Protocol of the Session on April 18, 2018

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Sie ist aber notwendig, und sie wird kommen.

(Beifall bei der SPD)

Sie müssen nicht den Kopf schütteln, Herr Kreuzer.

(Thomas Kreuzer (CSU): Von was reden Sie denn? Was für eine Grundgesetzänderung?)

Ich rede sehr konkret. Ich war dabei.

(Thomas Kreuzer (CSU): Ich weiß!)

Sie waren nicht in meiner Wohngruppe. Ich hätte Sie gern willkommen geheißen. Sie waren aber nicht da.

Herr Kreuzer, jetzt muss nur noch der neue Bundesinnenminister diese Herausforderung annehmen,

(Volkmar Halbleib (SPD): Sehr gut!)

sein Ministerium mal sortieren. Ich weiß nicht, ob Sie die letzte Regierungserklärung gehört haben. Darin hat Wohnungsbau nur in einer Fußnote stattgefunden. Er muss endlich begreifen, dass Wohnungsnot und der Kampf gegen die Wohnungskrise die größte und wichtigste Herausforderung in unseren Tagen ist.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FREI- EN WÄHLER)

Ich habe über die Kommunen gesprochen, und ich habe über den Bund gesprochen. Es gibt ein Glied in der Kette der drei Ebenen, das nicht baut. Das ist das Land, das dritte Glied in der Kette. Herr Ministerpräsident, der Freistaat baut seit Jahren nicht. Ich glaube, Ihr Zitat von vorhin aus der Bayerischen Verfassung korrigieren zu müssen. Ich bitte Sie, Artikel 106 nochmals zu lesen. Darin wird nicht nur den Kommunen die Aufgabe des Bauens aufgetragen, sondern vor

allen Dingen dem Staat. Das ist eine Aufgabe, die in unserer Bayerischen Verfassung steht.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN – Tobias Reiß (CSU): Auf allen Ebenen! – Volkmar Halbleib (SPD): Verfassung lesen! Dann braucht ihr keine Zwischenrufe zu machen!)

Artikel 106: Kommunen und Land bauen. Nachlesen! Ich sage Ihnen eines: Der Freistaat baut seit Jahren nicht, Herr Reiß. Das ist so. Das, Herr Ministerpräsident, ist Ihre ganz persönliche negative Bilanz. Tut mir leid!

(Ministerpräsident Dr. Markus Söder: Artikel 83!)

Sie sind schon seit Jahren an der Regierung.

(Beifall bei der SPD – Ministerpräsident Dr. Mar- kus Söder: Aber wir bauen doch schon!)

Die Staatsregierung hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten die Augen vor dieser Entwicklung schlicht verschlossen, aber die nackten Zahlen, die uns vorliegen, Herr Ministerpräsident, sprechen eine klare Sprache: 26 der 30 deutschen Kommunen mit den höchsten Wohnpreissteigerungen liegen in Bayern.

(Volkmar Halbleib (SPD): Hört, hört!)

Seit 2007 sind in Bayern, Herr Ministerpräsident, die Mieten um mehr als ein Drittel gestiegen. Die Baugrundpreise – da sind wir bei der Eigentumsbildung für Einfamilienhäuser – sind im Freistaat in den letzten zehn Jahren um 86 % gestiegen und die Preise für Wohnungen um 60 %. Herr Ministerpräsident, das ist auch Ausdruck der wirtschaftlichen Dynamik in unserem Land, deren Sie sich so gerne rühmen und die Sie als Stärke bezeichnen. Ich kann Ihnen aber eines sagen: Es ist vor allem Ausdruck einer katastrophalen Entwicklung, die die Staatsregierung maßgeblich mit zu verantworten hat.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und den GRÜ- NEN)

Der Bestand an Sozialwohnungen in Bayern hat sich in den letzten 20 Jahren halbiert; nur 3 bis 4 % des gesamten Wohnungsbaus entfallen auf den sozialen Wohnungsbau. Als der Bund, Herr Ministerpräsident, in den letzten Jahren die Finanzmittel für den Wohnungsbau verdreifachte, haben Sie als bayerischer Finanzminister umgehend unsere Landesmittel halbiert. So kann man einer dramatischen Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt nicht entgegentreten.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Zuruf des Abgeordneten Markus Rinderspacher (SPD) – Volkmar Halbleib (SPD): Ein Desaster!)

In dieser dramatischen Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt hat die Staatsregierung wohl die größte Fehlentscheidung der letzten Jahrzehnte getroffen: den Verkauf der 33.000 GBW-Wohnungen

(Unruhe)

mit 85.000 Mieterinnen und Mietern, die heute, Herr Ministerpräsident, der Grundstock einer staatlichen Wohnbaugesellschaft sein könnten, wenn Sie sie nicht dem Markt mit seinen freien Kräften in den Rachen geworfen hätten.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der SPD: Bravo! Jawohl!)

