Man muss noch etwas sagen: Sie verweisen in Ihrem Antrag auf die Integration. Integration ist wichtig, aber welchen Stellenwert die Integration bei der neuen Staatsregierung hat, das sieht man an der Ressortverteilung. Bisher war die Integration im Sozialministerium angesiedelt. Integration heißt: Vereinigung, Zusammenschluss, Wiederherstellung eines Ganzen. Integration ist genuin ein soziales Thema. Man kann zwar die Integration beim Innenministerium ansiedeln, aber das einen ganz anderen Beigeschmack. Dann geht es nämlich eher in die Sicherheitstechnik hinein. Ob es aber das ist, was Integration leisten soll? – Ich bezweifle es.
Lassen Sie mich zum Schluss festhalten: Es wäre ein gutes Thema gewesen, man hätte es aber vielleicht anders aufbereiten müssen. Es geht darum, dass unsere Kultur gefördert wird, das Selbstverständnis, aber auch das Verständnis für andere Kulturen und Werte. Das gibt Orientierung und Halt in einer Gesellschaft, in einer Gesellschaft, in der wir zusammenleben sollen, in einer Gesellschaft, in der, wie es in der Nationalhymne heißt, Einigkeit bestehen soll. Diese Einigkeit aber müssen wir leben – auf der Basis unseres Rechts.
Danke schön, Herr Kollege Streibl. – Für die SPD hat sich Frau Kollegin Hiersemann gemeldet. Bitte schön.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren von der CSU, zunächst hätten wir Ihnen für diesen Antrag fast danken wollen. Nach diesem schier unglaublichen Redebeitrag von Frau Kollegin Wittmann entfällt dieser unser Dank angesichts des Tons, den Sie, Frau Wittmann, vorgegeben haben.
Frau Wittmann, gegen Ihren Ton und den Inhalt Ihrer Rede und gegen Ihre Beschimpfungen verwahre ich mich aufs Schärfste. Sie haben in unverschämter Art und Weise gegen Einrichtungen der Arbeiterwohlfahrt und gegen deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesprochen.
Frau Wittmann, Ihr Ton zeigt sehr genau, was sich in Ihrer Fraktion und Ihrer Partei gerade abspielt. Er zeigt, was die Motive für Ihr politisches Handeln sind. Sie haben den Hintergrund geschildert. Eine Kindertagesstätte hat neben den Gebräuchen des christlichen Osterfestes, neben dem Basteln von Osterhasen auch den irischen St. Patrick‘s Day gefeiert. In dieser Kita hat man also schlicht gesagt: Erweitern wir doch einmal den Horizont, vermitteln wir den Kindern, dass in anderen Ländern andere Feste, auch christliche Feste, gefeiert werden. Das ist im Übrigen auch das, was der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan aus Ihrem Bayerischen Sozialministerium besagt. Dort heißt es, die Kinder sollen eine Grundhaltung lernen, die Individualität und Verschiedenheit auch in Bezug auf religiös weltanschauliche Zugehörigkeit als wertvoll erachtet. Vermittelt werden sollen Wertschätzung und Offenheit gegenüber anderen. – Wertschätzung und Offenheit, Frau Kollegin Wittmann!
(Beifall bei der SPD – Harald Güller (SPD): Wertschätzung heißt auch zuhören, wenn jemand anderes redet, Frau Wittmann!)
Es ging schlicht um einen Gedenktag, und zwar für einen katholischen Heiligen. Sie aber, Frau Wittmann, haben den Nerv, St. Patrick als einen Schutzheiligen der betrunkenen Biertrinker in den Dreck zu ziehen. Dagegen verwahre ich mich, auch wenn ich Protestantin bin.
(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Harald Güller (SPD): Frau Wittmann, Sie hören nicht zu! Das ist eine Unverschämtheit!)
