Ihrer Analyse stimme ich nicht in allen Punkten zu. Darauf kommt es aber gar nicht an. Glasklar ist, dass sich an unseren Hochschulen wahnsinnig viel tut. Sehen Sie sich einmal an, welche berufsbegleitenden Studiengänge und modularen Angebote in den letzten drei bis fünf Jahren geschaffen wurden. Am Ende muss nicht unbedingt ein Bachelor- oder Masterabschluss gemacht werden. Die Hochschulen sind hier mehr als fleißig.
Darauf kommt es aber nicht an. Sie wollen mit einer gesetzlichen Regelung in Bayern eine Dynamik erreichen, die so nicht eintreten wird. Wir haben heute bereits eine gute Dynamik, die wir mit begleitenden Maßnahmen beschleunigen. Das dürfte unstrittig sein. Sie glauben aber: Wir machen jetzt dieses Gesetz; jeder Bürger in Bayern wird dieses Gesetz lesen, es toll finden und dann mehr machen. – So läuft das nicht; und so lief es nicht in den anderen Bundesländern. Wir müssen in Bayern nicht den gleichen Fehler begehen, der in anderen Bundesländern begangen wurde.
Frau Präsidentin, liebe Kollegen! Noch ein paar Anmerkungen. Ich weiß schon, dass das nichts hilft. Es gehört aber dazu, dass wir uns ausführlich über die unterschiedlichsten Positionen austauschen.
Erstens. Freistellung für Bildung ist mehr als betriebliche Weiterbildung. Das sei nur einmal so angemerkt. Eine Verknüpfung von Rückgang der Zahlen in anderen Bundesländern und dem Gesetz ist nicht statthaft, weil es keine Untersuchung gab, warum die Zahlen zurückgegangen sind.
Zweitens. Bei Ihnen werden die Verlierer weiterhin die Älteren, die geringer Qualifizierten und die Mitarbeiter in Unternehmen ohne Tarifbindung sein. Sie haben das Schreiben der Gewerkschaften, das wir in der vergangenen Woche bekommen haben, komplett unerwähnt gelassen. Sie müssen es nicht erwähnen, aber ich will kurz darauf eingehen. Die Gewerkschaften hätten nämlich auch gern ein Bildungsfreistel
lungsgesetz. Wir wollen Weiterbildung erleichtern und die Möglichkeit der Weiterbildung sicherstellen.
Kurz zu den FREIEN WÄHLERN: Ich respektiere Ihre Enthaltung. Aber ganz ehrlich: Wenn Ihnen dieses Thema wirklich wichtig gewesen wäre, hätten Sie dazu Änderungsanträge einbringen können. Das haben Sie nicht getan. Liebe Kollegen, die Fortbildung liegt nicht nur in der Verantwortung des Einzelnen. Sie sollte heutzutage auch in der politischen und gesellschaftlichen Verantwortung sowie in der Verantwortung der Arbeitnehmer liegen. Die Debatte heute war deutlich gemäßigter als in der letzten Plenarsitzung und in der Sitzung des Sozialausschusses. Sie haben sich gut überlegt, wen Sie heute reden lassen. Ich stelle fest: Sie stehen nicht auf der Seite der Arbeitnehmer oder der Gewerkschaften. Sie nehmen nicht die einfachen Arbeiter in den Blick, die jeden Tag in Unternehmen, im Lager oder sonst wo stehen. Wir sprechen doch hier nicht ausschließlich über Leute, die vorhaben, ihren Meister, den Bachelor oder den Master zu machen und ohnehin in den Unternehmen stark vertreten sind.
