Protocol of the Session on April 18, 2018

Dieser Gesetzentwurf kann nur an einer einzigen Stelle den Anforderungen gerecht werden, nämlich der Schaffung und Finanzierung eines flächendeckenden Krisendienstes an 24 Stunden an sieben Tagen der Woche. Einverstanden! In allen anderen Bereichen weist der Gesetzentwurf deutliche Defizite auf. Die Hilfeangebote, also Leistungen, die den Menschen in einer psychischen Krise befähigen sollen, eigenverantwortlich und selbstbestimmt zu leben, muss man regelrecht suchen.

Noch einmal: Mit der geplanten Unterbringungsdatei werden zahlreiche personenbezogene Daten, auch hochsensible wie Diagnosen, zentral für fünf Jahre gespeichert. Strafvollstreckungsbehörden, Sicherheitsbehörden, Verwaltungsbehörden sowie die Justiz sollen darauf Zugriff haben. Das ist völlig überzogen und leistet einer Stigmatisierung unserer psychisch Kranken deutlich Vorschub. Dieses Gesetz darf nicht in Kraft treten.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Kolleginnen und Kollegen, leider habe ich nicht die Zeit, das Gesetz noch näher zu beleuchten. Wir fordern – das können wir im Ausschuss machen – ein Melderegister für Zwangsmaßnahmen in anonymisierter Form; damit kann eine ausreichende Transparenz und eine effektive Kontrolle über die in Bayern durchgeführten Zwangsmaßnahmen erreicht werden. Diese Forderung werden wir einbringen.

Für die FREIEN WÄHLER hoffe ich jedenfalls – dafür werde ich mich einsetzen –, dass es uns doch noch gelingt – entsprechende Signale sind heute ausgesandt worden –, diesen Gesetzentwurf in ein modernes Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz umzuwandeln, das Hilfe für Menschen in Krisen anbietet und deren Rechte effektiv schützt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke sehr, Herr Dr. Vetter. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Schulze.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! "Wenn jemand krank ist, dann helfe ich" – ein Satz, den wohl jeder unterschreiben würde, bis auf die CSU. Anders kann ich mir deren Vorschlag für ein Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz nicht erklären. Und wenn Sie diesen Gesetzentwurf weiter so vor sich hertragen, sollten Sie ihn in "Psychisch-Kranken-Hilfe-Verweigerungsgesetz" umbenennen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn jemand krank ist, ist er oder sie krank, und dann verdient er oder sie eine ordentliche Behandlung. Und da ist es egal, ob es sich um einen Herzinfarkt handelt, um eine Grippe oder um eine seelische Krankheit. Wir, die wir alle hier in diesem Raum sitzen, kennen sicherlich mindestens eine Person im Freundes- oder Verwandtenkreis, die schon einmal psychisch krank war oder ist. Für einige von uns hier gilt das ebenfalls. Das ist total normal; denn nicht weniger als ein Drittel aller Menschen wird im Laufe ihres Lebens psychisch krank, und diese Menschen können auch in Ausnahmesituationen kommen. Ich finde, im Jahr 2018 ist es endlich an der Zeit, dass die Vorurteile, die Stigmatisierung und das Schämen dafür aufhören müssen; denn auch seelische Krankheiten gehören zum Leben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber anstatt den seelisch kranken Menschen zu helfen, stigmatisiert die CSU sie mit diesem Gesetzentwurf. Anstatt die Heilung der Krankheit in den Vordergrund zu stellen, geht es der CSU primär um die Gefahrenabwehr, und anstatt psychisch kranke Menschen zu unterstützen, rückt die CSU sie in die Nähe von Straftätern.

Die Kolleginnen und Kollegen haben es vorhin schon gesagt: Vier Paragrafen in dem Gesetzentwurf enthalten Aussagen über Hilfe für die Patientinnen und Patienten, und 35 Paragrafen gibt es mit Aussagen über ihre Unterbringung zum Zwecke der Gefahrenabwehr. Das allein spricht Bände.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Seidenath, da kann ich Sie jetzt nicht verstehen, dass Sie sich darüber betroffen zeigen, dass die Öffentlichkeit nicht über die paar positiven Errungenschaften spricht. Wenn der Hinweis auf 35 Paragrafen nicht hilft, bin ich heilfroh, dass die Bevölkerung so laut und stürmisch ist und klar formuliert, dass das, was Sie hier vorgelegt haben, so nicht verabschiedet werden kann.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben aus dem Bayerischen Maßregelvollzugsgesetz abgeschrieben, einem Gesetz, in dem es um verurteilte psychisch kranke Straftäter geht, und Sie wollen jetzt diese Maßnahmen für Menschen hernehmen, die sich in einer seelischen Krise befinden und unschuldig sind. Das finde ich, ehrlich gesagt, schäbig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Unsere Aufgabe hier im Parlament ist es doch, den Willen, die Selbstbestimmtheit und die Unversehrtheit der Patientinnen und Patienten mit einem solchen Gesetz zu schützen. Das, was Sie vorgelegt haben, entspricht weder dem aktuellen Stand der Wissenschaft noch der Medizin noch den Ergebnissen des Runden Tisches seit 2014. Was Sie fabriziert haben, ist in meinen Augen ein zivilisatorischer Rückschritt. Die Psychiatrie ist da schon weiter, und die Gesellschaft ist schon weiter. Nur Sie als CSU verharren in diesem Punkt in der Vergangenheit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kolleginnen und Kollegen, Menschen, die eine seelische Krankheit haben und trotz Angst vor Stigmatisierung Hilfe in Anspruch nehmen, gehören auf eine Liste starker Persönlichkeiten und nicht in eine zentrale Unterbringungsdatei. Wer wird denn in einer Notsituation noch vertrauensvoll professionelle Hilfe suchen, wenn klar ist, er wird als psychisch Kranker registriert und stigmatisiert? Da macht es auch gar keinen Unterschied, ob die Daten nur ein Jahr oder fünf Jahre gespeichert werden. Damit lassen Sie alle kranken Menschen in ihrer Not und Verzweiflung alleine. Deswegen ist für uns GRÜNE klar: Wir brauchen anonymisierte Register mit Informationen zu Zwangsmaßnahmen und Zwangsbehandlungen und keinen CSU-Überwachungswahn.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich möchte aber auch das Positive an dem Gesetzentwurf erwähnen: Endlich gibt es landesweite Krisendienste. Aber auch da gilt, dass die Lorbeeren nicht der CSU, sondern den bayerischen Bezirken gebühren. Ohne deren Druck wäre nichts vorangegangen. Dafür möchten wir heute auch vielen herzlichen Dank sagen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zusammenfassend kann man eigentlich nur feststellen: Von der Novellierung des Polizeiaufgabengesetzes bis hin zu diesem Gesetzentwurf sieht man sehr deutlich, was Sie für ein Menschenbild haben. Sie haben kein Interesse an Freiheit, an Selbstbestimmung und an Bürgerrechten. Sie zeigen mit diesen