Ein Sturm der Entrüstung brach also los in Markt Schwaben, angeführt von einer örtlichen CSU-Gemeinderätin, die sich auf ihrem Facebook-Account über das AWO-Vorhaben beschwerte: Wir sind in Bayern. Hier wird Ostern gefeiert, und zwar nur Ostern. Ostern, Ostern, Ostern – nichts als Ostern. Deshalb kommen Sie nun mit Ihrem Antrag daher. Die Staatsregierung soll sich gegen den Untergang des Abendlandes stemmen. Er steht zwar nicht bevor, aber Sie brauchen solche Themen, um zu zeigen, wie gut Sie AfD können.
Also bemühen Sie schon wieder die von Ihnen bereits beim Bayerischen Integrationsgesetz kreierte christlich-jüdisch-abendländische Kultur, die Sie in Gefahr sehen. Frau Wittmann, Sie sagen, Sie seien sogar stolz auf das Zustandekommen dieses Gesetzes in diesem Hause. Sie haben die Diskussion in der Sitzung im Dezember 2016 um 22.30 Uhr eingestellt und waren nicht mehr bereit, Argumente auszutauschen. Es ist eine Schande für Ihre Fraktion, darauf noch stolz zu sein.
Sie bemühen die christlich-jüdisch-abendländische Kultur. Im Verlauf des Texts Ihres Antrags fällt dann das Jüdische in Ihrer Abendlanddefinition weg. Da ist Ihnen wohl aufgefallen, dass Jüdinnen und Juden naturgemäß kein christliches Osterfest feiern.
Vor allem aber ist Ihnen bewusst geworden, dass Jüdinnen und Juden in der Geschichte des Christentums im Wesentlichen unermessliches Leid auch unter dem Zeichen des Kreuzes erfahren haben. Wo immer der Begriff "christlich-jüdisch" von Ihnen benutzt wird, muss auch immer wieder gesagt werden, dass Menschen jüdischen Glaubens von Christen über Jahrhunderte in Europa, vor allem in Deutschland und Bayern, ausgegrenzt, verfolgt und ermordet worden sind. Vielleicht hat Ihnen wie auch mir ein Theologieprofessor als Kirchenvertreter gesagt: Es gibt in der Kirche gar keine Vorstellung eines christlich-jüdischen Abendlandes. Das ist eine Fiktion. Das gab es wohl noch nie.
Christliche Feste leben durch ihre Inhalte. Herr Kollege Streibl hat das gesagt. Die Inhalte müssen auch gelebt werden. Die Erinnerung an Sankt Martin ist aber nicht viel wert, wenn Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, eine Politik machen, die nicht von der Bereitschaft des Teilens mit anderen geprägt ist.
Ihr besorgter Antrag läuft auch aus christlicher Sicht in die inhaltliche Leere, wenn Sie Kindern in Markt Schwaben und anderswo christlichen Feiertage als Teil Ihres Abendlandes vermitteln wollen, aber gleichzeitig mit Ihrer Politik Kinder, die auf der Flucht sind, ausblenden. Sie schicken gut integrierte Flüchtlingskinder mit ihren Eltern in zerstörte Länder zurück. Deshalb hören Sie endlich auf mit Ihrem verzweifelten Versuch, Ihre sogenannte Leitkultur zu füllen. Hören Sie auf, dafür andere Menschen und andere Religionen zu vereinnahmen.
Die Staatsregierung soll sich nun um das Osterfest und um Sankt Martin als Teil der christlich-abendländischen Kultur in Kindertagesstätten kümmern. Warum eigentlich nicht um Weihnachten? Ist Weihnachten nicht in Gefahr? Haben Sie Weihnachten vergessen? Warum nicht Weihnachten? Worum geht es Ihnen eigentlich? Geht es Ihnen um den Osterhasen? Geht es Ihnen um das Suchen von Ostereiern? – Dies hat, wie wir alle wissen, vom Ursprung her nichts mit den Inhalten des christlichen Osterfestes zu tun. Oder wollen Sie nicht eigentlich etwas ganz anderes sagen? – Sie blasen einen winzigen Vorgang auf und behaupten, dass christliche Feste in Kindertageseinrichtungen von Kindern nicht mehr erfahren werden könnten, weshalb sie durch die Staatsregierung gerettet werden müssten. Auf diesem Wege wollen Sie erneut diese gerade bei Ihnen so beliebte Ausgrenzung anderer, vor allem der Angehörigen des Islam, fördern.