Die Krise auf dem bayerischen Wohnungsmarkt liegt also auch in der Verantwortung der Bayerischen Staatsregierung, und bei dieser zentralen Frage unseres Landes haben Sie versagt – anders kann man es nicht mehr nennen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Nun haben Sie die Gründung einer Wohnbaugesellschaft angekündigt. Im Januar sprachen Sie davon, mit dieser Wohnbaugesellschaft in drei Jahren 4.000 Wohnungen bauen zu wollen. Heute haben Sie in Ihrer Regierungserklärung gesagt, Sie würden in den nächsten acht Jahren 10.000 Wohnungen bauen wollen. Ich weiß nicht, wer das bei Ihnen durchrechnet, aber jetzt wollen Sie noch weniger bauen, als Sie im Januar bauen wollten – das heißt, pro Kommune pro Jahr 0,6 Wohnungen. Ist Ihnen das eigentlich deutlich geworden?

(Volkmar Halbleib (SPD): Tja!)

Wie wollen Sie damit den Bedarf an sozialem, bezahlbarem Wohnraum in den Griff bekommen? – Das ist doch eine Nullnummer!

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Das hat wenig mit Ehrlichkeit und Geradlinigkeit zu tun – damit, wie wir Politik eigentlich machen müssten. Was wir in diesem Land tatsächlich brauchen – und zwar nicht irgendwann, sondern jetzt –, ist eine Wohnraumoffensive Bayern. Was bedeutet das? Jetzt zähle ich Ihnen einmal zehn Punkte auf.

Erstens. Wir müssen uns sofort einen Überblick über die bebaubaren staatlichen Flächen verschaffen. Das nennt man ein Flächenkataster.

(Beifall bei der SPD)

Das gibt es aber nicht. Sie wissen nicht einmal, wie viele bebaubare Flächen wir haben. Das sollten Sie aber wissen. Das sollten wir alle wissen.

Zweitens. Wir müssen eine Wohnbaugesellschaft gründen, die in den nächsten fünf Jahren mindestens 25.000 neue bezahlbare Wohnungen baut.

(Beifall bei der SPD)

Fachleute von Wohnbaugesellschaften und der Bauindustrie sagen: Ja, das ist ambitioniert, aber es ist machbar, es muss nur der Wille dafür vorhanden sein.

Der dritte Punkt: Wir müssen die Landesmittel für den Wohnungsbau mindestens auf 350 Millionen Euro jährlich erhöhen. Die Landesmittel für Wohnungsbau sind heute am Tiefststand seit den 90er-Jahren. Das kann nicht Ihr Ernst sein.

(Beifall bei der SPD)

Diese Summe von 350 Millionen Euro ist in meinen Augen auch absolut vertretbar. Warum? – Jede Wohnung, die gebaut wird, bedeutet einen dauerhaften Wert, und genau deswegen geht das – man muss es nur wollen.

Heute haben Sie einen Nachtragshaushalt angekündigt. Wir hatten genau diesen Nachtragshaushalt bereits im März im Haushaltsausschuss in diesem Parlament beantragt. Im März, also vor vier Wochen, haben Sie diesen abgelehnt; heute kommt er. – Gut, sei’s drum. Wenn man über parlamentarische Arbeit spricht, sollten Sie Ideen der Opposition, die gut sind, die zukunftsweisend sind, einfach einmal früher annehmen. Dann geht das Land insgesamt nach vorne.

(Zurufe von der SPD – Lebhafter Beifall bei der SPD und den FREIEN WÄHLERN)

Viertens. Ich bin immer noch bei einer Wohnraumoffensive; Sie können es gerne mitnotieren oder nachher noch einmal nachlesen: Wir müssen den Genossenschaften und den Kommunen Bauland für geförderten Wohnungsbau zu günstigen Bedingungen zur Verfügung stellen, bevorzugt in Erbpacht, um als Land die Kontrolle über den Boden zu behalten. Das wird in unserem Land überhaupt nicht mehr getan. Der Freistaat, Herr Ministerpräsident, verkauft hingegen im Moment nach wie vor seine Grundstücke zu Marktpreisen. So funktioniert das nicht. Sie müssen sich Gedanken für die Zukunft machen.

(Beifall bei der SPD und den FREIEN WÄH- LERN)

Fünftens. Sie sagen immer: Alle Kräfte müssen zusammengehen. – Ja, das stimmt, und wir müssen den Landkreisen endlich alle Möglichkeiten an die Hand geben, selbst zu bauen – nur dann bündeln wir unsere Kräfte, die wir in diesem Land haben.

Der sechste Punkt: Wir müssen Genossenschaften als eigene Säule in das Wohnraumförderungsprogramm aufnehmen. Das ist überfällig.