Protocol of the Session on June 26, 2018

(Jürgen Mistol (GRÜNE): Christian Magerl!)

Der Herr Kollege Magerl.

(Unruhe)

Ich weise vorsorglich darauf hin, dass jede Fraktion sich melden kann. – Bitte schön.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch einmal einiges zurechtrücken. Zu Ihrer Einladung, wir sollten uns mit Vorschlägen einbringen: Ich bin seit 27 Jahren in diesem Hohen Haus und könnte eine lange Liste meiner Vorschläge im Bereich Artenschutz zusammenschreiben, die ich hier eingebracht habe und die fast unisono immer und immer wieder von der CSU abgelehnt wurden.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zurufe von der CSU)

Sie bringen überhaupt keine Vorschläge in diesem Zusammenhang. Ich sage es noch einmal: Wenn ich mir den Zustand der Arten in Bayern ansehe, stelle ich fest, es ist für einen sehr großen Teil der Arten dramatisch, wie die Entwicklung in den letzten 40 Jahren gelaufen ist. Sie können hier als Vorrednerinnen und Vorredner gesundbeten, was Sie wollen: Es ist nach wie vor schlecht. Daran ist nicht zu rütteln, das ist so.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich kann über sechs Legislaturperioden zurückblickend sagen: Sie haben sich hier – auf gut Deutsch gesagt – kein Bein ausgerissen. Sie haben eine miserable Leistungsbilanz, was den Artenschutz in Bayern anbelangt.

(Zuruf von der CSU)

Doch, das ist so. – Es hilft auch nicht zu sagen, in anderen Bundesländern sehe es auch nicht besser aus. Wir sind hier bayerische Landtagsabgeordnete und haben dafür zu sorgen, dass der Zustand der Arten in Bayern gut ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich möchte auf den Punkt zu sprechen kommen, bei dem es am meisten hakt: Wir können schöne Programme auflegen – Artenhilfsprogramme –, und wir können das KULAP noch ein wenig verbessern. Wir können auch Vertragsnaturschutz machen. Wir brauchen aber Personal, und zwar in der Fläche. Sie verweigern jedoch regelmäßig seit vielen, vielen Jahren die Zustimmung, dass wir das Personal zum Beispiel in den unteren und in den höheren Naturschutzbehörden aufstocken. Wenn Sie aber niemanden in der Fläche haben, helfen Ihnen die ganzen Programme überhaupt nicht!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Anhörung im Umweltausschuss hat klar gezeigt, dieser Punkt wird auch von den Experten so gesehen. Sie haben nämlich gesagt: Wenn wir hier nicht jemanden in der Umsetzung draußen vor Ort haben, helfen in München geschriebene Programme so gut wie gar nicht.

Ich möchte die Artenhilfsprogramme in Bayern nicht kleinreden. Ich bin jetzt seit 1973 und somit sei 45 Jahren als ornithologischer Kartierer in der Fläche unterwegs und habe bei einigen Arten gesehen, was diese Programme gebracht haben. Leider Gottes sind sie bei den 80.000 Arten, die wir in Bayern haben, ein Tropfen auf dem heißen Stein. Sie helfen nur einigen wenigen Arten, und zwar – auch das war ein Ergebnis der Anhörung – den attraktiven Arten. Es gibt praktisch kein Artenhilfsprogramm für unscheinbare Arten.

