Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächste hat Frau Kollegin Waldmann von der SPD das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Natürlich gehört es sich, dass man am Anfang betont, wie wichtig das Ehrenamt für unsere Gesellschaft ist. Fast jeder Zweite in Bayern engagiert sich ehrenamtlich. Wir haben es bei den Vorrednern auch schon gehört: Was wäre unsere Gesellschaft, was wäre unser öffentliches Leben ohne dieses starke Engagement? Darauf sind wir stolz, und das macht uns als Gesellschaft auch stark.
Bislang war es allerdings so, dass die SPD als einzige Fraktion im Nachgang zu dem Ereignis, dass die Förderung des Ehrenamts als Staatsziel in die Bayerische Verfassung aufgenommen wurde, einen Gesetzentwurf eingebracht hat. Natürlich haben Sie unsere Vorschläge erst einmal alle abgelehnt. Sie sind aber Stück für Stück alle wieder aufgetaucht und jetzt zur Umsetzung gekommen.
Das war zunächst so bei der Zukunftsstiftung Ehrenamt, die Sie in Bausch und Bogen abgelehnt hatten, um sie dann ein paar Monate später einzurichten.
So ist es auch mit unserem Vorschlag, einen Ehrenamtsbeauftragten zu benennen. Ich habe gestern kurz vor Mitternacht entdeckt, dass der Ministerpräsident gestern noch eine ganze Reihe von Beauftragten ernannt hat, darunter auch eine Ehrenamtsbeauftragte.
Vielleicht haben es auch noch nicht alle gehört und mitbekommen. Es wird eine Ehrenamtsbeauftragte geben: die Kollegin Brendel-Fischer. Das ist einer der wesentlichen Punkte gewesen, die wir gefordert hatten.
Sehr geehrte Frau Kollegin, nun stellt sich natürlich die Frage, wie hoch dieses Thema denn angesiedelt werden wird. Tritt die Beauftragte jetzt an die Stelle des bisherigen Staatssekretärs, der im Sozialministerium angesiedelt war und gestern abgeschafft wurde? Ist das jetzt eine Aufwertung für das Ehrenamt, gewinnt diese Arbeit jetzt auch für die Staatsregierung insgesamt an Bedeutung? Oder ist das vielleicht eine Schwächung? – Man muss es sehen. Das hängt von Ihrer Ausstattung ab. Es hängt von Ihren Geschäftsbereichen ab. Es hängt davon ab, wo Sie angesiedelt sind. Ich erinnere daran, dass wir gesagt haben, man sollte einen unabhängigen Ehrenamtsbeauftragten hier am Bayerischen Landtag ansiedeln und nicht irgendwo im Ministerium unter ferner liefen.
Das wäre ja vielleicht noch eine Chance. Vielleicht ist da noch nicht das letzte Wort gesprochen, wie diese Ausstattung jetzt genau aussehen soll.
Sehr geehrte Frau Kollegin, es hängt aber natürlich auch von Ihrer Person ab. Lassen Sie sich bitte nicht zur Grüß-Gott-Tante machen! Es wäre nämlich schlecht, wenn alle in der Staatsregierung am Ende froh sind, dass es eine Beauftragte gibt, bei der man die lästigen Themen abliefern kann – und dann werden Sie damit alleingelassen und müssen ohne echte Zuständigkeit und Macht gucken, was Sie dann tun sollen.
Ich wünsche Ihnen dafür Glück. Wir wollen Sie gerne unterstützen, und wir wollen auch, dass Ihre Stelle gestärkt wird, weil damit das Ehrenamt in Bayern gestärkt wird. Vielleicht kann man bei der Architektur dieser Stelle seitens der Mehrheitsfraktion noch etwas Nachdruck – –
(Gudrun Brendel-Fischer (CSU): Ich sorge für Nachdruck! Da brauchen Sie sich nicht darum zu kümmern!)
Gut. Aber es geht sicher auch um die Rahmenbedingungen. Ganz allein werden Sie das nicht können. Wir haben nämlich Grund zur Besorgnis.
Wir haben vor nicht ganz zwei Wochen den Innovationspreis Ehrenamt verliehen. Ich war selber mit in der Jury, in der aus jeder Fraktion jemand mit dabei war.
Es waren auch sehr viel Expertise und Fachleute vom Runden Tisch aus dem Bereich Ehrenamt dabei. Ganz ehrlich gesagt, es war trotzdem eine ausgesprochen ärgerliche Veranstaltung, weil sie allein zur Selbstbeweihräucherung der Staatsregierung und der CSU-Mehrheit genutzt wurde. Es wurden aus der Jury ausschließlich CSU-Mitglieder benannt. Sowohl in der Begrüßung als auch in den Einspielerfilmchen kamen nur CSU-Kollegen vor. Es kam kein anderer aus den Fraktionen vor. Und noch schlimmer: Es kam auch kein anderer von den Ehrenamtlichen vor, zum Beispiel vom Landesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement, von all den anderen Organisationen, die am Runden Tisch dabei sind. Das war also sehr ärgerlich. Ich denke, das kann besser werden. Da sind wir hier auch eine bessere Zusammenarbeit vom Bürgerpreis Ehrenamt, den der Landtag verleiht, gewohnt. Da haben wir nämlich eine sehr gute und konstruktive Zusammenarbeit, wofür allein schon die Landtagspräsidentin sorgt. Ich denke, da haben wir eine gute Tradition entwickelt, und ich würde mir wünschen, dass es auch in diese Richtung weitergeht.
