Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Volksbegehren ist ein wunderbarer Akt der bayerischen Gesetzgebung, mit dem das Wahlvolk ermächtigt wird, eigene Gesetzentwürfe zur Regelung der Lebensverhältnisse in Bayern einzubringen. Mittlerweile hat es 20 Volksbegehren ge
geben. Einige waren erfolgreich und vom Inhalt her klar. Hierzu zählt das Volksbegehren zur Abschaffung der Studiengebühren. Auch der Senat ist abgeschafft worden. Allen Volksbegehren war bislang zu eigen, dass derjenige, der das Volksbegehren unterzeichnet und eingebracht hat, wusste, woran er ist.
Natürlich ist der Flächenverbrauch ein brennendes Thema, und das schon lange. Natürlich kennen wir die ruinösen Zahlen in diesem Bereich. Wir kennen aber auch die dringend notwendigen Entwicklungen. Dies macht ein detailliertes Arbeiten erforderlich, um Lösungen zu erzielen. Die Initiatoren des Volksbegehrens haben das richtige Thema angesprochen. Wir, die SPD, werden uns des Themas im Detail annehmen. Das Volksbegehren muss als Gesetz geeignet sein, Lösungen zu erzielen, die befriedend sind und der Situation gerecht werden. Das Volksbegehren tut das jedoch nicht. Sie stellen einen Werkzeugkasten hin und überlassen anderen die Bestückung des Werkzeugkastens mit Werkzeugen und die Anweisung, wer wo, wann und wie etwas repariert. Das ist Populismus und nichts anderes.
Bei aller Wertschätzung, wir wissen, dass wir gleichwertige Lebensräume brauchen. Sie wollen nicht mehr als fünf Hektar pro Tag zubauen. Das ist in Ordnung. Dahinter stehen wir auch. Erklären Sie aber einmal Ihrem Gemeinderat im Allgäu, dass zum Beispiel eine Gemeinde in Oberfranken für Entwicklungen mehr braucht. Wie wollen wir das durchrechnen? Sie suggerieren den Bürgerinnen und Bürgern, dass mit diesem Volksbegehren das Problem des Flächenfraßes gelöst ist. Im Gegenteil, es gibt die demografische Entwicklung. Wie soll das gelöst werden? Sollen diejenigen, die weniger werden, weniger haben? – Sie haben in Ihrem eigenen Gesetzentwurf im Parlament sogar den kapitalistischen Handel mit Flächenzertifikaten vorgeschlagen und den Vorschlag dann wieder zurückgenommen. Das zeigt doch, dass Sie teilweise mit Mitteln operieren, die man Ihnen früher gar nicht zugetraut hat, jetzt aber immer mehr zutraut, weil es Ihnen auch nur darum geht, die schnelle Mark am Infostand zu machen und mit Maßnahmen plakativer Art Zustimmung zu finden.
Noch einmal: Wir haben das Problem der demografischen Entwicklung. Wir haben das Problem der nicht gleichwertigen Lebensverhältnisse. Wir haben das Problem, dass auch der Zeitraum, in dem dieser Flächenverbrauch bestimmt werden soll, noch gar nicht klar ist. Wie soll sich eine Gemeinde in fünf Jahren entwickeln, die zum Beispiel Flächen anspart? Sind diese Flächen dann aufgebraucht, und wie soll darüber in der Gemeinde diskutiert werden?
Wir haben weitere Probleme mit dem Verkehr. Wir müssen Umgehungsstraßen planen und den öffentlichen Nahverkehr ausbauen.
Ein ganz wichtiges Element haben wir in diesem Zusammenhang noch nicht besprochen. Die statistischen Zahlen des Bayerischen Landesamtes für Statistik stimmen. Klar ist, dass bereits 2015 bayernweit allein für den Wohnungsbau die Zahl von mehr als fünf Hektar pro Tag erreicht worden ist. Wir haben in Bayern – die Regierung hat es in ihr Programm aufgenommen, aber das ist auch eine Art von Populismus, die wir andernorts noch entlarven werden – riesige Wohnungsbauprobleme. Dieses Volksbegehren nimmt keinerlei Rücksicht auf soziale Komponenten. Kann ich jetzt Sozialwohnungen bevorzugt bauen, oder habe ich plötzlich die Schranke dieser fünf Hektar? Geht das noch? Sagen Sie dann, das geht nicht, wir bauen nicht, weil damit Flächen verbraucht werden?
