Protocol of the Session on July 11, 2018

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Expertinnen und Experten der IntegrationsEnquete-Kommission, liebe Mitglieder der Integrations-Enquete-Kommission im Landtag! Integration ist eine Querschnittsaufgabe. Deswegen haben wir uns auch mit allen Themenfeldern beschäftigt. Ich bin schon froh, dass immerhin Herr Kultusminister Sibler und die Frau Landwirtschaftsministerin Kaniber anwesend sind. Integration ist eine Querschnittsaufgabe und betrifft alle Ressorts und alle Bereiche. Wenn wir aber so weitermachen wie bisher, kommen wir nicht weiter. Ich erwarte schon, dass Vertreter aus allen Ministerien anwesend sind. Ich bitte darum, die Minister und Ministerinnen zu informieren, dass wir gerade über eine wichtige Aufgabe diskutieren, von der auch die Zukunft in Bayern maßgeblich abhängt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abgeordneten Angelika Weikert (SPD))

Frau Kollegin, soll ich das als Geschäftsordnungsantrag auf Herbeirufung der Staatsregierung interpretieren? Stellen Sie diesen Antrag?

Ja, ich stelle den Antrag für unsere Fraktion. Minister oder Staatssekretäre aus allen Ministerien sollen anwesend sein; denn Integration ist eine Querschnittsaufgabe, von der die Zukunft in Bayern maßgeblich abhängt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Einen Moment bitte, Frau Kollegin.

Frau Kollegin, darf ich Sie bitten, noch einmal Platz zu nehmen? Sie haben einen Geschäftsordnungsantrag gestellt. Ich frage nun: Gibt es eine Gegenrede dazu?

(Wortmeldung des Abgeordneten Tobias Reiß (CSU))

Herr Kollege, bitte schön.

Die Staatsregierung ist vertreten durch Staatsminister Bernd Sibler, der dieser Debatte beiwohnt. Der Innenstaatssekretär ist anwesend, der Innenminister war bis vorhin anwesend und hat dieser Debatte zugehört. Wir erachten es deshalb nicht für erforderlich, die Staatsregierung herbeizurufen. Wir lehnen den Antrag ab.

Nun lasse ich über den Geschäftsordnungsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN abstimmen. Wer dem Geschäftsordnungsantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPDFraktion, die Fraktion der FREIEN WÄHLER und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen, bitte! – Das ist die CSU-Fraktion.

(Alexander Muthmann (fraktionslos): Wir sind auch dafür!)

Gibt es Enthaltungen? – Keine. Damit ist dieser Antrag angenommen. Frau Kollegin Claudia Stamm (fraktionslos) und Herr Kollege Muthmann (fraktions- los) haben zugestimmt.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN – Unruhe bei der CSU)

Ich höre, das Stimmergebnis wird seitens der CSUFraktion angezweifelt.

(Unruhe bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN – Georg Rosenthal (SPD): Wir sind viel mehr! – Gisela Sengl (GRÜNE): Auszählen! – Anhaltende Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Kolleginnen und Kollegen, die CSU-Fraktion hat das Recht, dieses Ergebnis anzuzweifeln. Unsere Geschäftsordnung sieht Zählen nicht vor. Ich führe deshalb einen Hammelsprung durch.

(Gabi Schmidt (FREIE WÄHLER): Das ist doch eindeutig! Die sind doch eindeutig viel weniger! – Isabell Zacharias (SPD): Das ist unmoralisch! – Dr. Paul Wengert (SPD): Skandalös ist das! – Anhaltende allgemeine Unruhe)

Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie auffordern, nun den Saal zu verlassen und dann zu den entsprechenden Türen wieder hereinzukommen, sobald die Türen vorbereitet sind. Bitte verlassen Sie den Saal, wir wollen den Hammelsprung durchführen.

(Abstimmung gemäß § 129 Absatz 2 BayLTGe- schO)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich, dass der Saal jetzt gut gefüllt ist. Ich gebe das Ergebnis des Hammelsprungs bekannt. Mit Nein haben 74 gestimmt, mit Ja haben 53 gestimmt. Es gab keine Enthaltung. – Damit ist der Geschäftsordnungsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN abgelehnt.

Kolleginnen und Kollegen, wir nehmen die Aussprache jetzt wieder auf. Ich bitte, sich hinzusetzen, damit wir mit der Aussprache fortfahren können.