Herr Prof. Haszprunar sagte, dass wir eigentlich Programme für die kleinen hässlichen Schwarzen bräuchten – die Käfer, die Spinnen, die Milben oder die Asseln. Sie sind genauso wichtig für unseren Naturhaushalt wie der Weißstorch, dem wir gut auf die Beine geholfen haben, oder wie die Wiesenweihe. Hier hapert es aber noch gewaltig, vor allem wenn wir nicht mehr Mittel für das Personal bewilligt bekommen. Sie als CSU-Fraktion sind aber nicht einmal bereit, dem Kabinett zu folgen, das acht Stellen vorgeschlagen hat, die Sie wieder auf Eis gelegt haben. Nach meiner Erinnerung war es ein einmaliger Vorgang, dass ein Kabinettsbeschluss von der CSU kassiert wurde. Sie sollten hier einmal bekennen, warum Sie das machen!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie hatten das Arten- und Biotopschutzprogramm genannt. Manche Landkreise müssen noch mit dem Originalprogramm arbeiten, das fast 30 Jahre alt ist. Dort ist in manchen ABSP-Programmen noch nicht einmal die FFH-Richtlinie eingearbeitet. Sie sind in der Vergangenheit auch hier nicht bereit gewesen, unseren Anträgen zu folgen und mehr Geldmittel zur Verfügung zu stellen, um diese Programme auf den neuesten Stand zu bringen. Diese Programme sind nach dem Bayerischen Naturschutzgesetz die Grundlage für den Biotopverbund. Sie arbeiten aber mit Uraltunterlagen im Bereich Biotopverbund und wundern sich dann, wenn das nicht hinhaut und die Artenvielfalt bei uns in Bayern ein ums andere Mal den Bach hinuntergeht.

Möglicherweise wird das meine letzte Rede zum Artenschutz hier sein; ich kann Ihnen aber nur eines ins Stammbuch schreiben: Sechs, setzen!

(Anhaltender Beifall bei den GRÜNEN – Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 2 auf:

Beratung der zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge

Zur gemeinsamen Beratung rufe ich auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Thomas Gehring u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bayerns Interessen vertreten - Europäische Zusammenarbeit stärken (Drs. 17/22852)

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Georg Rosenthal, Inge Aures u. a. und Fraktion (SPD) Europe United: Gemeinsam handeln statt nationaler Alleingänge (Drs. 17/22854)

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Prof. (Univ. Lima) Dr. Peter Bauer u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Europäische Probleme gemeinsam lösen - Bund und Europa sind gefordert! (Drs. 17/22892)

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Karl Freller, Tobias Reiß u. a. und Fraktion (CSU) Für ein starkes Europa - Zusammenarbeit der Staaten auf Augenhöhe zur Bewahrung der europäischen Grundwerte (Drs. 17/22893)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Erste Rednerin ist Frau Kollegin Schulze von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Tagen werde ich dauernd gefragt: Sag mal, ganz ehrlich: Dieses ganze Theater, das die CSU gerade veranstaltet, meinen die das ernst, oder ist das nur Wahlkampf? – Dann muss ich ihnen sagen: Leider stimmt beides. Ja, der CSU geht es um die Landtagswahl im Herbst. Aber ich muss leider auch sagen: Ja, die CSU will ein anderes Land, als wir es kennen.

(Markus Rinderspacher (SPD): Ja!)

Markus Söder sagt selber, die Zeiten des geordneten Multilateralismus seien vorbei. Und er umgibt sich gerne mit den Kurz und Orbáns, die für autoritäre und nationale Politik stehen. Ehrlich gesagt, liebe Kolleginnen und Kollegen, genau darum wird es auch bei der Landtagswahl im Herbst gehen: In was für einem Land möchten wir leben? Möchten wir in einem liebenswerten und lebenswerten Bayern leben, das auf europäische Zusammenarbeit und offene Grenzen im Schengenraum setzt, offen für Personen, Güter, Dienstleistungen und kulturellen Austausch, wo wir die Herausforderungen gemeinsam anpacken? – Ja, ich möchte genau in so einem Europa und in so einem Bayern leben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Oder wird es ein Bayern werden, wie es die CSU gerne hätte, das auf Grenzen und Kontrollen setzt, das sich abschottet und den wirtschaftlichen und kulturellen Austausch abwürgt? – Liebe Kolleginnen und Kollegen, in so einem Bayern und in so einem Europa möchte ich nicht leben, und ich bin mir sicher, dass die Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger in Bayern das auch nicht möchte. Schauen Sie sich doch mal die Realität in den Grenzregionen an. Sprechen Sie mit den Unternehmerinnen und Unternehmern dort, die auf den Export dringend angewiesen sind. Sprechen Sie mit den Menschen in den Grenzregionen, die jetzt schon über diese lächerlichen drei Grenzkontrollen stöhnen, die Staus verursachen. Da gibt es Schleichwege, auf denen man an ihnen vorbeifahren kann. Uns allen muss doch klar sein, dass die Menschen und die Unternehmen in den Grenzregionen und in ganz Bayern von einem starken Europa profitieren. Sie profitieren davon, dass wir endlich ein Ende der Schlagbäume in Europa erreicht haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn Sie von der CSU sich mit Ihrer Politik durchsetzen können, dann wird sich das verändern. Ich finde, dann gehört es zur Ehrlichkeit dazu, dass Sie offen und ehrlich sagen, welchen Preis wir alle dafür bezahlen werden, wenn die europäische Integration weiter zurückgedreht wird. Es wird Mehrkosten für den Warenverkehr in Höhe von mindestens drei Milliarden Euro pro Jahr geben, sagt der Präsident des Außenhandelsverbands. Es wird wieder lange Schlangen an den Grenzen geben, weniger Exporte, weniger Austausch zwischen den Ländern und massive Einschränkungen für die Pendlerinnen und Pendler und für die Touristinnen und Touristen. Und wir werden ein Chaos in der Asylpolitik bekommen; denn ganz ehrlich: Was wäre die Folge, wenn Ihre rechtswidrige