Seien Sie doch wenigstens ehrlich. Sie wollen wieder behaupten, der Islam gehöre nicht zu Deutschland und schon gar nicht zu Bayern. Dazu hängen Sie sich – Frau Wittmann, ich habe nicht glauben können, dass auch Sie das tun – an Fake-Meldungen dran. Das sind Fake-Meldungen, die seit Jahren zehntausendfach verbreitet durch das Internet geistern, wonach die Sankt-Martin-Umzüge angeblich in Lichterfeste umbenannt werden sollten. Ihren Ursprung hat diese Meldung vor circa zehn Jahren in Wien genommen. Dort entstand die Fake-Meldung, dass die Flüchtlinge und der Islam dafür verantwortlich seien. Deshalb verweisen Sie auch mitten im März auf Sankt Martin in Ihrem Antrag. Das hat Methode bei Ihnen. Auch Alexander Dobrindt hat im Januar dieses Jahres
Ihr Antrag ist auch bemerkenswert, weil er so unschuldig daherzukommen scheint. Gerade deshalb ist er so unglaublich heuchlerisch.
Ostern, Sankt Martin und das Christliche bemühen Sie, wenn Sie glauben, dass Sie sich damit des Rückhalts der Kirchen versichern können. Glauben Sie mir, da irren Sie sich. Sie sprechen plötzlich allen Ernstes von der Bewahrung christlicher Traditionen, nachdem die Vertreter der CSU vor wenigen Tagen im Verfassungsausschuss eine Petition mit dem Wunsch auf Geltung des katholischen Feiertags Maria Himmelfahrt für alle Kommunen in Bayern abgelehnt haben. Es wurde gesagt, es bestehe kein Bedarf, dass auch in Kommunen mit überwiegend protestantischer Bevölkerung dieser Tag als Feiertag gefeiert wird – von Katholiken und Protestanten zusammen.
An dieser Stelle besteht also kein Bedarf für das Christliche. Sie holen es heraus, wenn Sie argumentativ nicht mehr weiter wissen. In derselben Sitzung haben Sie erneut versucht, anders als Herr Kollege von Lerchenfeld heute, die Sargpflicht in Bayern als etwas Urchristliches darzustellen. Es handle sich um ein christliches Kulturgut, das man nicht aufgeben dürfe. Das trifft nachweislich nicht zu. Sie ignorieren die Haltung der christlichen Kirchen, die das deutlich verneinen. Sie bleiben hartnäckig dabei. Das tun Sie wider besseres Wissen.
Trotz Ihrer offenbar so großen Sorge um christliche Traditionen und deren Vermittlung lehnen Sie seit 1995 jeden Antrag auf Wiedereinführung des Buß- und Bettages ab – im Übrigen gegen den Wunsch beider christlicher Kirchen und aus Gründen, die weit entfernt von einem christlichen Abendland sind.
Wir wissen es alle: Ihnen geht es um etwas völlig anderes. Tatsächlich lassen Sie keine Gelegenheit aus, schon einmal vorsorglich AfD-Anträge zu stellen, um am rechten Rand zu fischen. Die CSU-Gemeinderätin in Markt Schwaben hat gemerkt, was passiert, wenn man das sogenannte "gesunde deutsche Volksempfinden" herbeiruft. Laut Presse sagte sie danach, sie habe so einen Aufruhr nicht im Sinn gehabt. Auch auf die Freundschaftsanfragen diverser AfD-Sympathisanten auf Facebook hätte sie gerne verzichtet. Das gilt auch für Kommentare, die sich mit der Rettung des Abendlandes befassen. Das sagt Ihre CSU-Gemeinderätin. Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wollen darauf nicht verzichten. Sie hoffen auf Freundschaftsanfragen von der rechten Seite und auf Wählerstimmen genau von dort.
