Protocol of the Session on June 14, 2018

Tagesordnungspunkt 18 auf:

Rede S.E. des Präsidenten der Europäischen Kommission, Herrn Jean-Claude Juncker

Exzellenz, sehr geehrter Herr Präsident Juncker, ich darf Sie im Namen aller Kolleginnen und Kollegen als

unseren Ehrengast im Plenarsaal des Bayerischen Landtags sehr herzlich willkommen heißen.

(Allgemeiner Beifall)

Wir freuen uns sehr, dass Sie hier sind. Ich darf Sie sehr herzlich von unserem Bayerischen Ministerpräsidenten, Herrn Dr. Markus Söder, grüßen, der bei der Konferenz der Ministerpräsidenten in Berlin gebunden ist. In dieser Stunde wünschen wir uns, dass die Ministerpräsidenten gute Entscheidungen für unser Land, aber natürlich auch für Europa treffen.

Mein Gruß gilt den Mitgliedern der Bayerischen Staatsregierung sowie unseren Gästen auf der Besucher- und Ehrentribüne. Ich begrüße insbesondere die Vertreterinnen und Vertreter der Religionsgemeinschaften, der Behörden und der Medien, die heute zu uns in den Bayerischen Landtag gekommen sind.

Sehr geehrter Herr Präsident Juncker, es ist das zweite Mal, dass ein Kommissionspräsident den Bayerischen Landtag besucht. Das erste Mal war im Februar 1991 Jacques Delors hier zu Gast. Damals wie heute haben wir es als große Ehre empfunden; denn rein formal betrachtet ist die Europäische Union ein Zusammenschluss der Nationalstaaten. Dass Präsidenten der Europäischen Kommission den Volksvertretungen der Regionen einen Besuch abstatten, ist keineswegs selbstverständlich. Umso mehr zeigt es natürlich – ich erlaube mir, das zu sagen – die Bedeutung Bayerns als einem kulturell, sozial und wirtschaftlich starken Land in der Mitte Europas. Umso mehr freuen wir uns über Ihren Besuch.

Seit dem Besuch von Jacques Delors hat sich Europa verändert. Die Europäische Union ist deutlich größer geworden, die Zahl der Mitgliedstaaten hat sich mehr als verdoppelt. Seit 1991 hat sich auch die Welt verändert – leider entgegen der damals so großen Hoffnungen nicht nur zum Positiven. Ich denke an den entsetzlichen Krieg in Syrien, an die Flüchtlingskrise, die uns nicht nur in Europa so sehr bewegt, oder an die Handelskonflikte, die die Welt ganz aktuell in Unruhe versetzen.

Gute Nachrichten sind in diesen Zeiten deshalb umso wichtiger. Die Meldung, dass die Zustimmung zur Europäischen Union aktuell so hoch ist wie lange nicht, war in den vergangenen Wochen eine gute Nachricht. Mehr als zwei Drittel der Bürger sind der Meinung, dass ihr Land von der EU-Mitgliedschaft profitiert. In Deutschland glauben dies sogar 75 Prozent.

(Allgemeiner Beifall)

Aber, Herr Präsident, wir dürfen uns auf diesen guten Nachrichten nicht ausruhen; denn wir sind in Europa noch längst nicht da, wo wir hinwollen. Das spüren wir in diesen Tagen ganz deutlich. Das gilt im Hinblick auf die Solidarität, die wir in den letzten Jahren manchmal schmerzlich vermisst haben. Und das gilt ganz besonders auch für die Wertschätzung der Landesparlamente auf europäischer Ebene.

Uns allen ist Europa ein echtes Herzensanliegen. Europa ist das größte Friedenswerk in unserer Geschichte. Europa ist nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft, sondern vor allem eine Gemeinschaft der Werte. Darauf dürfen wir gemeinsam stolz sein. Das wollen wir gemeinsam bewahren. Wir wollen deshalb mehr Europa im Großen bei den Fragen, die besser staatenübergreifend zu regeln sind.

Aber ein großes Werk kann nur gelingen, wenn es von vielen kleinen Säulen getragen wird. Diese Säulen müssen wir stützen. Diesen Säulen – den Regionen, den Kommunen – müssen wir auch vertrauen. Deshalb wollen wir weniger Europa im Kleinen und stattdessen ein Europa, das nah dran ist an den Bürgerinnen und Bürgern. "Nah dran" bedeutet, dass für jeden verständlich gemacht wird, was die EU-Kommission plant und umsetzt. Wir dürfen zwischen Konstrukten und Fachbegriffen nicht die Menschen verlieren!