Flüchtlingspolitik umgesetzt wird? – Die CSU schickt die Geflüchteten nach Österreich zurück. Österreich schickt die Geflüchteten dann nach Italien zurück. Was passiert dann, wenn Italien die Geflüchteten künftig ohne Registrierung nach Norden schickt? Wollen Sie dann zusammen mit Sebastian Kurz eine Mauer am Brenner errichten, oder ist Ihnen dann Kiefersfelden lieber? Liebe Kolleginnen und Kollegen, man sieht doch da, dass sich die Interessen der CSU nicht mit den Interessen Bayerns decken. Sie stehen sogar in einem deutlichen Widerspruch.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir Bayerinnen und Bayern haben der EU Frieden und Wohlstand zu verdanken. Wir brauchen gerade im Jahr 2018 die Europäische Union mehr denn je; denn die großen Probleme unserer Zeit sind für Kleinstaaterei zu groß: Kampf gegen die Klimakrise, gegen Hunger, Armut, Krieg, Terrorismus und Korruption, eine humane Flüchtlingspolitik und die Teilhabe aller am gesellschaftlichen Wohlstand und am Fortschritt – all das geht nur mit einer starken EU.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eine starke EU ist die demokratische Antwort auf die Globalisierung und auf die autoritären und gefährlichen Putins, Trumps und Erdogans dieser Welt. Sie als CSU hingegen wollen die EU schwächen. Sie setzen damit unseren Wohlstand und unsere Zukunft aufs Spiel in der Hoffnung, Ihre eigene Zukunft zu retten. Das ist schäbig. Damit handeln Sie gegen bayerische Interessen. Sie sind nicht in der Lage, bayerische Interessen ordentlich zu vertreten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie wollen ein anderes Bayern, Sie wollen einen politischen Systemwechsel. Sie verschieben das politische Koordinatensystem.

Aber ich sage Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Die Mehrheit im Land macht da nicht mit. Die Mehrheit im Land weiß bei aller Kritik im Detail, was sie an ihrer EU hat und was Bayern an unserer EU hat. Deswegen haben die Menschen genug von Ihrer Spalterei. Sie haben genug davon, dass Sie dauernd den einen gegen den anderen ausspielen. Die Menschen in Bayern wollen endlich hören, wie wir die Zukunft bewältigen. Wie schützen wir die natürlichen Lebensgrundlagen? Wie sorgen wir für gleiche Rechte und Chancengleichheit für Männer und Frauen? Wie gestalten wir die Digitalisierung? Das sind die drängenden Fragen, die die Bürgerinnen und Bürger umtreiben, nicht Ihr ständiges panikartiges Gekreische beim Thema Asyl,

(Ingrid Heckner (CSU): Ein Gekreische machen Sie!)

wo Sie den Realitätsbezug total verloren haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)