Gesetzen Ihr wahres Gesicht, und das ist, finde ich, ehrlich gesagt, kein schöner Anblick.

Deswegen muss das Gesetz in dieser Form weg. Wir GRÜNE haben 2014 schon vor den Runden Tischen den ersten Gesetzentwurf vorgelegt und waren sehr froh, dass es endlich losging und man gemeinsam beraten hat. Umso entsetzter sind wir zusammen mit den vielen Initiativen und mit den Verbänden über das, was am Ende herausgekommen ist.

Mich würde auch sehr interessieren, wie die Staatsregierung intern vorgeht. Die beiden Ministerinnen haben das Positive nach vorne gesetzt. Auf der anderen Seite stehen im Gesetzentwurf richtige Hämmer. Irgendwo muss das doch untereinander abgestimmt worden sein. Es hat auf jeden Fall nichts mit dem zu tun, was am Runden Tisch beschlossen wurde. Deswegen sagen wir GRÜNE ganz klar: Das Gesetz muss in dieser Form weg, und wir werden dafür alles tun, was nötig ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin Schulze. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Claudia Stamm. Bitte schön, Frau Stamm.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Kurz und knapp zusammengefasst: Es gab jahrelang Anhörungen, und am Ende ist die gesamte Expertise inklusive der Expertise der eigenen Partei, der CSU, vom Tisch gewischt worden.

Die Unterbringungsdatei ist zu streichen, oder zumindest sind die Zugriffsmöglichkeiten durch andere Behörden einzuschränken. Die generellen Benachrichtigungspflichten der Klinik an die Polizei bei Erwachsenen sind zu streichen oder zumindest zu beschränken. Das ist, etwas gekürzt, aus der Anhörungsstellungnahme des Bayerischen Bezirkstags zitiert. Das ist ziemlich deutlich und ziemlich klar formuliert.

Das Gesetz atmet den Geist einer repressiven Haltung gegenüber psychisch Erkrankten, die als Sicherheitsrisiko und nicht als Menschen gesehen werden, die Hilfe benötigen. Das heißt, psychisch kranke Straftäter werden psychisch Kranken gleichgestellt. Es ist ein Sicherheitsgesetz und kein Hilfegesetz. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies im Sinne der Bayerischen Verfassung und des Grundgesetzes ist, die auch Freiheitsrechte lieben. Außerdem verstößt

es sicherlich auch gegen die Konvention der Vereinten Nationen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Suizidrate bei bestimmten psychischen Erkrankungen ist jetzt bereits sehr hoch, und zwar einfach deswegen, weil es viel zu wenig Therapieplätze und viel zu lange Wartezeiten gibt. Wenn sich jetzt Patienten und Patientinnen aus Sorge darum, dass ihre absolut sensiblen Krankheitsdaten für Jahre gespeichert werden, nicht an die Hilfe wenden, die sie bräuchten, kann dieses Gesetz sogar tödlich wirken. Ich bin sicher und hoffe, dass es noch verändert wird, diesmal hoffentlich auch ganz schnell mit Hilfe vonseiten der CSU.

Danke schön, Frau Kollegin Stamm. – Die Aussprache ist geschlossen. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Gesundheit und Pflege als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Das ist der Fall. Dann ist so beschlossen.

Sie wissen, wir haben als Sitzungsende 19.00 Uhr fest vereinbart. Aufgrund dieser Tatsache sind die Fraktionen, zum Teil schweren Herzens, übereingekommen, den nächsten Gesetzentwurf noch aufzurufen, ihn aber ohne Aussprache in den Ausschuss zu verweisen.

Ich rufe also den Tagesordnungspunkt 4 c auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Tobias Reiß, Karl Freller u. a. und Fraktion (CSU) zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes (Drs. 17/21586) - Erste Lesung

Es erfolgt keine Aussprache. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Das ist der Fall. Dann ist das so beschlossen.

Kolleginnen und Kollegen, die noch offenen Tagesordnungspunkte werden verschoben. Damit kann ich jetzt sogar ein paar Minuten vor der Zeit die Sitzung beenden.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.

(Schluss: 18.56 Uhr)