Das Nächste: Einzelfallgerechtigkeit und Verhältnismäßigkeit sind nicht berücksichtigt. Das überlassen Sie – das ist ein demokratisch dreister Akt – der Exekutive. Wir wollen doch Demokratie haben. Das alles soll aber durch die Exekutive, durch den Verordnungsgeber geregelt werden. Der Verordnungsgeber ist die Regierung. Sicher stimmt das Parlament dem Landesentwicklungsprogramm zu. Dadurch wird es aber kein förmliches Gesetz. Wenn ich ein Volksbegehren auf den Weg bringen möchte, muss ich Lösungen vorschlagen und dabei Ross und Reiter nennen. Dann muss sich das Parlament inhaltlich damit auseinandersetzen, wie das Volksbegehren umzusetzen ist. Es muss die entsprechenden Komponenten darlegen, und dann wird auch klar, dass es so einfach nicht geht. Sie können sich heute nicht hier hinstellen und sagen, dass derjenige, der in dieser Verfassungsstreitigkeit Ihrem Antrag nicht zustimmt, gegen das Anliegen sei, den Flächenverbrauch einzudämmen. Sie bringen es damit auf die primitivste Art und Weise auf einen Punkt, der der demokratischen Auseinandersetzung mit diesem wichtigen Thema null Komma null gerecht wird.
Lassen Sie uns an die Anhörung anknüpfen. Ich weiß selber, dass Sie im Rechtsausschuss geneigt waren, Ihren eigenen Gesetzentwurf zurückzustellen, bis die Anhörung durchgeführt wurde. Damit sind Sie doch
schon der Vernunft auf der Spur. Kommen Sie wieder zurück! Wir werden dem Votum des Verfassungsausschusses zustimmen.
Bitte bleiben Sie am Rednerpult, Herr Arnold. – Wir haben eine Zwischenbemerkung vom Kollegen Hartmann.
(Vom Redner nicht au- torisiert) Vorweg vielleicht ein paar Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung: Von 1980 bis 2014 ist die Bevölkerung in Bayern um 15 % gewachsen. Die Siedlungs- und Verkehrsfläche ist um 49 % gewachsen. Da läuft doch etwas grundlegend falsch. Der soziale Wohnungsbau findet nicht bei den Einfamilienhäusern statt. Sozialwohnungsbauten sind doch Geschoßwohnungsbauten. Der Geschoßwohnungsbau treibt aber nicht den Flächenverbrauch in diesem Land voran.
Ein weiteres Beispiel. Jeder, der aus der Kommunalpolitik kommt, kennt es. Nehmen wir die Zahlen von Erwin Huber, dann sind wir bei etwas mehr als neun Hektar. Jetzt müssen wir die Zahl halbieren. Das heißt, dass wir in Zukunft statt großer Parkplätze Tiefgaragen oder Parkdecks bauen. Für einen Baumarkt brauchen wir zwei Stockwerke. Das Problem haben wir im Griff.
Auch die Schulen sind angesprochen worden. In Fürstenfeldbruck wurde das Schulzentrum mit einem Erdgeschoss plus einem Obergeschoss gebaut. Warum bauen wir nicht einfach zwei Stockwerke obendrauf und dazu noch eine Tiefgarage? Damit bräuchten wir nur ein Drittel der Fläche.
Genauso schaffen wir es auch beim Wohnungsbau. Fünf Hektar sind eine große Menge. Darin bekommen wir alles unter, was wir benötigen, und dieser maßlose Verbrauch, der in Bayern gerade stattfindet, wird damit eingedämmt, und das ist genau der richtige Weg.
Kollege Hartmann, ich bin Ihnen für diese Intervention dankbar, weil sie zeigt, dass wir thematisch auf dem gleichen Dampfer sind. Da muss etwas geschehen.
Wir nehmen aber unsere parlamentarische Verantwortung wahr und steigen nicht auf jeden Zug auf, auf dem nur ein richtiges Wort steht. Wir wollen wissen, wo der Zug ankommt und wer ihn steuert. Wir wollen nicht, dass die Regierung mit einer Verordnung das ausbaut, was das Volk mit einem Gesetz anstößt. Sie täuschen dadurch im Prinzip die Wählerinnen und Wähler, weil diese glauben, mit diesem Gesetzentwurf würde alles in trockene Tücher gebracht. Tatsächlich aber steckt der Teufel im Detail. Wohin führt dieses Volksbegehren? – Es führt dazu, dass der Bürger sagt: Jetzt haben wir ein Volksbegehren und einen Volksentscheid gemacht, aber jetzt geschieht wieder nichts. Das führt zum einen zur Politikverdrossenheit und zum anderen zu Zweifeln, ob unsere Rechtsordnung überhaupt tauglich ist. Sagen Sie doch, wie es ist.
