimmen kann. Ich sehe dieses Schreiben als zusätzlichen Antrieb, in der nächsten Legislaturperiode weitere Verbesserungen einzubringen, aber nicht als Hindernis, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen.
Liebe Frau Kollegin Sonnenholzner, ich bin völlig d'accord mit Ihnen. Darum haben wir uns auch ausgetauscht. Der Brief enthält Anregungen, um weitere ergänzende Verbesserungen vorzunehmen. Frau Kollegin Stamm, alle anderen haben Sie nicht erwähnt. Dutzende Fachleute, von den Bezirksvertretern bis hin zu den Psychiatrieprofessoren und Experten der Kinder- und Jugendpsychiatrie, haben sich ausnahmslos überwiegend positiv geäußert. Ich war in allen Nachsitzungen dabei.
Sie haben sich zu rund 95 bis 99 % der Regelungen positiv geäußert. Mehr kann man auch nicht verlangen.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Jetzt darf ich für die CSU-Fraktion Herrn Kollegen Unterländer das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.
(Vom Redner nicht au- torisiert) Liebe Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Manche Einlassungen vonseiten der Opposition – ich meine ausdrücklich nicht Frau Kollegin Sonnenholzner – verstehe ich nicht. Sie reden davon, dass sich die parlamentarische Demokratie schlecht entwickelt habe. Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es nicht ein positiver Prozess, wenn man aufgrund des Dialogs, den man über viele Monate hinweg geführt hat, zu einem positiven und einem veränderten Ergebnis kommt? Ist es nicht positiv, wenn die Staatsregierung im Gesamtergebnis gemeinsam mit der Mehrheit des Parlaments ein wichtiges, zukunftsweisendes und völlig neues Gesetz beschließt? – Das ist keine Negativentwicklung, sondern eine Sternstunde des Parlaments.
Erlauben Sie mir, dass ich noch zwei Aspekte kurz anspreche. Für mich war es wichtig, mich im Rahmen des mitberatenden sozialpolitischen Ausschusses einzubringen. Meine Damen und Herren, wir haben in den letzten 25 Jahren kaum psychiatriepolitische Themen im Parlament behandelt. Das eine oder andere Mal haben wir Fragen der Forensik beraten. Auf der anderen Seite gibt es viele Menschen, die psychische Erkrankungen haben und belastet sind. Meine Damen und Herren, Politik für psychisch kranke Menschen müssen wir aus Gründen der Humanität in den Mittelpunkt der Gesellschaft rücken. Wir müssen sie als zukünftige und wichtige Aufgabe sehen. Der Gesetzentwurf ist hierfür ein guter Anfang.
Erlauben Sie mir ein Zitat aus dem Brief, den Frau Kollegin Claudia Stamm bereits angesprochen hat. Das ist ein Brief vom Bayerischen Landesverband Psychiatrie-Erfahrener. Ich meine, dieser Brief sagt alles, was wir als Aufgabe für unsere Zukunft verstehen sollten:
Wir wünschen uns Bedingungen in den Familien und Nachbarschaften, an den Arbeitsplätzen und in den Kliniken, die der psychischen Gesundheit aller dienlich sind. Wir glauben, dass es möglich ist, die richtigen Weichen zu stellen, bevor Situationen eskalieren und mit Gewalt interveniert werden muss, was langfristig zu weiterer Gewalt führen kann. Zum Wohle aller hoffen wir daher, dass die hohe Rate der Unterbringungen in Bayern tatsächlich reduziert werden kann.
Vielen Dank, Herr Kollege. Bitte bleiben Sie am Rednerpult. Frau Kollegin Celina hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet.
Lieber Herr Kollege Unterländer, Sie reden von einer Sternstunde des Parlaments. Sie meinen damit einen Gesetzentwurf, der in seiner ersten Fassung von allen Fachleuten zerrissen und kritisiert worden ist.
Mit Nachbesserungen ist er jetzt zwar besser, aber lange nicht gut. Das halten Sie für eine Sternstunde des Parlaments. Der eigene Anspruch ist inzwischen gering.
Zweitens reden Sie von Zukunftsaufgaben und Punkten, die Sie noch verbessern wollen. Das Gesetz sei ein Anfang. Wir reden seit vielen Jahren darüber, dass das Unterbringungsgesetz schon lange nicht mehr zeitgemäß war. Jetzt einen Anfang zu konstatieren, ist doch ein Witz. Wir müssten am Ende eines Prozesses sein, der ein richtig gutes Gesetz herausgebracht hat. Genau da sind wir eben nicht.
(Vom Redner nicht au- torisiert) Liebe Kollegin Kerstin Celina, ich habe Sie bisher bei der Arbeit nicht als Tatsachenverdreherin erlebt. Unbestritten ist, dass es bei einem Gesetzentwurf, der beim Bezirketag und bei Fachleuten zu Kritik geführt hat, zu einem Prozess der Veränderung durch die Staatsregierung und das Parlament gekommen ist. Dieser Prozess ist doch als positiv zu bewerten. Die Gesellschaft kritisiert ja ständig, dass Politik in ihren Positionen nicht veränderungsfähig ist. Das ist ja jetzt das genaue Gegenteil. Das sollten Sie daher auch als positiv würdigen.