Sehr geehrter Herr Präsident, Sie selbst haben mit dem Weißbuch zur Zukunft Europas die Diskussion neu angestoßen, wie Europa künftig aufgestellt sein soll. Für uns sind dabei Subsidiarität, Verhältnismäßigkeit und Mitgestaltungsmöglichkeiten tragende Prinzipien. In dieser Hinsicht unterstützen wir Sie gerne. Wir müssen drängende Fragen beantworten: Wie können wir den Menschen ihre Befürchtung nehmen, die europäischen Institutionen würden alles an sich ziehen und wären scheinbar übermächtig? Wie können wir den Menschen die Sorge davor nehmen, die Kosten für Europa würden immer weiter steigen? Wie kann das immer wieder beklagte bürokratische Dickicht verringert werden? Und, ganz zentral: Wie können wir den Menschen wieder näherbringen, welchen Mehrwert die Europäische Union für uns alle hat?

Auf diese Fragen brauchen wir rasch überzeugende Antworten. Wir werden sie nur dann finden, wenn wir auf allen Ebenen zusammenarbeiten und wenn jede Ebene das tut, was sie am besten kann. Die Europäische Union sollte sich wieder mehr auf das konzentrieren, was in den Verträgen steht. Nur so können Gestaltungsspielräume und Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten und ihrer Regionen bewahrt werden. Respekt vor der Subsidiarität muss mehr sein als nur

ein Begriff. Subsidiarität muss gelebt und immer wieder kritisch überprüft werden.

Sehr geehrter Herr Präsident, niemand kann Sie dabei besser unterstützen als die Landesparlamente, denn es sind unsere Abgeordneten, die Tag für Tag im engen Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern stehen. Sie können die europäische Politik vor Ort vermitteln. Sie können das oft beklagte Demokratiedefizit Europas ausgleichen. Wenn Sie wollen, dass Europa bei den Menschen bleibt, dann sind die Landtagsabgeordneten der Schlüssel – dann brauchen Sie unsere Vermittlung. Unterstützen Sie uns, damit wir diese Vermittlerrolle gut wahrnehmen können!

"Nah dran" bedeutet auch, dass Dokumente frühzeitig in deutscher Übersetzung vorliegen oder dass ausreichend Zeit besteht, sich im parlamentarischen Verfahren mit EU-Vorhaben zu befassen und Stellung zu nehmen.

Sehr geehrter Herr Präsident, wir freuen uns sehr – wie ich das eingangs schon zum Ausdruck brachte – über Ihren Besuch. Er ist einmal mehr ein Zeichen dafür, wie wichtig Ihnen der Dialog mit uns, mit den Landesparlamenten, ist. Ich darf Ihnen versichern, dass der Bayerische Landtag diesen Dialog weiterhin aktiv suchen wird, mitunter natürlich auch kritisch.

Wir werden weiterhin Wert darauf legen, dass wir uns bei Subsidiaritätsbedenken direkt an die EU-Kommission wenden können. Wir werden weiterhin Wert darauf legen, dass Antworten auf unsere Stellungnahmen fundiert erfolgen, nicht generalisierend, wie das leider manchmal auch der Fall ist. Wir werden den Dialogprozess über die Zukunft Europas, den Sie angestoßen haben, aktiv mitgestalten. Unser Europaausschuss – dafür danke ich den Kolleginnen und Kollegen – hat dazu bereits eine Anhörung durchgeführt und verfügt über beste Kontakte.

Wir werden weiterhin alle Möglichkeiten nutzen, die uns die Konsultationen bieten. Dank Ihrer Fürsprache stehen diese mittlerweile regelmäßig auch rechtzeitig in deutscher Sprache zur Verfügung. Es sollte selbstverständlich sein, dass regionale Parlamente bereits im Vorfeld der Konsultationen eingebunden werden, vor allem, wenn es um ihre eigenen Zuständigkeiten geht. Wir werden auch weiterhin den persönlichen Austausch miteinander führen, bei Sitzungen unserer Ausschüsse, unseres Präsidiums und der Landtagspräsidentenkonferenz in Brüssel – und bei uns in Bayern, wo wir jederzeit gerne Vertreterinnen und Vertreter der Europäischen Kommission begrüßen. Das leben wir auch.