Die zweite Sorge betrifft das Sorgentelefon, das der Kollege Jörg gerade angesprochen hat. Wie sieht das denn genau aus? – Wir haben einen Bericht vom damaligen Staatskanzleichef Huber bekommen, wie es denn mit diesem Sorgentelefon aussieht. Es war nämlich bei der Staatskanzlei angesiedelt, obwohl die eigentliche Zuständigkeit beim Staatssekretär des Sozialministeriums sein sollte. Das hat niemand so recht verstanden.
Dann stellt sich heraus, dass es sich um eine allgemeine Servicestelle der Staatsregierung mit Dienstsitz in Kaufbeuren handelt. Ganz offenbar hat das Thema bei der Schwerpunktsetzung nicht die allererste Priorität. Dieses Sorgentelefon ist nur an Werktagen und während der Arbeitszeit zu erreichen. – Sie wissen aber schon, dass die Ehrenamtlichen ihre ehrenamtliche Arbeit natürlich in ihrer Freizeit leisten müssen und in Teufels Küche kommen können, wenn sie während der Arbeitszeit, von der Arbeit aus versuchen, dieses Sorgentelefon zu erreichen. Da hat man vielleicht das Grundprinzip eines Sorgentelefons noch nicht richtig verstanden oder noch nicht wirklich aufgegriffen.
Im Bericht aus der Staatskanzlei hieß es auch, wenn keine direkte Klärung möglich sei, solle derjenige, der etwas wissen wolle, eine E-Mail schreiben, die dann an die Ministerien weitergeleitet würde. Das heißt also, dass es sich mehr oder weniger um die Stelle einer Telefonistin handelt, die weiterleiten kann, aber es handelt sich nicht um einen kompetenten An
sprechpartner, der gebündelte Informationen und Hilfe aus einer Hand anbieten kann, was eigentlich nötig wäre. Da gibt es also noch einiges zu verbessern.
Ich möchte Ihnen auch noch zwei wichtige, ganz konkrete Themen mit auf den Weg geben. Wo zum Beispiel sind denn Unterstützung und Bürokratieabbau tatsächlich nötig? Wir haben eine neue Richtlinie, zum Teil auch auf europäischer Ebene: die DatenschutzGrundverordnung. Was heißt das jetzt? – Das kann dazu führen, dass ein Übungsleiter, der eine E-Mail schreibt, in der er die Telefonnummern und die EMail-Adressen der Kursteilnehmer zusammenfasst und allen zur Verfügung stellt, in Teufels Küche kommen kann. Er kann mit dieser Verordnung ernste Probleme bekommen, da sie zum Teil bußgeldbewehrt ist, wenn man hier Fehler macht. Der Strafrahmen geht bis zu 20 Millionen Euro. Das sorgt für echte Verunsicherung, und hier gäbe es echten Informations- und Beratungsbedarf.
Der Datenschutzbeauftragte in Baden-Württemberg hat zum Beispiel von sich aus einen Leitfaden und eine Checkliste entwickelt, um die Vereine hier zu beraten und die Ehrenamtlichen zu unterstützen. Man kann also von sich aus aktiv Unterstützung und Hilfe gewähren.
Man muss nicht warten, bis sich am Sorgentelefon irgendjemand verzweifelt zu melden versucht, nein: Sie können das aktiv gestalten.
Ich komme damit zur zweiten wesentlichen Grundlage, die das Ehrenamt wirklich braucht und die wirklich helfen würde, um mit Bürokratie besser zurechtzukommen. Das wäre eine Grundhaltung in der Staatsregierung, in den Ministerien und in den Behörden, Ehrenamtliche und Vereine, mit welchen Anliegen auch immer sie kommen, nicht immer nur als Bittsteller zu sehen, sondern den Service-Gedanken in den Vordergrund zu stellen.
Es wird immer wieder betont, wie sehr wir das Ehrenamt brauchen, wie stark wir darauf angewiesen sind. Das passt dann oft gar nicht mit dem zusammen, was die Menschen erleben, wenn sie sich an eine Behörde oder an ein Ministerium wenden und sich dann sehr mühsam, oft nach Buchbinder-Wanninger-Art, durchfragen müssen; wenn sie abgewimmelt werden; wenn sie vertröstet werden und Dinge lange brauchen. Das sind Probleme, bei denen Sie tatsächlich helfen könnten und angesichts derer vielleicht auch eine neue Grundhaltung quer durch alle Ministerien und zu allen Aufgaben etabliert werden könnte. Das wäre eine neue Grundhaltung, die ehrenamtlich engagierten Bürger als Partner zu begreifen und eben nicht als
Bittsteller, eine Grundhaltung, die von vornherein darauf schaut, was man tun könnte, um wirklich zu unterstützen und nicht nur auf irgendwelche Richtlinien hinzuweisen.