Ich erteile nun Frau Kollegin Kamm wieder das Wort. Bitte schön, Frau Kamm.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Integration

(Anhaltende Unruhe – Glocke der Präsidentin)

ist eine Querschnittsaufgabe. Es freut mich daher, dass jetzt auch der Herr Justizminister, der Herr Innenminister und der Herr Europaminister da sind. Auch der Vertreter der Staatskanzlei ist jetzt anwesend. Ich vermisse aber weiterhin die Sozialministerin und auch die Ministerin für Wohnen, Bau und Verkehr. Schade, dass sie nicht da sind. Vielleicht lesen sie aber wenigstens die Empfehlungen nach, die wir gemeinsam in der Enquete-Kommission zusammengetragen haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wie steht es um die Integrationspolitik in Bayern? Wie stand es vor über zwei Jahren um die Integrationspolitik im Freistaat, als es die Idee unserer ehemaligen Fraktionsvorsitzenden Margarete Bause war, eine Enquete-Kommission zum Thema Integration zu beantragen, einzubringen und voranzutreiben? Wie war die Situation? – Die Staatsregierung hatte sich bis dahin geweigert, einen Integrationsbericht vorzulegen. Den Bericht haben wir immer noch nicht, aber ich denke, das ist eine große Aufgabe für die nächste Legislaturperiode. Wir hatten damals den Antrag gestellt, einen solchen Bericht anzufertigen. Der Bericht wurde auch mit Unterstützung des damaligen Integrationsbeauftragten Martin Neumeyer beschlossen. Der Bericht wurde aber leider nicht gegeben. Irgendwann gab es dann einen Bericht über die Arbeit des Integrationsbeauftragten. Eigentlich wollten wir aber einen Bericht der Staatsregierung, in dem die Problemlagen der Integrationspolitik in Bayern beschrieben werden.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Wir wollten die Arbeitsziele beschrieben bekommen, die sich die Staatsregierung beim Thema Integration vorgenommen hat. In dem Bericht hätten auch konkrete Handlungsprogramme dargelegt werden sollen. Dann hätte auch über Erfolge bei der Verwirklichung dieser Handlungsprogramme berichtet werden können. Leider gab es diesen Bericht nicht. Bis heute gibt es auch noch keine Handlungsprogramme. Vielleicht bietet aber der Bericht der Integrations-Enquete eine

erste Grundlage, um ein solches Handlungsprogramm aufzustellen.

Die immer wiederkehrenden Versuche von Oppositionsfraktionen, Integrations- und Partizipationsgesetze in den Bayerischen Landtag einzubringen, wurden von der Mehrheitsfraktion leider stets abgelehnt. Das Gesetzeskonstrukt, das Sie hier eingebracht haben und Integrationsgesetz nennen, ist aber in keinem einzigen Artikel ein Integrationsgesetz, sondern es ist ein Integrationsverhinderungsgesetz. Es erfüllt nicht die Zielsetzung, die wir hier vorantreiben wollen, und es entspricht auch nicht den Empfehlungen der Integrations-Enquete. Ich hoffe, dieser Bericht wird dazu führen, dass in der nächsten Legislaturperiode des Landtags eine echte politische Teilhabe aller Menschen, die in Bayern leben, vorangetrieben wird.

Die Integrationsbeauftragten haben auf Landesebene bislang auch noch keine substanziellen Verbesserungsvorschläge einbringen können. Die Meinungen und Expertisen der Migrantinnen- und Migrantenorganisationen und die zahlreichen Vorstöße blieben weiterhin ungehört. Ihre Arbeit wird nicht im erforderlichen Umfang unterstützt. Auch dies muss sich ändern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eine leise Ahnung davon, welche Schätze von Integrationsprojekten ganz unterschiedlicher Art mit ganz unterschiedlichen Akteuren und Zielgruppen wir in Bayern haben, bekommt man in einer Bewerbungskommission für den Integrationspreis. Darin sieht man, welch tolle Initiativen sich bewerben und teilweise einen Preis bekommen. Die Preisträgerinnen und Preisträger haben immer fraktionsübergreifend große Begeisterung ausgelöst und große Zustimmung bekommen. Wer waren diese Integrationspreisträgerinnen und -preisträger? – Das waren Migrantinnen- und Migrantenorganisationen, die trotz geringer Unterstützung, vielleicht nur mit der Unterstützung der einen oder anderen wohlwollenden Kommune, Erstaunliches vorangebracht haben. Sie haben beispielsweise Initiativen vorangebracht, die sich um Familien mit behinderten Kindern kümmern. Sie haben Initiativen vorangebracht, die Trauerarbeit leisten usw. usf. Das ist wunderbar.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Aber das sind leider nur einzelne Projekte, die nicht vernetzt sind und denen es an einem tragenden Rahmen für eine gute Integrationspolitik in Bayern fehlt, die wir brauchen. Die Kommunen waren aktiv; die Migrantinnen- und Migrantenorganisationen waren aktiv; sehr viele Organisationen waren aktiv. Lediglich der Freistaat hat sich bislang weitgehend seiner Verant