Ein ehemaliger Bundesaußenminister hat in einer Rede vor der UN-Generalversammlung einmal gesagt:

Europa wächst nicht aus Verträgen. Es wächst aus den Herzen seiner Bürger oder gar nicht.

Das war 1992. Aber in dieser Hinsicht hat sich seither nichts verändert. Es ist und bleibt unser gemeinsamer Auftrag, immer wieder um diese Herzen zu werben.

Sehr geehrter Herr Präsident Juncker, seien Sie uns herzlich willkommen. Wir freuen uns auf Ihre Ansprache.

(Allgemeiner Beifall)

S. E. Jean-Claude Juncker: Sehr verehrte Frau Landtagspräsidentin, liebe Barbara, Frau stellvertretende Ministerpräsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, meine Damen und Herren Staatsminister! Sie sehen mich Ihnen mit offenem Blick entgegentreten. Der offene Blick kommt daher, dass ich meine Rede im Flugzeug habe liegen lassen. Ergo lese ich nicht vor, sondern dies wird Improvisation total. Fasten seatbelts!

Ich bin froh, heute hier im Landtag zu sein. Seit dem letzten Besuch von Präsident Delors ist eine lange Zeit ins Land gegangen. Vieles hat sich in Europa und in der Welt verändert. Ich bin froh, hier zu sein. Man sagt zwar immer, dass man froh ist, da zu sein, wo man gerade ist. Normalerweise stimmt das nicht, aber heute stimmt das wirklich, denn ich habe mich auf diesen Besuch gefreut, sei es auch nur deshalb, weil sich die Frau Landtagspräsidentin durch besonderen Weitblick und Weitsicht auszeichnet. Applaus!

(Allgemeiner Beifall und Heiterkeit)

Sie hat mich vor drei Jahren eingeladen. So lange braucht die Kommission, um zu kapieren, was los ist. Ich wusste nicht, dass heute die Fußball-Weltmeisterschaft beginnt. Sie hätten das Spiel sicher gerne angesehen, aber nächsten Sonntag ist auch noch ein Spiel. Fangen Sie also mit der Weltmeisterschaft am nächsten Sonntag an, das reicht. Deutschland spielt hoffentlich bis zum Ende der gesamten Veranstaltung.

Ich wusste auch nicht, dass die Weitsicht der Präsidentin so weit reicht, dass sie schon damals wusste, dass heute ein besonderer Tag in Berlin ist. Ich bin froh, dass der Landtag seine Sitzung wieder aufgenommen hat, denn es dauert in Deutschland manchmal lange, bevor Parlamente, die ihre Gespräche unterbrechen, die Sitzung wieder aufnehmen. Insofern ist heute ein bayerischer Landesrekord zu vermelden.

(Heiterkeit)

Ich bin froh, hier zu sein, um einige Gedanken und Plaudereien zur europäischen Zukunft und zur europäischen Gegenwart vorzutragen. Ich habe es anfangs gesagt, auch die Präsidentin hat es gesagt, es hat sich in den letzten 20, 30 Jahren viel verändert in Europa. Einiges hat man bemerkt, zum Beispiel die deutsche Wiedervereinigung. Ich gehöre zu denen in Europa, die der deutschen Sprache mächtig sind und die sich immer noch über die deutsche Wiedervereinigung freuen. Ich wünschte mir, alle, die Deutsch sprechen, könnten diese Freude weitertragen. Das war ein guter Moment für die Republik und ein sehr guter Moment für Europa und den europäischen Kontinent.

Ich habe eben gesagt, ich wäre der deutschen Sprache mächtig, annähernd mächtig – nicht so sehr wie die Bajuwaren, die das Deutsche zur Perfektion emporheben.

(Heiterkeit)

Ich leite die Sitzungen der Kommission in englischer, französischer und in deutscher Sprache. Ich leite sie nicht in luxemburgischer Sprache, denn die wenigsten verstehen Luxemburgisch. Die Luxemburger haben Deutsch, Französisch und Englisch gelernt, weil sich unsere Nachbarn standhaft weigern, Luxemburgisch zu lernen. Insofern haben wir uns darauf verständigt, dass wir die Sprache der anderen lernen müssen. Ich bin seit Walter Hallstein der erste Präsident der Europäischen Kommission, der die Sitzung auch in deutscher Sprache leitet, weil ich Wert auf die Sprachenvielfalt in Europa lege. Ich bin oft missvergnügt über die lange Zeit, die es manchmal braucht, wichtigste Papiere und Dokumente in deutscher Sprache vorzulegen.