Darin sehen wir eine echte Chance. Wir wünschen Ihnen viel Glück und eine gute Hand und hoffen, dass es Ihnen gelingt, Ihre Tätigkeit rechtzeitig hinreichend bekannt zu machen, und dass es zu einer etwas intensiveren Zusammenarbeit kommt. Wir hoffen auch, dass wir Sie beim Runden Tisch Ehrenamt regelmäßig zu sehen bekommen. Das war bisher bei den Vertretern des Sozialministeriums nicht immer der Fall. Sie haben sich meistens auf das Begrüßen beschränkt, und dann hatten sie etwas Wichtigeres zu tun. Wir freuen uns, wenn das eine neue Bedeutung bekommt.
Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächste hat Frau Kollegin Kamm für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank für das Thema dieser Stunde. Ich denke, es ist wichtig, das Ehrenamt zu stärken und zu unterstützen. Das bedeutet aber nicht unbedingt, dass man alle möglichen Regelungen, die aus irgendwelchen Gründen erforderlich sind, abschafft, sondern das bedeutet vor allen Dingen – Ruth Waldmann hat es auch gesagt – eine andere Kultur des Umgangs mit den Ehrenamtlichen.
Wir wollen, dass die Menschen in Bayern mehr mitgestalten und mitbestimmen können. Ehrenamtliche leisten einen außerordentlich wichtigen Beitrag zum Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Damit meine ich nicht nur Vereine, gemeinnützige Organisationen und Verbände, sondern auch ehrenamtliche Einzelpersonen.
Wir haben die Situation, dass viele mit der ehrenamtlichen Tätigkeit anfangen, weil einfach Not ist und weil es erforderlich ist zu handeln, weil man nicht länger zuschauen kann, wie die Situation ist, sondern weil man sie verbessern möchte. Das machen die Leute natürlich lange, bevor sie wissen, was die Bayerische Staatsregierung möglicherweise für das Ehrenamt tut oder nicht tut. Sie handeln quasi aus sich selbst heraus, aus eigener Verantwortung heraus. Mit diesem ehrenamtlichen Engagement stärken sie das Rück
Fast die Hälfte der Menschen in Bayern ist ehrenamtlich tätig, darunter auch viele Migrantinnen und Migranten, deren Engagement oft nicht so gesehen wird, weil sie es häufig nicht vereinsorientiert tun.
Wir wollen, wo immer möglich, das Engagement der Ehrenamtlichen stärken und fördern, sicherlich auch durch mehr Beratung, beispielsweise bei der Vereinsgründung und Ehrenamtsanerkennung. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es derzeit kaum ratsam ist, einen gemeinnützigen Verein ohne notarielle Begleitung zu gründen. Ob das so sein muss, möge dahingestellt sein. Aber ich denke, durch entsprechende Beratungsangebote könnten auch juristische Schwierigkeiten ausgeräumt werden. Derzeit gibt es solche Angebote sicherlich nur unzureichend. Natürlich wären – da sind wir ganz bei Ihnen – mehr Ausbildung und Fortbildungsangebote für Ehrenamtliche, und nicht nur für Feuerwehrler,
Die Frage, ob die gesetzlichen Vorgaben, die Sie zum Teil in Ihrer Pressemitteilung kritisiert haben, jeweils angemessen sind, lässt sich sicher nicht pauschal beantworten. Gesundheitsbescheinigungen für den Verkauf von Speisen sind sicher erforderlich, völlig egal, ob die Speise ehrenamtlich oder hauptamtlich verkauft wird. Dasselbe gilt natürlich beim Jugendschutz. Ich denke, wir sollten alle gemeinsam bei den Ehrenamtlichen wie den Hauptamtlichen um Verständnis werben, dass diese Maßnahmen keine Schikane,
sondern schlicht und einfach notwendig sind. Wir können nicht das Kind mit dem Bade ausschütten, sondern sollten schauen, welche Regelungen erforderlich sind – sind alle erforderlich? – und welche wir so gestalten können, dass sie auch wirklich praktikabel sind.
Im Zusammenhang mit einer praktikablen Gestaltung besteht sicher beim Thema des Mindestlohns noch Handlungsbedarf. Regelmäßig hat man in gemeinnützigen Organisationen Schwierigkeiten, wenn beispielsweise jemand mit einem 450-Euro-Job die Buchhaltung macht und nebenbei vielleicht noch eh
renamtlich eine andere Funktion in dem Verein übernimmt. Da können Sie in Teufels Küche kommen, wenn Sie Pech haben. Hier erwarten wir tatsächlich mehr Klarheit und bessere Möglichkeiten. Natürlich ist es wichtig zu definieren, welche Funktionen hauptamtlich und welche Funktionen ehrenamtlich sind, um das Ganze prüfbar zu machen. Wir brauchen hier mehr Rechtssicherheit bei den Vereinen und bei den Organisationen.