Wenn ein völlig neues Gesetz verabschiedet wird, muss man davon ausgehen, dass es ein Anfang ist. Es ist auch eine Chance. Das möchte ich ausdrücklich sagen. Wir befinden uns, unabhängig von früheren Diskussionen, in einer Phase, in der Veränderungen und Weiterentwicklungen möglich sind. Schauen Sie doch nicht negativ in die Zukunft. Schauen Sie auf ein gutes Zukunftsmodell für die Psychiatriepolitik. Das wäre der richtige Weg. Das würde ich Ihnen empfehlen.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Jetzt hat die Abgeordnete Claudia Stamm um das Wort gebeten. Bitte schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! An dieser Stelle möchte ich ein Lob, wenn auch nur verhalten, an die Kolleginnen und Kollegen der CSU-Fraktion aussprechen. Beim Entwurf des Psychiatriegesetzes haben Sie tatsächlich ein oder zwei Fehler erkannt. Sie haben zumindest versucht, diese Fehler zu korrigieren. Sie hätten aber den Bedenken der Betroffenen Rechnung tragen müssen. Diese haben sich noch einmal vehement zu Wort gemeldet; das habe ich gerade zitiert. Ich finde, dass Sie das auch zu Recht getan haben.
Der Griff zum Instrument des Maßregelvollzugs für die Patientinnen und Patienten war wirklich daneben. Das hat der Protest gezeigt. Statt weg vom Stigma psychisch Kranker und hin zu echter Hilfe kreisen Ihre Ideen vor allem immer noch um Wegsperren und Überwachung. Deshalb habe ich bei der überfälligen Neuregelung der Hilfe für psychisch Kranke drei Änderungsanträge eingebracht. Die Patientenakte soll absolut vertraulich bleiben und nur vom Arzt und den Betroffenen eingesehen werden können. Eine Gefährder-Einschätzung ist ein unsinniges und schwammiges Instrument. Was soll denn da drin stehen? – Sie entlassen jemanden, aber der ist gefährlich. Sorry. Hören Sie endlich auf, mit diesen schwammigen Instrumenten zu arbeiten. Das machen Sie auch beim Polizeiaufgabengesetz.
Zu guter Letzt komme ich zum Melderegister. Das ist gerade eben schon angesprochen worden. Sie haben die Unterbringungsdatei nach den lauten Protesten auch in den eigenen Reihen abgeschafft. Die Abschaffung erfolgte auch nach der wirklich sehr erfolgreichen Petition, die von zwei Petenten außerhalb Bayerns angeschoben worden ist. Warum soll es aber ein anonymisiertes Melderegister geben, das noch dazu die Speicherung so umfangreicher Daten erlaubt? – Dieser Part widerspricht den internationalen Gesetzen und dem Grundgesetz.
Geschätzte Kollegin Sonnenholzner, die Betroffenen, die Petenten und auch ich wollen genau diese Änderungen, die in meinen Anträgen enthalten sind. Es sind also nicht meine Dogmen. Die Anträge enthalten tatsächlich Verbesserungsvorschläge. Sie selbst haben zugegeben, dass es am Gesetz noch Verbesserungsbedarf gebe. In meinen Anträgen sind die Verbesserungsvorschläge enthalten und nichts anderes.
Ich bitte Sie alle noch einmal, Ihre Ablehnung zu überdenken. Die Vorschläge würden den Gesetzentwurf um einiges weiterbringen. Bleiben Sie nicht auf halbem Wege stehen. Das gilt ganz besonders auch für die Kolleginnen und Kollegen der SPD und der FREIEN WÄHLER. Nach wie vor hat das sogenannte Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz den Duktus von "psychisch krank ist gleich Straftäter". Stimmen Sie den Anträgen zu.
Frau Kollegin Stamm, in der Tat gibt es noch Nachbesserungsbedarf. Dieser bezieht sich aber mit Sicherheit nicht auf die von Ihnen vorgelegten Anträge. Ich möchte zu Ihrem anonymisierten Melderegister kurz Stellung nehmen. Es wäre, wenn Sie an den gesundheitspolitischen – –
Wenn Sie an den gesundheitspolitischen Debatten der letzten Jahre teilgenommen hätten, hätten Sie beispielsweise am Krebsregistergesetz feststellen können, wie hoch die Hürden des bayerischen Datenschutzbeauftragten selbst für die anonymisierte Speicherung von Daten sind. Die SPD-Fraktion will dieser Datenspeicherung aus gutem Grund nicht zustimmen. Überall dort, wo derart sensible Daten erhoben werden, besteht die Gefahr des Missbrauchs. Das ist auch in diesem Fall so. Es gibt zahlreiche andere Forderungen, für die wir uns in der nächsten Legislaturperiode einsetzen werden. Diese Forderung gehört aber nicht dazu. Ich empfehle Ihnen noch einmal, mit Prof. Dr. Petri zu sprechen, wenn Sie mir nicht glauben. Den werden Sie in diesem Bereich vermutlich als kompetent ansehen.
Daten enthalten sind, die wissenschaftlich ausgewertet werden können und dann bei der Fachbehörde liegen. Dort sind die Daten zwar anonymisiert, aber aufgrund der Detailtiefe können diese leicht zurückverfolgt werden.
Diesen Eindruck hatte ich gerade nicht. – Zweitens. Es soll ein Personenregister geben, in dem nur ganz wenige Stammdaten enthalten sind. Das sind Stammdaten wie Name, Geburtsdatum, Anschrift, Anstalt und Tag der Aufnahme und der Entlassung. Mit diesen Daten soll sichergestellt werden, dass eine Person nicht einfach in der Psychiatrie verschwindet. Deswegen müssen die Daten auch anonymisiert gespeichert werden. Daher verstehe ich Ihren Einwand jetzt nicht.