Früher, als ich anfing, haben fast alle Französisch gesprochen. Jetzt reden alle Englisch – oder denken, sie würden Englisch reden; sie reden banal Amerikanisch.

(Allgemeiner Beifall und Heiterkeit)

Ich drücke mich lieber präzise in Deutsch aus als approximativ im Englischen. Manchmal macht man sich verständlicher, wenn man Englisch redet. Aber ich bin dagegen, dass man dies tut. Die Franzosen haben die Luxemburger immer aufgefordert, sich auf Französisch auszudrücken. Und jetzt reden alle französischen Minister Englisch. Nur die Luxemburger reden immer noch Französisch. Wir kommen uns in Europa wie linguistische Exoten vor. Aber die Sprachenvielfalt ist wichtig.

Vieles hat sich verändert. Die Wiedervereinigung Deutschlands war positiv. Es hat sich aber auch ein geopolitisches Gesamtbild Europas ergeben, das so aussieht – das merkt fast niemand –, dass es seit dem Fall der Mauer in Europa und in der direkten Peripherie Europas zu 27 Staatsgründungen kam. Es gibt auf dem europäischen Kontinent 27 Staaten mehr als vor der Gesamtwende im östlichen Teil unseres Kontinents. Das bedeutet, 27 neue, international unabhängige und sich souverän gebärdende Staaten sind zum Bereich und zum Schwierigkeitsvolumen Europas hinzugestoßen.

Wir sind als Europäische Union im Zentrum einer Polykrise. Diese Polykrise ergibt sich aus diesen Veränderungen – die sind insgesamt zu begrüßen –, aber auch aus der Tatsache, dass um uns herum Konflikte in großer Zahl toben, weltweit über 60 Kriege. Das betrifft uns, das merken wir aber nicht immer. Wir haben das Problem – "Problem" ist ein schwacher Ausdruck als Beschreibung dessen, was dort passiert – in Syrien. Wir haben die Annektierung der Krim durch Russland. Wir haben die Probleme – "Probleme" ist ein kleines Wort für das, was dort vor sich geht – in der Ostukraine. Und wir haben es mit gewählten Vertretern jenseits des Atlantiks zu tun, die sich schwer damit tun, die Regelwerke, die sie mit erfunden haben, jedenfalls ihre Vorgänger, vollumfänglich zu respektieren. Die Handelsproblematik, die wir mit den USA haben, ist ein betrüblicher Vorgang. Seit ich Kommissionspräsident bin, habe ich das immer wiederkehrende Vergnügen, an den Sitzungen der G7 teilzunehmen. Das ist spannend: Ein Luxemburger im Kreis der Großen. Trump hat mir letzte Woche gesagt: "Jean-Claude, you are a brutal killer!" Es ist das erste Mal, dass Luxemburg zu einer Gefährdung für die Vereinigten Staaten von Amerika herangewachsen ist. Ich denke, er hat das als Kompliment gemeint, ich bin mir da aber nicht so sicher. In diesen Handelsauseinandersetzungen mit den Vereinigten Staaten ist es Aufgabe und Pflicht Europas, auf unsere eigene Würde zu achten. Die von der amerikanischen Administration verfügten Zölle auf Stahl und Aluminium können wir nicht ohne Antwort lassen. Ich bin überhaupt nicht angriffslustig, aber ich akzeptiere nicht, dass man uns von sonst woher diktiert, was wir in Europa zu tun haben. Dies ist ein eigenständiger Kontinent, viele haben dafür gekämpft, und jetzt müssen wir uns auch wehren und uns auf internationaler Bühne Gehör verschaffen.