Wir müssen auch daran denken, dass es nicht in allen Unternehmen Betriebsräte gibt. Die Organisationsformen, die Sie genannt haben, gibt es nicht in allen Unternehmen. Wir müssen deshalb alle in den Blick nehmen und dürfen nicht selektiv vorgehen, wenn wir die betriebliche Weiterbildung insgesamt stärken wollen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Gesellschaft und unsere Arbeitswelt sind in ständigem Wandel. Das haben alle Kollegen vor mir gesagt. Gerade die Digitalisierung beschleunigt diesen Wandel enorm. Vor diesem Hintergrund sind wir uns einig, dass die Bildung und gerade die berufliche Weiterbildung von herausragender Bedeutung ist. Deswegen eint uns auch das Ziel: Wir wollen, dass die Menschen, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Puls der Zeit bleiben. Wie wir dieses Ziel erreichen wollen, darüber gehen unsere Vorstellungen absolut auseinander.
Meine Damen und Herren von der Opposition, wie so oft setzen Sie darauf, alles mit Gesetzen und Vorschriften zu reglementieren. Wir halten eine solche umfassende gesetzliche Reglementierung für grundfalsch; denn eines dürfen wir bei der ganzen Debatte nicht aus dem Blick verlieren: Das Rückgrat unserer Wirtschaft bilden unsere vielen kleinen und mittelständischen Betriebe. Viele davon sind Familienunterneh
men, die ihre unternehmerische Verantwortung für ihre Beschäftigten absolut wahrnehmen. Berufliche Weiterbildung liegt schlicht in ihrem eigenen Interesse, weil nur gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestmögliche Ergebnisse erzielen können. Auf diese Eigenverantwortung setzen wir.
Wir brauchen passgenaue, branchenspezifische und betriebsspezifische Lösungen. Wer könnte solche Lösungen besser ausarbeiten als die Tarif- und Betriebspartner? Wer kann branchenspezifische, regionale oder betriebliche Besonderheiten besser berücksichtigen als sie? – Das kann kein Gesetzgeber, auch nicht der bayerische.
Ich traue es den Tarifpartnern und den Betriebspartnern zu, solche passgenauen Lösungen zu finden. Eine ganze Reihe von Branchen, wie zum Beispiel die Metall- und Elektroindustrie, die Kunststoff verarbeitende Industrie und auch der öffentliche Dienst der Länder, nutzen tarifvertragliche Regelungen seit mehreren Jahren äußerst erfolgreich. Berufliche Weiterbildung wird damit nicht zum 08/15-Kleidungsstück, das niemandem richtig passt, sondern zum Maßanzug.
Unser oberstes Ziel muss doch immer sein, den Anliegen aller Beteiligten gleichermaßen gerecht zu werden und nicht einseitig Politik zu betreiben. Eines möchte ich deutlich sagen: Wir waren uns in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD einig. Die Frau Landtagspräsidentin war in dieser Verhandlungsgruppe dabei: Die SPD, die CDU und die CSU setzen auf Freiwilligkeit statt auf Zwang. Das ist im Koalitionsvertrag so festgelegt.
Mit der künftigen nationalen Weiterbildungsstrategie werden wir alle Aktivitäten von Bund und Ländern bündeln und eine neue Weiterbildungskultur etablieren. Wir werden mehr Transparenz in die Weiterbildungslandschaft bringen, und wir werden im Dialog mit den Sozialpartnern weitere Möglichkeiten ausloten, um die Weiterbildung gerade angesichts der Digitalisierung voranzubringen. Wir werden auch die Bundesagentur für Arbeit weiterentwickeln. Sie soll nicht nur eine Bundesagentur für Menschen sein, die arbeitslos sind, sondern auch eine Bundesagentur für Menschen, die eine Weiterbildung benötigen.
Lassen Sie uns einmal die Auswirkungen eines Bildungsfreistellungsgesetzes anschauen. Man sieht sehr schnell, dass bloße Reglementierung gar nichts bringt. Einen Blick in die Bundesländer, die ein solches Gesetz haben, haben die Kollegen schon geworfen. Dieser zeigt ganz deutlich, dass die Inanspruchnahme der Bildungsfreistellung äußerst gering ist. Teilweise ist sie im Vergleich zu früheren Jahren sogar rückläufig. Das ist aber nicht einmal das We
sentliche. Trotz eines Weiterbildungsgesetzes zum Beispiel in Niedersachsen und in Nordrhein-Westfalen ist die Weiterbildungsquote in Bayern ohne ein solches Gesetz höher als in diesen beiden Ländern. Der Nutzen eines solchen Gesetzes ist daher sehr zweifelhaft.