wortung entzogen. Doch wir sollten hier gemeinsam tätig werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vieles läuft bei der Integration in Bayern gut. Es gibt erhebliche Erfolge zu verzeichnen. Es gibt eine erhebliche Zahl guter Projekte.

(Zustimmung bei Abgeordneten der CSU)

Aber es könnte natürlich sehr vieles besser laufen und leichter sein. Wenn man mit den Menschen spricht, die in den letzten Jahrzehnten zu uns gekommen sind, hört man oft: Ja, wenn ich ganz am Anfang einen vernünftigen Sprachkurs bekommen hätte, wenn mir jemand bei der Anerkennung eines früher ausgeübten Berufs geholfen hätte, was hätte dann aus mir werden können, welche berufliche und persönliche Karriere hätte ich einschlagen können? – Wir sollten von ihnen lernen, wie Integration in Bayern besser gelingen kann.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Integration in Bayern ist sicherlich keine vorübergehende Sonderaufgabe, die mit befristeten Projekten gelöst werden kann, sondern sie ist eine Daueraufgabe, die nachhaltig und strukturell angegangen werden muss und einen vernünftigen Rahmen braucht.

Ich nenne einige Beispiele, mit denen wir uns in der Integrations-Enquete befasst haben. Ein Beispiel ist die "SchlaU-Schule". Hier erhalten Münchner Schülerinnen und Schüler neben dem Schulunterricht eine gezielte, intensive und individuelle Förderung, die es ihnen ermöglicht, in relativ kurzer Zeit in das deutsche Regelschul- und Ausbildungssystem einzusteigen. Diese Schule hat Modellhaftes für ganz Deutschland geleistet. Es handelt sich um ein Integrationsmodell, das auf privater Basis in Bayern vorangebracht wurde und letztendlich ein Leuchtturm ist und zeigt, wie Integration in Deutschland besser werden kann.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Dachverband der Migrantinnen- und Migrantenorganisationen setzt sich für die gleichberechtigte politische, soziale, berufliche und kulturelle Teilhabe von Migrantinnen und Migranten am gesellschaftlichen Leben ein. Refugio München leistet eine wegweisende Arbeit für traumatisierte Flüchtlinge. Das Bayerische Bündnis für Toleranz setzt sich für den Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung ein. Der Ausbildungsring Ausländischer Unternehmer fördert die Ausbildung der aus dem Ausland stammenden Unternehmerinnen und Unternehmer und akquiriert auf diese Weise zusätzliche Ausbildungsplätze insbeson

dere für Jugendliche mit Migrationshintergrund. Es gibt natürlich auch sehr engagierte Migrantinnen und Migranten, die ihre Landsleute in muttersprachlichen Informationsveranstaltungen über das deutsche Gesundheitssystem und über die Notwendigkeit und die Möglichkeiten der gesundheitlichen Prävention informieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Bildung und Arbeit sind der Schlüssel zu gelingender Integration. Anders als Sie, Herr Huber, vorhin ausgeführt haben, hat es nicht allzu viel Sinn, sich nur für die Bildung von Menschen mit – in Anführungszeichen – "guter Bleibeperspektive" einzusetzen. Sie operieren hier mit einem äußerst schwammigen Begriff, der keineswegs vernünftig zu definieren ist, und Sie müssen sich letztendlich eingestehen, dass viele Menschen, die Sie für Menschen mit guter oder nicht so guter Bleibeperspektive halten, doch teilweise begründet hier bleiben können und ihren Lebensweg weiterführen können. Es ergibt keinen Sinn, Leute zwei Jahre oder noch länger auf vernünftige deutsche Integrationskurse warten zu lassen; damit ist niemandem gedient, auch unserer Gesellschaft nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abgeordneten Arif Taşdelen (SPD))