Die Zahlen, die Sie genannt haben, sind richtig. Im Übrigen weise ich darauf hin, dass in München mit einem vom damaligen Alt-Oberbürgermeister initiierten Bürgerentscheid, sehr zum Leidwesen des damaligen Oberbürgermeisters, die Höhe des Bauens eingeschränkt wurde.
Klar ist doch, dass wir bei diesem Thema übereinstimmender Meinung sind und auch gemeinsam Handlungsbedarf sehen. Die Behandlung dieses Themas mit diesem Volksbegehren ist aber nicht zielführend und geeignet, um der Probleme in diesem Land Herr zu werden.
Danke schön. Bitte bleiben Sie weiterhin am Rednerpult. – Wir haben eine weitere Zwischenbemerkung vom Kollegen Huber.
Herr Kollege Arnold, ich möchte zunächst Ihnen und der Kollegin Guttenberger Anerkennung für eine glänzende juristische Argumentation aussprechen.
Die Intervention des Kollegen Hartmann und der Beifall der GRÜNEN dazu zeigen, dass es den GRÜNEN nur um Stimmungsmache und nicht um die Lösung des Problems geht. Wir müssen in Bayern 2.000 Gemeinden dafür gewinnen, flächensparend vorzugehen. Dafür haben wir gemeinsam eine Menge zu leis
ten. Das wird viele Schritte erforderlich machen, die auch ganz mühsam sind. Wer sich aber nicht auf diesen Weg begibt, stellt nur eine Zahl in den Raum und kümmert sich nicht um Lösungen. Das heißt, den GRÜNEN geht es vor der Landtagswahl nur um Stimmungsmache, aber nicht um Lösungen.
Herzlichen Dank für diese Intervention, in der Sie Ihre Meinung dargestellt haben. Ich nehme das Lob betroffen, aber menschlich positiv auf.
In dem Zusammenhang noch einmal: Zahlen nützen bei diesem Thema viel. Ich bestreite Ihre Zahlen nicht. Die Lösung, einfach zu sagen, so ist es und dann wird es, ist zu kurz gegriffen. Wir, das Parlament, stehen in der politischen Verantwortung, über feine und ordentliche Lösungen zu diskutieren und diese anzubieten. Mit dem Volksbegehren ist diese Möglichkeit aber vergeben, weil dann das Dilemma erst richtig groß wird. Wer macht wann was, wo und wie? Ob das jetzt im LEP steht oder ob es sich an die Planungsverbände richtet, alles das ist nicht geklärt. Es ist so, wie wenn Sie krank sind, zum Arzt gehen und der Arzt dann sagt, da musst du das und das machen; aber wie du es machen sollst, mit welcher Medizin und mit welchen Therapien, das erwähnt er nicht. Die Krankheit ist zwar angesprochen, der Patient ist damit aber nicht geheilt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, dass wir alle hier im Hohen Haus gerne Flächen einsparen wollen, das heißt, dass der Flächenverbrauch eingedämmt werden soll und muss. Ich glaube, dass wir alle daran arbeiten und Mittel und Wege suchen, diese Überlegungen umzusetzen.
Hier geht es um die Frage nach dem Volksbegehren. Es ist das Recht jedes Einzelnen, ein solches Volksbegehren zu initiieren. Es geht darum, dass der Flächenverbrauch auf fünf Hektar pro Tag beschränkt werden soll. Das ist legitim, und es ist eine gute Zahl, die umsetzbar wäre. Aber dann hört auch schon das Volksbegehren auf, wenn es um die Frage seiner Umsetzung geht. Es wird einfach eine Zahl in den Raum gestellt mit der Aufforderung, dass das geschehen soll. Das ist meiner Ansicht nach etwas zu kurz gesprungen. Herr Hartmann, Sie erheben den Vorwurf, dass die CSU seit dem Jahr 2003 nichts tut. Man kann auch sagen, seit 60 Jahren macht sie in dieser Richtung vielleicht zu wenig.
Das Groteske an Ihrem Volksbegehren ist, dass Sie genau dieser Staatsregierung, der Sie vorwerfen, sie tue nichts, den Ball zuwerfen und sagen: Macht etwas.
Das geht nicht. Sie sollten dann überlegen, ein Gesetz zu machen, in dem geregelt wird, wie vorgegangen werden soll. Und da steckt nun der Teufel im Detail.
Zu sagen, wir schieben es der Staatsregierung zu, die unsere Forderungen umsetzen soll, und dann sagen wir den Wählern, dass es so nicht funktioniert, das reicht nicht. Sie müssen dann auch sagen, wie vorgegangen werden soll.