Eines ist nicht zweifelhaft: Die immense finanzielle Mehrbelastung für die Unternehmen und damit auch für die Arbeitgeber und für den Staat. Die SPD gibt sogar zu, dass auf Staat, Wirtschaft und Kommunen Kosten in nicht bezifferbarer Höhe zukommen werden. Bei pessimistischer Betrachtung kostet das Bildungsfreistellungsgesetz die Unternehmer in Bayern 115 Millionen Euro pro Jahr und den Freistaat circa 13,5 Millionen pro Jahr. Die Kosten für den bürokratischen Mehraufwand sind dabei noch gar nicht berücksichtigt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, immer wieder wird als weiteres Argument für ein Bildungsfreistellungsgesetz das Übereinkommen Nummer 140 der Internationalen Arbeitsorganisation ins Feld geführt. Dieses Übereinkommen sagt Ihrer Meinung nach, dass wir ein Bildungsfreistellungsgesetz erlassen müssen. Sie sollten das Übereinkommen aber genau lesen. Es fordert zwar die Gewährung von bezahltem Bildungsurlaub. Es sagt aber auch, dass dies durch innerstaatliche Gesetzgebung, Gesamtarbeitsverträge, Schiedssprüche oder – und das ist wichtig – auf jede andere Art und Weise erfolgen kann. Eine Handlungspflicht des Gesetzgebers oder für Bayern gibt es nicht. Deshalb haben die Tarifpartner ohne Zweifel die Aufgabe, das zu lösen.
Die Bayerische Staatsregierung und besonders ich als Arbeitsministerin verfolgen einen doppelten Ansatz und setzen auf Anreize und Freiwilligkeit statt auf Reglementierung und Zwang. Wir fördern Maßnahmen und Projekte mit dem Europäischen Sozialfonds, und dafür stehen bis zum Jahr 2020 insgesamt 70 Millionen Euro an Fördervolumen zur Verfügung. Der Kollege Jörg hat es vorhin schon angesprochen. Gemeinsam mit Arbeitgebern, Gewerkschaften und der Arbeitsverwaltung wollen wir schon bald den Pakt für berufliche Weiterbildung 4.0 auf den Weg bringen. Herr Jena ist mit im Boot. Die Wirtschaft ist mit im Boot. Die Kammern sind mit im Boot, und ich sage Ihnen: Jeder Partner soll sich mit eigenem Engagement einbringen. Wir werden dies gemeinsam auf den Weg bringen.
Der wichtigste Bestandteil des Pakts ist die Digitalisierung. Gemeinsam sorgen wir dafür, dass Beschäftigte und Unternehmen am Puls der Zeit bleiben. So bringt man das Thema Weiterbildung gemeinsam und freiwillig voran. Weiterbildung und lebenslanges Lernen
sind auch mir ein Herzensanliegen. Wir unterstützen so nicht nur die Menschen selbst, sondern stärken gleichzeitig unseren Wirtschaftsstandort. Das geht aber nur im einvernehmlichen Miteinander aller Akteure. Das können wir nicht einfach von oben her verordnen. Ein gesetzlicher Anspruch auf Bildungsfreistellung funktioniert bereits jetzt in anderen Bundesländern nicht. Warum sollte es bei uns in Bayern anders sein?
Ein solches Instrument ignoriert schlicht die Funktionsweise und die Bedürfnisse unseres Arbeitsmarktes. Es maximiert lediglich die Kosten und den bürokratischen Aufwand. Das können wir nicht wollen; denn das ist weder im Sinne der Beschäftigten noch im Sinne der Betriebe.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir den Pakt für Weiterbildung auf den Weg bringen, sind wir in Bayern mit allen Partnern, die dieses auch wollen, ein Stück weiter gekommen. Ich kann nur sagen, wir sind auf einem guten Weg, und deswegen können wir die beiden Gesetzentwürfe nicht unterstützen.