Ihnen scheinen kein Anlass zu gering und kein Mittel zu unappetitlich zu sein. Wenn es zusätzlich zu den österlichen Gebräuchen eine St.-Patrick´s-Feier in einer Kindertageseinrichtung in Markt Schwaben gibt, muss halt diese herhalten. Ob Sie Ihr Ziel auf diese Weise erreichen werden, bezweifle ich sehr. Ich kann Ihnen für meine Fraktion verbindlich zusagen, dass wir Ihnen auch künftig derartig durchsichtigen Populismus nicht werden durchgehen lassen. Für meine Fraktion stelle ich fest, dass wir für die Vermittlung von religiösen und kulturellen Inhalten stehen. Aber zu all dem gehören auch die Religionen, Sitten und das Brauchtum anderer Kinder aus anderen Ländern. Offenheit und Wertschätzung gegenüber anderen sind das Gegenteil von Heuchelei. Wir lehnen Ihren Antrag ab, weil er an Heuchelei nicht zu überbieten ist.
Der Antrag der FREIEN WÄHLER ist sicherlich gut gemeint, aber er strotzt vor Selbstverständlichkeiten. Der Antrag beinhaltet Punkte, die bekannt sind. Kolleginnen und Kollegen von den FREIEN WÄHLERN, Sie haben offensichtlich versucht, sich noch schnell auf den Zug zu schwingen, mit dem die CSU gerade unterwegs ist, nach dem Motto: Es kann nicht schaden draußen im Lande. Deshalb lehnen wir aus vergleichbaren Gründen auch Ihren Antrag ab. Auch Sie benutzen diesen völlig verschwurbelten Begriff der christlich-jüdisch-abendländischen Kultur. – Vielen Dank und frohe Ostern!
Kinder erfragen unvoreingenommen die Welt und stehen ihr staunend gegenüber.... Die Frage nach Gott kann für sie... eine zentrale Lebensfrage sein.
... Eigene religiöse Erfahrungen und das Miterleben von Gemeinschaft, Festen, Ritualen... können helfen, Eigenes und Fremdes zu erschließen. Ethische und religiöse Bildung und Erziehung unterstützen die Kinder in der Auseinandersetzung mit ihren Fragen und stärkt sie in der Ausbildung einer eigenen Urteils- und Bewertungsfähigkeit.
... Das Nebeneinander von positiver und negativer Religionsfreiheit, das Recht, sowohl frei über die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft zu entscheiden als auch Religiosität zu praktizieren und zugleich vor Vereinnahmung geschützt zu sein, sowie die zunehmende interkulturelle Zusammensetzung der Bevölkerung haben zur Folge, dass Kinder heute in einem gesellschaftlichen Umfeld aufwachsen, das durch eine Vielfalt von Religionszugehörigkeiten und religiösen Angeboten sowie durch Menschen ohne religiöses Bekenntnis gekennzeichnet ist....
Eine Grundhaltung, die Individualität und Verschiedenheit auch in Bezug auf religiös-weltanschauliche Zugehörigkeit als wertvoll erachtet, ermöglicht es, anderen sowie sich selbst mit Achtung zu begegnen. …
Sich mit den vorfindlichen Formen von Religionen, Religiosität und Glaube auseinander setzen, Unterschiede wahrnehmen und sich der eigenen religiös-weltanschaulichen Identität bewusst werden
Zentrale Elemente der christlich-abendländischen Kultur kennen lernen sowie andere Kulturkreise im Blick haben …
Religiöse Feste erleben sowie Erzählungen der Bibel, aber auch andere religiöse Schriften, Geschichten, Legenden und liturgische Vollzüge kennen lernen und Zusammenhänge mit dem eigenen Leben entdecken. …
Ethische und religiöse Bildung und Erziehung steht, was die Bedeutung für die Entwicklung des Kindes und die Verbindlichkeit zur Umsetzung angeht, in Kindertageseinrichtungen gleichwertig neben den anderen Bildungs- und Erziehungsbereichen. … Ihre Umsetzung unterscheidet sich jedoch von Einrichtung zu Einrichtung. Gründe dafür sind: Die Trägerschaften unterscheiden sich