(Allgemeiner Beifall)

Dabei sind wir, ohne dass wir fanatische Freetrader wären, für offenen Handel. Ich habe in jungen Jahren – das ist schon eine längere Zeit her – gelernt, dass die Führungsmacht der freien Welt – so hieß das doch

damals – auch in Handelsfragen das Tempo diktieren würde. Ich habe keinerlei Verständnis dafür, dass dies jetzt ins Gegenteil verkehrt wird. Wir brauchen fairen, aber freien Handel, Handelsverträge, die wichtige europäische Standpunkte, wenn es zum Abschluss dieser Verhandlungen kommt, in sich aufsaugen, damit sich das europäische Gesellschafts-, Menschen- und Sozialbild auch international durchsetzt. Wir haben einen Handelsvertrag mit Kanada abgeschlossen. Ich unterschreibe in zwei, drei Wochen den Handelsvertrag mit dem japanischen Premierminister. In beiden Verträgen haben wir großen Wert darauf gelegt, dass – wie nennt man das auf Deutsch: "Les règles d‘origine"? Ursprungsregeln! – viele bayerische Ursprungsregeln in dem Handelsvertrag mit Kanada Berücksichtigung gefunden haben. Dieser Vertrag ist noch nicht lange in Kraft, aber seither haben sich die Exporte der Europäischen Union nach Kanada um 24 Prozent nach oben bewegt. Jede Milliarde Euro, die wir mehr in andere Teile der Welt exportieren, übersetzt sich in Europa direkt mit einem Plus von 14.000 Arbeitsplätzen.

Es ist außergewöhnlich schwer, unseren amerikanischen Freunden die Dinge so zu erklären, wie sie verstanden werden müssen. 72 Prozent aller Direktinvestitionen in den USA sind europäischer Provenienz. Es gibt mehr Arbeitsplätze von europäischen Unternehmen in den USA als Arbeitsplätze von amerikanischen Unternehmen in Europa: 6,9 Millionen Arbeitslätze in den USA, 4,7 Millionen Arbeitsplätze amerikanischen Ursprungs in der Europäischen Union. Insofern gibt es keinen direkt erkennbaren und auch keinen indirekt nachvollziehbaren Grund, wieso wir mit den Amerikanern nicht auf gleicher Augenhöhe in Handelsfragen verhandeln sollten.

Ich habe gesagt, wir sind der Punkt auf der Weltkarte. Das ist ein falscher Ausdruck. Es gibt viele, die haben größere Probleme als wir. Europa ist ein guter Platz zum Leben. Wenn der Freistaat Bayern unabhängig wäre – ich rufe nicht dazu auf –,

(Heiterkeit)

wäre Bayern eines der größten Länder der Europäischen Union, was zur Folge hat, dass man sich auch mit Bayern mindestens zweimal pro Woche beschäftigen muss, um zu sehen, was hier los ist; das tut die Kommission übrigens. Bei meinem Amtsantritt habe ich die Kommissare aufgefordert, nicht in Brüssel im Bunker sitzen zu bleiben, unter der Käseglocke, sondern sich in Europa zu bewegen. Die Kommissare haben 793 Mal National- und Regionalparlamente besucht. Das war vorher nicht der Fall. Ich lege Wert darauf, dass man vor Ort erfährt, was vor Ort los ist. Deshalb müssen Kommissa

re inklusive Präsident reisen. Wir haben über 800 Bürgerdialoge in Europa durchgeführt, Gespräche mit sehr vielen Bürgern geführt. Ich stelle dabei immer wieder fest, dass die Menschen in Europa denken – weil man das jeden Tag schreibt –, die Europäische Union, sprich: die Europäische Kommission, wäre für alles zuständig. Die Hälfte der Fragen, die ich bei diesen Bürgerdialogen beantworten muss, ist einfach zu beantworten, weil ich überhaupt nichts damit zu tun habe, was gefragt wird. Weil man so oft schreibt, Europa kümmere sich um alles, denken die Menschen tatsächlich, die Kommission wäre für alles zuständig. Das ist sie nicht, soll sie nicht sein, darf sie nicht sein und muss sie auch nicht sein. Ich habe bei Amtsantritt gesagt, wir müssen eine Europäische Union haben, die groß in großen Dingen ist und klein und zurückhaltend in kleineren Dingen. Das ist einer der Gründe dafür, die erklären, wieso sich so viele Bürger von der Europäischen Union, von der europäischen Integration entfernen. Die Europäische Union hat sich viel zu viel um das Klein-Klein gekümmert und nicht genug um die großen Dinge. Das wollte ich ändern.

(Allgemeiner Beifall)