Danke schön. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung, und dazu werden die Tagesordnungspunkte wieder getrennt. Ich bitte jetzt um Aufmerksamkeit. Wir werden zunächst eine Abstimmung in einfacher Form durchführen, dann eine Abstimmung in namentlicher Form, und anschließend kommen noch zwei Abstimmungen in einfacher Form. Ich bitte deshalb, nach der namentlichen Abstimmung wieder Platz zu nehmen.
Ich komme zunächst zur Abstimmung über den Initiativgesetzentwurf der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 17/18332. Der federführende Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend, Familie und Integration empfiehlt die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Wer dagegen dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. – Das sind die SPD-Fraktion und das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Die Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. – Das ist die CSU-Fraktion. Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltung der FREIEN WÄHLER ist der Gesetzentwurf abgelehnt.
Nun komme ich zur namentlichen Abstimmung über den Initiativgesetzentwurf der SPD-Fraktion auf Drucksache 17/18210. Der federführende Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend, Familie und Integra
tion empfiehlt die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Ich eröffne die Abstimmung. Sie haben fünf Minuten Zeit.
Die fünf Minuten sind um. Wir schließen die Abstimmung und lassen außerhalb des Sitzungssaales auszählen.– Ich bitte noch einen Moment um Aufmerksamkeit.
Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Isabell Zacharias, Ruth Waldmann u. a. und Fraktion (SPD) zur Änderung des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes (Schutz von lesbischen Frauen und schwulen Männern vor Diskriminierung in Pflegeheimen) (Drs. 17/18492) - Zweite Lesung
Die Fraktionen sind übereingekommen, auf eine Aussprache zu verzichten. Wir kommen deshalb gleich zur Abstimmung. Der Abstimmung liegt der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion auf Drucksache 17/18492 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Gesundheit und Pflege empfiehlt die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Wer dagegen dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. – Das sind die SPD-Fraktion und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen! – Das sind die CSU-Fraktion und die Fraktion der FREIEN WÄHLER sowie Herr Kollege Felbinger (fraktions- los). Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen. Dann ist der Gesetzentwurf abgelehnt.
Antrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Dr. Karl Vetter u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Konzept für die Weiterentwicklung der Hebammenausbildung (Drs. 17/19284)
Antrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Verena Osgyan u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bericht zum Stand der Ausbildung sowie der Akademisierung von Hebammen vorlegen (Drs. 17/19279)
verzichten. Wir kommen deshalb gleich zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Gesundheit und Pflege empfiehlt den Antrag der Fraktion der FREIEN WÄHLER, Drucksache 17/19284, zur Ablehnung. Zum Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 17/19279, empfiehlt er Zustimmung.
Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Antrag der Fraktion der FREIEN WÄHLER zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. – Das sind die SPD-Fraktion, die Fraktion der FREIEN WÄHLER und die Fraktion der GRÜNEN sowie Herr Kollege Felbinger (fraktionslos). Gibt es Gegenstimmen? – Das ist die CSU-Fraktion. Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen. Dann ist der Antrag abgelehnt.
Wer dem Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 17/19279, zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. – Das sind die CSU-Fraktion, die SPD-Fraktion, die Fraktion der FREIEN WÄHLER und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und Herr Kollege Felbinger (fraktionslos). Gibt es Ge
genstimmen? – Keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen. Dann ist diesem Antrag zugestimmt worden.
Nun gebe ich noch das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Doris Rauscher, Ilona Deckwerth und anderer und Fraktion (SPD) betreffend ein "Bayerisches Gesetz zur Freistellung von Arbeitnehmern zum Zwecke der beruflichen und gesellschaftlichen Weiterbildung (Bayerisches Bildungsfrei- stellungsgesetz – BayBiFG)", Drucksache 17/18210, bekannt. Mit Ja haben 44 gestimmt, mit Nein haben 77 gestimmt. Stimmenthaltungen: 10. Damit wurde der Gesetzentwurf in Zweiter Lesung abgelehnt.